Wein und Tanz
Jisungs Pov:
Gestern hatte ich auch den anderen neugierigen Personen, sprich Niki, Sunoo und sogar Hyunjin, von meiner gemeinsamen Nacht mit Minho berichtet und dabei das ein oder andere Detail ausgelassen, um mir einen Teil meiner persönlichen Erinnerungen mit Minho genauso privat zu erhalten. Im Grunde mussten sie mich wohl nur so lange ausfragen, weil ich sehr vage antwortete. Irgendwann hatte sich aber selbst Sunoo mit meinen Antworten zufrieden gegeben.
Heute Morgen war mir wiederholt bewusst geworden, wie behütet und willkommen ich mich mittlerweile im Palast fühlte, aber dass selbst diese Empfindungen noch immer übertroffen werden konnten. Denn dass ich in Ägypten einmal solche Tage wie diesen verleben würde, hätte ich mir nicht zu träumen gewagt: Ich saß umgeben von meinen neuen Freunden unter dem dicht gewebten Sonnensegel und genoss das Leben. Der Grund für diese Zusammenkunft war Jeongin, der sich sozusagen selbst dazu eingeladen hatte, mit allen Mitgliedern des Harems einen idyllischen Nachmittag zu verbringen. Und dabei verbreitete er wie üblich Freude und Wohlbefinden unter den Anwesenden.
Der junge Prinz war nur eine halbe Stunde nach der üblichen Mittagsruhe in den gemeinschaftlich geteilten Räumen aufgetaucht. Im Schlepptau mehrere Bedienstete, die schwer beladene Obstplatten und Krüge voller duftendem Wein trugen. Einige weitere Sklaven hatten reich bestickte Decken und Kissen herbeigeschleppt, nur um diese dann, auf Jeongins Anweisung, hinaus in den Garten unter das große Sonnensegel zu bringen, welches schon bald vielmehr einem gemütlichen Zelt glich.
Jeongin hatte uns alle gebeten, mit ihm hinauszukommen, ihm Gesellschaft zu leisten und ihm von allem zu berichten, was er noch nicht erfahren hatte. Die gute Laune des Jüngeren sprang schnell auf die Anwesenden über und ich konnte mir zunehmend einen Eindruck davon verschaffen, wie nahe die Mitglieder von Minhos Harem dem Prinzen tatsächlich standen. Besonders Hyunjin schien Jeongin zu mögen und gut zu kennen, denn er wuschelte ihm sogar zweimal durchs dunkle Haar und grinste ihn frech an, während der junge Prinz sich nur liebevoll darüber echauffierte und dem Schwarzhaarigen seinerseits in die Seite knuffte.
Auch mit Niki fand Jeongin schnell ein Gesprächsthema und berichtete ihm ausführlich von all den fremden Gebräuchen, die er in Nubien aufgeschnappt hatte. Schließlich saßen wir alle in einer Art Halbkreis unter dem großen Baldachin – jeder mit einem Becher Wein in der Hand – und sahen zu, wie Jeongin gemeinsam mit Niki und Sunoo einen Tanz nachahmte, der mehr aus heiterem Umherhüpfen und lautem Klatschen bestand. Selbst ich musste stark an mich halten, um nicht laut loszuprusten.
Die Szene vor mir wirkte so bizarr und gleichzeitig so befreiend echt und ungekünstelt, dass ich mich rundum wohl fühlte. Schon leicht berauscht vom Wein lehnte ich mich zurück und beobachtete die jungen Männer vor mir, die sich gar nicht so stark von mir unterschieden, wie ich zunächst geglaubt hatte. Jeder von ihnen hatte seine eigene Geschichte, seine eigene Erklärung dafür, warum er hier war, und einen guten Grund, zu bleiben. Vielleicht war dieser Grund für uns alle auch der gleiche – Minho.
„Kommt schon. Ziert euch nicht so!", forderte Jeongin jetzt Hyunjin und Yeji auf, sich ebenfalls der lustigen Tanzrunde anzuschließen. Doch Yeji winkte nur lachend ab, während Hyunjin sich schlussendlich von Jeongin auf die Beine ziehen ließ. Nun alberten sie also zu viert herum, übten selbst ausgedachte Tanzschritte und versuchten, die Hände und Arme möglichst elegant zu bewegen.
Hätte ich jetzt mein Handy, würde ich es sofort filmen. Aber irgendwie ist es auch schön, diesen Moment nur einmal sehen zu können. Er wird eine tolle Erinnerung, die ich sicher nie vergesse.
Hyunjin schaffte es immerhin, den etwas seltsam wirkenden Tanzschritten mehr Eleganz zu verleihen und als sich Sunoo und Niki an ihm orientierten, wurde die ganze Tanzeinlage bald auch aus ästhetischen Gründen unterhaltsam.
Ich war sehr froh, dass ich nicht selbst dort stehen und mitmachen musste. Zwar schätzte ich meine Künste im Tanzen recht passabel ein, aber eben nur, was das Bewegen zu moderner Musik anging.
Seungmin neben mir schien ebenfalls erleichtert darüber zu sein, von einer Tanzaufforderung verschont zu bleiben. Stattdessen widmete er sich einer Unterhaltung mit Yeji, die jedoch schon nach wenigen Minuten von dem lauten Lachen von drei der Tanzenden unterbrochen wurde. Überrascht und neugierig wandte ich mich der Gruppe zu und bemerkte das, was den Lachenden wohl schon längst aufgefallen war: Nikis Kleidung hatte den wilden Bewegungen nicht standgehalten und nun klaffte ein Riss dort, wo die Naht des Gewandes hätte sein sollen. Niki versuchte bereits, den restlichen Stoff zusammenzuraffen und sich damit zu bedecken. Gleichzeitig lachte er ebenso laut und winkte ab, als ein hinzueilender Bediensteter ihm helfen wollte.
Stattdessen rückte Niki das Gewand zurecht und verknotete die beiden lose gewordenen Enden jetzt in seinem Nacken. Nun sah es beinahe aus, als würde er ein rückenfreies Kleid tragen, das er wahrscheinlich gerade ganz aus Versehen neu erfunden hatte.
„Schon gut, es ist ja glücklicherweise warm und vielleicht hält es so noch eine Weile, bis ich es nähen lasse", meinte Niki unbekümmert und wandte sich wieder den anderen Tanzenden zu.
Das Schmunzeln wollte mir an diesem Tag einfach nicht mehr vom Gesicht weichen und es fühlte sich fast so an, als würden meine Mundwinkel allmählich verkrampfen, weil ich so viel lächelte und lachte. Aber gleichzeitig war es befreiend, dies zu tun, also genoss ich es.
Die spätnachmittägliche Sonne schien auf die dünnen Stoffbahnen herab und bald schon würden die Bediensteten einige der angeknoteten Bahnen umhängen müssen, um uns vor der langsam versinkenden Sonne zu schützen. Aber noch reichte kein Strahl weit genug an uns heran. Dennoch wurde ich mit voranschreitender Zeit etwas schläfrig. Ich war vollkommen entspannt, obwohl so viele aufgedrehte Menschen um mich herumwuselten.
Ich fühlte mich tatsächlich wohl.
Mein Dahindämmern wurde jäh unterbrochen, als mehrere Personen den Säulengang entlanggelaufen kamen und dann den Weg in den Garten einschlugen. Ich kniff die Augen leicht zusammen und dann spürte ich, wie sich mein Herzschlag beschleunigte. Dunkelbraune Haare glänzten im Sonnenlicht, weiße, fließende Gewänder blendeten fast meine müden Augen und ich spürte unwillkürlich die Wärme in meiner Brust aufsteigen, als ich Minho beobachtete, wie er mit langen Schritten auf uns zukam.
Doch nicht nur er war es, der plötzlich die Aufmerksamkeit auf sich zog.
„Chan!"
Jeongin löste sich von Sunoo und eilte dem General vollkommen unbekümmert entgegen, warf sich in seine Arme und kicherte vergnügt.
Okay, Jeongin sollte heute auch nichts mehr trinken. Wenn er schon so beschwippst ist, dass er Chan so formlos vor allen Anwesenden begrüßt, sollte er sich später eine gute Ausrede einfallen lassen.
Aber keiner der Anwesenden schien sich im Mindesten daran zu stören, wie vertraut Chan und Jeongin miteinander waren. Vielleicht ahnten sie auch bereits, dass die beiden zusammen waren. Dennoch versuchte Chan, seinen Partner in seinem Übermut einzubremsen, und sprach deshalb leise und etwas abseits mit ihm.
Und dann war da auch noch Felix, der wie so oft alles um Minho herum im Auge zu behalten schien und gleichzeitig höflichen Abstand zu ihm hielt. Seine grünen Augen huschten umher, so als würde er sich vergewissern, dass alles sicher war. Erst dann merkte ich, wie sich seine Schultern lockerten und er Minho nicht weiter folgte, sondern ihm nur nachsah, als dieser sich sogleich in meine Richtung aufmachte.
Und automatisch landete mein Blick wieder auf dem gottgleichen Mann, der mir mit einem hinreißenden Lächeln entgegenblickte und sich offenkundig ebenso sehr freute, mich zu sehen.
„Geht es dir gut, Jisung?", fragte er sanft, als er sich dicht neben mir niederließ und mich aufmerksam musterte.
Ich summte zustimmend und blinzelte ihn glücklich an. „Ich bin nur etwas müde und angetrunken... der Wein ist sehr stark", gab ich unbekümmert zurück und Minhos Lächeln vertiefte sich, bevor er mir meinen Becher abnahm und einen großen Schluck daraus trank. Er verzog selbst kurz den Mund, sah dann in den Becher und von diesem zu dem Krug, den ein Bediensteter hielt. Dann schüttelte Minho mit einem leisen Lachen den Kopf.
„Da passt man einmal nicht auf seinen persönlichen Weinvorrat auf und schon hat der kleine Bruder alles für sich beansprucht."
Nun warf ich Jeongin einen prüfenden Blick zu und fragte erstaunt. „Wirklich? Er hat deinen Weinvorrat geplündert?"
Minho nickte und erwiderte trocken. „Sieht ganz danach aus." Aber als sein Blick über die Anwesenden schweifte und er die ausgelassene Stimmung ebenso in sich aufzunehmen schien wie ich, grinste er wieder charmant und zuckte die Schultern. „Aber offenbar war es genau die richtige Entscheidung." Sogleich trank er noch einen Schluck aus meinem Becher und winkte dann den Bediensteten mit dem Krug heran. Er ließ sich nachschenken und dann lagen seine braunen Augen erneut auf mir.
„Hattest du einen angenehmen Tag mit den anderen?"
Seine Fragen und sein liebevolles Interesse an mir machten mich glücklicher, als ich es in Worte fassen konnte. Also tastete ich nach seiner Hand, verschränkte unsere Finger und betrachtete die bunte, aufgewühlte Runde voller Wohlbehagen. „Den hatte ich definitiv. Du hättest nur ein wenig eher hier sein müssen, dann hättest du miterlebt, wie dein Bruder, Hyunjin, Sunoo und Niki nubische Tänze aufführen und Nikis Gewand gerissen ist", verriet ich ihm schmunzelnd.
Minhos Augen weiteten sich ungläubig und sein Blick huschte zu Niki. „Nun verstehe ich, weshalb seine Kleidung so... seltsam aussieht. Ich dachte schon, er hat diese neue Art der Gewandung selbst gestaltet."
„Gewissermaßen...", gab ich zu. „... und immerhin war er gewitzt genug, die Überreste der Kleidung neu zu arrangieren und trägt sie mit derselben Würde und Eleganz wie zuvor."
„Da hast du ganz Recht, Jisung", pflichtete mir Minho bei und rutschte vertrauensvoll ein Stück näher. Seine Augen glänzten voller Sanftheit und Wärme und seine rosigen Lippen schimmerten, als er mit der Zungenspitze ihre Konturen nachfuhr.
Mein Blick blieb ganz automatisch an ihnen haften und ebenso automatisch lehnte ich mich ein Stück nach vorn. Minho bemerkte dies sofort und auch er kam mir näher. Sein Atem traf meine Haut und seine Hand umschloss meine fester.
„Jisung, ich möchte dich noch etw-"
„Jetzt lasst uns alle etwas essen!", rief Jeongin plötzlich so laut, dass ich zurückzuckte und mich zu ihm umdrehte. Der junge Prinz stand mit erhobenem Becher da und stieß gerade mit Yeji und Hyunjin an, bevor er mit leicht verklärtem Blick – der durchaus auch dem Alkohol zugeschrieben werden konnte – zu uns trat und sich an Minhos rechter Seite niederließ.
„Komm schon, Bruder. Lass uns feiern und Spaß haben. Du hast dir den ganzen Tag Bittgesuche deines Volkes und Vorschläge deines Rates angehört. Nun verbring zumindest den Rest des Tages mit den Menschen, die dich über alles schätzen und die deine Anwesenheit zu würdigen wissen." Damit tippte er seinen Becher gegen meinen, der noch immer in Minhos Hand ruhte, und trank einen großen Schluck.
Ich suchte kurz Minhos Blick, bevor ich mich nach Chan umsah und ihm versuchte, stumm zu verstehen zu geben, dass er seinen Partner besser etwas zügeln sollte. Ein etwas müdes Lächeln huschte über Chans Gesicht, bevor er sich schräg hinter Jeongin niederließ, ihn liebevoll an sich zog und ihm dabei geschickt den Becher entwand.
„Ich stimme dir zu, Jeongin. Ich habe schon lange nicht mehr mit allen von euch den Tag verbracht, also lasst uns dies nun nachholen." Minho hatte sich etwas aufgerichtet, den Becher erhoben und sah in die Runde. Alle kamen sogleich näher und sogar Felix sicherte sich einen Platz neben einer der großen Obstschalen, von der er ab und an einige Trauben und Dumpalmnüsse stibitzte.
Und nur wenige Minuten später stand die Sonne so tief, dass sie in das Zelt strahlte, welches voller Freude, Wein und geselligem Geschnatter war, weil jeder Minho erzählte, was in letzter Zeit in seinem Leben vorgegangen war. Der junge Pharao hatte mich auf seinen Schoß gezogen und hörte dennoch interessiert und aufmerksam zu. Er streichelte meinen Arm und stellte Fragen an die Erzählenden und trotz der geteilten Aufmerksamkeit fühlte ich mich rundum wohl und geliebt.
Ich war umgeben von Liebe und Wärme.
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Hattet ihr auch schon mal Tage, von denen ihr gehofft habt, sie könnten einfach ewig so weitergehen? So ungefähr wollte ich diesen Tag für Jisung und die anderen gestalten. ✨
I love you Stay. 💕
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