Verschiedene Gründe
Jisungs Pov:
Am nächsten Tag in Minhos Bett aufzuwachen und festzustellen, dass die Sonne sogar schon den Zenit überschritten hatte, ließ mich verträumt schmunzeln. Vor allem, als ich meinen Kopf drehte und Minho noch immer friedlich schlafend neben mir vorfand. Er hatte einen Arm locker um mich gelegt und seine dunklen Haare rahmten sein engelsgleiches Gesicht, während sich seine Nasenflügel bei jedem Atemzug sanft blähten. Ich betrachtete ihn minutenlang und musste mehrmals den überwältigenden Drang unterdrücken, über seine ebenmäßige Haut zu streicheln oder allein deshalb eine Fangirlattacke zu bekommen, weil er selbst während des Schlafens übernatürlich schön aussah.
Vorsichtig kuschelte ich mich näher an ihn, schloss meine Augen nochmal und schwelgte in den Erinnerungen der letzten Nacht. Ich ließ die erotischen Szenen vor meinem inneren Auge vorbeiziehen und prägte mir jedes Detail und jede berauschende Berührung ganz genau ein.
Schließlich bewegte sich der warme Körper neben mir und ich riskierte einen Blick auf Minho, der gerade blinzelnd die Augen aufschlug und sich umsah. Als er mich wach vorfand, trat ein Lächeln auf seine Lippen und er beugte sich über mich, um einen zärtlichen Kuss auf meinen Mund zu drücken.
„Hast du gut geschlafen, Jisung?"
Eifrig nickte ich und versuchte nicht rot zu werden, als die Decke von Minhos Körper rutschte, weil er seinen Arm anhob. Aber das feurige Kribbeln breitete sich bereits von meinen Wangen überall hin aus, nun, da ich seinen nackten Körper bewundern konnte, der meinem gestern so nahegekommen war. Also rollte ich mich auf die Seite und merkte bei dieser Bewegung erstmals, wie erschöpft und wund ich mich fühlte. Dennoch ließ ich es mir nicht nehmen, mich an Minhos Brust zu schmiegen und seinen guten Duft nach Lilien und etwas Würzigem einzuatmen. Ich konnte sogar den leichten Schweißgeruch wahrnehmen, der von den anstrengenden Aktivitäten der letzten Nacht noch an ihm haftete, aber er störte mich nicht.
Eine Hand streichelte durch mein Haar und Minho raunte nun direkt in mein Ohr: „Was hältst du von einem ausgiebigen Bad und einer Mahlzeit?"
Kichernd drückte ich meine Stirn gegen seine Brust und murmelte: „Dagegen habe ich nichts einzuwenden."
„Hervorragend, dann warte hier."
Mit einem kleinen Schmollmund akzeptierte ich, dass sich Minho von mir löste und sich vom Bett erhob. Der junge Pharao legte sich nur locker ein Stück Stoff wie ein Handtuch um die Hüften und schritt dann zur Tür, um diese eine Handbreit zu öffnen. Er sprach mit den Wachhabenden, aber ich verstand kaum, was gesagt wurde. Allerdings traten nur kurze Zeit später mehrere Bedienstete ein, die gleich einen bronzenen Waschzuber mit sich brachten. Dahinter folgten weitere Sklaven, die Wasser trugen, das sie sogleich in den Zuber füllten, bis dieser angemessen voll für ein Bad war. Und wenige Minuten später schlüpften noch einmal zwei Bedienstete herein, die zwei gut gefüllte Speiseplatten herbeitrugen und auf einem Tischchen neben dem Badezuber abstellten.
Alles hatte so natürlich, ja beinahe routiniert gewirkt, dass ich nur staunen konnte und nun trat Minho zum Bett und blickte mich forschend an. „Willst du mit mir zusammen ein Bad nehmen oder lieber allein?"
Die frisch geschlüpften Schmetterlinge in meinem Bauch flogen wieder auf und ohne nachzudenken antwortete ich: „Viel lieber mit dir zusammen." Ich setzte mich etwas umständlich auf, als der ziehende Schmerz in meinem unteren Rücken und meinem Hintern dadurch spürbar schlimmer wurde. Aber ich wollte mich nicht beschweren und versuchte aufzustehen, ohne das Gesicht schmerzerfüllt zu verziehen. Aber plötzlich hielt Minho mich zurück.
„Lass mich dich tragen."
Verwirrt sah ich auf und wollte ihm schon erklären, dass ich selbst bestens laufen konnte, aber da hatte er bereits einen Arm um meinen Rücken und den anderen unter meine Kniekehlen gelegt und hob mich an, als wäre ich eine Puppe. Sogleich musste ich an gestern Abend denken und nur ein kleiner, peinlich berührter Laut drang über meine Lippen, während der Pharao mich zu der Wanne trug und mich dann langsam ins warme Wasser hinabließ.
Erleichtert seufzte ich, als die Wärme meine Muskeln entspannte und mich angenehm umgab. Ich beobachtete, wie Minho den Stoff wieder von seinem Körper löste und dann zu mir in die Wanne stieg. Er ließ sich mir gegenüber nieder und sank ebenso mit einem erleichterten Summen in das mit Badeölen und Blütenblättern angereicherte Wasser.
Einträchtig ruhten wir mehrere Minuten genau in dieser Position und hingen unseren eigenen Gedanken nach. Nur unsere Unterschenkel drückten sich jeweils aneinander, so als wollten wir die Nähe des anderen nicht ganz missen. Schließlich aber überzeugte mich das leise Knurren meines Magens, etwas von den Speisen zu nehmen, die auf dem perfekt platzierten Tischchen standen. Also griff ich mit den Fingern nach einer Gänsekeule und begann diese vorsichtig abzunagen.
Ich musste mir eingestehen, dass es purer Luxus war, während eines wohltuenden Bads auch noch etwas so Leckeres zu essen und sich unter der reichen Auswahl der Speisen zu fühlen wie ein König. Nachdem ich also meinen Hunger gestillt hatte, lehnte ich mich wieder zurück und hatte bereits das Gefühl, meine Haut wäre nun besonders zart und geschmeidig. Also begann ich, sie mit einem ebenso bereitliegenden Schwämmchen abzureiben, und beobachtete nebenbei, wie Minho es mir kurze Zeit später gleichtat.
So im Einklang mit ihm zu agieren und mich ihm gleichzeitig so nahe zu fühlen war für mich eine neue Ebene der Verbundenheit – sie war heilend und voller Glück. Auch die anhaltende Stille konnte ich genießen, ohne dass sie unangenehm wurde, und schließlich legte Minho seine Arme auf den Wannenrand und sah mich mit einem unergründlichen Leuchten in den dunklen Iriden an. Ich wurde nicht ganz schlau aus diesem Blick, so als wolle er mich etwas fragen, wüsste aber nicht genau, wie.
Da mir der Blickkontakt nach einer Weile doch zu intensiv wurde, rutschte ich schließlich näher zu ihm, drehte mich und lehnte mich dann gegen seine Brust. Sogleich schlangen sich seine Arme schützend um meinen Oberkörper und sein Kinn sank auf meine Schulter. So blieben wir bestimmt weitere zehn Minuten sitzen und tauschten Zärtlichkeiten aus, bis das Badewasser zu kalt wurde und unsere Hände ganz schrumpelig waren.
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Nach dem erfrischenden Bad entschied ich, zu der gemeinsamen Unterkunft der Haremsmitglieder zurückzukehren. Minho wollte noch einige Briefe lesen und beantworten und da wollte ich ihn nicht ablenken. Solange ich bei ihm gewesen war, hatte er die Papyrusrollen mit wichtigen Berichten auf seinem Schreibtisch nicht eines Blickes gewürdigt, und ich wollte vermeiden, dass er meinetwegen morgen doppelt so viel arbeiten müsste.
Also schlenderte ich jetzt gemächlich den lichtdurchfluteten Säulengang entlang, der mich direkt zu den Gemächern führte, die ich momentan bewohnte. Ich blinzelte gegen das helle Licht an, als mir eine Gestalt entgegenkam und ich mich bemühte, ihr Gesicht zu erkennen. Allerdings erkannte mich mein Gegenüber zuerst und seine sanfte Stimme verriet mir, um wen es sich handelte.
„Jisung, da bist du ja."
Seungmin.
„Möchtest du möglicherweise mit mir in den Palastgarten? Ich wollte die frische Luft hier draußen genießen und sicherlich sind heute wieder viele Schmetterlinge bei den Blumen."
Immer noch mit leicht zusammengekniffenen Augen lächelte ich Seungmin an und stimmte ihm zu.
„Gern, Seungmin. Etwas Bewegung wird mir sicher gut tun."
Solange es sich um langsame Bewegungen handelt, die nichts mit Gymnastik oder unnatürlichen Verrenkungen zu tun haben...
Der Braunhaarige lachte gut gelaunt und erwiderte beinahe spitzbübisch: „Und da bist du dir nach einer Nacht in Minhos Gemächern ganz sicher? Nach deinen gestrigen Fragen hätte ich erwartet, dass du mir mit Klagen über seine Ausdauer und Unersättlichkeit zurückkehrst."
Sicherlich nahmen meine Wangen erneut einen tiefen Rotton an und ich sah zu Boden, was meinem sonst so zurückhaltenden Freund wohl Antwort genug war. Er kicherte noch vergnügter und tätschelte mir dann die Schulter. „Also stimmt es. Du wolltest es nur nicht gleich zeigen. Na komm, wir gehen eine kleine Runde und setzen uns dann an den See."
Dankbar für seine Rücksichtnahme folgte ich dem Jüngeren und war auch sehr erleichtert, dass er mich nicht sogleich mit Fragen überhäufte, sondern tatsächlich nur eine kurze Runde durch den herrlichen Garten lief, dabei einige Blumen begutachtete und sich dann irgendwann dem spiegelglatten Gewässer näherte. Seungmin blickte zu mir herüber, um zu prüfen, dass ich am sanft abfallenden Ufer gut sitzen konnte und keinerlei Unwohlsein verspürte. Aber das Bad mit Minho hatte wahre Wunder gewirkt und meine Schmerzen gelindert. Ich spürte zwar noch immer, dass ich wund war und nicht sofort wieder so viel Intimität brauchte, aber da war kein allgegenwärtiger Schmerz mehr.
„Gewöhnt man sich mit der Zeit an dieses- naja dieses Gefühl?", fragte ich nun leise, als ich eine angenehme Sitzposition gefunden hatte.
„Du meinst dieses etwas unbehagliche Empfinden am Tag danach? Ja, das wird für gewöhnlich besser. Es kommt auch sehr darauf an, wie oft ihr es tut und wie intensiv. Wenn er dich gut vorbereitet und sehr sanft ist, wirst du es womöglich gar nicht spüren."
Erstaunt drehte ich mich zu Seungmin und betrachtete ihn. „Ist Minho überhaupt eine Person, die es so vorsichtig und sanft mag?"
Minnie lehnte sich zurück, stützte seine Unterarme auf dem Rasen auf und nickte. „Aber natürlich, Jisung. Sicherlich wirst du diese Seite der Intimität auch noch an ihm kennenlernen." Seine Lippen kräuselten sich zu einem wissenden Lächeln. „Aber momentan ist es für euch beide noch ungewohnt und umso aufregender... Deshalb testet ihr eure Grenzen und die höchstmögliche Intensität eurer Empfindungen. Das war am Anfang meiner Beziehung zu Minho ähnlich... Naja, vielleicht nicht ganz so verwirrend und ungestüm, aber doch ähnlich."
Verstehend summte ich und musste zugeben, dass es mir nicht wirklich etwas ausmachte, mehr darüber aus Seungmins Perspektive zu erfahren. Auch sein gutes und intimes Verhältnis zu Minho störte mich nicht. Vielmehr war ich froh, jemanden zu haben, der mich verstand und zwar auf einer tieferen Ebene, weil er dasselbe mit derselben Person geteilt hatte. Auch wenn sich unsere Erfahrungen dennoch voneinander unterschieden.
„Es war unbeschreiblich und für mich genau richtig", erwiderte ich im Flüsterton, doch natürlich hatte Seungmin mich gehört.
„Das freut mich, Jisung. Dann war es richtig, diesen Schritt zu gehen. Ihr seid euch nun näher als je zuvor und es wird euer Vertrauen weiter stärken. Du hast gesehen, dass du dich in verletzlichen Momenten auf ihn verlassen kannst. Er wird dich halten und dich anleiten."
Kurz dachte ich über diese Worte nach und wandte mich dann dem jungen Mann zu, der mir in den vergangenen Monaten ein so treuer Freund geworden war. Auch wenn ich nicht all seine Handlungen und Äußerungen verstand, so wusste ich, dass ich ihm vertraute. Er hatte wie ich seine Schattenseiten und Wunden, die er der Welt zwar nicht offen präsentierte, aber die dennoch subtil durchschimmerten, wenn man ihn näher kennenlernte. „Hast du das in ihm gesucht, Seungmin? Jemanden der dich schützt und dich leitet?"
Der hübsche, junge Mann mit den braunen Haaren runzelte für einen Augenblick die Stirn, als würde er angestrengt nachdenken, dann seufzte er. „Das habe ich wohl. Und den Göttern sei Dank habe ich Minho gefunden. Meine Familie – besonders mein Vater – hat mir von klein auf erklärt, wie allgegenwärtig mein Glaube an die Götter sein muss und dass er unser aller Leben bestimmt, dass, wenn wir uns nicht nach den Göttern richten, wir kein Leben im Jenseits führen dürfen. Ich hatte große Angst davor, nicht gut genug zu sein... Mein Vater hat mich immer weiter angetrieben, noch mehr zu beten, gottgefälliger zu leben, noch mehr von mir selbst zu geben, aber es hat nie ausgereicht."
Verstehend und gleichzeitig betroffen von dieser Ehrlichkeit nickte ich, zum Zeichen, dass ich ihm aufmerksam zuhörte.
„Irgendwann war meine Angst stärker als die Liebe für alle Götter und dann kam ich aus dem Tempel Karnaks das erste Mal nach Theben, in den Palast... hierher. Ich lernte Minho kennen, einen jungen Pharao, der keine Angst vor niemandem zu haben schien, und ich bewunderte ihn. Er hat sich für mich interessiert, nicht dafür, wie gottesfürchtig ich bin oder wie oft ich zu seinen göttlichen Ahnen bete, nein, er wollte mich kennenlernen. Da habe ich festgestellt, dass ich mein Leben anders verbringen möchte als in Angst." Seungmins braune Augen trafen auf meine. „Und dennoch kann ich einen Teil dieser Angst, nie genug zu sein, bis heute nicht loslassen."
Deshalb spricht er immer wieder von den Göttern. Egal, wie sehr ihn sein Vater auch getriezt haben mag, er kann ihn nicht ganz vergessen, denn er hat Seungmin geprägt. Deshalb hat Minnie sich im Tempel auch nicht gegen ihn gewehrt.
Und mit einer Welle an Zuneigung und Anerkennung für den Jüngeren verstand ich noch etwas.
Wir sind gar nicht so verschieden. Wir wollen beide Schutz und eine Sicherheit, die uns niemand entreißen kann. Nur die Gründe, weshalb wir danach suchen, sind unterschiedlich.
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Was haltet ihr eigentlich so von Seungmin? Kennt ihr Situationen, wo man den Eltern alles Recht machen will und später merkt, dass man sich dabei vollkommen selbst verloren hat?
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