Unberührbare Blumen
Triggerwarnung für dieses Kapitel: Selbstzweifel
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Jisungs Pov:
Nachdem ich das Bad verlassen hatte und in den Wohnraum zurückgekehrt war, spürte ich die prüfenden Blicke der anderen auf mir. Einige waren wohl erstaunt, mich wohlbehalten wiederzusehen, andere wirkten eher besorgt. Seungmin kam zu mir, legte seine Hand auf meine Schulter und fragte leise. „Ist alles in Ordnung bei dir?"
Seine hübschen, braunen Augen wanderten an mir hinab und dann huschten sie zurück zu meinem Gesicht, als ich ihm unumwunden antwortete.
„Alles bestens."
Er nickte langsam und seufzte dann. „Jisung, du kannst Minho nicht einfach so abweisen. Wenn er etwas verlangt, dann musst du auf ihn hören, immerhin ist er der Pharao. Solange es um seine Wünsche und seine Bedürfnisse geht, musst du vorsichtig sein. Vermutlich hätte ich dir das deutlicher sagen sollen. Er kommt öfter zu uns oder macht Ausflüge mit einem von uns. Wir sollen ihn von seinen zahlreichen Pflichten und dem stressigen Alltag als König über ein ganzes Land ablenken, mit uns soll er die Zeit vergessen."
Ich verkniff mir das widerwillige Schnauben und maß dafür Seungmin mit Blicken.
Er hat leicht reden. Er kennt es nicht anders und seine Sozialisation und Erziehung hat genau dieses Verhalten von ihm erwartet. Seungmin tut das, was er für richtig hält und die meisten würden ihm in dieser Zeit vermutlich zustimmen, aber ich kann das nicht. Ich kann nicht all meine Werte und Überzeugungen über Bord werfen, nur um einem König zu Füßen zu liegen. Irgendwas muss ich bewahren und sei es nur ein winziger Teil von dem, was mich tatsächlich ausmacht.
Aber ich wollte den Jungen vor mir nicht noch mehr ängstigen, indem ich ihm meine Ansichten über die Welt und meine Realität offenbarte. Stattdessen nahm ich einen tiefen Atemzug und erwiderte dann höflich:
„Ich verstehe. Ich werde mir ab sofort mehr Mühe geben und meine Verpflichtungen erfüllen." Die letzten Worte klangen sicher etwas bitter, vermutlich weil ich mich dafür schämte, sie auszusprechen.
Aber was soll ich sonst tun? Ungehorsam ist keine Lösung. Zu viele Menschen könnten meine Ablehnung dem Pharao mitteilen und dann würde mein Leben noch schwerer werden und ich gar nicht mehr aus diesem Palast herauskommen.
Jetzt entspannte sich Seungmin ein wenig und lächelte wieder so niedlich, dass ich ihm gern in die Wange gekniffen hätte. Allerdings unterdrückte ich diesen lächerlichen Impuls und fragte den Braunhaarigen dann etwas, das mich schon seit heute Morgen beschäftigte.
„Du darfst doch den Palast verlassen, oder?" Seungmin nickte zurückhaltend und ich erkannte, dass er wusste, was ich nun fragen würde.
„Können wir gemeinsam hinausgehen? Uns die Stadt ansehen?"
Er starrte mich kurz an, dann senkte er den Kopf und schüttelte diesen verlegen.
„Entschuldige, Jisung. Wenn es nach mir ginge, würde ich dir sogleich ganz Theben zeigen, aber Minho und Felix würden dies nicht gutheißen. Außerdem will ich dich nicht in noch größere Schwierigkeiten bringen."
Er hat recht. Für heute habe ich schon genug Unruhe gestiftet und vermutlich neues Misstrauen geweckt.
„Ich verstehe."
Tat ich das wirklich? Oder wollte ich nur Seungmin beruhigen? Aber eines steht nun fest, sie werden mich nicht hinauslassen, bis sie mir vertrauen oder ich ihnen anders meine Loyalität bewiesen habe.
Kurz überlegte ich, diesem selbstgerechten König den Gefallen zu tun und ihm weiter in den Arsch zu kriechen, um dafür mehr Freiheiten zu erhalten und unbemerkt fliehen zu können, aber dafür war mir mein Körper eindeutig zu schade. Außerdem wäre es noch komischer, wenn ich meine Meinung so spontan änderte.
Ich werde meinen Prinzipien treu bleiben. Er wird mich nicht wie all die anderen hier besitzen können, mich ficken wie er es will und schon gar nicht meine Zuneigung gewinnen. Nichts davon wird passieren.
„Jisung?"
Meine kämpferischen Gedanken wurden von Seungmin unterbrochen, der mich aus seinen braunen Augen anstarrte und ich wusste, dass ich seine Frage, die er ganz offensichtlich gestellt hatte, gar nicht mitbekommen hatte. Er konnte dies wohl an meiner verdutzten Miene ablesen, denn er wiederholte seine Frage.
„Möchtest du mit mir gemeinsam in den Garten gehen? Es gibt dort noch einige Orte, die ich dir dort gern zeigen möchte und sicherlich können die Sklaven uns eine kleine Mahlzeit zubereiten."
Dieser Junge war wirklich ein Goldstück, ein Lichtblick in der Finsternis. Und auch jetzt lächelte er fröhlich, als ich eifrig nickte. Immerhin hatte ich nichts Besseres zu tun und wurde so abgelenkt von den vielen widerstreitenden Gefühlen in mir.
„Sehr gern", erwiderte ich und schon drehte sich der Braunhaarige zu einem der Bediensteten.
„Ich werde jetzt einen Spaziergang in den Gärten machen, gemeinsam mit Jisung. Wir benötigen keine Begleitung, bereitet währenddessen eine Kleinigkeit zu essen vor." Seine Stimme hatte nun sogar etwas Bestimmendes und sofort verneigten sich die wartenden Diener.
Dann zog Minnie sanft an meinem Ärmel und wir liefen gemeinsam den Säulengang entlang, bogen in den großen Garten ab und gingen dort die Sandwege entlang.
Vorerst schwiegen wir beide. Ich hatte kein passendes Thema parat und Seungmin war offenbar ebenso in Gedanken vertieft. Doch wenige Minuten später fand in meinem Kopf kaum noch etwas Platz, außer stumme Bewunderung und ansteckende Begeisterung. Seungmin hatte mich zum hintersten Ende der Mauer geführt, wo einige Büsche und hohe Bäume die Sicht auf ein kleines Stück Grünfläche beinahe verdeckten. Nicht nur die Büsche blühten, sondern auch die unzähligen Blumen und einige andere Gewächse, die ich noch viel weniger namentlich benennen konnte. Das hier war ein kleines Paradies für Schmetterlinge, Bienen und jegliche andere Insekten. Es summte und rauschte förmlich zwischen der Farbenpracht und ich konnte mich kaum daran sattsehen.
Bewundernd streckte ich die Finger nach einer dunkelpinken, großen Blüte aus und wollte sie gerade berühren, als Seungmin meine Hand abfing und sanft nach unten drückte. „Jisung, das ist eine seltene Lilie. Sie war ein Geschenk der persischen Gesandten an unseren Pharao. Man darf sie nicht berühren."
Ich hätte beinahe die Augen verdreht, doch hielt mich im letzten Augenblick zurück, nickte brav und folgte meinem Anstandswauwau weiter durch das Blumenmeer, von dem man wahrscheinlich nichts anfassen durfte.
Jedenfalls erzählte mir Seungmin auch etwas zu dem Garten, wie ihn das vorherige Pharaonenpaar angelegt hatte und wie er unter Minhos Herrschaft sogar erweitert worden war. Schnell wurde mir aber klar, dass Minnie auch nicht den ganzen Tag über Blumen und Gärten reden wollte, sondern er nur geschickt einen Zugang zu mir suchte und unsere Konversation so weit vertiefen wollte, dass er zu meinem Kern durchdrang. Er fragte mich Kleinigkeiten zu mir und bemühte sich sehr, positive Vergleiche zu meiner jetzigen Situation zu ziehen.
Vorerst ließ ich mir das gefallen, tat so, als würden seine Aussagen wirklich fruchten und war dennoch erleichtert, als wir uns unter einem Sonnensegel auf eine gewebte Decke setzen konnten und einige Früchte und etwas Gebäck aßen. Denn jetzt war Seungmin deutlich stiller und ich konnte ebenso einen Moment lang abschalten.
Noch immer mochte ich den Jüngeren viel zu sehr, um ihm seine hohe Meinung und die Hingabe zu Minho übelzunehmen oder es zu verurteilen, dass er mich ebenfalls auf diesen Pfad bringen wollte.
Gerade schob ich mir ein Stück Feige in den Mund und genoss den süßen und eigentümlichen Geschmack. Man konnte wirklich sagen, dass die Früchte so frisch noch ganz anders schmeckten. Nicht wie die Sachen aus einem Supermarkt oder die fettigen Fertigprodukte. Ich mochte es, dass ich mich so gesund ernährte und mich gut dabei fühlte.
„Also wie war dein Abend mit Minho wirklich?"
Ruckartig wandte ich meinen Kopf zu Seungmin und blinzelte mehrmals unsicher. Der Braunhaarige lächelte verkniffen und ich wusste sofort, dass es nichts bringen würde, ihn anzulügen. In diesem Punkt ähnelte er Yeosang, dieser konnte auch immer erkennen, wann mir etwas auf dem Herzen lag.
Und weil ich niemand anderen hier hatte und ich so schmerzlich daran erinnert wurde, dass mein bester Freund zwei Jahrtausende entfernt war, beschloss ich, mich Minnie teilweise anzuvertrauen.
„Es-es war schwierig, sich auf all das einzulassen. Ich bin nicht wie ihr. Ich will nicht mit einem Mann intim werden. Ich werde ihm nie so dienen können, wie er es sich wünscht." Resigniert ließ ich den Kopf auf die Brust sinken, atmete durch und hielt die Tränen zurück. „Das ist nicht meine Welt, Seungmin."
Für einen Augenblick hörte man nur das leise Rufen der Vögel und das Zirpen der Grillen.
„Ich bin mir sicher, du gibst dein Bestes und du möchtest momentan nur einen sicheren Ort, an dem du bleiben kannst. Glaub mir, das will jeder und ich bin mir sicher, dass Minho auch für dich diesen Ort schaffen kann. Er hat dir bereits einen Platz in seinem Palast angeboten, wenn du es zulässt, wird er dir genauso einen Platz in seinem Herzen schenken. Aber dazu musst du das ebenso tun."
Am liebsten hätte ich humorlos gelacht und ihn gefragt, ob Männer, die ihre Eltern umbrachten oder andere gegen ihren Willen gefangen hielten, überhaupt ein Herz besaßen, aber ich unterließ es.
„Ich bin noch nicht bereit, mich ihm hinzugeben." Formulierte ich es jetzt deutlich und wollte am liebsten hinzufügen, dass ich wohl nie bereit sein würde. Aber Minnie legte schon zart eine Hand auf meine und malte mit dem Zeigefinger kleine Kreise auf meiner Haut. „Aber du hast gestern den ersten Schritt in diese Richtung gewagt. Du warst bei ihm, hast ihn außerhalb seines Amtes erlebt und du durftest all seine gottgegebene Stärke sehen." Selbst jetzt konnte man die Ehrfurcht und tiefe Verbundenheit aus den Worten heraushören. Eine Pause folgte, bevor seine zarten Finger jeden einzelnen meiner Finger leicht antippten. „Du durftest ihm dienen, ihn in einem Moment der Verletzlichkeit und der Offenheit sehen. In diesem Augenblick kann sich niemand verstecken, Jisung. Und ich verspreche dir, wenn du erst einmal die Kontrolle abgibst, wird er auch seine Hüllen fallenlassen. Er kann dich die ganze Nacht lang beglücken und wird deine Haut überall berühren und dich ansehen, als wärst du alles, was zählt."
Ich musste an mich halten, um mein Essen nicht gleich wieder hervorzuwürgen und krampfhaft hielt ich mich davon ab, Seungmin meine Hand zu entziehen. Er meinte es nur gut und er wollte es mir leichter machen. Doch das half nicht, denn ich sträubte mich dagegen, diese Worte zu nahe an mich heranzulassen.
„Ähm- ja, da hast du sicher recht", versuchte ich ihn in seinem liebevollen Übermut zu bremsen. Aber natürlich half das nicht, als Minnie mich daraufhin regelrecht ausfragte.
„Wie genau ist es dazu gekommen, dass du ihn befriedigen durftest? Hat er dir Komplimente gemacht? Hat er sich revanchiert? Er ist immer sehr freigiebig und mag es, seinen Partner zu berühren."
Ich lächelte etwas gequält und wog die Möglichkeit zwischen Lüge und knallharter Wahrheit ab. Am besten vermischte ich beides.
„Nein, er hat sich nicht revanchiert... nur ich habe ihn angefasst." Weil ich auch nicht wollte, dass er mich anfasst und ich es ihm deshalb regelrecht verboten habe. „Und ich bin mir nicht sicher, ob er seine Worte als Kompliment meinte." Seungmin sah mich aus großen, runden Augen an. „Was hat er zu dir gesagt?"
Kurz dachte ich daran, wie Minho gestöhnt hatte und wie er mich lobte, dass ich ihn gut befriedigte. Schlagartig fühlte ich die Hitze in meine Wangen schießen und murmelte dann nur. „Er meinte, ich sei gut in dem, was ich tue..." Ich zuckte kurz die Schultern und versuchte meine Unsicherheit zu überspielen, indem ich schnell weitersprach. „Aber vorher haben wir uns vielmehr über meine Eingewöhnung im Palast unterhalten. Ich glaube, für ihn sollte das eine Belohnung sein, dass er mich hier aufgenommen hat." Verbittert lächelte ich und Minnie blickte mich aus seinen rehbraunen Augen an.
„Ist diese Unterstellung nicht etwas unhöflich? Ich denke, er wollte dich aufrichtig loben und ja, er kann furchteinflößend sein, aber du wirst bald erkennen, dass er dir nie Schmerzen zufügen würde."
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