Tiefe und reine Dankbarkeit
Triggerwarnung für dieses Kapitel: Machtmissbrauch, Andeutungen sexueller Handlungen
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Jisungs Pov:
„Ich soll Han Jisung zu den Gemächern meines Herren geleiten." Sein Kopf drehte sich in meine Richtung und er verneigte sich leicht. „Bitte folgen sie mir."
Wenige Sekunden verstrichen, die ich dringend benötigte, um meine Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, gab es keine wirklich erfolgsversprechende Alternative. Mir blieb nur die Chance, mitzugehen und das Beste aus meiner Situation zu machen.
Mit wackeligen Beinen erhob ich mich von meinem Tisch, strich über das weiche, cremeweiße Gewand, das ich nach dem Baden angezogen hatte, und schluckte den sich bildenden Kloß in meinem Hals hinunter. Mit möglichst neutraler Miene trat ich auf die Wache zu und nickte schließlich, um zu signalisieren, dass ich bereit war, ihr zu folgen. Der Mann mit dem Bronzehelm wandte sich ohne ein weiteres Wort um und lief voraus.
Ich traute mir nicht einmal zu, mich noch ein letztes Mal zu Seungmin oder einem der anderen umzudrehen. Zu groß war meine Angst, etwas in ihren Gesichtern lesen zu können, das ich ganz sicher nicht sehen wollte, sowas wie Mitleid oder Beunruhigung. Denn aufgewühlt und besorgt war ich selbst mehr als genug. Trotzdem lief ich zielstrebig hinter der gut bewaffneten Wache her und versuchte, mir den genommenen Weg einzuprägen. Ich zählte die Säulen, an denen wir vorüberkamen, merkte mir, wann wir links und wann wir rechts abbogen und atmete möglichst tief und gleichmäßig, um mein rasendes Herz zu beruhigen. Alles, was ich gerade tat, diente der Ablenkung von der Realität, es diente meinem Schutz und dennoch war mir bewusst, dass meine Abwehr gerade zu bröckeln begann und sich die Panik an die Oberfläche kämpfen wollte, wie ein Ertrinkender, der verzweifelt versuchte, die Eisscholle über seinem Kopf zu zertrümmern, um den Sauerstoff zu erreichen.
Es war still in den Gängen des Palastes, nur unsere Schritte hallten von den Wänden zurück und die Beleuchtung durch die großen Feuerschalen tauchte die Szenerie in ein unruhig flackerndes Licht, das überall lange Schatten warf, die mit ihren schwarzen Fingern nach mir tasteten. Mit jedem Schritt nach vorn breitete sich die Nervosität weiter aus und dennoch schien mein Gehirn momentan in einen Verdrängungsmodus oder eine Leugnungsphase abzudriften, denn ein winziger Hoffnungsschimmer schlich sich in meine Gedanken ein. Dieser redete mir gut zu, dass mir nichts geschehen würde und heute nicht der Tag war, an dem meine Welt erneut in sich zusammenbrechen würde.
Wir bogen in einen breiten und reichverzierten Säulengang ein und die Wache lief zielstrebig auf eine Tür zu, die von zwei weiteren Soldaten mit Löwenkopfhelm flankiert wurde. Dort blieb der Mann schlussendlich stehen.
Sofort rutschte mein Herz in meine Magengegend und ich fühlte mich hilflos und verloren. In meinem Inneren tobte ein Sturm aus Emotionen und am liebsten wäre ich auf die Knie gesunken und hätte einen der Soldaten angefleht, mein Leiden hier und jetzt zu beenden.
Doch noch bevor ich einen solch selbstzerstörerischen Plan fassen konnte, trat mein Begleiter näher an die hohe Holztür und sagte dann mit lauter, klarer Stimme.
„Majestät, der Junge, nach dem ihr geschickt habt, ist hier."
In den folgenden Sekunden des angespannten Wartens glaubte ich, mein Herzschlag wäre inzwischen so laut, dass selbst die Wachen ihn hören würden. Dann ertönte ein „Lasst ihn eintreten" und eilig winkte die Wache mir zu, während die beiden anderen Soldaten bereits die Türflügel für mich öffneten.
Wie ferngesteuert lief ich die wenigen Schritte zum Torbogen und trat schließlich unter Aufgebot all meiner Willenskraft unter diesem hindurch.
Fast augenblicklich schloss sich das Tor zur Hölle wieder hinter mir und ließ mich allein zurück – allein mit dem Löwen. Dem königlichen Löwen, der mich mit Haut und Haar fressen wollte, um mich zu besitzen, der mich verschlingen wollte und mir bei jedem Ungehorsam das Fleisch von den Knochen reißen würde.
Dann sah ich auch schon die glühenden, lauernden Augen vor mir, verfolgte den geschmeidigen und selbstsicheren Gang der großen Raubkatze. Sie war sich vollkommen sicher, dass ich ihr nicht länger entkommen konnte. Sie hatte mich in ihre perfide Falle tappen lassen und überlegte sich bereits, wie sie mich am leichtesten erbeuten konnte.
„Du darfst ruhig nähertreten." Ein paar Mal musste ich blinzeln, um wieder aus meiner Erstarrung zurück in die Realität zu finden. Nur wenige Meter vor mir stand der junge Mann, den ich gestern bereits im Thronsaal kennengelernt hatte.
Doch jetzt sah er anders aus, nicht weniger würdevoll oder furchteinflößend, aber anders. Er trug nicht länger die Doppelkrone auf dem Haupt, kein schimmernder, schwerer Goldschmuck zierte seinen Oberkörper und kein dunkles Make-up betonte seine braunen Augen. Seine momentane Kleidung war viel schlichter und leider auch deutlich freizügiger: Der weiße Lendenschurz saß tief auf seinen Hüften und sein Oberkörper wurde nur von einer einzigen Kette verziert. Seine gut gebräunte Haut wirkte in dem trägen Licht des Feuers, als hätte man sie mit Öl eingerieben, aber vielleicht war das ja auch tatsächlich der Fall. Insgesamt war die Haltung des Königs spürbar entspannter, obwohl sein Blick immer noch neugierig und ergründend auf mir ruhte.
Erst da wurde mir bewusst, dass ich nicht auf seine Einladung reagiert hatte. Ich war so in meine Betrachtung versunken gewesen, dass ich versäumt hatte, näherzutreten oder anders mit ihm zu kommunizieren. Schon wieder waren meine Beine ein wenig zittrig und zögerlich trat ich weiter in das kostbar ausgestattete Gemach und somit weiter auf den jungen Mann zu.
Als er meinen Gehorsam bemerkte, neigte er fast schon zufrieden den Kopf zur Seite und seine Augen funkelten für einen Moment, so als wäre er wirklich eine Raubkatze, die jederzeit auf ihre Beute losspringen konnte.
„Schön dich wiederzusehen, Kätzchen." Seine Mundwinkel bogen sich leicht nach innen und er trat nun seinerseits näher an mich heran. Plötzlich war noch höchstens ein Meter Abstand zwischen uns und ich erschauderte ungewollt.
So nahe, wie ich dem Herrscher einer uralten Dynastie gerade stand, hätte sich wohl niemand jemals zu hoffen gewagt. Doch bevor ich sein jugendliches Gesicht, den athletischen Körper und die machtvolle Ausstrahlung weiter bewundern oder fürchten konnte, kam mir die messerscharfe Zunge des Königs zuvor. „Ich hoffe, dir gefällt deine jetzige Unterbringung besser als der von dir gewünschte Kerker."
Unwohl biss ich mir auf die Unterlippe und senkte meinen Blick zu Boden.
Was soll das denn jetzt? Ist das seine verdrehte Art, mit mir zu flirten? Will er mir mit dieser Geste seine Allmacht und seine Kontrolle über mich demonstrieren? Darf ich ihm darauf antworten? Was kann ich momentan überhaupt tun? Darf ich ihn ansprechen oder ansehen? Habe ich womöglich schon wieder ungebührlich gehandelt, ohne es zu wissen?
Es machte mich nervös, dass mir die Anstandsregeln nicht geläufig waren und zugleich schwang da dieser Unterton in der Stimme des Königs mit, den ich nicht zu deuten wusste.
Ich sollte etwas sagen, dann erscheine ich wenigstens nicht unhöflich. Schließlich hat er mich tatsächlich besser behandelt, als ich erwartet habe... Na gut, eigentlich hat er mich von einem Gefängnis ins nächste geschupst und sich dabei nur um seine Vorteile gesorgt.
Ein ungutes Gefühl der Demütigung breitete sich in meinem Magen aus und brannte dort wie Säure. Ich straffte meine Haltung und ballte meine Hände zu Fäusten, um sie davon abzuhalten, zu zittern.
Dennoch sollte ich mich wohl bedanken. Vielleicht hilft es mir, ihm ein wenig Honig ums Maul zu schmieren. Möglicherweise ist er dann verständnisvoller und sanfter zu mir, ja vielleicht sogar nachsichtig.
Entschlossen hob ich meinen Blick und sah für kurze Zeit reglos in die tiefbraunen Augen, die mich noch immer betrachteten. „Ich danke euch, eure Majestät. Ihr habt mein Leben verschont und mich gut behandelt, das ist mehr, als ich je zu hoffen gewagt habe. Für eure Großzügigkeit und die Milde, die ihr gegenüber so einfachen Menschen walten lasst, habt ihr meine tiefste und demütigste Anerkennung."
Da ich nicht wusste, was ich noch sagen sollte, kaute ich unruhig auf meiner Unterlippe und konnte erkennen, wie die dunklen Augen meines Gegenübers für einige Sekunden gierig funkelten, als er mich musterte. Dann breitete sich ein fast schon überlegenes Lächeln auf seinen Gesichtszügen aus und er trat noch einen Schritt nach vorn.
„Tiefste Anerkennung... so, so. Es ist jedes Mal aufs Neue faszinierend, dich sprechen zu hören. Deine Worte scheinen mit so viel mehr Sinn und Verstand angefüllt zu sein, als hättest du sie dir eigens für diese Konversation aufgespart." Sein Blick glitt zurück zu meiner Unterlippe und eine ungute Vorahnung überkam mich.
Findet er es etwa erregend, wenn ich das tue? Löst meine Nervosität bei ihm einen Kick aus? Will er mich womöglich verlegen machen, weil er meine Reaktion, also das auf der Lippe kauen, mag?
Eilig versuchte ich, diese schlechte Angewohnheit zu unterdrücken und wieder unbeteiligt zu ihm zu sehen.
Ich darf ihn nicht noch mehr reizen. Am besten biete ich ihm so wenig Angriffsfläche wie möglich, dann bin ich vielleicht vor seinen lüsternen Gedanken sicher – okay, vergessen wir das, immerhin hat er mich hierherkommen lassen und ich stehe bereits vor ihm... ein richtiges Entkommen gibt es für mich ohnehin nicht mehr. Ich muss einen anderen Weg finden, ihn aufzuhalten.
Unauffällig sah ich mich im Raum um, so als suchte ich nach etwas, das mich auf eine Idee bringen würde, aber alles, was ich fand, waren goldene Trinkgefäße, aufwändig verzierte Tonkrüge, einen großen Tisch und Stühle und einen Divan im vorderen Bereich der riesig erscheinenden Privatgemächer. Kurz schweifte mein Blick fast irritiert zurück zu dem Divan, da dort etwas Pelziges lag, das nicht zum Rest der hochherrschaftlichen Einrichtung passte. Beim genaueren Hinsehen erkannte ich eine schlafende, getigerte Katze.
Dann wurde ich jäh zurück in die Unterhaltung geworfen, da der König ein leises Lachen ausstieß. „Die meisten Menschen würden in einer solchen Situation viel ehrerbietiger und unterwürfiger reagieren... immerhin bin ich ihr König." Dieses fast schon belustigte und freie Lachen meines Gegenübers warf mich vollkommen aus der Bahn und ich starrte ihn einfach an, ohne zu wissen, wie ich darauf reagieren sollte. Doch er sprach bereits weiter.
„Und dann kommst du hierher, stellst dich wie ein verschrecktes Antilopenkitz vor mich und sagst mir, dass ich deine Anerkennung verdient habe." Seine Worte klangen amüsiert, doch auch dieser gefährliche Unterton schwang mit, den ich mir einfach nicht erklären konnte. „Glaubst du wirklich, dass es das ist, was ich von dir will? Deine Anerkennung?", raunte er nun eher anzüglich und beugte sich zu mir, sodass sich unsere Körper beinahe berührten.
Ich musste mich beherrschen, um nicht zurückzuweichen oder meine Sorge offen zu zeigen, stattdessen kreisten meine Gedanken schneller und schneller.
Haben ihn meine Worte verärgert? Bin ich nicht respektvoll genug gewesen? Will er mich wirklich so dazu bringen, ihm gefällig zu sein? Er will seine Großzügigkeit als Druckmittel verwenden, damit ich es ihm anderweitig zurückzahle?
Etwas zwischen Wut und Ablehnung stieg in mir auf, aber bevor ich zurückweichen konnte oder einfach in mir zusammensank, sprach der Pharao weiter und ich bekam quasi die Bestätigung meiner schlimmsten Befürchtungen.
„Wie wäre es, wenn du mir statt deiner Anerkennung und deiner honigsüßen Worte eine viel tiefere und reinere Form der Dankbarkeit zeigst?"
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Und meine Lieben, habe ich euch diese Woche mit dem Warten gefoltert? 😈
Und es gab Nachfragen bezüglich meines Befindens, die ich natürlich gerne beantworte: Meine Chinesischklausur am Montag lief gut. Ich weiß zwar nicht wie gut genau, aber ich konnte alles soweit übersetzen und die Fragen beantworten ^^
Und meinem kleinen Finger geht es inzwischen auch wieder recht gut, er tut nicht mehr weh und ist auch nicht mehr geschwollen, aber vermutlich wird sich der Fingernagel ablösen. Aber ich denke, das wird alles wieder richtig abheilen.
Wie geht es euch? War eure Woche angenehm? Erzählt mir gern davon, ich lese die Kommentare immer aufmerksam, auch wenn ich meist nicht die Zeit finde, zu antworten. 💕
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