Tapferkeit und Torheit

Jisungs Pov:

„Wie wäre es, wenn du selbst für dich sprichst, wenn du schon den Mut besitzt, mich anzusehen?"

Hat er jetzt tatsächlich das Wort direkt an mich gerichtet? Verdammt, ich weiß nicht einmal, was ich sagen soll.

Ich senkte meinen Blick noch weiter und sagte dann leider ziemlich leise.

„Ich- ich wollte euch auf keinen Fall beleidigen. Sollte ich doch in irgendeiner Art ungebührlich gehandelt haben, so bitte ich um Verzeihung." Meine Knie zitterten leicht und ich wusste nicht, was mich nun erwarten sollte.

War ich nur hier, damit Felix mein Todesurteil abholen konnte? Würden Sie jetzt entscheiden, ob ich vorher noch gefoltert werden sollte? Welche perfide Methode würden sie wohl bei mir anwenden? Stockschläge? Das Abschneiden von Gliedmaßen?

„Er sieht nicht nur aus wie ein Kätzchen, er ist auch noch so geschickt und vorsichtig wie eines", stellte der Herrscher nun fest und wandte sich im Gespräch wieder Felix zu. „Was kannst du mir über ihn sagen, von dem du denkst, es könnte der Wahrheit entsprechen?"

Jetzt würde ich gleich wissen, was sie mir abkauften und bei welchem Teil ich kläglich versagt hatte. Ich hörte ein kurzes Schnauben von Felix.
„Also die Aussagen, die ich für glaubwürdig halte, sind sein Name, sein Familienstand und sein Alter. Alles andere erscheint mir einstudiert, deshalb könnte er auch ein Spion sein, der versucht, uns hinters Licht zu führen. Sein Name ist Han Jisung, er hat seine Eltern und seinen älteren Bruder bei einem Hausbrand verloren und sagte, er habe seitdem bei seiner Tante in Kerma gelebt und er ist bereits 23 Jahre alt."

Diesmal traute ich mich nicht, zu diesem Minho aufzusehen, um zu erkennen, was er von alldem hielt.

Wie in einem schlechten Film musste ich plötzlich an den Moment zurückdenken, in dem Yeosang und ich über unsere Dozentin gescherzt hatten – wie glücklich sie wäre, diesen Herrscher einmal persönlich zu treffen und wie bizarr diese Begegnung wäre. Aber jetzt, wo ich hier stand und nicht wusste, was mich erwartete, fand ich das nicht mehr so lustig. Dieser Pharao wäre nicht verwundert über fremden Besuch, er wäre nicht nachsichtig oder verständnisvoll. Vermutlich würde Frau Jeon ähnlich wie ich hier stehen und um ihr Leben fürchten, während der König entschied, was mit diesem für ihn unbedeutenden Menschen geschehen sollte.

„Wie heißt es doch so schön, Felix... wenn du wissen willst, was deine Feinde planen, dann halte sie immer nahe bei dir. Halte sie sogar näher als deine Verbündeten." Die Stimme dieses Mannes war ungewöhnlich ausdrucksstark und melodisch, allein sein Tonfall verursachte bei mir eine Gänsehaut. Zudem wusste ich nicht, ob diese Aussage jetzt wirklich positiv zu werten war oder ob sie nicht vielmehr meinen nahenden Tod bedeutete.

„Weise Worte mein König." Felix schien das alles recht amüsant zu finden, da ich glaubte, ein leises Glucksen von ihm zu hören. Dass er sich dies traute, war wirklich bewundernswert. Offenbar hatte der Großwesir ein sehr gutes Verhältnis zu seinem Pharao und ganz im Gegensatz zu mir befand er sich in einer Position, in der er sich entspannen konnte. Sein Leben wurde schließlich nicht bedroht.

„Was hatte er dazu zu sagen, dass er sich in dem Grabmal der Königsfamilie herumgetrieben hat? Ich meine, noch ist es ja ungenutzt und das wird sicherlich noch lange so bleiben, dennoch ist es ein ungebührliches Verhalten."

Jetzt ging es wohl ans Eingemachte, denn dafür hatte ich ja selbst keine überzeugende Begründung – außer die Wahrheit. Aber für diese wäre ich wahrscheinlich wirklich hingerichtet worden.

„Er sagt, er habe sich dort versteckt", gab Felix diesmal schlicht meine Worte wieder und drehte sich zu mir, so als wolle er die Ernsthaftigkeit meiner Aussagen nochmal in meiner Mimik prüfen.

Ich wollte wirklich gehorsam sein und keinen Ärger machen, doch aus meinem Mund sprudelten einfach so die Worte. „Das entspricht der Wahrheit. Ich wollte nicht von Soldaten entdeckt werden und hatte Angst, dass man mich verfolgt und tötet."

Kurz war es unangenehm still, dann ertönte ein Rascheln und leise, fast lautlose Schritte kamen näher. Doch sie stoppten jäh und nicht direkt vor mir, wie ich zunächst befürchtet hatte.

„Sieh mich an."

Zuerst wusste ich nicht, ob ich diesem Befehl tatsächlich folgen sollte. Meine Angst traf in einer riesigen Welle auf meinen Verstand und drohte, meine Vernunft nach unten zu drücken. Doch ich hob langsam und zögernd den Kopf und begegnete sogleich einem dunkelbraunen Augenpaar, das nur noch knappe drei Meter entfernt war und von halber Höhe der Treppe auf mich herabfunkelte.

„Du sprichst mit so viel Nachdruck und Wortgewandtheit und dennoch lügst du", sagte der König schlicht und bohrte seinen Blick förmlich in meinen Körper. „Es ist nicht einmal das, was du sagst, sondern die Art wie du es sagst, als würdest du unsere Sprache anders sprechen, obwohl die Worte gleich bleiben."

Ich blinzelte verwirrt und endlich begriff ich, was er meinte. Meine Ausdrucksweise, die sich durch den Lauf der Zeit verändert hatte, verriet ihm, dass ich praktisch nicht seine Sprache sprach und sie nur schlecht nachahmte.

Immer noch sah ich zu dem jungen Mann auf und wusste nicht, ob ich ihn für seine Eleganz und seine Intelligenz bewundern wollte oder doch lieber in schrecklicher Angst niederknien und um Gnade winseln sollte.

Plötzlich huschte ein dunklerer Ausdruck, wie eine Art Schatten, über die scharfen Gesichtszüge des jungen Königs. Seine Haltung wirkte nun viel erhabener und wahrscheinlich würde ihm so keiner widersprechen.

„Felix, da du den Jungen hierhergebracht hast, wirst du ihn jetzt auch zu seinen neuen Räumlichkeiten begleiten." Schon bei diesem Satz erzitterte ich und die Anspannung in meinem Körper ließ meine Muskeln schmerzen.

Wahrscheinlich würde Felix mich in irgendeine Folterkammer schleifen und dort verhören. Dennoch fragte ich mich, wieso der Großwesir neben mir dann ein leises Glucksen von sich gab und vollkommen unbekümmert schien.

Macht es ihm etwa Freude, die Menschen zu foltern?

„Mit Vergnügen eure Hoheit, ich gehe also recht in der Annahme, dass ihr meine Auffassung bezüglich seines Nutzens teilt?"

So, jetzt kam ich endgültig nicht mehr mit. Ich war verwirrt und gleichzeitig verängstigt, eine wirklich dumme Mischung, denn das Erste, was mir einfiel, war erneut meinen vorlauten Mund aufzureißen.

„Bitte eure Majestät, bitte tut das nicht", flehte ich und sah zu dem jungen Mann auf, der mich nun seinerseits scharf musterte. Er hob eine Augenbraue, was ihn noch gefährlicher aussehen ließ. „Ich bitte euch, werft mich nicht in den Kerker, ich werde euch nicht hintergehen. Ich werde alles tun, was ihr von mir verlangt, aber bitte foltert mich nicht." Meine Stimme war zum Ende hin immer leiser und gequälter geworden, da ich erst jetzt richtig realisierte, was er alles tun konnte, wenn er denn Lust und Laune dazu hatte.

Nun huschte sowas wie ein zufriedenes Lächeln über die edlen Gesichtszüge, doch es verschwand so schnell wieder, dass ich bereits bezweifelte, dass es je dagewesen war. Minho drehte sich um und sagte ruhig über die Schulter hinweg: „Felix, du weißt, was zu tun ist."

Dann stieg er die Stufen wieder gemessenen Schrittes nach oben, während ich verzweifelt auf die Knie sank. Aber dann wurde ich von Felix am Oberarm gepackt, auf die Beine gehoben und einfach mitgezogen, da ich absolut nicht die Kraft und den Verstand hatte, mich zu wehren. Ich war wie gelähmt.

Bevor ich die Chance bekam, mich zu verteidigen oder auch nur ein weiteres Wort zu sagen, wurde ich bereits aus der großen, prunkvollen Halle geführt. Doch diesmal bog Felix gleich scharf rechts ab, anstatt den Weg einzuschlagen, den wir gekommen waren. Auch sein Griff um meinen Arm lockerte sich kein bisschen und schon wurde ich durch weitere Gänge gezogen, während ich hinter jeder Biegung die düstere, todbringende Treppe vermutete, die hinab in die Verliese führte und mich meinem elenden Schicksal ausliefern würde.
Felix sprach kein Wort und er wirkte auch nicht im Mindesten bekümmert darüber, dass er mich jetzt qualvoller Folter oder einem schmerzhaften Tod aussetzen würde.

Ich wurde um die nächste Ecke gezerrt und wäre beinahe über meine eigenen Füße gestolpert, da diese bebten und kaum noch zu wissen schienen, wozu sie eigentlich dienten. Dennoch hob ich mühsam den Kopf und blickte mich um, immerhin wollte ich sehenden Auges in mein Schicksal laufen.

Ein langer, heller und durchaus prunkvoller Säulengang erstreckte sich vor uns und zu meiner Linken erkannte man eine Art Innenhof mit sattgrüner Wiese. Vielmehr war es eine kleine Oase mit Palmen, blühenden Büschen und einem klaren Wasserlauf, der von einem angestauten See gespeist wurde. Verunsichert blinzelte ich gegen das tiefstehende Sonnenlicht an und versuchte, in der Kürze der Zeit die Schönheit dieses Ortes aufzusaugen und etwas zu haben, woran ich mich in einem kalten, feuchten Verlies erinnern konnte.

Wenn das hier der Weg in die Hölle war, dann musste es einer der schönsten sein, soviel stand fest.

Urplötzlich stoppte Felix vor einer weiteren Tür, die ich viel zu spät wahrgenommen hatte, da sie auf der rechten Seite des Säulenganges lag. Auch hier standen zwei gut gekleidete Wachen, die sogleich Haltung annahmen, sobald sie Felix erkannten. Schon schickten sich die beiden Männer an, die Tür zu öffnen und eine erneute Welle der Panik überrollte mich. Einen klitzekleinen Moment lang dachte ich darüber nach, mich von dem Großwesir loszureißen und zu fliehen, doch sobald die Türflügel lautlos nach innen aufschwangen, war ich nur noch verwirrt.

Das Innere des Gemaches war prunkvoll eingerichtet. Man blickte auf einen großen Raum, der im vorderen Teil von mehreren, hohen Säulen begrenzt wurde, während im hinteren Bereich ein langer Tisch und mehrere Divane ihren Platz fanden. Auf einem dieser Divane saß ein junger Mann mit glänzend schwarzen, fast schulterlangen Haaren. Er betrachtete ein Stück Stoff, das er auf seinem Schoß drapiert hatte, aber als er uns bemerkte, wandte er uns sein Gesicht zu. Seine gerade noch friedliche Miene wurde ernster und sein Kopf legte sich leicht schief.

Doch bevor ich mich fragen konnte, was das zu bedeuten hatte, wurde ich förmlich aus meinen Horrorvorstellungen gerissen.

„Felix, wen hast du da mitgebracht?", fragte nun ein zweiter Junge mit braunen Haaren und einem so freundlichen Gesicht, dass ich mich fragte, ob ich ihn wohl kurz umarmen dürfte, bevor ich weiter zur Schlachtbank geführt wurde.

Diesmal ertönte wieder Felix Lachen und dann schob er mich ein wenig weiter in den Raum.

„Das ist euer Neuzugang. Er heißt Han Jisung. Seid nett zu ihm und zeigt ihm alles." Er blickte kurz amüsiert in meine Richtung und fügte dann hinzu. „Ihr solltet ihn unter eure Obhut nehmen, er scheint noch nicht ganz vertraut mit den Regeln des Palastes."

Damit hat er definitiv recht. Ich bin nicht wirklich vertraut mit der Palastetikette, besser gesagt gar nicht.

Verstohlen sah ich mich um, so als hoffte ich darauf, dass mein Umfeld mir freiwillig erklären würde, was mich hier erwartete.

Auf der anderen Seite des Raumes erkannte ich ein Mädchen, das lässig an einer der Säulen lehnte und mich ebenfalls neugierig musterte.

Was soll das hier? Bin ich nicht auf dem Weg in den Kerker? Oder sind das ganz besonders schlimme Folterknechte, die einfach so unschuldig aussehen, dass man ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist?

Meine wirren Gedanken wurden erneut von Felix unterbrochen, der sich bereits zur Tür wandte.

„Bei euch ist er in guten Händen. Ich werden jetzt wieder gehen." Er machte einige Schritte nach vorn und drehte sich dann noch einmal um. „Und Jisung... ich würde an deiner Stelle keinen Versuch machen, zu fliehen. Falls du es doch versuchen möchtest, dann werde ich mir das mit dem Kerker nochmal überlegen." Er zwinkerte mir zu und verließ den Raum. Die schwere Tür fiel geräuschvoll hinter ihm zu und für einen Moment war alles mucksmäuschenstill.

Doch der Junge mit den braunen Haaren unterbrach das unangenehme Schweigen.

„Was hast du denn angestellt, dass Felix glaubt, du würdest flüchten?", fragte er verwundert und trat noch einen Schritt näher. Seine Hand legte sich beinahe tröstend auf meine Schulter und ich musste dem Drang widerstehen, in mir zusammenzusinken. Noch immer raste mein Herz und mein Verstand verarbeitete nicht, was momentan vor sich ging. Deshalb kam meine erste Frage nur ganz leise und erstickt über meine Lippen.


„Wo-wo bin ich hier?" 

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Und habt ihr eine Idee, wo Jisung da gelandet ist? Vielleicht gelingt es euch ja schneller als ihm, das zu erraten. 

Und meine lieben Stays, dreimal dürft ihr auch raten, wer sich heute den kleinen Finger in der Autotür gequetscht hat... Yes, me... und eigentlich kann ich auch noch alles bewegen, aber die Schmerzen beim Tippen auf der Tastatur sind anders fies und deshalb lade ich heute nur das eine Kapitel hoch. Ich werde sehen, wie es in den nächsten Tagen ist, aber vielleicht verzögern sich die folgenden Kapitel  bis nächsten Freitag. 

I love you Stay. 💕

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