Nach meinem Geschmack

Jisungs Pov:

Leise seufzend faltete ich das nächste Stoffstück fein säuberlich und ließ es von meinen Händen zurück in die Truhe aus Akazie gleiten. Dann griff ich erneut in den Korb aus geflochtenem Schilf und holte ein weiteres Gewand hervor, das ich auf die Reise nach Memphis mitgenommen hatte.

Ich klopfte den feinen Staub der Wüste ab und strich dann fast zärtlich über die erstaunlich weiche Oberfläche. Es faszinierte mich, wie geschickt die Menschen dieser Zeit bereits in der Stoffproduktion und der Bearbeitung anderer Materialien waren. Dies in der Zukunft zu wissen und einige grundlegende Handwerke besser zu verstehen, wäre eine große Verstehenshilfe für das alltägliche Leben dieser Kultur.

Bevor ich zu lange darüber nachgrübeln konnte und dann womöglich resigniert davon war, dass ich niemandem von diesen Erkenntnissen berichten konnte, faltete ich die letzten Kleidungsstücke eher nachlässig und legte sie obenauf in meine eigene Kiste.

Ich konnte nicht leugnen, dass ich den Luxus meines jetzigen Lebens allein an und in dieser Akazienholztruhe sah. Im alten Ägypten war es für Menschen nicht üblich, viele Kleidungsstücke zu besitzen. Einige trugen ihr einziges Outfit jeden Tag und wuschen es aus, wenn es nötig war. Bei der sengenden Sonne und dem trockenen Klima war es für die städtische Bevölkerung oder die Bauern absolut normal, ihre Arbeit nackt oder nur mit einem Lendenschurz bekleidet zu verrichten. Dahingegen bestanden meine Gewänder aus sehr viel Stoff und verdeckten einen angemessenen Teil meines Körpers.

Auch Holztruhen besaß nicht jeder. Die simpel geflochtenen Körbe waren viel praktischer und leichter zu transportieren. Ein letztes Mal strich ich über das abgeschmirgelte Holz der Truhe und erhob mich dann, um zurück in den Hauptraum zu treten und den Bediensteten den Schilfkorb zurückzugeben.

Die Sklaven hatten die Köpfe geschüttelt und sich gesträubt, mir zu erlauben, meine Sachen selbst auszupacken. Aber ich hatte diesen Kampf triumphierend gewonnen, indem ich ihnen befohlen hatte, mich diese Arbeit allein tun zu lassen. Und so hatte ich Zeit gehabt, jedes meiner frisch gewaschenen oder noch ungetragenen Kleidungsstücke zurück an seinen angestammten Platz zu legen.

Mein Rücken schmerzte ein wenig, nachdem ich hauptsächlich vornüber gebeugt dagesessen hatte, aber die Wunde heilte gut und ich wusste langsam, was ich mir zumuten konnte und was nicht.

Erstaunt sah ich mich um, als ich nun in den Hauptraum trat und die Bediensteten umherwuselten, wie die Ameisen und die Tische zusammenschoben und für eine Mahlzeit deckten.

Ich sah gebratenen Fisch, gares Rindfleisch und Wachteleier. Kurz zog ich die Stirn kraus, weil wir normalerweise nie so reichhaltig zu Mittag speisten. Das machte träge und man fühlte sich danach aufgebläht und unbeweglich. Allerdings war der Duft von gebratenem Fleisch verführerisch und dennoch fragte ich mich, wofür der ganze Aufwand gut sein sollte.

Doch schon lief Sunoo mit großen Schritten auf mich zu und zog mich dann mit einem sonnigen Lächeln zu den nebeneinander platzierten Tischlein.

„Jisung, du bist gerade rechtzeitig fertig." Im Vorübergehen nahm mir ein Sklave den Korb ab und entfernte sich dienstbeflissen. „Minho hat angekündigt, heute mit uns zu speisen. Sicherlich möchte er die guten Neuigkeiten von gestern mit uns allen feiern. Möglicherweise entscheidet er auch schon, wen er am Abend zu sich ruft."

Ich versuchte, dieses warme Gefühl zu unterdrücken, das schon wieder in mir aufstieg und gleichzeitig wollte ich auch die Gedanken beiseiteschieben, die mir zuflüsterten, dass er möglicherweise mich wählen würde.

Die Anwesenheit von Minho würde bedeuten, dass ich während des Essens wohl jeden seiner Blicke und jede Äußerung analysierte. Und das alles nur, um herauszufinden, was in dem hübschen Pharao vorging. Meine verwirrten Gefühle ihm gegenüber brachten nur Schwierigkeiten und Unsicherheiten mit sich, denen ich mich momentan nicht stellen wollte. Generell wollte ich nicht zu viel darüber nachgrübeln, warum Minho tat, was er tat und weshalb ich mich so angezogen von ihm fühlte, obwohl ich ihn nur oberflächlich kannte.

Nach kurzem Zögern folgte ich Sunoo also zu den Tischen, bedachte die üppig aufgetafelten Speisen mit einem sehnsüchtigen Blick und wartete darauf, dass der Pharao hier eintraf und sich wie vorgeschrieben als Erster an der Tafel niederließ. Kurz dachte ich darüber nach, so frech zu sein und mir bereits jetzt eines der appetitlich aussehenden Fruchtstücke von einer der goldenen Platten zu stehlen.

Ich könnte es mir genau in dem Augenblick in den Mund stecken, wenn Minho hereinkommt... Es wäre bestimmt lustig, seinen Blick zu sehen, wenn er erkennt, dass ich immer noch nicht nach seinen Regeln spiele.

Aber sobald ich meine Hand für diese kleine Missetat ausstreckte, ertönten Schritte auf dem Gang und Sunoo drückte meinen Arm rasch hinab.

Sekunden später schwangen die hohen Türflügel auf und zwei Wachen traten durch die nach innen öffnende Tür und positionierten sich zu beiden Seiten. Und dann erblickte ich ihn. Minho. Stolz und erhaben betrat er den Raum und sah sich kurz um, so als wolle er sichergehen, dass jeder anwesend war und seine glorreiche Ankunft miterlebte. Unsere Augen trafen sich, bevor Minho zielsicher zum Tisch trat und sich niedersetzte.

„Niki, Sunoo, kommt zu mir. Ich habe lange nicht mehr ausgiebig mit euch gesprochen und wünsche eure Gesellschaft." Minhos Stimme war weich und beinahe liebevoll und mir versetzte es einen kleinen Stich, dass er nicht meine Nähe gefordert hatte.

Warum macht es mir plötzlich so viel aus, wenn er keine Zeit mit mir verbringt?! Ich sollte mich vielmehr freuen, dass ich neben dem Essen nicht auch noch Konversation betreiben muss.

Hastig schüttelte ich das lästige Gefühl ab und setzte mich stattdessen mit gemischten Gefühlen an den Tisch neben Yeji.

Diese schien absolut kein Problem damit zu haben, dass Minho nicht sie erwählt hatte. Sie wirkte kultiviert und zufrieden wie immer. Also versuchte ich, denselben Eindruck zu erwecken, indem ich Minho nicht eines Blickes würdigte. Ich beobachtete auch nicht, wie er sich das Essen nahm, sondern legte mir selbst ein kleines Stück Entenfleisch und ein paar Erbsen auf den Tonteller.

Vielleicht würde ich später eines der Honigküchlein probieren, aber nachdem sie bei Ani Hameds Gastmählern so hart gewesen waren, als hätte man sie aus Zement gegossen und dann mit purem Honig überzogen, scheute ich mich fast vor dem Gebäck. Allerdings war es eine reichhaltige Nahrungsquelle und ich versuchte, hier möglichst ausgewogen zu essen.

Es gab genug gesunde Lebensmittel, hauptsächlich weil keine modernen Süßstoffe oder übermäßig viele Fette verwendet wurden, um diese Speisen zuzubereiten. Dafür barg die altägyptische Küche andere Tücken. Vor allem bei Brot war ich vorsichtig. Wie bereits erwähnt war die Kruste von Backwaren nicht knusprig, sondern teilweise sehr hart, da man noch nicht die Möglichkeiten hatte, Körner ganz fein zu mahlen.

Die Köche des Palastes waren jedoch sehr geschickt im Zubereiten von Fisch und Fleisch. Sie schienen genau zu wissen, welche Gewürzkombinationen am besten harmonierten. Das Entenfleisch vor mir auf dem Tonteller war vor dem Grillen mit einer Marinade bestrichen worden, die hervorragend nach Koriander und Sesam schmeckte.

Genüsslich schloss ich die Augen, während ich das Fleisch kaute. Erst als ich Sunoos Stimme vernahm, der Minho von dem neuesten Palastgeflüster berichtete, öffnete ich die Augen wieder. Kaum merklich blickte ich mich unter den Anwesenden um und griff dann nach einer rundlichen Schale, in der sich gebackene und glasierte Nüsse befanden. Dank meines sorgfältigen Studiums wusste ich, dass es sich hierbei um Dumpalmnüsse handelte. Diese rochen stark nach Cappuccino und schmeckten erstaunlich gut.

Ich nahm mir zwei der Nüsse, kaute sie andächtig und leckte danach genüsslich meine Finger ab.

Ich spürte den Blick, bevor ich ihm überhaupt begegnete. Doch er war so stechend, dass ich einfach hinsehen musste. Unvorbereitet begegnete ich Minhos dunklen Augen und verharrte mit den beiden Fingern in meinem Mund.

Oh Gott, es muss viel zu unzüchtig aussehen, wie ich an meinen Fingern lecke.

Vermutlich empfand Minho das auch so, denn sein Blick lag starr auf meinen Lippen und in einem Anflug von Verwegenheit entschied ich mich, etwas wirklich Leichtfertiges zu tun.

Ich gab meine Finger frei und griff nach einer weiteren, mit Honig überzogenen Nuss und diesmal sah ich ihm tief in die Augen, als ich meine Lippen öffnete, die Dumpalmnuss ganz behutsam auf meine Zunge legte und noch etwas weiter nach hinten schob. Dann umschlossen meine Lippen wieder die Finger und saugten kurz an diesen, um den überschüssigen Honig zu entfernen.

Warum fühlt sich das nur so verboten an?

Verboten und gleichzeitig absolut himmlisch, als ich erkannte, dass Minho schluckte und seine Augen noch dunkler wurden, bevor er seine Sitzposition änderte. Triumphierend lächelte ich und wandte mich wieder meinem Fleisch und den Erbsen zu.

Irgendwie ist es lustig, ihn ein bisschen zu ärgern. Ob er das schon erregend fand? Was er sich wohl dabei vorgestellt hat?

Nun schmeckte das aufgetafelte Essen gleich nochmal besser und ich schaffte es sogar, alles auf meinem Teller Befindliche zu verzehren. Danach fühlte ich mich satt und zufrieden, während eine angenehme Schläfrigkeit durch meinen Körper und Geist zog. Ich lauschte nur mittelmäßig interessiert, als Hyunjin und Yeji über die bevorstehenden Festlichkeiten sprachen.

Die kurz bevorstehende Zeremonie am Nil schien den Ägyptern besonders heilig zu sein, was einen großen Aufwand an Planung und Vorbereitung mit sich brachte. Aber eigentlich wollte ich mich nicht schon wieder um neue Kleidung und Schmuck kümmern müssen. Ich hatte noch nicht einmal mitbekommen, was für dieses Fest angemessen war und was die Tradition verlangte, aber sicher würde mir Seungmin helfen, wenn es soweit war.

Allmählich wurde es immer wärmer im Raum, sodass ich langsam richtig müde wurde und schließlich konnte ich nur noch mit Mühe ein Gähnen unterdrücken.

„Jisung."

Ich schreckte aus meinem friedlichen vor mich hin Dösen auf und blickte verdutzt hinüber zu Minho, der mich gerade angesprochen hatte. Der Rest der kleinen Gesellschaft war verdächtig still und hastig kramte ich eine Höflichkeitsfloskel hervor, die mir Gott sei Dank spontan wieder einfiel.

„Ja, eure Majestät?" Ich hoffte sehr, dass man die Verwirrung nicht bereits in meiner Stimme hörte.

Minhos Mundwinkel zog sich belustigt nach oben, so als wüsste er ganz genau, dass ich nicht aufgepasst hatte. Es war, als würde der strenge Mathelehrer den kleinen Jisung in der ersten Reihe nach einer besonders schweren Lösung fragen und natürlich kannte ich die Antwort nicht.

„Du scheinst dich hier zu langweilen und da ich sehr um das Wohlergehen aller in diesem Palast besorgt bin, möchte ich, dass du mir den Rest des Tages Gesellschaft leistest."

Und da hatte der Lehrer die Frage auch schon selbst beantwortet.

Ich hingegen war zunächst verwirrt. Ich hatte nicht mehr damit gerechnet, dass er mich heute auswählen würde, und schon gar nicht, um den ganzen Nachmittag bei ihm zu verbringen. Die anderen im Raum wirkten ebenfalls überrascht.

Man hätte eine Stecknadel fallen hören können und erst als Yeji mir sanft, aber dennoch bestimmt den Ellenbogen in die Rippen stieß, schaffte ich es, zu antworten.

„Es wäre mir eine Ehre, Majestät", brachte ich hastig hervor und vermutlich hörte sogar Minho heraus, dass ich diese „Ehre" bisher nicht einzuordnen wusste.

Aber ihn schien das nicht sonderlich zu kümmern, denn er lächelte wohlwollend und wandte sich anschließend den anderen zu, während ich angestrengt überlegte, wie ich ihm diesmal gegenübertreten sollte und was er von mir erwarten würde. Unruhig kaute ich auf meiner Unterlippe und meine Fingernägel bohrten sich in meine Oberschenkel.

Verdammt nochmal, warum kann Minho nicht einmal klar und deutlich sagen, was das zwischen uns ist? Obwohl... eigentlich sollte mir das längst klar sein. Er ist hinter meinem Arsch her wie der Teufel hinter einer armen Seele


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Wie versprochen, das zweite Kapitel. Ich hoffe, ihr habt einen angenehmen Sonntag. Und bevor ich es wieder vergesse: Happy Pride Month 🌈 Lasst uns alle respektvoll und liebevoll miteinander umgehen, damit sich jetzt und in Zukunft alle Menschen in Gesellschaft anderer wohlfühlen können. 💖✨

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