Klare Bekenntnisse

Jisungs Pov:

„Sprich ruhig weiter. Ich bin gespannt, was du mir noch zu sagen hast."

Diese Worte klangen so viel leichter und ungefährlicher, als sie es tatsächlich waren. Denn ich durfte es nicht riskieren, so ehrlich zu sein. Aber schon entschlüpften die nächsten Worte ungebremst meinem Mund.

„Ihr seid der Herrscher über ganz Ägypten... Wie sollt ihr verstehen, wie es dem einfachen Volk geht? Oder wie es mir geht? Ich lebe in eurem Palast und bin dennoch gefangen. Würdet ihr euch an meiner Stelle wohlfühlen?"

Endlich stoppte ich mich selbst, indem ich mir hart auf die Unterlippe biss und dann den Blick auf den Boden richtete. Ich traute mich nicht einmal mehr, laut zu atmen. Was ich da gerade gesagt hatte, war mehr als unverschämt. In einer Zeit wie dieser war es wohl bereits ein Grund, um seinen Kopf zu verlieren. Immerhin hatte ich mit meiner Aussage den mächtigsten Mann des Reiches beleidigt. Ich hatte den von Gott persönlich gesandten König diskreditiert und ihm auf den Kopf zugesagt, dass er nicht unfehlbar war und er nicht wusste, was seine Untertanen wirklich benötigten. So etwas durfte sich niemand erlauben.

Wieder einmal hatte ich meine große Klappe nicht halten können.

„Sieh mich an."

Nun grub sich erneut die Angst in mein Herz und in meinen Verstand, also weigerte ich mich schlicht und einfach, dem Befehl zu gehorchen. Es war beinahe so, als könnte ich meinen Kopf gar nicht mehr bewegen. Ich konnte ihn jetzt nicht ansehen. Ein leichtes Zittern erfasste meinen Körper und alles, was ich hervorbringen konnte, war ein krächzendes „B-bitte vergebt mir, eure Majestät." Daraufhin kehrte wieder Totenstille ein.

Wieso? Wieso kann ich nicht einmal schweigen? Ich bin nicht mehr im 21. Jahrhundert, wo meine Meinung akzeptiert oder gewürdigt wird. Ich bin hier nicht frei und unabhängig. Warum bringt er mich immer wieder dazu, ihm widersprechen zu wollen?

„Sieh mich an Jisung." Jetzt glaubte ich, den Unmut aus Minhos Stimme herauszuhören. Er war offensichtlich gereizt, und dass ich mich ihm auch noch standhaft verweigerte, machte es nicht besser. Daraufhin hörte ich ein Rascheln und dann, wie der zweite Becher auf dem Tisch abgestellt wurde.

„Ich denke, du verkennst die Lage, in welcher du dich befindest." Minhos Stimme war inzwischen kühl und seine Worte dennoch so gezielt gewählt, dass ganz klar der gut erzogene Pharao aus ihm sprach. „Denkst du tatsächlich so von dir selbst? Siehst du dich als den armen und bedauernswerten Gefangenen, den du mir hier präsentierst?"

Ich hörte das Rascheln von Stoff erneut und dann trat der Pharao vor mich, sodass ich Minhos helles Gewand vor mir sah, ebenso wie seine bronzefarbene Haut. Doch als ich nicht reagierte, sprach er weiter. „Ist das wirklich alles, was du sein willst, Jisung? Seit dem ersten Tag im Palast habe ich dir angeboten, mehr zu sein, als ein Geflüchteter oder ein Sklave. Und ich sage dir: Ohne mich würdest du heute entweder bettelnd in den Straßen Thebens sitzen, als niederer Arbeiter deinen Lohn verdienen oder in irgendeiner zwielichtigen Gasse mit aufgeschlitzter Kehle und geschundenem Körper liegen. Diese drei Optionen hättest du ohne mich gehabt."

Eisig kalte Finger griffen nach meinem Herzen und quetschten es bei jedem Wort fester zusammen, und dennoch weigerte ich mich, nachzugeben, einzulenken, mich nochmal zu entschuldigen oder gar zu weinen – auch wenn mir kurz danach zu Mute war.

„Sieh mich endlich an, Jisung. Sieh mich an und sag mir nochmal, dass dieses Leben nicht gerecht ist. Das weiß ich selbst, und dennoch habe ich dir alles an Pracht und Annehmlichkeit geboten, was ich kann. Ich gab dir Zeit, habe Geduld gezeigt und dir zugehört. Ich bin Pharao, ich bin das Gesetz dieses Landes, und das habe ich nicht dadurch erreicht, dass ich mich bemitleidet habe." Eine unbekannte Härte schlich sich in seine Stimme. „Und wenn du nur endlich aufhören würdest, gegen dich selbst zu kämpfen, könntest du alles erreichen, was du willst."

Aber wie? Wie soll ich nur akzeptieren, dass ich mich selbst verändere, andere aber nicht? Warum sollte ich nachgeben und weswegen stört ihn das so furchtbar? Was bringt ihn dazu, mir diese Chancen einzuräumen und so sehr darauf zu beharren?

Als ich noch immer nicht reagierte, hatte Minho offenbar genug von meiner Sturheit. Er lehnte sich über mich, griff nach meinem Kinn und hob es an. Ich leistete keinen Widerstand und ließ zu, dass ich kurz darauf in die dunkelbraunen Augen blickte, die von Unverständnis und Wut gezeichnet waren.

„Du bist dein eigener Gefangener, Jisung. Nicht meiner." Ein frostiges Lachen erklang und ich zuckte bei jedem weiteren harschen Wort zusammen, da ich allmählich begriff, dass er durchaus Recht hatte. „Ich wollte dir immer wieder beweisen, dass ich nicht dein Gegner bin, für den du mich so offensichtlich hältst. Ich wollte mein Wissen mit dir teilen, meinen Alltag und dir zeigen, dass auch ich gewissermaßen in meinen Pflichten gefangen bin. Das sind wir alle. Keiner kann aus diesem System ausbrechen – nicht einmal ein König."

Seine Worte leuchteten mir durchaus ein und der eindringliche Blick von Minho bestätigte seine Worte. Er wollte mich zum Nachdenken bringen, doch ich war ebenso verletzt und ziemlich verunsichert von seinen Offenbarungen.

Er hat Recht, aber ich will mich nicht so behandeln lassen. Ich will nicht, dass er mir wichtig wird, denn wenn das passiert, dann wäre es unerträglich, ihn nicht retten zu können. Es wäre grausam, Hoffnungen zu wecken, wo nie Hoffnungen existieren sollten. Wir sind zu verschieden.

Innerlich wappnete ich mich gegen den Ausdruck der verschiedensten Emotionen in Minhos Augen, hob von selbst noch etwas das Kinn und straffte die Schultern.

„Das gibt dir noch lange kein Recht, mich gegen meinen Willen bei dir zu behalten", fauchte ich wie ein verwundetes und in die Enge getriebenes Tier zurück und griff dann nach seinem Handgelenk, um seine Finger endgültig von meinem Kinn zu lösen. Minho richtete sich daraufhin auf, trat zwei Schritte zurück und schien meine erneute Selbstverteidigung zunächst verarbeiten zu müssen. In dieser Zeit stand ich schwankend vom Stuhl auf, um mich nicht mehr ganz so klein und machtlos zu fühlen.

„Ich besitze jedes Recht, dich hier zu behalten", tönte es mir plötzlich klar und deutlich entgegen. „Du bist in meinem Land, hast dich von mir verteidigen lassen und hast meine Bedingungen unserer Partnerschaft akzeptiert. Ich erwarte nicht viel von dir, Jisung. Nur ein wenig Vertrauen und Zuneigung. Doch alles, was ich von dir bekomme, sind Ablehnung und Angst." Bitterkeit erfüllte die Stimme des Pharaos und für einen Moment hielt ich in meiner Erwiderung inne, da er so unglaublich frustriert und geschlagen aussah. Gerade konnte ich hinter Minhos stolze Fassade blicken. Dort erkannte ich das angekratzte Ego und das Unverständnis darüber, dass er einmal nicht das bekam, was er wollte.

Ja, das muss es sein. Zum ersten Mal widerspricht man ihm.

Vor einem Augenblick wollte ich ihn noch anschreien, ihn einen hinterlistigen und verwöhnten Schnösel nennen und seine lüsternen Absichten, die er hinter guten Taten tarnen wollte, als unmoralisch und barbarisch betiteln. Doch ich tat es nicht, denn mir kamen Zweifel, ob er nicht doch nur jemanden brauchte, der sein Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit befriedigte.

Sollte ich doch einlenken und einen Schritt auf ihn zugehen?

Gleich darauf schüttelte ich den Kopf und trat einen Schritt zurück, um mehr Platz zwischen uns entstehen zu lassen. „Warum ausgerechnet ich? Du hast doch die Anderen. Sie wollen das doch." Diesmal war meine Stimme weitaus weniger angriffslustig, dennoch wichen die Anspannung und der Unbill über die Situation nicht vollständig aus Minhos Gesicht.

„Weil es nun einmal du bist, den ich begehre. Ich sehne mich nach dir, Jisung."

Ein kurzes, aber heißes Brennen lief durch meinen Körper, als würde ich unfreiwillig auf diese erschreckend ehrliche Aussage reagieren.

Was für eine Art Hexenwerk ist das?

„Tss~", brachte ich in Ermangelung einer cleveren Erwiderung hervor und verschränkte die Arme schützend vor der Brust. Dann ging alles viel zu schnell.

Mit zwei raschen Schritten war Minho bei mir, griff nach meinen Schultern und riss mich förmlich in seine Arme, um mich fest an sich zu drücken. Seine Unterarme schlang er eng um meinen Rücken, seine Fingerspitzen bohrten sich leicht in den Stoff meines Gewandes und mein Herz setzte einen Takt aus, bevor es zu schnell weiterschlug. Durch den Überraschungsmoment reagierte ich nicht gleich. Ich stand einfach nur da und löste weder Minhos Arme von mir, noch stieß ich ihn weg. Er schien dies als gutes Zeichen zu sehen, denn er vergrub seine Nase in meinem Nacken und atmete tief ein, so als würde er meinen Geruch in sich aufsaugen wollen. Seine Finger lockerten sich und strichen behutsam über den Stoff.

„Es ist, als würden mich die Götter dazu bringen, dich zu begehren, um mich für jeden Fehltritt in meinem gesamten Leben zu strafen."

Mir war nicht klar, wie ich diese Aussage zu bewerten hatte, aber je länger ich darüber nachdachte, desto unwohler fühlte ich mich in der engen Umarmung.

Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass aus uns nie mehr werden sollte... dass wir einander nicht guttun.

Allmählich fand ich zurück in die Realität und stemmte fest entschlossen meine Hände gegen Minhos Brust, um ihn abzuschütteln.

„Nein, das ist nicht richtig. Du solltest mich vergessen. Lass mich gehen." Seltsamerweise wurde mir bei meinen eigenen Worten kalt ums Herz und dennoch schob ich den jungen, sturen Pharao weiter von mir.

„Jisung", murmelte Minho verwirrt und wollte schon nach meiner Hand greifen, die ich ihm eilig entzog.

Er wird mich nur in Ruhe lassen, wenn er versteht, dass es keine Möglichkeit für ihn gibt, mich zu bekommen. Ich darf nicht nachgeben.

„Lasst mich in Ruhe, eure Majestät. Nur weil ihr die Macht über dieses Land besitzt, denkt ihr, ihr könntet alles haben – einschließlich mir... Aber das wird nicht geschehen", stellte ich mit bebender Stimme klar. „Ich habe euren Bedingungen nur zugestimmt, um eine Möglichkeit zur Flucht zu erhalten. Ich hatte nie die Absicht, euch meinen Körper besitzen zu lassen."

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Ich mag diesen Cut ein bisschen zu sehr und habe beschlossen, ihn noch etwas länger wirken zu lassen. Deshalb kommt das zweite Kapitel diesmal entweder morgen oder am Sonntag... mal sehen, wie ich Zeit zum Korrigieren finde.🙃

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