Für eine erfolgreiche Jagd

Jisungs Pov:

An diesem Morgen überredete ich Seungmin, mich zum Frühstück mitgehen zu lassen und sich nicht die Umstände zu machen, das Essen zu mir zu tragen.

Der Tag versprach wieder sehr warm zu werden und ich war überrascht, als dennoch schon eine rege Geschäftigkeit überall herrschte. Die Bediensteten trugen allerlei Utensilien zusammen und ich war verwundert darüber, so viele Waffen unter den umhergetragenen Gegenständen zu sehen.

Doch ich erhielt die Aufklärung über die Bedeutung meiner Beobachtungen, sobald wir in die große Haupthalle des Anwesens traten. Unser Gastgeber saß bereits gut gelaunt zwischen seinen Ehefrauen und unterhielt sich lautstark mit Hyunjin und Sunoo.

„Die heutige Jagd steht unter einem guten Stern. Sicherlich werden wir etliche Wildstiere erlegen und mit der Hilfe der Götter auch einige Nilpferde oder gar Löwen." Er wandte sich an die Frau rechts von sich, hob ihr Kinn und küsste sie vollkommen ungeachtet seiner Gäste, bevor er sie fragte: „Was hältst du davon, ein hübsches Löwenfell vor dem Bett liegen zu haben, Tetis?"

Möglichst unauffällig ließ ich mich neben Seungmin nieder und versuchte nicht mein Gesicht zu verziehen, bei dem Gedanken daran, einen echten Löwenpelz als Bettvorleger dulden zu müssen.

Wie geschmacklos ist das bitte? Und warum zum Henker ist es eine tolle Trophäe, den König der Tiere abzuschlachten? Oder überhaupt ein Lebewesen zum Vergnügen zu jagen und umzubringen? Ich verstehe es, solange man das Fleisch als Nahrungsquelle nutzt, aber diese Großwildjagten sind nur zur Belustigung der Oberschicht gedacht – ein reiner Zeitvertreib.

Gerade als ich mir etwas Fleisch nehmen wollte, das stark nach Taube aussah, öffneten sich erneut die großen Flügeltüren und unser Gastgeber begrüßte den Neuankömmling überschwänglich.

„Minho! Was für ein wunderbarer Tag für eine erfolgreiche Jagd, nicht wahr?"

Eher halbherzig drehte ich mich in die Richtung des eintretenden Pharao, aber als ich ihn dann richtig sehen konnte, stockten meine Bewegungen und etwas ganz Seltsames geschah in meinem Inneren. Es fühlte sich an, als würde mein Magen einen kleinen Salto machen und dann nicht wieder richtig an seinen Platz rutschen, denn es blieb ein aufgeregtes Kribbeln zurück, das ich nicht besser zu beschreiben wusste. Es war, als hätte man mich verhext, sobald ich des Königs ansichtig wurde.

Entgegen Minhos sonst so makellosen Erscheinungsbild war er heute eher schmucklos und simpel gekleidet. Über seinen breiten Oberkörper spannte sich ein Lederharnisch, der wie eine zweite Haut anlag, aber wohl effektiv gegen Verletzungen schützen sollte. Dabei ließ das Leder die definierten Oberarme vollkommen nackt und schutzlos, während die Unterarme in ebenso ledernen Schonern steckten. Auch über den Lendenschurz war ein lockeres Beinkleid aus Leder gebunden, das leider viel zu viel von den muskulösen Oberschenkel freigab.

Selbst wenn ich Minho schon mit weitaus weniger Kleidung gesehen hatte, so fühlte ich mich momentan, als wäre es der erste Blick, den ich auf ihn warf. Und noch etwas wurde mir plötzlich überdeutlich bewusst.

Ich fand ihn verdammt attraktiv... auf eine sicherlich nicht heterosexuelle Art und Weise.

Mir war nicht klar, ob es an der schlichten und dennoch perfekt passenden Kleidung lag oder an den kleinen Details, die ich erst nach und nach entdeckte. Minhos Haare sahen heute sehr fluffig aus und einzelne Strähnen fielen ihm frech in die Stirn, während kleine, goldene Ohrringe ab und an zwischen dem dunklen Braun aufblitzten.

Nun sah sich Minho in der Halle um und unsere Blicke trafen sich kurz, worauf ich endlich aus meiner Starre aufschreckte und mich hastig wieder dem Fleisch auf meinem Teller widmete.

„Ich bin sicher, der Tag wird uns viel Erfolg bescheren, Ani. Aber zunächst sollten wir uns stärken."

Wie so oft sprach Minho ruhig und voller Zuversicht. Er durchquerte den Raum mit langen Schritten und setzte sich dann ebenfalls an die lange Seite der Tafel, wo er sogleich von Dienern umsorgt wurde und alles erhielt, was er sich wünschte.

Die nächste halbe Stunde bemühte ich mich also verbissen, mich auf meine eigene Verpflegung zu konzentrieren, das seltsame Kribbeln in meinem Bauch zu ignorieren und Minho nicht allzu offensichtlich anzustarren. Aber vermutlich hatte sich Minhos Abbild bereits in meine Netzhaut gebrannt, denn selbst wenn ich für einige Sekunden die Augen schloss, erblickte ich den hübschen Pharao.

Scheiße, das ist nicht gut. Ich wollte mich doch darauf fokussieren, eine bessere Verbindung zu ihm aufzubauen. Wie soll ich das unvoreingenommen schaffen, wenn jetzt wirklich Gefühle ins Spiel kommen?

„Jisung, lass uns Minho und die anderen noch verabschieden und ihnen eine erfolgreiche Jagd wünschen." Seungmin erhob sich von seinem Platz und ich tat es ihm gleich, weil ich ohnehin mit dem Essen fertig war.

Diesmal wirst du freundlich zu ihm sein, Jisung!

Ermahnte ich mich selbst und tapste dann hinter Seungmin und Hyunjin hinüber zu Ani Hamed, Minho, Felix und noch einigen weiteren Adeligen, die an dem „Vergnügen" teilnehmen würden.

Als Minho uns erblickte, trat er einige Schritte von der Jagdgesellschaft zurück und schenkte uns seine ganze Aufmerksamkeit. Zunächst war es natürlich Hyunjin, der sich dem Pharao förmlich an den Hals warf. Hyunjin machte kein Geheimnis aus seinen Wünschen und Absichten. Er lehnte sich zu Minho, wisperte ihm etwas ins Ohr und streichelte dann mit der Hand langsam über den ledernen Brustharnisch.

Ich musste mir ein Augenverdrehen verkneifen und wartete stattdessen etwas angespannt darauf, dass er mich ansehen würde.

Oh man, was soll ich ihm eigentlich sagen?

Da schritt schon Seungmin zu Minho, verneigte sich höflich und sprach dann mit einem fröhlichen Lächeln einige Worte mit seinem König und Ehemann. Bei ihm sah es ungezwungen aus, so als wäre es eine Unterhaltung zwischen zwei Vertrauten, die einander verstanden. Ein Unterschied wie Tag und Nacht zu Hyunjins aufreizendem Verhalten.

Dann verbeugte sich Minnie erneut und Minhos ausdrucksstarke Augen trafen auf die meinen, während ich noch immer überlegte, was ich sagen wollte.

Und als ich jetzt im Fokus der Aufmerksamkeit stand, versuchte ich Seungmins Verhalten zu imitieren.

Zunächst senkte ich ehrerbietig mein Haupt vor dem Pharao, dann setzte ich zum Sprechen an.

„Eure Majestät, ich wünsche euch ebenfalls eine erfolgreiche Jagd. Mögen eure Waffen denen der Götter gleichen und ihr Ziel nie verfehlen."

Eine von Minhos Augenbrauen hob sich minimal an, so als hätte er nicht mit solch gewählten Worten gerechnet. Doch dann neigte er dankbar den Kopf und schloss den Abstand zwischen uns mit einem großen Schritt.

„Vielen Dank, Jisung. Würdest du mir die Freude machen und mich hinausbegleiten? Ich würde dir gern meinen Streitwagen zeigen."

Eine Sekunde zögerte ich, bevor ich mich an meine guten Vorsätze erinnerte und mir eingestehen musste, dass diese Bitte und die Situation eigentlich keine Gefahren für mich bargen. Immerhin wollte Minho gleich mit den anderen aufbrechen.

Deshalb nickte ich etwas schüchtern. „Gern, eure Majestät."

„Dann komm, Jisung." Ohne sich um die anderen zu kümmern, fasste Minho nach meiner Hand, führte mich aus der Halle und dann einen Säulengang entlang. Als ich schon das helle Tageslicht zwischen den massiven Steinpfeilern erkennen konnte, wurde ich unvermittelt in den Schatten gezogen.

Verwundert blickte ich zu dem Mann auf, der mich so rasch und ohne große Anstrengung vom Hauptweg abgebracht hatte und nun den Schutz der dicht gedrängten Säulen nutzte.

„Jisung, ich möchte mich noch einmal für meine Fehleinschätzung deines Zustandes entschuldigen."

Immer noch etwas überrumpelt von den Worten und Minhos ungewohnter, strahlender Erscheinung blinzelte ich nur, blickte aus großen Augen zu ihm auf und wartete auf eine weitere Erklärung. Obwohl eigentlich ich an der Reihe war, um ihm zu versichern, dass es nicht seine Schuld war. Die Stille zwischen uns zog sich hin und ich wollte bereits eine Erwiderung formulieren, als Minho den Kopf schieflegte und direkt fragte: „Was bedrückt dich, Jisung? Du warst auch bei dem Spaziergang durch den Garten so angespannt."

Diese Frage drängte mich nun wortwörtlich gegen die Wand. Natürlich, ich könnte ihr ausweichen und wieder schnippisch reagieren, aber das wollte ich nicht. Außerdem zeigte er so ehrliches Interesse und wenn ich diese Chance erneut in den Sand setzte, würde ich mich selbst nicht mehr im Spiegel ansehen können.

„Ich- ähm- ich war durcheinander", stammelte ich und wich einen Schritt zurück. „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll." Noch ein Schritt zurück und ich bemerkte, dass ich einer der Säulen gefährlich nahekam. Minho schien das ebenso wahrzunehmen, denn er folgte mir und griff nach meinem Oberarm, um meinen Körper davor zu bewahren, unsanft mit dem Stein zu kollidieren.

„Vorsicht, du sollst dir nicht noch mehr Schmerz zufügen", flüsterte er leise. Anschließend beugte er sich nach vorn, fasste auch nach meinem zweiten Oberarm und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. „Ich bin mir sicher, du findest die richtigen Worte, Jisung." Ein schelmisches Funkeln trat in seine Augen, bevor sich seine Mundwinkel amüsiert nach innen krümmten und er hinzufügte: „Sonst ist mein Kätzchen doch auch nicht um eine Antwort verlegen."

Ungewollt spürte ich eine feurige Röte in meine Wangen schießen und nach einem kurzen, genervten Schnauben stellte ich unerschrocken Augenkontakt her. „Eigentlich wollte ich mich bei dir bedanken", stieß ich leicht gereizt hervor, doch das schalkhafte Funkeln in Minhos Augen und seine lässige Ausstrahlung ließen meinen Frust schneller verfliegen, als mir lieb war. „Ich wollte dir sagen, dass– dass es sehr zuvorkommend von dir war, mir deine Hilfe und deinen Schutz ein zweites Mal zu gewähren." Mit dem letzten Wort stieß ich auch die angestaute Luft aus und blickte ungewollt auf den engen Lederharnisch direkt vor meiner Nase.

Ob ich auch mal darüberstreicheln darf?

„War das schon alles?", wollte Minho in einem fast sanften Ton wissen, so als wüsste er genau, dass er noch weitaus mehr Worte und Erklärungen aus mir herauskitzeln könnte.

„Nein, du sollst auch wissen, dass mir meine Unvorsichtigkeit leid tut. Ich wollte niemandem zur Last fallen, vor allem nicht dir. Und doch habe ich die letzten Tage nichts anderes getan. Ich werde das wiedergutmachen", wisperte ich, nachdem ich mich schon wieder in den funkelnden, braunen Augen verloren hatte.

Minho beugte sich weiter über mich und stupste dann plötzlich meine Wange mit seinem Zeigefinger an. „Genug davon. Du schuldest mir keine Wiedergutmachung. Nichts davon. Es sei denn-" Er kam mir noch etwas näher und mein Magen vollführte einen gekonnten Salto. Geistesabwesend legte ich meine Handfläche auf den Brustharnisch und spürte selbst durch das Leder den Herzschlag und jede kleine Bewegung von Minhos Körper. „Es sei denn du willst das, Jisung."

Ich stieß die angehaltene Atemluft mit einem verzweifelten Seufzen aus und bemühte mich, meine Gefühle zu sortieren.

Warum muss es mit ihm immer eine Achterbahn an Empfindungen sein? Wie schafft er das? Und was zum Teufel tue ich jetzt?!

Meine Finger krallten sich leicht in die erstaunlich weiche Oberfläche und dann drückten sie Minho doch zurück.

„Ich- nicht jetzt-" stammelte ich und wusste gar nicht, wie ich mich erklären sollte. Doch glücklicherweise wurde mir die Entscheidung abgenommen, denn es näherten sich Schritte und gleich darauf erkannte ich ebenso die Stimmen von Ani Hamed und Felix. Minho trat von selbst einen Schritt zurück und schien noch auf etwas zu warten, also riskierte ich einen flüchtigen Blick hinauf in seine dunkelbraunen Augen. Sie wirkten nicht verärgert, sondern nur gespannt und als er bemerkte, dass ich offenbar nicht weiterwusste, schenkte er mir eines seiner katzenhaften Lächeln.

„Wie du meinst, aber ich hoffe, du verabschiedest dich noch von mir, bevor ich zur Jagd aufbreche."

Jetzt, wo er mir nicht mehr ganz so nahe stand, konnte ich endlich wieder normal atmen und mit einem Anflug von Selbstvertrauen hob ich mein Kinn und fragte: „Und welche Verabschiedung würde euch zusagen, eure Majestät? Immerhin habe ich euch schon Geschick und Treffsicherheit zugesprochen."

Offenbar amüsierte es Minho, dass ich mein freches Mundwerk wiedergefunden hatte, denn er kicherte tatsächlich und tat dann etwas, das einem Schulterzucken nahekam.

„Diese Entscheidung überlasse ich dir, Kätzchen."

Nonchalant schnaubte ich und bevor ich nochmal darüber nachdenken konnte, schloss ich den Abstand zwischen uns wieder, stellte mich auf die Zehenspitzen und streckte mich noch etwas weiter und drückte meine Lippen gegen die Stirn des Pharaos. „Viel Glück", hauchte ich, bevor ich mich umdrehte und hastig zwischen den Säulen verschwand.


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Ich hab gehört, ihr wolltet doch lieber softe Minsungsmomente... here you go. 😄💖


I love you Stay. 💕

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