Die Zustimmung der Götter

Diesmal eine kleine Erläuterung vorweg, da das im letzten Kapitel vielleicht nicht deutlich genug geworden ist: Im alten Ägypten wurden Verlobungen und Hochzeiten nicht so zelebriert/gefeiert, wie wir es heute kennen. Es gab nicht mal ein Wort für Hochzeit, also hat man auch nicht mehrere Jahre bis zur Eheschließung gewartet, um sich ausreichend kennenzulernen, noch hat man demjenigen zur Verlobung einen Ring geschenkt oder einen Kniefall gemacht. Was sicher auch der Tatsache geschuldet war, dass eine Liebesheirat selten vorkam und vielmehr aus praktischen Aspekten geheiratet wurde. Den detaillierten Ablauf einer königlichen Vermählung im alten Ägypten gab es, so wie ich ihn in den folgenden Kapiteln beschreibe, vielleicht nicht. Aber ich habe mir Mühe gegeben, einen sinnstiftenden, halbwegs plausiblen und auf ausgewählten Fakten beruhenden Ablauf zu beschreiben.

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Jisungs Pov:

Die nächsten zwei Wochen waren für mich in etwa so nervenaufreibend wie meine ersten Begegnungen mit Minho oder meine Reise in der Zeit. Neben den vielen fast banalen Vorbereitungen, die zwar größtenteils von den Bediensteten ausgeführt wurden, aber von mir in Auftrag gegeben und überwacht werden mussten, waren da auch noch wichtige Entscheidungen über die Auswahl meiner Kleidung und meines Schmucks. Während der mehrtägigen Festlichkeiten musste ich immer perfekt aussehen, um neben meinem Gemahl, dem hohen Pharao, würdig zu erscheinen. Das bedeutete, Seungmin, Hyunjin und ich brüteten mehrere Stunden über der Auswahl der passenden Gewänder und der dazugehörenden Accessoires, wie Gürteln, Broschen, Armreifen, Halsketten und Haarschmuck. Außerdem wurden neue Schuhe und ein breiter, edelsteinbesetzter Gürtel für mich gefertigt, zusätzlich zu dem Gewand, das ich am Tag, an dem wir uns dem Volk gemeinsam präsentieren würden, tragen sollte.

Mehr als einmal hatte ich Kopfschmerzen von den zahllosen Fragen bekommen, die mir gestellt wurden, und nicht einmal der milde Duft des Lavendelöls hatte meine Nerven genug beruhigt, um in der Nacht richtig schlafen zu können. Manchmal hatte ich noch stundenlang wach in Minhos Armen gelegen und vor mich hin gegrübelt, ob ich irgendetwas vergessen hatte oder irgendjemand meine Anweisungen missverstehen könnte. Ab und an hatte ich gedankenverloren angefangen, mit Minhos Haarsträhnen zu spielen oder ganz zärtlich die Konturen seines Gesichts nachzuzeichnen und seine weiche Haut zu streicheln.

Zu seinem eigenen Leidwesen hatte mein zukünftiger Ehemann einen sehr leichten Schlaf und viel zu oft war er schon von der kleinsten Bewegung meinerseits aufgewacht. Immer wenn das geschehen war, hatte er mich stumm aus seinen dunklen Augen beobachtet, bis ich bemerkte, dass er nicht länger schlief. Stets hatte ich mich entschuldigt und Minhos Reaktion war jedes Mal die gleiche gewesen. Er beugte sich über mich und küsste mich, bis keine anderen Gedanken mehr in meinem Kopf Platz fanden. Er wusste zu gut, wie er mich entspannen konnte, und nicht selten endeten diese so unruhigen Nächte für uns beide damit, dass wir fest ineinander verschlungen, verschwitzt und mit unregelmäßigem Atem doch noch in den Schlaf fielen, den wir so dringend benötigten.

„Wo bist du nur schon wieder mit deinen Gedanken?", tadelte mich Seungmin liebevoll, während er aufmerksam dabei zusah, wie eine Bedienstete meine Haare schnitt. Dafür führte sie einen Holzkamm sanft durch mein feuchtes Haar, um dann mit einer scharfen Klinge sorgfältig die langen Strähnen zu kürzen.

Mit einem Blinzeln ließ ich die Erinnerungen an die ermüdenden Tage und die langen Nächte mit Minho hinter mir und schielte hinüber zu Seungmin, ohne den Kopf zu wenden, um der Sklavin die Arbeit nicht zu erschweren. „Du hast Recht, ich sollte mich auf die Gegenwart konzentrieren. Ich denke besser darüber nach, was heute noch erledigt werden muss. Schließlich soll morgen alles bereit sein, wenn seine Majestät und ich den Tempel des Ra besuchen."

Seungmin lächelte verständnisvoll und winkte einen der bereitstehenden Bediensteten zu sich. „Bereitet uns einige Speisen vor, die nicht allzu fettig sind oder uns träge machen, und sagt Hyunjin zuvor, dass er die Hennafarbe nun anrühren kann." Dann wandte er sich wieder an mich. „Keine Angst, Jisung. Wir alle werden dafür Sorge tragen, dass deine Vermählung so sein wird, wie du sie dir wünschst."

Eine weitere meiner Haarsträhnen fiel der Klinge zum Opfer und die abgetrennten Haare kribbelten auf meiner entblößten Schulter, als sie zu Boden fielen. Ich versuchte, mich ein wenig zu entspannen, da ich momentan sowieso nichts anderes tun konnte, und lächelte ebenso in Seungmins Richtung. „Das weiß ich wirklich sehr zu schätzen", murmelte ich und schloss die Augen, als ich die Atemluft ausstieß. „Alles wird wunderschön."

„Ja, vor allem du", meinte Seungmin und ich öffnete die Augen wieder, nur um sein spitzbübisches Grinsen zu entdecken.

„Ich bin nun mit eurem Haar fertig", verkündete die Sklavin und entfernte sich einige Schritte von mir, verbeugte sich und packte den Kamm und die Klinge in einen ledernen Beutel.

„Vielen Dank", erwiderte ich freundlich und bemerkte, wie sich die junge Frau abermals verbeugte. Sie hatte sich, wie die meisten Bediensteten, noch nicht an meine Komplimente und die Höflichkeiten gewöhnt, aber ich konnte und wollte diese Wertschätzung für jeden Menschen und ihre guten Taten nicht ablegen. Ich wusste, dass die meisten Adeligen und Beamten keinen Wert auf Höflichkeit legten, wenn sie mit ihren Angestellten oder Sklaven sprachen, doch das musste ich ihnen ja nicht gleichtun.

„Gut, dann lass uns jetzt zu Hyunjin gehen. Sicher wartet er schon ungeduldig auf uns." Zustimmend erhob ich mich, strich die auf meinem Lendenschurz haftenden Haare fort und folgte Seungmin zu dem Raum, in dem sich schon alle anderen um Hyunjin und Niki versammelt hatten. Die beiden würden mir nun Henna auf Arme, Hände und Beine auftragen, um meine Grazie und Eleganz noch mehr hervorzuheben. Sunoo und Yeji waren vielmehr hier, um mich nebenbei zu unterhalten.

„Du wirst so hinreißend aussehen", versicherte mir Sunoo mit einem glücklichen Funkeln in den Augen, sobald ich mich zwischen ihnen niedergelassen hatte und Hyunjin und Niki ihre Pinsel in die dunkelbraune Paste tauchten.

„Er sieht bereits jetzt hinreißend aus", ergänzte Niki und ließ den schmalen Tierhaarpinsel geschickt in einer geschwungenen Linie über meinen Unterschenkel gleiten.

„Das will ihm auch keiner absprechen", mischte sich zu meiner Verblüffung nun auch Yeji ein. „Aber in den nächsten Tagen werden noch mehr Menschen als üblich sein Erscheinungsbild und sein Verhalten beurteilen und es ist von großer Wichtigkeit, seinen ersten Eindruck als Königsgemahl des Pharaos so positiv wie möglich zu gestalten." Ich musterte Yeji eingehend und musste ihr leider bei jedem Wort Recht geben. Seit Minho und sie mir offenbart hatten, dass Yeji diejenige gewesen war, die ihm mein Geheimnis verraten hatte, sprachen wir kaum miteinander. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, wie ich auf sie zugehen, geschweige denn mit ihr eine Unterhaltung führen sollte, und selbst wenn ich die Gründe für ihr Handeln verstand, schmerzte es trotzdem. Dass nun ausgerechnet sie das Wort ergriff, erstaunte mich also.

„Danke, dass du mich nochmal so deutlich auf meine Pflichten hinweist", entgegnete ich mit zart mitschwingendem Zynismus in der Stimme. „Ich werde mich bemühen, dieser großen Aufgabe gerecht zu werden."

Yejis Augen wurden eine Spur dunkler und ich erkannte an ihrer Mimik, dass sie meinen subtilen Seitenhieb durchaus bemerkte. Dennoch schien sie mir nicht böse zu sein. Stattdessen blickte sie auf das herab, was ihr Cousin gerade auf meinen Oberarm zeichnete, und ich folgte ihrem Blick.

Filigrane Blumen zogen sich über meine Haut und mit jedem weiteren wohlplatzierten Pinselstrich schien Hyunjin ein durchdachtes Bild auf meinen Körper zu zaubern. Seine Augenbrauen waren leicht angehoben und seine Pupillen konzentriert geweitet, während er die Blüten mit dünnen Stielen verband und dann größere und kleinere Blätter ergänzte.

„Wenn jemand das schafft, dann Jisung", sagte Hyunjin plötzlich und seine Augen huschten kurz zu mir. „Er würde selbst in einem Bauerngewand aussehen wie die schönste Blüte, die in den Gärten dieses Palastes wächst."

Die Überzeugung in Hyunjins Stimme ließ mich automatisch lächeln und ich fühlte mich gleich gestärkt durch die Zuversicht, die ich nicht nur in seinen Augen las.

„Das beruhigt mich", murmelte ich und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen, betrachtete jeden einzelnen Anwesenden eingehend und fühlte eine tiefe Art der Verbundenheit und Zufriedenheit, die man nur in aufrichtigen Freundschaften finden konnte. „Ich bin so froh, dass ihr alle an meiner Seite steht – dass ich euch habe." Meine Kehle schien auf einmal seltsam trocken und ich fand keine weiteren Worte, um auszudrücken, wie viel mir die Hilfe bedeutete, die ich von jedem der Anwesenden erhalten hatte.

Verständnisvolles Lächeln und sanft glänzende Augen kamen aus allen Richtungen zurück und schließlich war es Sunoo, der die angenehme Stille unterbrach. „Wir haben dich auch lieb, Jisung."

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So in meinem Vorhaben gestärkt und voller Zuversicht fiel es mir am nächsten Morgen leicht, in meinem weißen und überaus prachtvollen Gewand aus der Sänfte zu klettern und ehrfürchtig zu dem altehrwürdigen Tempel vor mir aufzublicken. Die Sonne war vor wenigen Stunden in eindrucksvollen Gelb- und Orangetönen über der Wüste aufgegangen und verstrahlte nun ihre Wärme und Lebensfreude, während für mich der erste von insgesamt vier Festtagen meiner Vermählung begann. Der heutige Tag war weniger festlich und vielmehr dafür gedacht, im Tempel Opfer darzubringen und die Götter darum zu bitten, der bevorstehenden Vermählung ihre Zustimmung zu erteilen. Im Glauben der Ägypter war fest verankert, dass die Götter einen großen Einfluss auf das Glück eines Menschen nehmen konnten. Also wurden sie vor jeder wichtigen Lebensentscheidung befragt und wenn nötig mit Opfergaben beschwichtigt – eine nette Art der Bestechung.

Zwar glaubte ich noch immer nicht daran, dass meine Bitten irgendeinen Gott erreichen würden, dennoch verflüchtigten sich schlagartig alle gehegten Sorgen und Zweifel, als ich die wenigen, hohen Stufen zum Vorplatz des Tempels hinaufstieg. Dort erblickte ich nämlich meinen zukünftigen Ehemann, der nun ebenso gebannt in meine Richtung sah. Ich erkannte das Aufblitzen seiner Augen im hellen Licht, als er meine herrliche, weiße Robe, die mit dem breiten, rubinbesetzten Gürtel zusammengehalten wurde, betrachtete. Dann wanderte sein Blick über meine sorgfältig zurechtgezupften Haare sowie mein leicht abgepudertes Gesicht mit den dunkel betonten Augen. Ich musste mich sehr zusammenreißen, um nicht aus Versehen zu stolpern, weil ich keinen Gedanken an den leicht unebenen Weg unter meinen Füßen verschwendete. Minho nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, fesselte meinen Blick an ihn und mein Herz schlug wie wild, als ich dem gottgleichen Mann immer näher kam.

Sollte es tatsächlich einen Gott geben, dann ist er es. An ihn würde ich glauben, mich ihm hingeben und seinen Glaubenssätzen verfallen.

Bewundernd schweiften meine Augen erneut über seine makellose Erscheinung. Ich konnte mich kaum satt sehen an seiner glänzenden, gebräunten Haut, die zwischen den schweren, goldenen Ketten und Edelsteinen einen erfrischenden Kontrast bildete. Wie so häufig war seine Kleidung strahlend weiß, als hätte man den Stoff tagelang in der Sonne gebleicht. Sein dunkles Haar lag zart gekräuselt um seine Schläfen und kleine Kreolen zierten seine Ohren, während seine Unterarme bis auf zwei breite Goldreifen vollkommen nackt waren. Am liebsten hätte ich mich vor ihm auf den Boden gekniet und ihn gebeten, genau hier die unzüchtigsten Dinge mit mir zu tun.

Fuck~ Warum muss er ausgerechnet hier und jetzt so unglaublich heiß aussehen? Ob ich ihn überreden könnte, irgendwo in diesem schwach ausgeleuchteten Tempel einen Quickie zu schieben?

Statt meine verdorbenen Vorstellungen gewinnen zu lassen, schenkte ich Minho nun ein liebvolles Lächeln und reichte ihm meine Hand, um mit ihm den Tempel zu betreten und für unsere gemeinsame Zukunft zu beten. Erneut sah ich in seinen Augen tiefe Liebe und ebenso heiße Begierde aufblitzen und ich war etwas erleichtert, dass es scheinbar nicht nur mir so ging.

„Lass uns hineingehen", forderte Minho mit rauer Stimme und schritt mit mir zielstrebig voran, während zahlreiche Diener und Priester in gebührendem Abstand mit den erlesensten Opfergaben folgten.

Diesmal konnte ich den beißenden Geruch nach verbrannten Gewürzen besser ausblenden und es störte mich kaum, als die Priester ihre Gesänge anstimmten und noch mehr Räucherwerk anzündeten. Ehrfürchtig und mir meines öffentlichen Verhaltens überdeutlich bewusst, trat ich mit Minho vor die Statue des Gottes Ra, der beinahe wie eine Puppe zurechtgemacht war. Sein goldener Körper war in prachtvollen Stoff gehüllt und sein Gesicht geschminkt. Zu seinen goldenen Füßen lagen frische Blumen, kleine Edelsteine und fein zubereitete Speisen.

Wie es von mir erwartet wurde, sank ich vor der Statue auf den Boden, drückte die Stirn auf den glatten Kalkstein und richtete ein kurzes Gebet an Ra. Minho tat es mir gleich, murmelte die Worte leise und erhob sich dann gemeinsam mit mir. Daraufhin wurden uns von den Bediensteten die ausgewählten Opfergaben angereicht. Zunächst griff ich nach zwei goldenen Ketten mit kleinen Rubinen und reinen Smaragden. Behutsam legte ich sie vor der Götterfigur ab und flüsterte einige Worte, die Ra mein Geschenk annehmen lassen sollten.

Dann sah ich zu Minho auf und begegnete seinem zärtlichen Blick. Unsere Augen verloren sich tief ineinander und würde es einen Gott geben, würde er nicht mehr als diesen Moment benötigen, um zu wissen, dass es uns ernst miteinander ist. Der Blickkontakt hielt nur wenige Sekunden, bevor wir uns beide wieder den Opfergaben zuwandten, sie Ra darbrachten und dabei Gebete murmelten. Dieses Zeremoniell wurde zusätzlich von den Gebeten der Priester und dem beständigen Klingen kleiner Schellen und anderer Instrumente begleitet.

Nachdem wir alle Geschenke zu Füßen der Statue abgelegt hatten, sanken wir beide erneut auf die Knie und widmeten uns ganz der Bitte an die Götter, die die Vermählung des Pharaos zu einem Ereignis der Freude und des Glücks für ein ganzes Land machen sollten.

In dem dämmrigen Halbdunkel hatte ich irgendwann die Augen geschlossen, weil meine Augen doch etwas tränten von dem Rauch. Ich war zwar nicht gläubig, doch ich hatte die nötigen Gebeten mit Seungmins Hilfe auswendig gelernt und wiederholte diese ab und an leise flüsternd. Ansonsten ruhte ich vielmehr und dachte über die bevorstehenden Tage nach.

Plötzlich spürte ich, wie eine Hand sanft nach meiner tastete, und da ich wusste, dass es nur Minhos Hand sein konnte – da er dicht neben mir saß – umschlang ich seine Finger fest und streichelte liebevoll mit dem Daumen über seinen Handrücken.

Ja, diesen Mann will ich tatsächlich heiraten. Mit ihm habe ich nicht einmal Angst vor diesem Schritt. Ich will es so. Ich will an seiner Seite stehen, ihn bis zu meinem letzten Atemzug lieben und verteidigen, so wie er es für mich tun wird. 

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