Die wahre Geschichte des Zeitreisenden

Jisungs Pov: 

„Das heißt, ich werde dir diesmal aufmerksam zuhören und nicht urteilen, bis du nicht am Ende deiner Erzählung angelangt bist."

Bei dieser indirekten Aufforderung zu sprechen holte ich tief Luft. Ich erhob mich aus der Hocke, weil es doch langsam sehr unbequem wurde, und setzte mich auf die Kante des Divans, der so nahe an Minhos Stuhl stand, dass ich noch nicht einmal seine Hand loslassen musste. Diese Hand war wie ein kleiner Rettungsanker – eine Rückversicherung, dass Minho zu seinem Wort stand und mich sprechen ließ.

Wo genau soll ich nur anfangen? Ich muss darauf achten, nicht zu viele Details aus der Zukunft zu verraten. Das könnte zu Verwirrungen oder früheren Entdeckungen führen und beides wäre schlecht für den weiteren Zeitverlauf.

Nach einem kurzen Blick in Chan und Jeongins Richtung ruhte meine ganze Aufmerksamkeit wieder auf Minho. „Deine Informanten haben die Wahrheit gesagt... Ich stamme nicht aus dieser Zeit. Zwei oder drei Tage bevor ich dir im Palast das erste Mal vorgeführt wurde, bin ich in deiner Grabkammer aufgewacht. In meiner Zeit, von euch betrachtet in etwa 3500 Jahren, habe ich mit meinem besten Freund Yeosang deine Grabstätte gefunden. Es hat mich viel Zeit und Mühe gekostet, weil nur sehr ungenaue Textquellen und Überlieferungen erhalten geblieben sind." Ich lächelte etwas schief. „Vieles von dem, was gerade jetzt – in deiner Zeit – ganz alltäglich ist, wird in meiner eigentlichen Lebenszeit vergessen oder verloren sein. Deshalb haben auch die Überlieferungen zu dir mir kaum bei der Suche geholfen. Und da ich nur wenige Anhaltspunkte hatte, habe ich dem wenigen Text zu viel Bedeutung beigemessen."

Minho schien nur teilweise überrascht, was verständlich war. Immerhin hatte man ihm schon berichtet, dass ich behauptete, in der Zeit reisen zu können. Allerdings versuchte er scheinbar angestrengt, meiner Erzählung zu folgen.

„Vor deiner Grabkammer haben wir auch zwei Katzenstatuen gefunden... Ihre Augen waren aus Smaragden gefertigt. Deshalb habe ich dir auch vorgeschlagen, Smaragde einzusetzen, als du mich indirekt danach gefragt hast." Minhos Miene erhellte sich, als er sich an den Moment erinnerte. „In deiner Grabkammer wollten Yeosang und ich uns eigentlich nur vergewissern, welchen ägyptischen König wir gefunden haben. In meiner Zeit werden wir zu Wissenschaftlern – einer Art Gelehrten über das Altertum, also deine Zeit – ausgebildet. Dabei geht es uns nicht darum, die Totenruhe zu stören, sondern eure sterblichen Überreste zu erhalten und zu erforschen."

Der junge Pharao hob skeptisch eine Augenbraue. „Und in meinem Grab hast du also meinen Körper gefunden? Was hast du mit ihm getan?"

Langsam schüttelte ich den Kopf. „Das ist es ja... Wir haben deinen Sarkophag geöffnet, aber dieser war vollkommen leer und es gab keine Anzeichen dafür, dass uns Grabräuber zuvorgekommen wären." Ich schluckte. „Es lag nur eine Kette mit einem Lapislazuli in deinem Grab, die dem Schmuckstück, von dem ich dir ebenfalls berichtete, zum Verwechseln ähnlich sah. Als ich sie beide an mich nahm, begann die Erde zu beben und ich wurde von Yeosang getrennt. Ich suchte in deinem Sarkophag Schutz und fiel in Ohnmacht. Als ich aus dieser erwachte, fand ich mich hier in deiner Zeit wieder."

Nun sah Minho mindestens ebenso ratlos aus, wie ich mich allein bei dem Gedanken an die zurückliegenden Ereignisse fühlte. Aber da ich schon einmal bei der Wahrheit war: „Und bezüglich meiner Familie habe ich dich auch nicht angelogen. Meine Eltern und mein älterer Bruder sind bei einem Hausbrand ums Leben gekommen, danach hat mich meine Tante aufgezogen."

Mitfühlend blinzelten mich die dunkelbraunen Augen an. „Das – das tut mir leid für dich."

Ich dankte Minho mit einem stummen Nicken und fühlte mich durchaus erleichtert, so viel von mir selbst erzählt zu haben. Allerdings riss mich seine nächste Frage schon wieder aus den Gedanken.

„Was hatten deine Worte zu bedeuten, die du vorhin zu mir gesagt hast? Dass ich vielleicht sterbe, wenn du mich nicht retten kannst?"

Nun doch wieder nervös, krallte ich meine freie Hand in meine Kleidung und biss mir auf die Unterlippe. „Ich- ich weiß nicht, ob es so eintreten wird, wie es in den Schriften steht, die ich in meiner Zeit gelesen habe... Aber wenn es so ist, dann schwebst du in Lebensgefahr." Ich versuchte ihm einen aufmunternden Blick zuzuwerfen. „Vielleicht verändert meine Anwesenheit ja etwas, weil ich dir davon berichten kann und dich warne. Im Grunde kann ich nur hoffen, dass meine Worte hilfreich sind und dich schützen. Denn das will ich unbedingt, dich beschützen. Eine meiner Sorgen war auch, dass mein direktes Eingreifen etwas an den bevorstehenden Ereignissen verändern würde, weshalb ich dir bisher nichts davon gesagt habe. Aber jetzt konnte ich nicht mehr anders."

Ein leises Rascheln ertönte und dann sprach Jeongin. „Du meinst also, dadurch, dass du aus der Zukunft kommst, weißt du, was mit uns allen hier passieren wird? Du weißt, wann wir sterben und wie es geschehen wird?"

Ich wiegte andächtig den Kopf hin und her. „Wie gesagt, leider ist viel Wissen über die lange Zeitspanne verloren gegangen... Das Einzige, was ich sagen kann ist, dass in meinen Überlieferungen steht, dass Minho in seinem siebenundzwanzigsten Lebensjahr ermordet wird. Es ist weder beschrieben, wie genau, noch von wem. Ich weiß, das sind nicht viele Hinweise, es wurde nur angedeutet, dass es auf einem Fest geschehen wird"

Minhos Mimik wurde augenblicklich ernst und er drehte sich halb zu Chan um, der sogleich den Gedanken des Pharaos aussprach. „Wir werden die Wachen ab nun verdoppeln, Minho. Und ich werde persönlich mehrere Soldaten aussuchen, die dich überallhin begleiten, wenn du dich außerhalb der Palastmauern aufhältst."

Dies schien den Pharao zu beruhigen und ein kleines, fast schon herausforderndes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Wer auch immer gegen mich intrigiert, der wird feststellen müssen, dass uns nichts verborgen bleibt. Wir sind auf alles vorbereitet." Er wandte sich an mich. „Ich habe bisher nie viel von der Vorherbestimmung der Götter gehalten. Dazu haben sie zu viel Leid über meine Familie gebracht, aber möglicherweise hatten sie ihre Finger im Spiel, als du zu mir gekommen bist. Vielleicht ist das deine Bestimmung... bei mir zu sein." Unsere Blicke verflochten sich, hielten einender fest. „Zumindest wünsche ich mir, dass du bei mir bist. Ich wäre überaus glücklich, wenn du hier bleibst, vorausgesetzt, du möchtest das auch."

Das war es, der Moment, der in mir einen Sturm an Empfindungen zusammen mit grenzenloser Erleichterung auslöste. Zwar glaubte ich nicht an die Götter und das Schicksal, aber darum ging es auch gar nicht mehr.

Minho hat mir die Wahl gelassen. Er hat mir die Möglichkeit gegeben, mich zu entscheiden, und verlangt nicht, dass ich ihm zu Diensten bin. Er will meine Meinung hören und mich auswählen lassen.

Ich lächelte glücklich und hätte mich am liebsten in seine Arme geworfen, doch stattdessen suchte ich nach den passenden Worten.

„Das-das ist sehr großherzig von dir und es erfreut mich, dass ich dir ebenso etwas bedeute. Ich bin dir dankbar, dass ich diesmal die Wahl habe."

Wieder sah ich in seinen Augen kurz die Unsicherheit aufflammen, so als erwartete er, dass ich ihn nun doch verlassen würde, aber schnell versuchte er es zu verbergen.

„Und natürlich möchte ich hierbleiben, hier bei dir." Beendete ich aber nun den Satz und konnte deutlich die Zuneigung und Erleichterung in seiner Mimik erkennen. „Ich will dich besser kennenlernen, dich wirklich kennen. Es soll nichts zwischen uns stehen, was erneut zu einem solchen Missverständnis führt." Bei diesen Worten nickte Minho zustimmend. „Und ich werde dir das Vertrauen schenken, dass du verdient hast. Ich weiß, ich bin darin nicht sonderlich gut, aber du wirst sehen, ich weiß, was du mir bedeutest."

Der junge Pharao lächelte strahlend und seine zweite Hand löste sich nun auch von meinen Fingern, bevor er seine Arme öffnete und ich mich rasch erhob, um mich zum ersten Mal vollkommen ohne Bedenken gegen seine Brust sinken zu lassen. Ich kletterte auf seinen Schoß und schlang meine Arme fest um seinen Rücken, wie um ihn nie wieder loszulassen. Mein Gesicht vergrub ich an seinem Nacken und dann atmete ich beruhigt ein uns aus. Es fühlte sich so geborgen und so richtig an, dass es beinahe überwältigend war und ich noch einige Tränen vergoss. Tränen der Freude, Tränen des Verlustes, Tränen des Schmerzes. Alles vermischte sich, und doch blieb alles wohlig warm und vertraut. Ich war beschützt und sicher.

Minho erwiderte die Umarmung. Seine Hände lagen flach auf meinem Rücken, drückten mich näher an ihn und sein Kinn ruhte auf meiner Schulter.

„Mit dir zusammen bin ich komplett", murmelte ich und spürte den sanft verstärkten Druck auf meinem Rücken durch die Hand, die mich nun zärtlich streichelte.

„Und du machst mich zu einem noch besseren Pharao." Ich grinste und hauchte ihm warme Atemluft in den Nacken. „Wohl kaum, ich habe keine Ahnung von königlichem Verhalten."

Ein kleines Kichern ließ einen angenehmen Schauer über meinen Rücken laufen. „Da magst du Recht haben, aber du achtest auf mich und sorgst für mein Wohlbefinden, so wie ich es für dich tun werde."

„Wenn es euch beiden Recht ist, werden wir uns jetzt in unsere Gemächer zurückziehen", sagte Jeongin, während er schon aufstand und dann nach Chans Hand griff. „Heute war ein ereignisreicher Tag und ich bin erleichtert, dass er doch noch ein so erfreuliches Ende genommen hat." Sein Partner neben ihm nickte zustimmend, und ich war beiden so unendlich dankbar, da sie maßgeblich dazu beigetragen hatte, dass dieser Abend dieses gute Ende genommen hatte. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was geschehen wäre, hätte Jeongin nicht eingegriffen oder er hätte gar nicht von alledem erfahren.

„Natürlich, es ist schon spät", entschuldigte Minho ihren Aufbruch, ohne sich dabei einen Zentimeter von mir zu entfernen. „Und Jeongin, ich danke dir." Er blinzelte gerührt, als sein kleiner Bruder ihn liebevoll betrachtete. „Du hast mich heute vor einem großen Fehler bewahrt."

Jeongin neigte seinen Kopf und zeigte ein kleines, freches Lächeln.

„Du bist der Pharao, Bruder, du täuschst dich nie. Aber manchmal ist es auch für einen göttlichen König von Vorteil, alle Einzelheiten einer Geschichte zu kennen, bevor er handelt."

Minho lachte und zog mich noch näher an sich. „Da hast du wohl recht, ich werde deinen Ratschlag ab jetzt beherzigen und jeden Tag nach ihm leben." Mit diesen Worten entließ er das Pärchen endgültig und kurz umfing uns die Stille. Keiner sagte etwas, nur unsere Blicke fanden sich wieder und je länger wir uns betrachteten, desto tiefer schienen wir in den anderen hineinsehen zu können. Kurz kam ich mir wieder so schrecklich verletzlich vor und ich bewegte mich auf seinem Schoß.

„Ich sollte nun besser auch gehen", murmelte ich und machte aber noch keine Anstalten, mich von Minhos Schoß zu erheben. Stattdessen verfolgte ich seine Reaktion genauestens. Seine Miene verschloss sich nicht, sondern er betrachtete mich nur aufmerksam und lockerte den Griff um meinen Rücken, als würde er mir diese Entscheidung überlassen.

„Oder du könntest hier bei mir bleiben und in meinem Bett schlafen – neben mir. Ich werde dich nicht drängen, wenn du nicht dazu bereit bist, das Bett mit mir zu teilen." Seine Stimme war sanft, sie verriet nichts von irgendwelchem Frust oder unterschwelligem Misstrauen. Da war nur ein höfliches Angebot und die Möglichkeit, es anzunehmen. Und seltsamerweise wollte ich genau das.

Wärme floss in meinen Körper, als ich überlegte, wie es wohl wäre, neben Minho im Bett zu liegen, von ihm gehalten zu werden und mich beschützt zu fühlen. Der Gedanke war schön, er war ebenso wärmend wie der Körper unter mir und ich gab ihm ohne zu zögern mein Einverständnis.

„Ich bleibe bei dir." Dann wurde ich doch etwas schüchtern und lehnte mich gegen ihn. „Es ist tatsächlich schon sehr spät", nuschelte ich und ein sanfter Lufthauch streifte meine Wange.

„Dann sollten wir beide schnell ins Bett gehen." Ohne sichtliche Kraftanstrengung drückte mich Minho auf seinem Schoß etwas weiter in Richtung seiner Knie, schob seinen zweiten Arm unter meine Oberschenkel und hob mich dann an. Er schaffte es sogar irgendwie, selbst aufzustehen und dann zum Bett zu laufen.

Ich hatte meinen Kopf in perfekter Manier an seiner Schulter vergraben und grinste wie ein Irrer, bevor ich auch schon auf dem weichen Leinenstoff abgelegt wurde. Ohne zu überlegen rutschte ich von selbst weiter in die Mitte des Nachtlagers und beobachtete, wie Minho noch seinen Goldschmuck ablegte. Erst als er zum Bett trat und Anstalten machte, sich auszuziehen, wurde ich wieder etwas nervös. Ich sah an mir herab und wusste nicht, ob ich mich auch entkleiden sollte.

„Du musst dich nicht weiter ausziehen. Wenn du so schlafen kannst... Ich hoffe, es macht nichts, wenn ich mich entkleide." Minho stand nun lediglich mit dem Lendenschurz, der gerade so seinen Intimbereich bedeckte, vor seinem Bett und beobachtete mich eingehend. Eilig nickte ich, zum Zeichen, dass ich verstanden hatte. Dann sah ich zu, wie der Pharao ebenfalls ins Bett stieg und sich neben mich legte. Er legte eine Decke über uns, die federleicht und sehr luftig war. Alles andere wäre vermutlich unangenehm warm geworden.

Noch etwas verunsichert blickte ich über die Schulter zu ihm, doch er lächelte nur, griff mit einem Arm um meine Taille und zog meinen Rücken gegen seine Brust, sodass ich dicht an ihn geschmiegt dalag.

Doch diesmal war es mir nicht unangenehm und ich verspürte auch nicht den Wunsch, wegzulaufen, mich der Berührung zu entziehen oder mich in düsteren Gedanken zu verlieren.

Ich kuschelte mich nur vorsichtig an ihn, rollte mich noch etwas weiter ein und bettete meinen Kopf auf meinem Unterarm. Zusätzlich spürte ich die sanft kreisenden Bewegungen von Minhos Fingern, die über meine Taille rieben. Dann spürte ich seinen warmen Atem im Nacken.

„Mit dir neben mir werde ich sicher gut schlafen", flüsterte er und ich nickte nur kurz, um zu verdeutlichen, dass ich ebenso dachte. Ich entspannte mich zunehmend und schon kurze Zeit später war ich tatsächlich eingeschlafen.

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Und was haltet ihr von Jisungs Ehrlichkeit und den neuen Entwicklungen zwischen den beiden? 😏

I love you Stay. ❤️

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