53- Ende

Lily's POV
„Sieht doch super aus", stellte James fest und betrachtete stolz dreinblickend die Große Halle.

Der Tag war gekommen. Es war unser letzter Schultag in Hogwarts und den wollten wir natürlich mit dem berüchtigten Abschlussball feiern, den die Schulsprecher gemeinsam mit den Vertrauenschülern geplant hatten.

Anstatt der vier Haustische standen mehrere kleine, viereckige Tische in der Mitte des Raumes angeordnet. Der Lehrertisch an der Stirnseite der Halle wurde zum Büffet umgebaut.
Die Wände waren mit den Farben der Häuser von Hogwarts geschmückt, ebenso die Tische. Die Tanzfläche befand sich hinter und vor der Tischgruppe, vor dem Büffettisch war ein Podest aufgestellt worden, an dem später noch Reden gehalten werden sollten. Es war traurig, dass heute Abend unsere Schulzeit ein Ende haben wird. Doch umso mehr freute ich mich auf die Zeit danach...

„Wie viele Leute kommen überhaupt?", fragte Sirius, der die Tischdekoration genauer unter die Lupe nahm.

„Zweihundert", antwortete Remus. Er war über eine Liste gebeugt und ging noch einmal die Sitzordnung durch, die mit Sitzkärtchen an den jeweiligen Plätzen kenntlich gemacht wurde. „Eigentlich könnten das doch auch eure kleinen Vertrauenschülerfreunde machen, oder?"

„Klar, mein Freund." James klopfte ihm auf den Rücken. „Die müssen aber den ganzen Kram mit dem Essen noch regeln."

„Und was tut ihr beiden?", bemerkte Sirius vorwurfsvoll. „Ihr habt am wenigsten mitgeholfen, obwohl ihr Schulsprecher seid." Er zeigte mit dem Finger auf mich und James.

„Mit nacktem Finger zeigt man nicht auf angezogene Leute, Tatze", sagte James in einem künstlich tadelnden Tonfall.

„Wir haben die Gästeliste aufgestellt, wie haben die Dekoration -.", begann ich entrüstet, doch brach dann ab.

Die letzten drei Wochen habe ich damit verbracht, diesen Ball zu organisieren. Das meine Freundinnen immer und immer wieder mit neuen Ideen ankamen, hob nicht gerade meine Laune. Von Feuerwerk bis zu Zaubererduellen war alles dabei gewesen.
Auch jetzt standen Alice, Marlene und Mary wieder zusammen und bastelten Schilder für das Büffet. Der Schokobrunnen, den Alice vorgeschlagen hatte, hat es leider nicht auf die Speisekarte geschafft.

„Hey, Lily!", rief Mary mir zu. „Willst du nicht einmal deine Rede üben?" Sie deutete auf das Podest und grinste, während sie gleichzeitig mit den Augenbrauen wackelte.

„Erinnere mich bloß nicht daran", murrte ich. Ich hasste Reden, aber als Schulsprecherin konnte man sich davor keineswegs drücken. Das wäre ziemlich hart peinlich.
Meine Rede war eine ganze Rolle Pergament lang. Ich hatte mir trotz meiner Abscheu gegenüber Reden wirklich Mühe gegeben; im Gegensatz zu James der ein paar mickrige Sätze auf einen Zettel geschmiert hat. Aber wer weiß, mit was der heute Abend da ankommt.

„Ich würde liebend gerne wissen, was Evans in ihrer Rede drin stehen hat", flötete Sirius. „Werde ich auch erwähnt?"

„An deiner Stelle würde ich ganz still sein", riet ihm Mary. „Du wirst auch noch auf deine Kosten kommen, keine Angst." Mary machte zwar nur Witze, aber Sirius schien es trotzdem zu glauben.

„Was soll das denn heißen?" Sirius lachte bellend.

Mary grinste. „Wart's ab. Ihre Rede ist fast so gut, wie deine gewesen, als du an deinem siebzehnten Geburtstag betrunken gewesen warst."

„Meine Rede ist eigentlich nicht lustig", sagte ich schnell.

Ihr Freund runzelte die Stirn. „An diesen Abend habe ich keine Erinnerungen mehr. War das ne' gute Party?"

Wir lachten alle. Auch wenn ich damals Sirius und James noch wie die Pest gehasst hatte, war die Party damals relativ lustig gewesen. Die Worte, die Sirius damals an seine Gäste gerichtete hatte, waren filmreif gewesen.

Ich schaute auf meine Armbanduhr. Es war fünf Uhr nachmittags. Um sechs sollte der Ball beginnen.
Es war eigentlich nur unser Jahrgang eingeladen, doch man konnte auch Begleitungen aus anderen Klassen mitbringen. Außerdem kamen auch ein paar Eltern von einigen Schülern. Meine und James' würden ebenfalls dabei sein, wenn auch nur unsichtbar.
Ich war aufgeregt, was das Redehalten vor so vielen Leuten anging. Ich vermute mal, ich musste davor eine Beruhigungstablette einwerfen.

„Lily? Kommst du?" Alice streckte eine Hand nach mir aus. „Wir wollen uns fertig machen gehen."

Ich folgte meinen Freundinnen hinauf in den Schlafsaal, wo wir unsere erst kürzlich gekauften Kleider aus dem Schrank holten. Ich könnte zwar Petunias Kleid anziehen, das ich auf James' und Remus' Party getragen hatte, doch ich wollte es erst wieder tragen, wenn James und ich vor dem Standesamt standen. Aus diesem Grund habe ich mir ein gelbes Kleid bei Marlene geliehen, dass ihr nicht passte und sie somit keine Verwendung dafür hatte.
Meine Haare hatte ich ein gutes Stück geschnitten und sie reichten mir jetzt kaum bis zur Brust. Ich habe dringend eine Veränderung gebraucht.
Während jeder vor dem Spiegel herumstolperte, begann ich mich zu schminken - etwas stärker als sonst. Es wurden heute Abend auch Fotos gemacht und ich war wenig daran interessiert, wie eine Leiche auf den Bildern auszusehen.

Und dann war es eigentlich schon soweit.
Ich griff nach meiner Umhängetasche und quetschte meine Rede dort hinein. Auf eine Beruhigungstablette verzichtete ich schließlich doch, denn es kam mir albern vor.
Ich zwängte meine Füße zu guter Letzt noch in ein paar hochhackige Schuhe und los ging es zur Großen Halle, die schon völlig voll war: überall fielen Leute ihren Eltern und Verwandten um den Hals oder begutachteten die Kleider der anderen. Ein paar Sechstklässler sichtete ich auch, die als Begleitung mitkommen durften.

„Lily?", ertönte eine leise Stimme vor mir. Es war die meiner Mutter.

„Hi, Mum", flüsterte ich. Es würde merkwürdig rüberkommen, wenn ich laut mit jemandem reden würde, der eigentlich gar nicht da ist. „Wo ist Dad?"

„Bei Dumbledore", antwortete meine Mutter. „Du siehst toll aus. Wolltest du nicht Petunias Kleid tragen?"

Jemand neben mir drehte sich verwirrt  um, als er die Stimme meiner Mutter hörte und suchte mit den Augen die Umgebung hab. Mein Herz begann zu rasen und beruhigte sich erst wieder, als die Person kaum merklich den Kopf schüttelte und davon ging.
Es war sehr riskant mit einer unsichtbaren Person in einer Menschenmenge ein Gespräch zu führen, ohne dass jemand Wind davon bekam.

„Wo sind meine Eltern?", wendete James, der plötzlich neben mir stand, das Wort an meine Mutter.

„Irgendwo dahinten bei Sirius", antwortete meine Mum. „Dein Vater wollte dich suchen."

James nickte und verschwand in der Menge.

„Was macht Dad bei Dumbledore?", fragte ich neugierig.

Meine Mutter seufzte, wobei ich fand, dass sie erleichtert klang. „Ich schätze, wir dürfen bald wieder nach Hause, beziehungsweise raus aus Hogwarts. Wir sollen uns ein neues Haus suchen in einer anderen Stadt. James' Eltern haben uns angeboten, dass wir zu ihnen ziehen könnten."

„Das klingt toll!" Ich grinste. Dass ich nach Hogwarts zu James ziehen würde, war schon lange abgemacht. „Find ich gut, denn -."

Ich wurde durch das Orchester, das wir für diesen Abend extra angeheuert hatten, unterbrochen. Die Musik dauerte nicht lange an - es schien nur ein Mittel gewesen sein, um die Leute ruhig zu stellen und indirekt zu Tisch zu bitten.
Meine Mutter verabschiedete sich von mir und ging meinen Vater suchen.
Meine Freunde tauchten auf und gemeinsam setzten wir uns an einen Tisch. Die Wangen von Alice waren ganz rot, da Frank heute Abend da war.
Nachdem Dumbledore das Wort ergriffen und uns alle begrüßt hatte, wurde das Büffet eröffnet.

Es gab eine große Auswahl an Getränken und Speisen; ich konnte mich kaum entscheiden. Dass Sirius und James sich ein Butterbier geholt haben, anstatt Whiskey, beruhigte mich. Das letzte was ich gebrauchen konnte auf meinem Abschlussball, an dem ich auch noch zufällig eine Rede halten musste, war ein angetrunkener Sirius und ein beschwipster James. Aber ich vermute mal, beide wollten so viel wie möglich von ihrem letzten Abend in Hogwarts mitbekommen.

Als es nach dem Essen schließlich soweit war und Dumbledore die beiden Schulsprecher nach vorne bat, wurde mir ganz anders. Doch dieses Gefühl verschwand, als James mich bei der Hand nahm und zu dem Podest führte.

„Ladies first", flüsterte James mir zu. Er hielt tatsächlich das Stück Papier in der Hand, auf dem nur zwei Sätze standen. Er bemerkte meinen Blick und grinste. „Ich improvisiere."

Ich verkniff mir ein Lachen und trat ans Mikrofon. Ich stellte fest, dass ich mein vorgeschriebenes Zeug gar nicht brauche - auch ich werde improvisieren.
Ich blickte in die Menge und räusperte mich.

„Guten Abend!
Ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die heute Abend hier erschienen sind, um mit uns den letzten Abend unserer Schulzeit zu feiern. Die Abschlussprüfungen sind geschrieben und morgen früh werden wir das Schloss verlassen. Ich hatte hier in Hogwarts die schönste Zeit meines Lebens. Natürlich habe ich auch schlechte Erfahrungen gesammelt, aber die guten überdecken diese. Ich habe gelernt was echte Freundschaft und wahre Liebe bedeutet und möchte allen Menschen danken, die stets an meiner Seite standen. Auch wenn Schule nicht immer einfach gewesen ist, man hat die volle Unterstützung der Lehrer bekommen und ich möchte hiermit auch den Professoren danken, die uns gelehrt und begleitet haben in diesen sieben Jahren. Es war eine wundervolle Zeit. Danke."

Tosender Applaus schwoll an, als ich das Podest verließ und mich mit glühenden Wangen neben James stellte, der mich anlächelte.

Es war das beste Jahr meines Lebens gewesen.

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