5- Alte Feinde
Es war punkt elf, als ich die Treppen zum Gemeinschaftsraum runter stolperte und beinahe gegen einen Sessel rumste.
Potter stand bereits am Porträtloch und grinste mich an, als ich neben ihn trat.
"Was ist das?" Ich zeigt auf das Bündel Stoff und eine Fetzen Pergament, das er in der Hand hielt. "Sag bloß, dass ist dein weltberühmter Tarnumhang und diese Karte des Rumtreibers, von der mir Remus immer erzählt."
"Richtig erkannt", sagt Potter stolz. "Gehen wir?"
Er marschiert los und ich trabe neben ihm her. "Und für was gedenkst du, diese Utensilien zu gebrauchen?", will ich wissen.
"Na, damit wir kleine, böse Schüler schneller und besser drankriegen. Und der Umhang ist ne' reine Vorsichtsmaßnahme", erklärt Potter und zückt seinen Zauberstab.
Er tippt das Pergament an, murmelt "Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin", was ziemlich albern klingt, wenn du mich fragst, und zum Vorschein kommen purpurrote Linien und schwarze Punkte mit Namenszügen.
"Krass", entfährt es mir, als ich Mary im Mädchenschlafsaal auf und ab gehend entdecke. "Remus wollte sie mir nie zeigen. Von wegen Berufsgeheimnis und so."
Potter lacht leise. "Soweit ich erkenne, ist niemand unterwegs", stellt er fest und steckt die Karte in seinen Gürtel.
Den Umhang wirft er sich elegant über die Schulter.
Wir laufen durch Korridore, steigen Treppen rauf und runter und wechseln eher wenige Worte. Er fragt mich nicht nach einem Date.
Ab und zu schaut Potter auf die Karte und einmal haben wir eine kleine Ravenclaw gefunden, die weinend vor einer Rüstung hockte, weil sie den Weg zu ihrem Gemeinschaftsraum nicht mehr fand.
Wir begleiteten sie und gabelten unterwegs noch ihre Freundin auf, die sich voller Sorge auf die Suche nach ihr gemacht hat.
Mit Hilfe von Potters 'toller' Karte fanden wir den Ravenclawturm in weniger als zehn Minuten.
Als wir die vielen Stufen der Treppe zum Turm erklommen, viel mir ein, dass Ravenclaw anstatt eines Passworts ein Rätsel hatte, das von einem goldenen Adler an der Tür gestellt wird.
Als wir vor der Tür standen und kurz davor waren, den Adlerkopf anzutippen, gab Potter einen, ich muss gestehen ziemlich nützlichen, Kommentar ab.
"Also, Professor Flitwick hat mir irgendwann mal gesagt, dass gegen Mitternacht die einfachsten Rätsel gestellt werden", erzählt er und schaut mir in die Augen.
Mir wird irgendwie schwindlig. Lily? Hallo?!
"Schön", murmele ich und tippe den Adler an, der sein Maul öffnet, um im nächsten Moment seine schrille Stimme ertönen zu lassen.
"Der Schnatz ist schnell wie ein Vogel, fliegt wie ein Vogel... Die Frage ist warum?"
"Bei Merlins Bart, was ist das denn für ne' Frage?", platzt es aus mir heraus und die zwei Erstklässlerinnen scheinen ähnlich wie ich zu denken.
"Ich weiß das!", ruft Potter begeistert.
"Eh, du Adler! Ich weiß es! Weil der Schnatz früher mal ein echter Vogel war, nämlich ein Schnatzer, bevor er durch den metallnen Ball ersetzt wurde!" Voller Freude beobachtete Potter den Adler, der mit seiner furchtbaren Stimme "Schlaues Bürschchen!" kreischte.
Mit hochgezogen Augenbrauen musterte ich Potter, der die soeben aufgeschwungene Tür hinter den Erstklässlern zuschlägt, welche sich noch bedankt hatten.
"Beeindruckend", sagte ich trocken und machte mich daran, die vielen Stufen wieder hinunter zu steigen.
Potter setzte mir nach, ein selbstverliebtes und dümmliches Grinsen auf den Lippen.
"Siehst du, es bringt wohl was, wenn man Bücher über Quidditch liest", bemerkte er.
"Hätte nicht gedacht, dass du deine Nase jemals in ein Buch reinsteckst", spottete ich. "Obwohl, ihr müsst wohl einige Bücher gewälzt haben, damit euch die Verwandlung zum Animagus gelingt."
Potter bleibt wie angewurzelt stehen und starrt mich vollkommen geschockt an.
"Potter, ich bitte dich, tu nicht so lächerlich. Remus hat es mir erzählt, er ist mein bester Freund", sage ich und versuche beim Anblick seines verdatterten Gesichts nicht laut los zu lachen.
Dass Black, Potter und Peter Animagi sind, weiß ich schon lange. Damit Remus in den Vollmondnächten nicht alleine in der Heulenden Hütte ist, haben die drei Jungs ein hohes Risiko auf sich genommen. Mutiger als mutig...
"Ah, ja -klar. Remus- stimmt... Ich- ich hätte es wissen müssen", stotterte er und setzte sich wieder in Bewegung. So fassungslos hatte ich ihn noch nie erlebt.
Schon süß, wie er seine Gedanken nicht ordnen kann und in seinem Oberstübchen verzweifelt nach einer Lösung sucht.
Lily? Potter ist NICHT süß, EGAL was er tut!
Wir gehen weiter. Es schlägt zwölf Uhr und wir haben gerade mal erst zwei Drittel des Schlosses. Uff.
"Gehst du mit mir aus?"
Ich habe fast schon gehofft, er lässt es bleiben.
Tja, Lily. Die Wahrheit ist meistens nicht so schön, wie du denkst.
"Potter, darauf gebe ich dir keine Antwort", grummelte ich.
"Keine Antwort ist auch eine Antwort."
"Dreh mir nicht die Worte im Mund herum!", rufe ich aufgebracht.
Die eben noch friedliche Stimmung scheint zu kippen.
Potter macht "Pff, dann halt nicht" und stapft beleidigt weiter.
Er holt seine alberne Karte hervor und wird von der einen Sekunde auf die nächste leichenblass.
"Scheiße, Lily!", keucht er, reißt den Umhang von seiner Schulter und wirft ihn uns über.
"Was-"
Er hält mir tatsächlich den Mund zu und führt mich rückwärts den Gang zurück.
Was soll das?
Doch die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: in binnen Sekunden kommen drei hochgewachsene Gestalten um die Ecke gebogen in Form von Severus Snape, Antonin Dolohov und Mulciber.
Mir wird schlagartig schlecht.
Drei Slytherins, die nicht auf den Kopf gefallen sind.
Drei Slytherins, die große Fans von Lord Voldemort sind, dem gefährlichsten schwarzen Magier aller Zeiten.
Drei Slytherins, die mich hassen und am liebsten umbringen würden.
Severus Snape, mein ehemaliger bester Freund, der mich vor der halben Schule beleidigt hat, als ich ihn aus den Klauen Potters und Balcks befreien wollte.
Mein Herz rast und schmerzt.
Das erste Mal im Leben bin ich froh, dass Potter da ist.
Dank ihm sind wir immerhin unsichtbar.
Die drei Jungs machen Halt und hocken sich vor eine Statue; Potter und ich stehen fünf Meter entfernt.
"Was ist, wenn uns die Vertrauensschüler drankriegen? Oder die Schulsprecher?", fragte Snape. Sein fettiges, schwarzes Haar rahmte sein Gesicht ein und ließ es noch blasser als sonst wirken.
Mulciber lachte pfeifend auf. "Ja und? Seit wann hast du denn Angst vor so mickrigen Fünftklässlern, Schlammblut Evans oder Blutsverräter Potter?"
Dolohov nickt und fügt ein "Die Fünftklässler würden wegrennen, Evans hätten wir in Sekundenschnelle außer Gefecht gesetzt und Potter würde mit ein paar gezielten Flüchen auch am Boden liegen" hinzu.
Mir läuft es eiskalt den Rücken runter und ich bemerke erst jetzt, dass ich wie verrückt zittere.
"Zu blöd, dass Evans immer in Begleitung ihrer Komplizen ist. Mich juckt's immer in den Fingern, wenn ich sie seh'. Würd ihr am liebsten den Cruciatus auf den Hals jagen", murmelt Mulciber und erntet Gelächter, welches jedoch nur von Dolohov ausgeht.
"Lasst sie in Ruhe", brummt Snape. "Bei Potter ist es mir egal, was ihr tut. Evans wird in Frieden gelassen. Dumbledore schiebt euch eh die Schuld in die Schuhe, wenn ihr sie anrührt.
Hättet ihr sie nicht in der dritten Klasse ständig verhext, könntet ihr's jetzt tun."
Mein Puls beschleunigt sich augenblicklich.
Dass ich nicht alleine durchs Schloss laufen
soll, ist eine Anordnung von Professor Dumbledore, da die Attacken in der dritten Klasse stark zugenommen haben. Zum Glück ist es mit meiner ständigen Begleitung nicht noch ein einziges Mal vorgekommen.
Potter neben mir atmet auch schnell.
Sein braunen Augen sind zu Schlitzen verrenkt, die Hände zu Fäusten geballt.
"Was bist du denn für einer? Bezeichnest sie als Schlammblut und hältst sie für Abschaum, nimmst sie aber vor Angriffen unsererseits in Schutz?" Dolohov schaut mit feixendem Blick zu Mulciber.
Snape schweigt und schaut weiter zu Boden.
"Gehen wir", sagt er schließlich. "Bevor uns noch sonst wer drankriegt."
Er rappelt sich auf, seine zwei Kollegen tun es ihm nach.
Mit leisen Schritten entfernen sie sich.
Ich schaue zu Potter. Er lächelt schwach. Dieses Lächeln muss wohl der Auslöser dafür gewesen sein, dass ich ihn jetzt umarme.
Lily Evans umarmt James Potter unter einem Tarnumhang.
"Danke, James", nuschele ich in seine Schulter. "Ohne dich wäre ich womöglich tot."
Potter -okay, James, schien für einen kurzen Moment etwas neben der Spur, bevor er die Umarmung erwiderte und "Keine Ursache, Lily", flüsterte.
Ich löste mich von ihm und grinste ihn an.
"Los, gehen wir zurück."
James nickte und zog den Umhang von uns.
"Zwanzig Punkte Abzug für Slytherin."
Wir lachten.
Es war halb eins, als ich die Tür zum Mädchenschlafsaal aufstieß und mir drei müde Gesichter entgegen blickten und wissen wollten, wie es gewesen sei.
Von der Umarmung erfuhren sie zunächst nichts.
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