45- Schniefelus
Der Februar ging schnell vorbei. James hatte sich von dem Vorfall mit Snape noch nicht ganz erholt. Er beschimpfte ihn den ganzen lieben langen Tag und zu seiner Freude machte Sirius auch gleich mit. James warf Schniefelus in Zaubertränke irgendwelche Wurzeln gegen den Hinterkopf und machte abfällige Bemerkungen, wenn er vorbei lief. Es war fast wieder wie früher.
Gerade als James davon berichtete, Schnieflus ein verfluchtes Buch unterzujubeln (welches, sobald er es berührt, ihm die Hände wegschmort), platzte mir der Kragen am Frühstückstisch.
"Lass ihn doch einfach in Ruhe!", rief ich. "Das ganze Gehabe ist sowas von kindisch, James! Dass ihr euch gegenseitig beleidigt ist doch Alltag, warum regst du dich so auf? Es ist nichts außergewöhnliches passiert."
"Er-", begann James.
"Er hat es ganz einfach verdient!", quakte Sirius mit vollem Mund dazwischen und besprühte den Milchkrug mit Haferbrei. Da bekommt man doch gleich viel mehr Lust auf Müsli mit Milch...
"Lily, der spioniert dir voll nach, hast du das nicht gemerkt? Er weiß total viel über dich!", kam James nun zu Wort.
"Wir waren mal beste Freunde, falls du das vergessen hast!", erwidere ich etwas angepisst. "Ist doch klar, dass er sowas von mir weiß. Und ganz ehrlich: ich wette, jeder weiß, dass ich mich in der Bibliothek gut auskenne." Ich stand auf, ergriff meine Schultasche und sagte zum Abschied: "Lasst ihn in Ruhe. Ich fühle mich wie in der fünften Klasse. Das ist echt albern, genauso wie du im Moment, James." Dann verließ ich die Große Halle und schlug den Weg zum Zauberkunstklassenzimmer ein.
"Lily!"
Ich höre Remus' Stimme hinter mir. Er ist mir schon immer nachgelaufen, wenn ich James in früheren Zeiten fertig gemacht habe und rasend vor Wut abgezischt bin, um mich abzureagieren. Meistens klappt das dann auch, wenn Remus irgendwas sehr weises von sich gibt.
"Ich glaube, du solltest James' Verhalten gerade nicht so ernst nehmen", meinte Remus. "Er hat sich wirklich zurück genommen in letzter Zeit was die Schikanen von anderen Schülern angehen."
"ER IST SCHULSPRECHER! Du tust ja so, als wäre er süchtig danach, andere Leute zu verarschen! Als Siebtklässler, fast Achtzehnjähriger und Schulsprecher gehört sich sowas nicht! Nur weil er als dummer Erstklässler angefangen hat anderen Schülern ständig Streiche zu spielen, hat er jetzt kein Recht, es weiterzuführen und so zu tun, als wäre er davon abhängig. Das ist total bescheuert!"
"Okay, stimmt. Du hast Recht", lenkt Remus ein.
"Natürlich habe ich das", murre ich trotzig. "Vielleicht sollte ich mich bei Snape für James entschuldigen..."
Remus starrt mich an, als hätte ich verkündet, dass ich einen Blauwal im See großziehen will. Er scheint aus allen Wolken zu fallen.
"Lily, spinnst du?! Vergisst du gerade, dass Schnieflus und seine Kumpanen dich und James einmal fast in die Luft gesprengt hatten bei einer Patrouille? Er hat dich vor der ganzen Schule beleidigt, als du ihm helfen wolltest und seine Todesser-Freunde wollen dich umbringen!" Remus fährt sich aufgebracht durch die Haare.
"Wer will wen umbringen?" Plötzlich steht Sirius neben uns. James und Peter sind nicht dabei.
"Lily möchte sich bei Schniefelus für James' Verhalten entschuldigen", erklärt Remus. "Was hältst du davon, Tatze?"
Auch Sirius schaut, als hätte er den Eindruck, dass ich nicht ganz sauber bin.
"Das ist nicht dein Ernst, oder?" Sirius zieht seine Augenbrauen hoch. "James ist dein Freund und Schnieflus, dieses widerwärtige Stück Drachenmist, dein Feind. Er hat dir die letzten Jahre zur Hölle gemacht, genau wie seine anderen Kollegen. Du solltest ihn hassen!" Jetzt fährt sich auch noch Sirius durch die Haare. Machen das alle Jungs?
Doch ich weiß, dass die beiden Recht haben. Wie komme ich bitte auf so eine beknackte Idee, meinen eigenen Freund vor Schniefelus in die Pfanne zu hauen? Hilfe, was ist nur in mich gefahren?
Nachdem ich ihnen das mitgeteilt habe, sehen Remus und Sirius sehr erleichtert aus. Sirius legt einen Arm um mich und meint draufgängerisch: "James wäre nämlich ganz schön traurig, wenn du ihn abservieren würdest und dir jemand neuen zum Matratzensport suchst!" Er lachte bellend auf und auch Remus schnaubte belustigt.
***
Ich hebe gerade die Hand, um gegen die Schlafsaaltür der Rumtreiber zu klopfen, als diese von innen geöffnet wird und James im Quidditchoutfit in mich hineinläuft.
"Oh, welch angenehmer Besuch", sagt er und bohrt seine rehbraunen Augen in meine.
Ich greife nach seiner Hand und lächele ihn an.
"Hast du dich schon bei Schnieflus entschuldigt?", will er wissen und wirkt dabei sehr finster. Remus und Sirius scheinen ihm von meiner Schnapsidee erzählt zu haben. Diese Säcke.
"James-"
Doch er lässt mich nicht ausreden, sondern zieht mich in eine kräftige Umarmung. Etwas überrumpelt wuschele ich ihm von hinten durch die Haare. Wir lösen uns voneinander. Er streicht mir über die Wange und ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um ihm zu küssen.
"Es tut mir leid", hauche ich.
"Mir auch, Lily. Aber ich muss jetzt zum Training, Sirius und ich sind schon spät dran!" Er küsst mich rasch auf die Wange, dann dreht er sich um und ruft in den Schlafsaal "Tatze, mach hinne!" hinein.
Besagter erscheint ebenfalls in Quidditchoutfit in der Tür, sagt: "Du kannst dich ja mit Remus vergnügen, solange wir weg sind, Klein-Evans!" und zwinkert mir zu. Ich rolle bloß die Augen und betrete trotzdem den Schlafsaal, wo Remus auf seinem Bett sitzt.
"Wo ist Peter?", frage ich und lasse mich nieder.
"Er ist zur Eulerei einen Brief abschicken gegangen", erklärt Remus. Er greift nach ein paar Büchern, die neben ihm auf dem Bett liegen. "Ich muss die hier schnell zurück bringen, sonst reißt mir Madam Pince den Kopf ab. Ich habe sie schon viel zu lange ausgeliehen. Kommst du mit?"
Ich schüttele den Kopf. "Ich warte hier. Ich muss nämlich noch meinen Aufsatz in Geschichte der Zauberei in James' Chaos hier finden, er hat ihn sich ausgeliehen und ich muss noch etwas daran ändern."
Nachdem Remus das Zimmer verlassen hat, wende ich meinen Blick auf James' Nachttisch. Die Schublade quellt über und seine ganzen Schulsachen stapeln sich obendrauf. Doch im Vergleich zu Sirius' sieht dieser noch fast ordentlich aus. Auf dem von Sirius liegt sogar eine Unterhose.
Ich hebe jedes Buch an und blättere im jedem, in der Hoffnung meinen Aufsatz wohlbehalten zwischen Buchseiten zu finden, in denen James und Sirius lauter Unsinn hineingekritzelt haben. Die teuren Schulbücher so zugesaut zu sehen, schmerzt in meinem bücherliebenden Herz.
In dem Stapel voller Bücher finde ich meinen Aufsatz nicht. Ich versuche die vollgestopfte Schublade etwas weiter herauszuziehen und ruckele wie verrückt daran. Mit einem kräftigen Ruck ziehe ich sie nach vorne und dummerweise fliegt sie aus dem Regal und der gesamte Inhalt der Schublade landet auf dem Boden.
Gut gemacht, Lily! Dafür verdienst du einen Applaus!
Leise vor mich hin meckernd räume ich James' Kleinkram zurück in die Schublade, deren Boden übrigens abgefallen ist und ich muss ihn mit einem Reparo! wieder anbringen. Mittlerweile hatte ich wieder alles verstaut, als mir ein kleines schwarzes Buch in die Hände fiel. Ich bin ein neugieriger Mensch. Ich schlug es auf. Auf der ersten Seite standen zwei handgeschriebene Buchstaben: S.S. Es war James' Handschrift.
Ich weiß, dass es sich nicht gehört, in James' privaten Sachen zu schnüffeln. Doch ich konnte nicht anders. Ich blätterte um. Die erste Seite war komplett vollgeschrieben, genau wie die mindestens hundert anderen auch. Ich begann auf ungefähr Seite vierzig zu lesen. Ich hätte es niemals tun sollen.
Heute sind sie wieder zu zweit rumgelaufen. Er hat anscheinend etwas lustiges erzählt, denn sie lachte. Es ärgert mich. Ich mache immer Witze, doch sie lacht nie.
Wie bekommt er es hin, sie so für sich zu gewinnen? Dabei liebt er die Dunklen Künste fast so sehr wie sie die Dunklen Künste verabscheut. Das passt doch nicht zusammen.
Vielleicht weiß sie auch gar nicht, wie er wirklich ist. Aber sie weiß ja auch nicht, wie ich wirklich bin. Wenn sie nur wüsste, dass ich sie wirklich liebe.
Was ist das?! Ich starrte die Seite an. Wer ist er? Wer ist sie? Und wer ist ich? Eine Zeile weiter erfuhr ich es.
Lily, versteh bitte, dass ich dich liebe!
James hatte dieses Zeug geschrieben. Ich blätterte ein paar Seiten weiter.
Ich beobachte ihn jeden Tag. Ich sehe genau, wie er ist. Er kann nichts. Trotzdem bekommt er immer Lob von den Lehrern. Er leiht sich in der Bibliothek Bücher über die Dunklen Künste aus. Ich habe Angst, dass er Lily etwas antut.
Doch Mädchen rollen die Augen, wenn er vorbei läuft. Ich meine, wer möchte schon eine Fritteuse als Freund? Nur eine Person, und zwar Lily. Noch sind sie nur gute Freunde, doch wenn sie bald älter werden... was passiert dann? Was ist wenn sie sich in ihn verliebt und mich immer noch hasst?
Wir haben erst Anfang der fünften Klasse. Bis Ende der Siebten kann noch viel passieren, sind ja noch zwei Jahre. Das sagt Sirius immer. Er meint, ich soll ihn weiter schikanieren. Sirius glaubt allerdings, dass ich das nur tue, weil Lilys Kumpel dumm wie Stroh ist und es einfach Spaß macht, ihn zu demütigen. In Wahrheit bin ich einfach nur neidisch. Neidisch auf Severus Snape, der mit Lily Evans befreundet ist. Er darf so viel Zeit mit ihr verbringen, wie er will. Und sie? Sie ahnt nichts von seiner dunklen Seite und vertraut ihm blind. Doch mich hasst sie, weil ich ihn verhexe und bloßstelle. Dabei will ich nur, dass dieser Idiot sie nicht verascht. Sie hat etwas Besseres verdient. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr ich ihn hasse. Trotzdem bin ich neidisch. Es bringt mich innerlich fast um.
Ich schlage das Buch mit einem Knall zu. Mein Herz pumpt, als würde ich eine Marathon laufen. Meine Gesicht muss so rot wie die Vorhänge an den Himmelbetten sein. Und aus meinen Augen fließen Tränen.
Er hat Snape nie aus Spaß geärgert. Er war neidisch. Traurig. Wütend. Er wollte mir mit diesen Aktionen zeigen, dass Snape es verdient. Ich hätte wirklich keine Ahnung, was in James vorging oder besser gesagt: immer noch vorgeht. Ich dachte bis vor einer Viertelstunde noch, er hasst Schnieflus ohne Grund.
Ich schniefe vor mich hin.
"Lily? Was machst du da?" Remus ist zurück. Er mustert mich verwundert und hockt sich neben mich. Er erblickt das Buch.
"Oh ja", sagt er. "Diese Buch ist sieben Jahre alt. Er schreibt seit der ersten Klasse jeden Abend darin und erst gestern habe ich wieder einmal gesehen, wie er das Teil herausgenommen hat. Niemand wusste genau was drin steht. Sirius war schon so unverschämt und wollte es klauen, doch James hat es verhext." Remus greift nach dem Buch und schlägt es auf. "Es sind nur leere Seiten für mich zu sehen. James hat mir vorgestern gesagt, was es beinhaltet. Ich und du sind die einzigen, die davon wissen. Vielleicht hoffte er, dass du es irgendwann mal findest, deshalb kannst du es auch lesen. Er will endlich, dass du nachvollziehen kannst, warum er all das Schnieflus antut. Nämlich nicht aus Spaß, sondern aus Trauer und Eifersucht."
"Und warum sagt er mir das nicht?", will ich wissen.
"Er kann sowas nicht gut." Remus legt einen Arm um mich.
"Ich hätte nie gedacht, dass es so in ihm aussieht", flüstere ich. "Er wirkt immer so draufgängerisch. Aber trotzdem rechtfertigt das noch lange nicht, dass er Snape so demütigen muss. Die Wut an dem andern auszulassen ist grässlich."
"Schnieflus hat James auch ziemlich zugesetzt. Schniefelus hat ihm versucht unauffällig irgendwelche Zaubertränke unterzujubeln, die ihn vergiften sollten. Er hat sie in einem Paket verschickt und so getan, als käme es von seinen Eltern. Und das alles hat Schnieflus getan, noch bevor James den Zauberstab auf ihn gerichtet hat." Remus legt das Buch zurück in die Schublade.
"Aber trotz allem ist James noch lange kein Unschuldslamm", murmele ich.
Remus lacht.
Hello!
Wieder ein neues Kapitel... Ich hoffe, es hat euch gefallen.😊
Bis bald,
-Rel✨
P.S: Ignoriert einfach die Brille bei Lily auf dem Bild, ich konnte keins ohne Brille finden.😅
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