38- Blaue Augen und Platzwunden
Marlene schien ziemlich großen Gefallen an Bobbie gefunden zu haben. Der Hornochse selbst präsentierte sich stolz mit seinem neuem Schmuckstück. Früher, in der fünften Klasse, war er im Slug-Club gewesen und hat dorthin immer seine Freundinnen mitgebracht. Ich bin mehr als froh, dass er Ende letzten Jahres den gesamten Esstisch versehentlich umgeworfen hat und Slughorn ihn von da an nicht mehr eingeladen hat.
Gestern Abend kam eine komplett verstrahlte Marlene in den Schlafsaal, trug ein neues, aufwändig bearbeitetes Geschmeide um den Hals und rief: "Schaut mal, was mir Bob geschenkt hat!"
Das Ding um ihren Hals sah echt teuer aus und ich will nicht wissen, wie viel Galleonen Crews dafür auf die Ladentheke geklatscht hat.
"Schön", erwiderte Alice höflich, obwohl es klar war, dass sie es potthässlich fand und sie lieber einen rostigen Schürhaken als Kopfschmuck benutzen würde.
"Ja, nicht wahr?!" Marlene strahlte wie ein kleines Kind, dem man Süßigkeiten anbot.
"Seid ihr überhaupt zusammen? Der Olle macht ziemlich teure Geschenke für jemanden, mit dem er nicht in einer Beziehung ist", hinterfragte Mary kritisch und ich stimmte ihr zu.
Unsere frisch Verliebte verneinte. "Er will nichts festes; das sei so anstrengend. So geht es doch auch."
Ich muss mich wohl verhört haben. Mary und Alice schauten beide so, als hätte man ihnen ein Brett gegen den Kopf geschlagen. Aber immerhin wurde eines klar: Bobbie Crews meinte es nicht ernst mit Marlene. Er trieb seine Späßchen mit ihr, beschenkte sie und wenn es ihm zu langweilig wird, sucht er sich die nächste. Für jemanden wie ihn ist das ja kein Problem... Crews hat einen ähnlichen Ruf wie Sirius und James ihn hatten (oder eventuell immer noch haben).
Ich versuchte Marlene dies zu erklären, doch sie stritt alles ab und versank wieder in ihrer Zuckerwatten-Welt, in der es wohl nur sie und Mr Geldscheißer gab.
***
"Lily, was wünschst du dir eigentlich zum Geburtstag?", fragte mich am nächsten Morgen Alice, die sich über sowas schon immer frühzeitig Gedanken machte. Schließlich hatte ich erst am dreißigsten Januar und wir hatten gerade mal den zehnten.
"Überlegt euch was... Mir gefällt sowieso alles", antwortete ich, da ich wusste, dass meine Freundinnen eigentlich ziemlich kreativ waren.
"Okay, wir schauen mal." Sie zwinkerte Mary zu; Marlene war völlig in das Betrachten der Kette von Crews vertieft und schien unserem Gespräch nicht zu folgen.
Nachdem wir alle fertig waren, brachen wir zum Frühstück auf. Der Schnee draußen war immer noch nicht geschmolzen, jedoch war die Weihnachtsdekoration innerhalb des Schlosses beseitigt worden. Schade... Ich liebte die Weihnachtszeit.
In der Großen Halle herrschte das übliche Gedränge: jeder wollte auf seinen Platz und sich schnellst möglich ein Toast krallen, bevor der Unterricht beginnt.
Die Rumtreiber waren nirgends zu sehen. Ich schätze mal, sie schlafen noch oder trotteln mal wieder beim Anziehen.
Als wir jedoch vor dem Klassensaal für Verwandlung standen und von den Vieren immer noch keine Spur war, wurde ich misstrauisch. Dass jeder von ihnen über Nacht erkrankt ist, ist sehr unwahrscheinlich.
Nach ein paar weiteren Minuten kam Professor McGonagall den Gang entlang geschritten und öffnet die Tür. Als die Verwandlungslehrerin die Anwesenheit prüfte, fiel ihr die Abwesenheit der Jungs natürlich auch auf.
"Potter, Black, Lupin, Pettigrew", rief sie in die Klasse. "Hat sie jemand gesehen? Miss Evans, Sie vielleicht?"
Ich schüttelte den Kopf. Professor McGonagall zückte eine Feder und notierte kurz etwas in ihrem Büchlein, dass sie immer mit sich trug.
Sie begann mit dem Unterricht und als die Rumtreiber zwanzig Minuten später immer noch nicht aufgetaucht waren, beschwor sie blitzschnell drei Patroni in Form von drei Katzen herauf, die wohl ein paar andere Lehrer informieren sollten.
Ich beugte mich zu Mary hinüber und flüsterte: "Ich wette eine Galleone darauf, dass sie total verpennt im Bett liegen."
"Ich wette, dass sie irgendeinen Streich planen", kam es leise von Mary zurück.
Schließlich war die Doppelstunde zu Ende und ich begann mir Sorgen zu machen. Remus würde es niemals zulassen, dass er selbst und die anderen zwei Stunden bei McGonnie verpassen. Auch Alice, die sich verabschiedete und jetzt Muggelkunde hatte, traute der ganzen Sache nicht, ebenso wie Mary. Nur Marlene beteiligte sich nicht an unserem Gespräch; sie lief stumm neben uns her, betaschte ihre Kette am Hals und wäre vor lauter Träumerei fast die Kerkerstufen heruntergefallen, hätte Mary sie nicht am Handgelenk erwischt.
"Danke", keuchte Marlene etwas erschrocken.
"Immer wieder gerne." Mary nickte ihr zu. Dann verengten sich ihre Augen einwenig, da zufälligerweise der 'wundervolle' Bobbie Crews, der gerade den Kerker für Zaubertränke verließ, vorbeilief und Marlene einen verführerischen Blick schenkte. Um seinen Mund zu öffnen und ihr Hallo zu sagen, schien er sich zu schade zu fühlen. Marlene schaute ihn verwirrt an. Warum er nicht mit ihr sprach, erfuhren wir gleich danach, als er neben einem Mädchen aus Ravenclaw herlief und mit dieser Smalltalk führte.
Aha, so läuft das also... Sehr interessant.
Als plötzlich eine hohe (mir leider sehr bekannte) Quietschstimme durch den Flur hallte, stellten sich bei mir die Nackenhaare auf. Veronica Emrich, meine Konkurrentin was James angeht, stürmte eine Treppe herunter und hastete auf Bobbie und die Schar Ravenclaws zu. Mir wurde schlecht.
"Bobbie, hey, BOBBIE!" Schnaufend war sie bei ihm angelangt und er blieb stehen. Die anderen Schüler liefen weiter, nur das Mädchen von eben nicht, mit der er gesprochen hatte und deshalb nicht Marlene grüßen konnte. Bobbie wandte sich an die Ravenclaw.
"Geh doch schon mal vor, Maria." Er winkte sie weg. Maria zog eine beleidigte Schnute und verschwand.
Veronica Emrich schaut Bobbie mit einem sonderbaren Blick an und ihre Wangen färbten sich rosa. Ich dachte, sie steht auf James. Nun gut, soll mir recht sein.
Bobbie wirkte erwartungsvoll. "Und?! Wie war's?" Er knetete nervös seine Finger.
Veronica meinte: "Alles super! Gehen wir jetzt? Ich möchte nicht zu spät kommen." Gemeinsam schlenderten sie davon, allerdings drehte sich Bobbie noch einmal um, jedoch blickte Marlene in die andere Richtung. Doch Bobbie schien es nicht auf Marlene abgesehen zu haben, sondern er zwinkerte Mary ziemlich deutlich zu. Dabei legte er einen Hallo-du-Hübsche - Blick auf. Ich war leicht schockiert, genau wie meine beste Freundin.
"Bei Merlins Bart, was war das denn?!", fragte sie und fasste sich gegen die Stirn. "Marlene, ich glaube, Bobbie hat sie nicht mehr alle. Wirf diese verdammte Kette weg oder geb sie ihm zurück. Das ist ja ekelhaft."
Marlene schwieg. Ich drückte ihre Hand. Sie tat mir leid; jeder kennt bestimmt das Gefühl, wenn man verliebt ist und der Andere sich verhält wie der letzte Arsch.
Dass die Rumtreiber immer noch nirgends sind, macht mir von Zeit zu Zeit mehr Angst...
Kurz darauf sitzen wir im Kerker bei Professor Slughorn und hören ihm bei seinen Vortrag über ein seltenes Kraut zu, das er versucht hat zu züchten und dafür über fünf Jahre gebraucht hat. Er will uns gerade die Eigenschaften der Pflanze verraten, als ein Patronus in Form einer Katze durch die Wand geschossen kommt und den dunklen Raum mit bläulichen Licht erhellt.
Ich bekomme Gänsehaut, als die Katze in Professor McGonagalls Stimme zu sprechen beginnt: "Schicken Sie Miss Evans und Miss McDonalds sofort zum Astronomieturm!"
Die Katze löst sich auf. Jeder starrt mich und Mary an.
"Na dann!", rief Slughorn. "Auf, auf, meine Damen!"
Das ließen wir uns kein zweites Mal sagen. So schnell wir konnten, verließen wir den Kerker und rannten zum Astronomieturm. Wir waren uns sicher, dass es um die Rumtreiber gehen muss. Als wir am Fuß der Treppe, welche zum Turm hoch führt, angelangt kamen, hörten wir bereits Stimmen. Mit polternden Schritten nahmen wir die Treppe und oben erwartete uns der Schock.
Remus und Peter lagen aneinander gebunden auf dem Boden. Ihre Münder waren mit magischem Klebeband zugeklebt und sie hatten Schürfwunden im Gesicht. Sie waren bewusstlos. Sirius lehnte zusammengesackt am Geländer zum Abgrund (Bobbie Crews saß neben ihm und musterte ihn besorgt) und hatte einen tiefen Schnitt an Hals und Wange. Beide Augen waren dick geschwollen, doch er war wach und ließ sich von Professor McGonagall betrachten.
Doch das schlimmste kam erst. James lag gekrümmt auf dem Boden, beide Augen lila schimmernd angeschwollen, seine Lippe war dick und blutete. An seiner Stirn war eine riesige Platzwunde und auf seinem weißen Hemd befand sich ein roter Fleck, der den Durchmesser einer Untertasse hatte. Neben ihm war eine Blutlache auf dem Boden. Er war wie Remus und Peter bewusstlos und sein Kopf befand sich in Veronica Emrichs Schoß, welche ihm liebevoll durch das blutverschmierte Haar strich.
Mary stieß einen erschrockenen Schrei aus und stürzte zu Sirius. Ich fauchte Veronica an, sie solle ihre Griffel von James nehmen.
"Meine Güte, wie benimmst du dich denn? Als ob es jetzt hier darum gehen würde, ob ich in ihn verliebt wäre! Werd endlich erwachsen, Miss Schulsprecherin! Hier geht es um etwas viel wichtigeres!", war ihre Antwort und rückte nicht von James weg. Ich war einwenig baff.
"Professor, was ist passiert?", wollte ich wissen und spürte schon die Tränen in meinen Augen. Während ich McGonnies Antwort abwartete, tritt ich Veronica feste gegen das Schienbein (ich weiß, dass das kindisch ist), die ihr Gesicht verzog und James' Kopf sehr laut und schmerzhaft klingend auf den Boden rumsen ließ. Dass ich damit James nicht unbedingt geholfen hatte, ignorierte ich. Hauptsache, diese blöde Schlampe lässt ihre Finger von meinem Freund. Auf Bobbie scheint sie wohl doch nicht zu stehen.
"Wir wissen es nicht." Professor McGonagall zuckte mit den Schultern. "Die beiden Schüler hier haben die Vier gefunden, als Crews Emrich die Aussicht von hier oben zeigen wollte." Gott im Himmel, was treibt dieser Crews eigentlich für ein hässliches Spielchen? Wie viele Mädchen datet er denn mittlerweile?!
"Black, wissen Sie, wer Sie angegriffen hat?", fragte sie Sirius und rüttelte an seiner Schulter.
Sirius stöhnte nur, knurrte etwas unverständliches und schließlich sank sein Kopf auf seine Schulter. Mary brach in Tränen aus und Crews nahm allen Ernstes ihre Hand.
Verstört blickte sie ihn an und zog rasch ihre Hand zurück. Bobbie ging ein paar Schritte weg.
"Madam Pomfrey kommt gleich und nimmt die Herren hier mit", murmelte die Verwandlungslehrerin und sie schien ebenfalls geschockt zu sein. Neben ihr war Bobbie gerade gestolpert. Schade, dass er sich nicht das Genick gebrochen hat.
"So viele Angriffe unter den Schülern hatten wir noch nie. Das ist unglaublich... Wo sind überhaupt die Zauberstäbe der Jungen?"
"Hier!", meldete sich Bobbie zu Wort, der über eine lose Bodenplatte gestolpert ist, in denen die Zauberstäbe versteckt wurden.
Wenige Sekunden später hörte man wieder Gepolter auf der Treppe und die Schulkrankenschwester stand im Türrahmen und schlug die Hände vor den Mund. Es sah wirklich aus, als hätten die Jungs einen schweren Kampf hinter sich. Nachdem Poppy vier Tragen herauf beschworen hatte, die Rumtreiber mit Zauberei drauf verlagert hatte und ein paar Worte mit Professor McGonagall gewechselt hatte, wurden wir zurück in den Unterricht geschickt. Die Wette von mir und Mary aus Verwandlung gewann niemand von uns beiden.
Auf dem Gang richtete Veronica noch einmal das Wort an mich. "Da ich nicht annähernd so kindisch wie du bin, schlage oder trete ich dich nicht. Ich wollte dir nur sagen, dass, wenn Bobbie und ich eure Kumpels nicht gefunden hätten, sie da oben wahrscheinlich noch einige Tage gelegen hätten."
Bevor die Zwei sich verzogen, lächelte Crews Mary noch einmal zu. Doch diesmal war es ein warmes und freundliches Lächeln und kein verführerisches oder draufgängerisches...
Hey!
Ich hoffe, ihr hattet alle schöne Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr!😋
Hier ist das neue Kapitel und hoffentlich gefällt es euch. Außerdem vielen Dank für die 700 Reads auf dem allerersten Kapitel dieser Story, das ist echt total krass!❤
Bis bald,
-Rel✨
P.S: auf dem Bild oben seht ihr Marlene und (mehr oder weniger) Bobbie Crews.
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