36- Versager

Klar, ich habe an Marlenes Einsicht gezweifelt. Aber insgeheim glaube ich, dass Marlene Remus nicht widerstehen kann; ich meine, wenn man verliebt ist, ist das doch so.
Ich freute mich also schon darauf, die beiden wieder glücklich vereint zu sehen (wie es bei mir und James war), aber eigentlich lief das alles ganz anders ab... und auch in falsche Richtung.

Ich wachte auf. Schweißgebadet und schweratmend. Es war nur ein Traum. Nur ein Traum. Ich schluckte schwer. Vor ein paar Wochen habe ich mir noch geschworen, vor dem Schlafen keine Gruselgeschichten mehr zu lesen, doch dranhalten konnte ich mich nicht.
Ich hatte in meinem eigenen Bett geschlafen, an dessen Fußende ein Berg aus Geschenken lag. Heute war Weihnachten, das hatte ich komplett verhauen.

Es dauerte eine Weile, bis ich alles ausgepackt habe und jedes Geschenk bestaunt hatte. Von James habe ich eine Kette bekommen, die so unglaublich schön war, dass ich Tränen in die Augen bekam. Ich band sie mir sofort um.
Von den restlichen Rumtreibern bekam ich ein interessant aussehendes Buch geschenkt und von meinen Freundinnen eine Haarspange, für die so wohl ihr Geld zusammengelegt haben müssen, da sie eher teuer als billig ist (im der Hexenwoche war eine Produktanzeige davon erschienen, weshalb ich den genauen Preis weiß). Von Marlene hatte ich nochmal eine selbst gehäkelte Schleife bekommen, da diese sich in letzter Zeit für Stricken und Häkeln begeistert hatte.

Eine Weile später tapse ich hinüber zu James und Sirius, die alle beide noch ziemlich verquollen aussehend in ihrem Geschenkhaufen wühlen.

"Frohe Weihnachten!" James zieht mich zu sich und drückt mir einen langen Kuss auf die Lippen.

"Danke, dir auch", flüsterte ich und streichelte ihm über die Wange. "Und danke für die Kette. Sie ist wunderschön."

"Passt doch dann gut zu dir", antwortete er und grinste. "Das Besenpflegeset ist übrigens auch nicht schlecht." James zwinkerte mir zu.

Sirius hatte ich einen Haufen Süßigkeiten geschenkt, welcher er sich im Honigtopf nie kaufen will, da er zu geizig ist. Meinen Freundinnen haben ich vielerlei Dinge zukommen gelassen und Remus habe ich wie jedes Jahr ein Buch geschenkt.

***
Es war bereits später Nachmittag, als ich in Schal, Mütze und Mantel gehüllt den Garten der Potters betrat.
Der Teich war zugefroren und in der Vogeltränke, die versteckt hinter einem Busch stand, wucherten Blumen von saftiger rosa Farbe, anstatt ebenfalls gefrorenes Wasser; Magie ist schon etwas cooles. Die Bank an der Hauswand war mit feinem Schnee bedeckt und ich strich mit dem Handschuh über die Sitzfläche. An meinem Handschuh glänzten jetzt unendlich viele kleine Flocken, welche in der nicht mehr ganz so stark scheinenden Sonne glitzerten. Es war trotzdem einer schöner Anblick und wenn man so den verschneiten, ruhigen und gemütlichen Garten betrachtete, könnte man fast meinen, es sei überall in der Zaubererwelt so. Schade, dass außerhalb der Barriere des Schutzzaubers alles anders ist...

"Hallo", sagte plötzlich jemand ganz leise hinter mir.

Meine Herz sackte ganz tief vor Schreck und ich drehte mich herum. Marlene stand vor mir im Schnee. Sie trug keinen Mantel, sondern Hausschuhe und ein Kleid mit einer Schürze davor gebunden. Sie sah verheult aus.

"Marlene!", rief ich und ging auf sie zu. "Bist du verrückt? Du verreckst doch bei dieser Kälte!" Ich umarmte sie.

"Sirius' Worte färben auf dich ab", murmelte Marlene in meine Jacke hinein. "Du sagst sonst nie 'verrecken'."

"Tzzz." Ich lachte. "Warum hast du dir nichts angezogen?" Ich ließ sie los.

Sie zuckte mit den Schultern. "Ich hab dich durch's Fenster gesehen." Sie zeigte auf das Nachbarhaus, aus dessen offenem Küchenfenster die Stimmen hierher wehten.
"Du warst alleine. Ich wollte einfach nochmal mit dir reden, ohne dass James oder sonst wer um dich rumspringt." Marlene grinste. "Also bin ich schnell hierher, meine Jacke hat ganz unten an der Garderobe gehangen und ich war zu faul alles andere abzuhängen."

"Na dann, was gibt's? Wegen Remus?" Ich scharrte mit dem Fuß im Schnee. Remus wollte heute Abend mit ihr reden, wenn die McKinnon's, die Lupins, Mary und die Prewetts zum Weihnachtsessen kommen.

Marlenes Gesichtsausdruck wurde grimmig.
"Nein, sicherlich nicht", knurrte sie und lief knallrot an. "Ich meine eher, einfach mal so."

So langsam fing ich an zu beten, dass Marlene nur deshalb so 'aggressiv' auf die Sache mit Remus reagiert, weil sie ihn total vermisst und nicht, weil sie schlicht und einfach ohne ihn leben will. Doch ich bezweifele den ersten Grund sehr stark...

"Danke für deine Weihnachtsgeschenke, die waren echt schön." Marlene strahlte mich an und holte den babyblauen Taschenspiegel hervor, den sie von mir bekommen hat.
Sofort ertönte eine nervtötende und nörgelnde Stimme, die aus dem Spiegel kam.

"Mädchen, zieh dich wärmer an, du bist doch verrückt!"

Sie lächelte und steckte ihn rasch wieder weg.

"Kein Ding, Marls", schmunzelte ich. "Ich wusste, dass dir so Zeug gefällt. Deine selbst gehäkelte Haarschleife ist auch wunderschön."

Ich drehte mich um, um ihr zu demonstrieren, dass ich sie trug. Die rostbraun-rote Schleife harmoniert unglaublich gut mit meinen Haaren.

"Oh, gut, dass sie dir gefällt. Ich hatte schon Angst, dir würde die Farbe in Kombination mit deinen Haaren nicht gefallen." Sie schien erleichtert und ich streckte nur einen Daumen in die Höhe. "Alles super."

Jetzt deutete ich auf ihre, mittlerweile vom Schnee ziemlich durchweichten Pantoffeln, und bot ihr an, mit reinzukommen.

Doch Marlene schüttelte den Kopf und schleudert sich plötzlich den Schuh vom Fuß. Der andere folgte. Dann sah ich ihr entgeistert dabei zu, wie sie mit nackten Füßen durch den eher tiefen Schnee im Garten der Potters watete.

"Du spinnst", war meine Antwort auf dieses Verhalten. "Wenn du morgen krank im Bett liegst, komme ich und lache dich aus."

Meine verhaltensgestörte Freundin grinste nur frech. "Ich mach das an Weihnachten immer. Krank wurde ich noch nie und außerdem-"

Sie beendete ihren Satz und schleuderte mir, schneller als ich "Wehe!" rufen konnte, einen Schneeball ins Gesicht.

Dass danach eine kalte und wortwörtlich verfrorene Schneeballschlacht folgte, kann sich jeder denken.

***
Das Haus der Potters war proppenvoll. Das Esszimmer war komplett überfüllt, weshalb man es kurzerhand mit einem Zauber vergrößern musste. Außer den Familien meiner Freunde, hatten James' Eltern auch noch andere Bekannte eingeladen. Diese haben fast alle kleine Kinder, die unruhig auf ihren Stühlen hin und her hüpfen, rumschreien und jeden damit nerven.
Um den Kronleuchter über dem Esstisch fliegen künstliche Schneeflocken, aus einem Grammofon dudelt leise Musik und vor lauter Stimmen, hört man sein eigenes Wort nicht mehr.
Die Hauselfen der Potters sind fast so talentiert wie die Hauselfen in Hogwarts, was die Kochkünste angehen, weshalb ich mich nach dem mehrgängigen Essen am liebsten sofort hingelegt hätte um einen Verdauungsschlaf zu starten.

Die Prewetts verabschiedeten sich als erstes, dann folgten die fremden Familien mit den lärmenden Kinder und schließlich wollten auch die McKinnons aufbrechen.
Marlene wollte noch bleiben, da Mary, ich, Sirius, James, Remus und sie oben bei den Jungs im Zimmer noch ein Zauberschachduell starten wollten.

Wir eilten also alle die Treppe hoch, als Remus Marlene festhielt.

"Können wir kurz reden? Draußen vielleicht?", fragte er bittend und selbst ein Blinder sah, dass dies Remus sehr wichtig ist.

Marlene gab einen murrenden Laut von sich, folgte ihm aber hinaus.
James scheuchte uns alle die Treppe hinauf, mit den Worten: "Wir können vom Balkon aus zuhören!" und riss die Tür zum Gästezimmer auf, in dem zu meinem Erschrecken ein BH auf dem Kopfkissen lag, den ich eben in aller Eile aus dem Koffer katapultiert hatte.

"Schöne Reizwäsche, Evans", gackerte Sirius und wollte das Ding schon hochheben, doch James zerrte ihn weiter und öffnete die Balkontür.

Wir zwängten uns alle auf die kleinen Balkon; schon nach mehreren Sekunden wurde es eisig kalt. Marlene und Remus standen direkt unter uns und man verstand die beiden ziemlich gut.

"Halt dich kurz", zischte Marlene ihn an.

"Marlene", begann Remus zögerlich. "Es tut mir total leid. Ich wollte das echt nicht und eigentlich habe ich es sofort bereut, mit dir Schluss gemacht zu haben. Ich liebe dich doch!"

Mir wurde ganz warm um's Herz. Das war voll süß von Remus...

"Das hättest du dir vorher überlegen sollen!", war ihre entschiedene Antwort darauf und Sirius neben mir verzog krampfhaft das Gesicht.

"Das war unter aller Sau!", ergänzte Marlene noch nachträglich.

James murmelte etwas unverständliches in meine Richtung und Mary schaute mich zerknirscht an, da sie wohl auch dachte, dass dieses Gespräch kein gutes Ende nehmen würde.

Remus flehte. "Bitte. Es war ein Fehler von mir gewesen! Können wir nicht nochmal von vorne beginnen?"

Jeder, der gerade auf diesem kleinen Balkon stand und sich das Hinterteil abfror, drückte wie ein Weltmeister die Daumen.

"Es war mein Fehler", kam es plötzlich von Marlene. "Mein Fehler, dass ich mich in dich verliebt habe und dir vertraut habe. Schließlich war diese Beziehung nicht von langer Dauer, da du anscheinend zu blöd dafür bist, endlich einzusehen, dass es niemanden juckt, ob du ein Werwolf bist oder nicht! Weißt du was? Mich juckt es auch nicht. Du juckst mich nämlich gar nicht mehr!"

"Marlene...", bettelte Remus. "Bitte gib mir noch eine Chance!"

Doch sie drehte sich um und stapfte davon in Richtung Gartentor. An der Pforte angekommen, drehte sich sich noch einmal um.

"Du bist ein Versager Remus Lupin!"

Weg war sie.

Für ein paar Minuten waren wir alle wie versteinert. Niemand sagte ein Wort. Jeder starrte auf das Gartentor, durch welches Marlene gerade verschwunden war.

"Ich brauch euch ja nicht zu erzählen wie es war, oder?", fragte eine leise Stimme auf einmal.

Wir wirbelten alle herum. Remus stand im Türrahmen, den Kopf gegen das Holz gelehnt und blickte todtraurig auf den Boden. Er tat mir so leid.

Hallöchen!
Hier ist ein neues Kapitel und ich hoffe, es gefällt euch. Ich denke, jeder wusste, dass das mit Remus und Marlene nicht gut ausgeht.😅

Außerdem vielen Dank für die 10 Tsd Reads und die 1 Tsd Votes, das ist zu krass! Ihr glaubt gar nicht, wie glücklich ich bin! Einfach nur danke!💗
Wenn jemand ein Special möchte, kann er es mich gerne in den Kommentaren wissen lassen!

Bis bald,
-Rel

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