26- Lass mich nie mehr los

Ich bin froh, als mich Professor Dumbledore vier Tage später abholt, um mich zurück nach Hogwarts zu bringen.

Im St. Mungo war es schlicht und einfach merkwürdig. Denn ständig bekam man in Erinnerung gerufen, warum man hier ist, und genau das bedrückt mich.

Den ganzen Kram mit dem Erbe meiner Eltern haben Petunia und ich mittels zwei Briefen gelöst und besitze jetzt Dad's Elternhaus in Godric' Hollow, während Petunia und Vernon eiskalt unser Haus verkauft haben und sich ein dämliches Reihenhaus in Surrey gekauft haben.

Die ganzen Wunden, die Folge des Angriffs waren, sind gut verheilt, auch wenn jetzt etliche Narben meinen Körper zieren. Meine Freunde sind mich die Woche einmal besuchen kommen und haben mir Geschenke mitgebracht. Ich bin vor lauter Rührung in Tränen ausgebrochen.

Doch gerade jetzt laufe ich neben dem Schulleiter den Schlosshang hinauf, wo einen der Wind fast von den Füßen haut. Ja, es ist dieses typische November-Wetter, das immer dann herrscht, wenn es kurz vor'm Dezember ist.

Als wir am Eichenportal angekommen sind, überreischt mir Dumbledore meine Tasche, die er netterweise getragen hat und ich bedanke und verabschiede mich.

Es ist Sonntagmorgen, was heißt, dass die meisten Schüler noch in den Federn liegen und mir somit dümmliches und nerviges Geglotze erspart bleibt. So wie ich Hogwarts und dessen Insassen kenne, verbreitet sich die Nachricht Lily Evans wurde von Todessern angegriffen und liegt bewusstlos im St. Mungo schneller als man gucken kann.

Ich murmele der Fetten Dame das Passwort halbherzig entgegen, da ich ziemlich müde bin und die Nächte über kaum geschlafen habe. Der Grund weshalb, sollte allen bekannt sein...

Zu meinem Vergnügen ist der Gemeinschaftsraum leer. Ich meine, wer steht denn auch bitte sonntags um acht Uhr auf? Ich eigentlich nicht.

Ich trotte die Treppe zum Mädchenschlafsaal hoch und drück so leise wie möglich die Tür auf. Sie knarrt laut. Scheiße.

Mary, die schon immer einen leichten Schlaf hatte, schreckt auf der Stelle auf und schaut sich panisch um. Ihr Blick bleibt an mir hängen.

"Lily!" Sie strampelt die Decke fort und hüpft auf mich zu. Dann nimmt sie mich ganz fest in die Arme, was bei mir eine sofortige Heulattacke auslöst und ich somit auch die anderen im Schlafsaal wecke.

Zwei Minuten später stehen wir als Knäuel weinend im Raum und rotzen uns gegenseitig die Schultern voll, so widerlich es auch klingen mag. Deshalb bemerken wir auch gar nicht, dass die Tür hinter uns aufgeht und vier Jungsköpfe neugierig herein lugen.

Erst als Sirius etwas wie "Frauen..." murmelt, fahren wir auseinander und starren die Rumtreiber entsetzt an.

Okay, eigentlich starre ich nur den Jugen mit dem schwarzen Strubbelhaar und der Brille an, nach dem ich mich gerade mehr als nach allem anderen sehne.

"Du hast gerade einen emotionalen Moment zerstört", mosert Mary und wischt sich verstohlen über die Augen.

Doch Sirius erwidert nur relaxt und völlig ohne Schuldgefühle: "Haben Mädchen nicht immer emtionale Momente? Beim Lesen, beim Kochen, beim Knutschen, beim-"

"Du bist so ein Blödmann." Mary rollt mit den Augen, wird aber von Sirius in einen leidenschaftlichen Kuss gezogen, bei dem ich lieber wegschaue.

"Ihr habt doch hoffentlich nicht vergessen, warum wir hier sind, oder?", meldet sich James zu Wort und macht einen Satz zu mir. Er legt von hinten die Arme um mich und hält mich fest.

Habe ich schonmal erwähnt, dass dies der süßeste Junge der Welt ist?

"Ach ja, stimmt, Krone. Ist mir soeben entfallen!" Sirius lacht sein bellendes Lachen und fährt sich durch die Haare.
Ich sehe ganz genau, dass Marys Beine zu Wackelpudding mutieren.

"Also", beginnt Remus mit dieser üblichen Hör-gut-zu-das-ist-wichtig - Stimme, doch er wird von Sirius abrupt unterbrochen.

"Hey, hey, nur mal langsam mit den jungen Drachen. Das ist meine Freundin, weshalb ich ihr das auch sage, okay?"

Mary, Alice, Marlene und ich reißen entsetzt die Augen. Wenn er das sagen will, was wir denken, braucht er uns nicht mehr anzusprechen.

"Willst du Schluss machen?", kommt es prompt von Mary.

"Bei Merlins Bart, niemand der noch alle an der Latte hat, macht freiwillig mit dir Schluss", erklärt Sirius und grinst Mary charmant an.

Puh, noch einmal Glück gehabt!

"Und was ist dann?"

"Also", Sirius räuspert sich. Das scheint wohl eine längere Ansage zu werden.

"Ihr erinnert euch doch bestimmt noch daran, als wir in den ersten Wochen dieses Schuljahres in der Bibliothek waren und Mary dort ziemlich dumm von meinem Bruder Regulus angeglubscht wurde."

(Wer das nicht mehr weiß, es findet im Kapitel '8- Zwei Persönlichkeiten' statt!)

"Hä?", macht Mary, aber mir geht natürlich sofort ein Licht auf.

"Mary, ich hab dich da noch drauf hingewiesen, weißt du nicht mehr?", helfe ich ihr auf die Sprünge.

"Stimmt." Sie runzelt die Stirn. "Und was hat es mit dieser Tatsache auf sich?"

Das wüsste ich auch gerne. Aber ich habe eine Vermutung, die einer Fifty-Fifty-Chance entspricht.

"Ich bin, als klein Evans hier im Krankenhaus war", er nickt mir zu, "letztens zufällig hinter meinem Bruder hergelaufen, der wie so'n Verrückter in seiner Tasche gewühlt hat und war deshalb etwas lahmarschig unterwegs. Als ich ihm dann gesagt habe, er soll nen' schnelleren Gang einlegen-"

"Das ist ein Muggel-Sprichwort! Woher kennst du das?", unterbreche ich ihn.

"Von unserem lieben Moony, von wem sonst", lacht James hinter mir und zwirbelt eine meiner Haarsträhnen zwischen seinen Fingern.

"Jaja, unterbrich mich nicht!", faucht Sirius. "Jedenfalls hat er sich erschrocken und ihm ist die Tasche runter gefallen. So freundlich wie ich war, hab ich ihm geholfen alles wieder einzusammeln, auch wenn das eigentlich unter meiner Würde ist. Als dann alles wieder in seiner Tasche verstaut war, ist er ohne ein Wort abgezogen und hat nicht gemerkt, dass eben ein Briefumschlag aus seiner Tasche genau dort hin geflogen ist, wo ich stand. Ich habe meinen Fuß drauf gestellt und ihm erst dann beim zusammensuchen seiner Sachen geholfen."

"Aha." Mary mustert ihn kritisch. "Und jetzt?"

"Na ich habe den Umschlag hier, lies!", ruft Sirius und bringt einen schon etwas zerknitterten Brief zum Vorschein.

Sofort stürzen Alice, Marlene und ich auf Mary zu und lesen über ihre Schulter mit.

"Weiber. Wollen alles schriftlich", ist Sirius' Kommentar dazu, doch wir ignorieren ihn.

Das, was hier steht, ist viel interessanter... Und auch irgendwie schockierend.

"ER STEHT AUF MARY?!"

Unsere Augen werden größer als Hagrid überdimensionale Suppenteller und wir verstehen die Welt nicht ganz.

"Jap", sagt Sirius und es scheint ihn nicht zu stören, dass sein verhasster Bruder etwas von seiner Freundin will. "Krass, ne?"

"Ziemlich", nuschelt Mary. "Aber ich bin mir sicher, dass ihm das oberpeinlich ist, schließlich bin ich muggelstämmig."

"Haha, und wie peinlich ihm das ist!" In Sirius' Gesicht zeichnet sich Schadenfreude ab. "Er wird nie jemandem von seiner heimlichen Liebe erzählen können, da du ja bei seinen Freunden und Familien nichts wert bist." Er verdreht die Augen und legt einen Arm um Marys Schulter.

"Wie gut, dass man bei uns zu Hause nicht auf so etwas achtet", kommt es von James, welcher meine Hand nimmt.

"Dennoch", beginnt Remus wieder, "sind wir der Überzeugung, dass du besser nicht mehr in Regulus' Nähe gehst."

"Wer weiß, was er sich einfallen lässt, um an die ranzukommen", sagt Sirius. "Dabei hab ich ein Dauer-Abo bei ihr." Er grinst machohaft.

Wir lachen alle. Auch wenn die Situation ernster ist, als wir im Moment dachten.

***
Der Wind peitscht immer noch umher, doch der hindert mich nicht daran, mit James über die Wiesen zu spazieren.

"Wie geht's?" James' intensiver Blick bohrt sich in meine Augen.

Er wird sich jetzt nicht mit einem "Gut, und dir?" zufrieden geben, so viel ist sicher.

"Schlecht", flüstere ich und betrachte das Rehbraun in seinen Augen.

Es wirkt so vetraut und warm. Genau das, was ich im Moment gut gebrauchen kann.

"Bist du froh wieder hier zu sein?" Auch er flüstert, obwohl weit und breit keine Menschenseele ist.

"Ja." Ich lächele sachte. "Bei dir." Eine Träne kullert meine Wange hinunter. "Ich will dich nicht auch noch verlieren."

"Alles ist gut. Ich bin ja hier", meint James und wischt meine Tränen sanft mit seinem Finger weg.

"Versprichst du mir, dass du hier bleibst? Bei mir?" Ich blicke ihn mit bittenden Augen an.

"Ich habe nie in Erwägung gezogen zu gehen." Sein Blick ist so warm, dass ich den heulenden Wind um uns komplett vergesse.

Sein Gesicht nähert sich meinem.

Mein Gesicht nähert sich seinem.

"Ich liebe dich."

Ich schließe die Lücke zwischen unseren Lippen und befinde mich mit einem Mal auf einer rosaroten Wolke im siebten Himmel wieder.

Ich verliere immer jegliches Zeitgefühl, wenn wir uns küssen, weshalb ich nicht weiß, wie lange es dauert, bis wir uns wieder voneinander lösen.

Auf jeden Fall finde ich mich kurz darauf in seinen Armen wieder.

"Der Krieg herrscht echt überall. Wir merken es nur hier nicht. Außerhalb von Hogwarts stehen die Todesser wortwörtlich auf der Türmatte." Seine Stimme ist ruhig, auch wenn ich die Traurigkeit raushöre.

"Ja", flüstere ich. "Aber irgendwann ist es vorbei."

"Hoffentlich."

"Lass mich nie mehr los, okay?" Ich schlinge meine Arme fester um ihn und fühle mich sicher.

Hello!
Ah, ich hasse solche sentimentalen Stellen in Texten irgendwie, dennoch fand ich sie angebracht an dieser Stelle.

Danke für 300 Votes und über 2,6 Tsd Reads! Das bedeutet mir total viel!❤️

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Schaut bei meinem 2. Buch vorbei...😏

Bis bald,
-Rel

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