17- Steine fallen
Ich war hundemüde am nächsten Morgen und konnte dem Unterricht nur schwer folgen. Ich hatte Marlene und Alice eben beim Frühstück von gestern Nacht erzählt und sie waren leicht geschockt.
Dennoch stellte ich mit grimmiger Genugtuung fest, als ich an den Stundengläsern in der Eingangshalle vorbeilief, dass Slytherin sechzig Punkte fehlten.
In VgdDK übten wir nur weiter am Zauber von letzter Woche, weshalb ich einwenig mit Remus quatschte.
"Ich kann James später die Hausaufgaben vorbeibringen", schlug ich vor und duellierte mich gleichzeitig mit Marlene, die das ziemlich unverschämt fand und mir einen Kitzelfluch auf den Hals jagte, von dem mich Remus befreien musste.
Mein Blick glitt zu Mary herüber, die gemeinsam mit Peter übte. Sirius stand daneben und beobachtete sie dabei. Ich frage mich, wann es zwischen ihnen funkt.
Er steht auf sie und, ich wette meine teure Lieblingshalskette dafür, sie findet ihn auch ziemlich gut. Doch die Gespräche am Anfang des Schuljahres bezeugten das Gegenteil, leider.
Auch wenn Mary mich ignoriert, ist sie immer noch meine beste Freundin. Und ich finde es total süß, wenn sie endlich mal nen' Freund hätte.
Als es läutet, rennen alle auf ihre Plätze, schmeißen Bücher und Hefte in die Tasche und machen sich auf den Weg zum nächsten Klassenraum.
Ich trabe neben Remus her und unterhalte mich mit ihm.
"Was müsst ihr eigentlich für Bälle organisieren?", fragt er und grinst komischerweise.
"Einen Weihnachtsball und einen Abschlussball", antworte ich und schaue zu ihm auf. "Warum grinst du so?"
"Darf ich nicht grinsen?"
"Ich kenne dein Grinsen und für dieses gibt es einen Grund, mein Lieber", kontere ich und stemme die Händen in die Hüften. "Und das ist eindeutig dein Ich-weiß-was-was-du-nicht-weißt - Grinsen!"
"Okay, ich sag's dir. Aber reiß mir um Gottes Willen bitte nicht den Kopf ab", lacht Remus und fährt sich durch die Haare.
"Werd ich schon nicht tun", entgegne ich und rolle die Augen.
Wir stellen uns vorm Klassenzimmer für Verwandlung auf.
"Du musst höchstwahrscheinlich mit James zu beiden Bällen gehen."
"WAS?!", rufe ich geschockt.
"Lily, pscht. Ja, musst du. Das Schulsprecherpaar geht immer zusammen, wusstest du das nicht?", erklärt Remus und lacht angesichts meines entsetzen Gesichtsausdruck.
"Nein?", sage ich mit schriller Stimme.
"Gut, dann weißt du's jetzt", meint Remus gelassen und nimmt allen Ernstes ein Buch hervor. "Mit wem hattest du denn vor zu gehen?"
"Mit niemandem, wie all die Jahre auch", murmele ich und werde rot.
Nicht dass ich James nicht mag. Es ist nur so- erstens: ich tanze nicht gerne und schon gar nicht mit ihm und zweitens: er wird sich mit Sicherheit was darunter erhoffen, was ich gar nicht gebrauchen kann. Genau dies erkläre ich Remus auch.
"Und drittens? Aller Guten Dinge sind drei, also gibt es keine Anhaltspunkte, warum du nicht mit ihm gehen solltest. Abgesehen davon wirst du eh dazu gezwungen", antwortet mein bester Freund und macht sich mit diesen Worten sehr unbeliebt bei mir.
"Super", brumme ich und drehe mich weg.
Mein Augenmerk bleibt an einer Person mit braunem Haar hängen, die gerade in die gegenüber liegende Mädchentoilette huscht. Es ist Mary.
In diesem Moment wird die Tür zum Klassenraum geöffnet und wir strömen alle hinein. Das Blöde ist, dass wir gemeinsam mit den Slytherins Verwandlung haben, weshalb auch Mulciber und Dolohov hinter uns sitzen und uns ständig mit Papierkugeln abwerfen, die sie verhext hatten, damit diese glühend heiß sind.
Nachdem wir McGonagall begrüßt hatten, uns gesetzt hatten und mit dem Unterricht begonnen hatten, war Mary immer noch nicht zurück. Ich machte mir Sorgen.
Marlene und Alice neben mir schienen gar nicht zu merken, dass sie seit über einer Viertelstunde auf der Toilette war. Aber die beiden ignorierten Mary genauso, wie sie es auch bei ihnen tat.
Ohne nachzudenken hob ich meine Hand. Eine Papierkugel flog dagegen, doch ich nahm es kaum wahr.
"Ja, Miss Evans?" McGonnie legte ihren Zauberstab beiseite und schob die Brille zurück auf den Nasenrücken.
"Professor, ich muss dringend zur Toilette. Darf ich bitte gehen?", fragte ich und lächelte entschuldigend.
"Na schön, wenn es sein muss", erwiderte die Lehrerin und ich erhob mich so schnell es ging von meinem Stuhl. Kurz bevor ich die Tür vom Klassensaal öffnete, hörte ich noch ein "Viel Spaß beim pissen, Evans!" aus der Slytherin-Reihe.
Ängstlich und mit rasendem Puls rannte ich zum Mädchenklo und riss mit Schwung die Tür auf. Ich hatte mich schon darauf vorbereitet, an jeder Kabine zu testen, ob sie verschlossen war und dann darunter durch zulugen, um zu schauen, ob ich Marys Schuhe erkannte.
Doch diese Schritte blieben mir erspart. Mary war in keiner Kabine. Sie saß weder heulend auf dem Klodeckel, noch hockte sie zusammen gekauert neben den Waschbecken.
Stattdessen lag sie leichenblass auf dem kalten Steinboden; völlig regungslos.
Ich keuchte, rannte zu ihr und kniete mich mit Tränen in den Augen neben sie. Ich griff nach ihrer Hand, die eiskalt war und sah mir ihr Gesicht an.
Die Augen waren geschlossen und ihr Atem ging stoßweise.
"Mary?", flüsterte ich und wischte mir über die Augen.
Keine Antwort.
Sie ist bewusstlos.
Mein Gedanken überschlugen sich, drehten Saltos und machten Purzelbäume.
Ich brauche Hilfe und Mary muss dringend in den Krankenflügel.
Und Hilfe nahte.
Die Tür wurde aufgestoßen und das sorgenvolle Gesicht von Sirius Black lugte durch den Türspalt. Sein Blick wurde jedoch sofort erschrocken, als er mich neben Mary hockend erkannte.
"Was-"
"Sirius! Schnell, sie muss in den Krankenflügel! Sie ist bewusstlos!", schrie ich hektisch und konnte meine Angst nicht mehr verbergen, die sich in den letzten paar Sekunden in Windeseile angestaut hat.
"Scheiße!", rief Sirius, raufte sich die Haare und ließ sich neben mich fallen. "Hab mir Sorgen um sie gemacht- musste nachsehen- bewusstlos-" Er stotterte irgendwas dahin.
In diesem Moment wurde die Klotür erneut geöffnet- im Rahmen stand eine zornige Professor McGonagall.
"Sind Sie denn verrückt? Solch ein Theater zu veranstalten? Und Mr Black, was tun Sie hier in der Damentoilette?!", fragte sie und sah erst jetzt die bewusstlose Mary. "Bei Merlins Bart!"
Sie griff sich ans Herz und dies war für Sirius die Bestätigung, um Mary im Brautstil hochzuheben und mit unserer Hauslehrerin und mir im Schlepptau zum Krankenflügel zu eilen.
"Mr Black, Miss Evans, ich muss zurück zur Klasse. Bitte informieren Sie Madam Pomfrey, ich komme nach der Stunde vorbei!", erklärte McGonnie, als wir vorm Krankenflügel angekommen sind.
Wir nickten und betraten schließlich den Krankensaal. Madam Pomfrey verabreichte James im ersten Bett gerade einen Trank, als dieser den Becher fallen ließ und uns überrascht anglotzte.
Madam Pomfrey wollte wohl gerade etwas erwidern, da ihre heilige Medizin fallen gelassen wurde, als auch sie uns bemerkte.
Mit einer bloßen Handbewegung wies sie uns an, Mary auf James' Nachbarbett zu legen, während sie rasch den verschütteten Trank mit einem Wink ihres Zauberstab aufwischte und dann zu uns kam.
Danach vollzog sie die selbe Prozedur an Mary, was Untersuchungen anging, wie sie an James auch angewendet wurden.
Ich dagegen schluchzte nur in Sirius Schulter, der kreidebleich war und James verzweifelte Blicke zuwarf, welcher kerzengerade in seinem Bett saß.
"Hey", sagte Sirius leise und schob mich sanft von sich weg, um mir in die Augen zu schauen. "Alles ist gut, Lily. James war auch bewusstlos und siehe da- hier hockt er."
Ich nickte und fuhr mir mit dem Ärmel über die feuchten Augen.
James stand auf und lief, etwas wackelig auf den Beinen, zu uns. Er nahm mich tatsächlich in den Arm, was mich nicht störte.
Genau jetzt wurde mir auch bewusst, dass James ein echt toller Freund ist und ich überglücklich bin, dass er hier ist. Auch wenn ich ihn die ganzen sechs Jahre auf den Tod nicht ausstehen konnte, jetzt kann ich das komplette Gegenteil behaupten, worauf ich stolz bin.
Ist man nicht immer stolz darauf, tolle Freunde zu haben? Hm, ja... Ich schon. Auf Alice, die immer hilfsbereit und lustig ist. Auf Marlene, die immer freundlich und gut gelaunt ist. Auf Mary, die immer ein aufmunterndes Wort für einen übrig hat und für einen da ist. Auf Remus, der immer fleißig und nett ist. Auf James, der anscheinend genau weiß, wann ich eine Umarmung brauche. Und dann wohl auch auf Sirius, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein kann.
Ich löse mich von ihm und richte mein Augenmerk auf Mary, die immer noch wie versteinert auf dem Krankenbett lag.
"Hm", machte Madam Pomfrey auf einmal. "Es sieht so aus, als hätte Miss McDonald schon lange nicht mehr ausreichend gegessen. Haben Sie da etwas beobachtet?"
Ich hatte doch Recht. Sie isst kaum noch.
"Ja!", sage ich sofort. "S-sie hat Schwierigkeiten und Sorgen, vermuten wir."
Die Krankenschwester nickt und teilt uns mit, dass Mary in ein paar Minuten aufwachen wird und sie selbst jetzt etwas Essen aus den Küchen herbestellen wird.
James kehrt wieder zurück in sein Bett und trinkt seine Medizin, während Sirius und ich uns neben Marys Bett auf Stühle plumpsen lassen.
Sirius greift nach ihrer Hand. Mein Kopf schnellt zu ihm herum.
"Seid ihr zusammen?", platzt es fassungslos aus mir heraus.
Sirius' Gesichtsfarbe beginnt dem Scharlachroten seiner Krawatte zu gleichen.
"Jaa...", murmelt er gedehnt.
"SEIT WANN?!"
"Seit Anfang September... Wir wollten es geheim halten, da- da, äh... wir es zuerst nicht an die große Glocke hängen wollten", erklärt Sirius verlegen und ich starre ihn an.
Mary hatte die ganze Zeit einen Freund? Deshalb hat sie uns also angelogen...
"Aber sie wird wegen eurer Beziehung wohl kaum aufgehört haben zu essen", stelle ich fest. "Wussten die Rumtreiber von euch zweien?"
Sirius kratzt sich nervös am Hinterkopf. "Ja. Mir ist was rausgerutscht. Außerdem hat sie noch andere Probleme, aber das kann sie dir, beziehungsweise euch, selbst erzählen."
Ich nicke und muss das erst mal verarbeiten. Schweigend sitzen wir herum und betrachten Mary, die nicht den Anschein erweckt, aufwachen zu wollen.
Es vergeht eine Viertelstunde, in denen niemand einen Mucks von sich gibt. Doch schließlich beginnen die Augenlider meiner besten Freundin zu flackern. Ich springe auf. Wenige Sekunden später öffnet sie die Augen und scheint zu bemerken, wo sie sich befindet und dass jemand ihre Hand hält.
Zuerst begegnen ihre Augen den grauen ihres Freundes, dann meinen grünen. Sie reißt ihre erschrocken auf und beginnt augenblicklich zu weinen.
"Lily, es tut mir leid!", schluchzt sie und will sich hochstemmen, doch ich drücke Mary sachte zurück ins Kissen.
"Alles ist gut, Mary", flüstere ich und lächele.
"Ich bin so scheiße!", schnieft sie und schaut betreten in eine andere Richtung. "Und ich hab Kopfweh."
"Dann mach die Augen zu", ratet ihr Sirius und streichelt ihre Hand mit seinem Daumen.
Mary schließt diese und atmet langsam ein und aus. "Sind wir wieder Freunde?", fragt sie mich schließlich leise und ich erkenne, dass sie zittert.
"Klar", antworte ich. "Darf ich jetzt mal wissen, was mit dir los war?"
Mir fällt ein tonnenschwerer Stein vom Herzen. Dieser Streit ging mir gehörig auf die Nerven. Jetzt wird also alles wieder wie früher... Hoffentlich.
"Ähm... Ich wollte mich gegebenen Falles auch bei Marlene und Alice entschuldigen. Könntest du sie eventuell nach dem Unterricht herbestellen? Ich denke nicht, dass sie komplett freiwillig hier antanzen", murmelt Mary und streicht sich eine braune Strähne aus dem Gesicht. "Dass ich seit über einem Monat in einer Beziehung bin, weißt du wahrscheinlich schon."
"Ja, dieses Phänomen wurde mir soeben mitgeteilt", brumme ich und muss lachen. "Als James und ich am Samstag verdreckt vom Quidditchfeld kamen, müsst ihr wohl gerade geknutscht haben. Aus Eile hast du wohl dein Buch falsch rum gehalten, was?"
Mary und Sirius beginnen auch zu lachen. "Ganz heimlich, damit es niemand merkt, genau", kichert Mary und macht Madam Pomfrey auf sich aufmerksam, die gerade mit einem Tablett voller Essen in den Krankenflügel zurück gekehrt ist.
"Ihnen scheint es ja blendend zu gehen, wenn Sie schon wieder lachen können", sagt Madam Pomfrey spitz und scheint es zu missbilligen, dass wir uns mit ihrer Patientin unterhalten. Sie stellt Mary das überfüllte Tablett auf den Schoß und fordert sie auf, zu essen.
"Oh nein- danke! Ich habe keinen-"
"Und ob Sie Hunger haben!", ruft die Krankenschwester erzürnt und wirkt auf mich wie meine Großmutter, die mir unbedingt noch den letzten Happen Kartoffelpuffer aufzwingen will. "Ihnen mangelt es an Vitaminen, also wird hier jetzt nicht rumgemosert, sondern gegessen!"
Mit diesen Worten wuselt sie davon und lässt uns wieder alleine. Mary beginnt das Schnitzel zu schneiden und ich bemerke, dass ihre Hände wie verrückt zittern.
"Du zitterst", stelle ich trocken fest und setze einen besorgten Blick auf.
"Ich weiß", nuschelt Mary mit einem Stück Fleisch im Mund. "Ich erklär's dir später, okay?"
Ich nicke, trotz allem bin ich ziemlich nervös. Ich will gar nicht wissen, was bei der Enthüllung ihres Geheimnisses heraus kommt, ganz ehrlich.
Der Stein, der mir eben vom Herz gefallen ist, mutiert zu einem Angstklos in meinem Hals.
Hey!🎀
Es wird spannend- ein wenig.😅
Danke, dass ihr meine Story liest! Ich habe jetzt die 1Tsd Reads geknackt und bin sooo glücklich! Falls wer ein Special will, kann er sich melden (30 Fakten über mich, oder so...)💋
-Rel🔥
Auf dem Bild ist übrigens Alice zu sehen!
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