„Also hab ich dich."
Auf den Schrecken gönnen wir uns eine Limo. Dann suchen wir uns eine einsame Stelle am Strand. Wir sitzen dicht beieinander und ich lehne den Kopf an Chrissis Schulter. Inzwischen sinkt die Sonne und bemalt den Himmel mit pinken Wolken. Der Wald ragt schwarz hinter dem See auf, der das Farbenspiel des Himmels spiegelt.
Das Plätschern des Wassers ist beruhigend. Es ist schön, so still zusammen zu sein. Chrissi spielt mit meinen Fingern. Es ist wie eine Szene aus einem romantischen Film, um die man das Liebespaar so sehr beneidet. Jetzt erlebe ich das alles selbst und es fühlt sich anders an, als ich mir es ausgemalt habe. Weniger aufregend, aufwühlend oder abenteuerlich. Geborgenheit umarmt mich mit sanfter Wärme. Mein ganzes Sein glüht vor Glück mit dem Sonnenuntergang um die Wette.
In dieser Zufriedenheit wage ich es einen unangenehmen Gedanken auszusprechen.
„Schade, dass wir nicht mehr viel Zeit haben."
Chrissi schaut vom Sand auf, in den sie Bilder gemalt hat.
„Ja. Aber ich besuch dich, sobald ich vom Camp zurück bin"
Das klingt als wäre alles ganz einfach. Und die Trennung halb so schlimm. Ich seufze und schweige, weil ich den schönen Moment nicht mit meinen Sorgen verderben will.
„Eigentlich wäre es doch besser, wenn du heute Nacht bei mir bleibst.", murmelt Chrissi. Sie drückt einen Kuss auf meine Backe und legt den Arm um meine Schulter.
Ich strecke ihr meine Wange hin und wie immer versteht sie mich und gönnt mir einen weiteren Kuss.
„Aber das geht doch nicht. Wir wohnen ja nicht allein."
Das klingt nach einer Ausrede. Nach einem verzweifelten Versuch alle möglichen Checkpunkte einer Beziehung hinauszuzögern. Aber gestern ist nicht heute. Heute möchte ich bei ihr bleiben. Mit Chrissi sind meine Grenzen sicher. Sie achtet auf mich. Chrissi läuft sogar für mich in ein Geisterhaus. Lässt potenzielle Dächer über sich einstürzen. Mit ihr ein Bett zu teilen ist nur ein weiteres Abenteuer.
„Was ist, wenn ich mich in eure Hütte stehle? Deine Freundinnen wissen doch Bescheid. Nicht wahr?"
„Ja! Das machen wir!", platzt es aus mir heraus. Dann räuspere ich mich beschämt und murmle: „Ja. Das können wir machen. Wenn das bei dir geht."
Chrissi kichert und zieht mich enger zu sich her.
„Nee. Das geht nicht. Eigentlich ist es für Jugendleiter verboten, in den Hütten für die Kids zu schlafen. Aber wir machen es einfach. Meine Zimmergenossin und ich verpetzten uns grundsätzlich nicht, wenn wir nachts nicht heimkommen."
„Aber nicht, dass du Ärger kriegst."
Mit einem Seufzen drückt Chrissi ihren Kopf gegen meinen.
„Das ist mir langsam total egal. Du fährst schon übermorgen und bis dahin muss ich so viel Zeit mit dir tanken wie möglich. Sonst übersteh ich die letzten zwei Wochen im Camp nicht."
Schon wieder das verbotene Thema. Es hängt unterschwelligen unter jedem unserer Gespräche.
„Dann gut. Ich lad dich gerne zu mir in die Hütte ein."
Zum Glück bin ich nicht sehr unordentlich. Sonst müsste ich mir eine List überlegen, wie ich Chrissi gerade so lange loswerden kann, bis ich aufgeräumt habe.
„Freut mich. Aber wir müssen noch nicht los. Ist eh besser, wenn ich mich im Dunkel zu dir schleiche."
Ich sehe es direkt vor mir, wie sie geduckt durch die Nacht sprintet, über das Verandageländer springt und sich durch einen Spalt am Fenster quetscht. Ein Grinsen huscht über meine Lippen und Chrissi stößt mich an.
„Hmm. Was ist so lustig?"
„Ach. Nichts."
„Nichts. Das glaub ich dir nicht."
Sie legt die Hände um meine Wangen. Manchmal ist es schwierig, dass sie mich so gut lesen kann.
„Ich dachte nur, wie lustig es aussehen würden, wenn du dich durch die Nacht schleichst und bei mir einsteigst."
Nun grinst auch Chrissi.
„Soll ich das machen. Dich nachts überfallen?"
„Nein. Nein. Dann denk ich noch du bist Sonja, die mich holen kommt."
Sie formt die Hände zu Krallen und knurrt.
„Wart nur. Der Geist hat mich besessen und nur auf sowas gewartet."
Ich stoße ein gespieltes Kreischen aus und Chrissi stürzt sich auf mich. Durch ihre Kitzel Attacke falle ich nach hinten in den Sand. Mit lautem Japsen versuche ich mich zu befreien. Aber ich schaffe es nie, ihre beiden Hände gleichzeitig einzufangen.
„Gnade. Gnade.", keuche ich atemlos.
Chrissi lacht und stopp ihren Angriff. Ihr Gesicht taucht vor mir auf, eine Flut an Strähnen sind aus ihrem Zopf entkommen und hängen wild in ihre Stirn. Sie liegt halb auf mir, ihr Bein zwischen meinen.
„Gibst du auf.", kichert sie.
„Jaha."
Sie wischt eine Lachträne aus meinem Augenwinkel.
Ihr Blick fängt mich ein. Wir glucksen noch ein bisschen, zappeln noch ein bisschen, dann legt sich eine magische Stille über uns.
Chrissi nimmt einen langen, zittrigen Atemzug.
„Also hab ich dich."
Ihre Stimme ist belegt.
Ich nicke. Ihr Körper ruht so warm auf meinen. Er ist viel leichter, als ich dachte. Ein Gewicht, das ich mit Leichtigkeit immer auf mir tragen kann.
Meine Finger krallen sich in ihr T-Shirt. Sie beugt sich tiefer. Ihre Mund ist so nah, dass ihr süßer Limo Atmen über mein Gesicht strömt.
„Du weißt, ich liebe dich. Ja? Elly"
Mein Herz explodiert im bunten Feuerwerk. Mir laufen wieder Tränen aus den Augen und sie streichelt sie hastig fort.
„Liebst du mich auch?"
So viel Unsicherheit lebt in ihren Zügen. Sie macht es mir einfach. Ich brauche nur zu nicken. Aber ich möchte ihr viel mehr geben. Chrissi hat es verdient, dass ich mich anstrenge.
„I-ich lieb dich auch."
„Ah...zum Glück."
Alle Anspannung weicht aus ihrem Gesicht und sie wagt ein kleines Lächeln. Wir haben ausgesprochen, was wir schon wissen sollten. Aber manchmal reicht es wohl nicht, einfach nur zu wissen.
Chrissi streicht die Hände in mein Haar. Fährt meine Gesichtszüge nach. Weil sie nicht zu mir kommt, komme ich zu ihr und hebe den Kopf, um ihre Lippen zu fangen. Sie seufzt in meinen Kuss und schlingt die Arme um mich. So eng, als könnten wir verschmelzen.
Die Welt steht still. Kostbare Momente der Unendlichkeit.
Als wir uns lösen, scheint es mir, als wäre ich gerade aufgewacht. Wir sind nicht dort, wo wir sein sollten. Das Halbdunkel verdeckt uns spärlich. Am Pier in unserer Nähe lässt ein anderes Liebespaar die Beine ins Wasser baumeln.
„Das ist gefährlich.", sage ich.
Chrissi blinzelt. Dann seufzt sie und senkt den Kopf auf meine Schulter.
„Ich glaub fast, ich will auffliegen.", murmelt sie.
„Ehrlich?"
„Ganz ehrlich. Aber es wäre halt echt blöd."
„Ja. Dann machen wir mal vorsichtig."
Ich drücke gegen ihre Schultern.
Mit einem Glucksen rollt sie von mir herunter.
„Wir haben gerade öffentlich rumgeknutscht. Macht glaub ich jetzt keinen Unterschied, ob du mich wegschiebst."
„Doch. Wir sind ab jetzt vorsichtig.", bestimme ich. In den letzten Tagen sage ich immer wieder dasselbe. Wie eine Schallplatte, weil Chrissi so unvernünftig ist.
„Na gut.", seufzt sie und lässt sich rückwärts in den Sand fallen. Um sich sofort zu widersprechen, streckt sie die Hand nach mir aus.
„Nein.", sage ich, wie eine Mutter deren Kind nach der heißen Herdplatte langt.
Chrissi zieht die Mundwinkel nach unten.
„Komm schon. Nur Händchen halten. Wir machen es ganz versteckt."
Sie wedelt mit ihren Fingern und ich lasse mich viel zu schnell erweichen. Es ist problematisch, wenn wir beide wollen, was wir uns verbieten. Aber die Wirklichkeit weigerte sich einfach nach unseren Regeln zu spielen.
„Hoppla.", flüstert Chrissi und kichert, als sie über einen Schuh am Boden stolpert.
„Vorsichtig.", wispere ich zurück.
„Die Geheimnistuerei könnt ihr euch sparen. Wir sind eh alle wach.", meckert Mai und setzt sich in ihrem Bett auf.
„Außer Feli, aber die kann sogar den Weltuntergang überschlafen.", gluckst Kathrin.
Als Bestätigung weht ein kleines, süßes Schnarchen durch den Raum und verstummt sofort wieder.
„Meine Güte. Was tut Chrissi hier.", ruft Lara, sie ist schneller aus dem Bett, als ich Chrissi aus der Türe nach draußen schieben kann. Wie die Ehefrau mit dem Nudelholz baut sie sich vor uns auf. Es ist dunkel, aber ich weiß, dass ihre Augen vor Empörung blitzen.
„Meine Güte. Immer mit der Ruhe. Lara. Lass Elly auch mal ein bisschen Spaß haben."
„Ein bisschen Spaß? Das ist total verboten. Ich hab Marius ja auch nicht hergebracht, damit wir keinen Ärger haben.
Mai seufzt. Ihre Bettdecke raschelt als sie sie zur Seite wirft und dann tappen ihre nackten Füße über den Boden.
„Keine von uns wollte nen Kerl in der Hütte haben. Lara. Mit Chrissi ist das was anderes."
„Ja. Das bedeutet noch mehr Ärger. Chrissi. Du bist doch Jugendleiterin. Wie kannst du nur so unvernünftig sein?"
„Nun. Ja.", murmelt Chrissi. Sie drückt meine Hand fester. Es ist ein Risiko. Aber der Preis fürs Gewinnen ist zu hoch, um es nicht einzugehen.
„Eben. Du weißt selbst, dass es ne scheiß Idee ist. Also geh bitte."
Natürlich hat Lara recht. Lara hat meistens recht. Aber ihre Worte lassen mein Innerstes brodeln wie ein Lavabecken.
„Lass uns jetzt. Lara. Ich will Chrissi heute Nacht bei mir haben. Also mach es mir nicht kaputt.", schimpfe ich.
Ich fahre selten aus der Haut. Aber ich muss auch selten für etwas wirklich Wichtiges kämpfen. Auf meinen Wutausbruch erhalte ich keine Antwort. Nur Chrissi zieht mich näher und hält mich mit einem Arm fest.
Dann kichert Mai.
„Na also. Lassen wir Elly also. Manchmal muss man seine Fehler eben selber machen."
Lara schnaubt.
„Hoffentlich geht das nicht schief. Ich hab euch gewarnt. Und heul dich nachher nur nicht bei Elly aus. Chrissi. Du bist älter und vernünftiger und solltest es besser wissen."
Sogar in der Situation bleibe ich Laras kleines Baby. Das ändert sich wohl nie.
„Ich weiß schon was ich tue.", grummelt Chrissi.
„Ja. Ja.", faucht Lara und stampft davon. Der Drache am Schlosstor ist besiegt und der Ritter entführt die Prinzessin in sein Bett.
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