Kapitel 9

D E L M I R A

Die Zeit um mich herum stand still.

Deimos vor mir war eingefroren, ebenso wie die anderen Gäste - Nex hinter mir war nicht mehr da. Er stand nicht mehr dort, wo er vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte.

Er war als Drache durch die Mauer nach draußen gestürmt, hatte das Gestein zerstört, als wäre es Papier gewesen. Und nun war auch er eingefroren, hatte die hellen Flügel ausgebreitet, mitten darin, sich wieder zum Schloss zu drehen. Einen Moment lang starrte ich noch zu ihm hoch, dann wandte ich mich wieder ab - drehte die Zeit mit einer Drehung meines Handgelenkes zurück, bis dahin, wo Nex noch ein Mensch war.
Kurzerhand lief ich ans andere Ende des Saals - sodass sich die Brüder gegenüber standen.

Ein Schnipsen, und die Zeit lief von Neuem.
,,Delmira, wir müssen... Delmira?"

Ich antwortete nicht, reagierte nicht auf Deimos, wie er sich irritiert nach mir umsah. Erst jetzt wandte er sich an seinen Bruder.

,,Du wirst sie nicht heiraten!", fauchte er ihn an, woraufhin Nex bitter auflachte. ,,Und das entscheidest du?"
,,Ja, das entscheide ich!"
,,Warum das denn?", schmunzelte Nex, musterte seinen jüngeren Bruder mit verschränkten Armen.

,,Weil ich sie geküsst habe."

Nun stieg Gemurmel auf. 

,,Du hast was?", fragte Nex, die Wut stand ihm mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben.

,,Ich habe sie geküsst, als sie mir gesagt hat, dass sie dich heiraten wird. Ich liebe sie, im Gegensatz zu dir, Nex!"

Vom einen Moment auf den anderen wurde mir eiskalt.
Dieses Mal waren meine Schatten nicht tröstend. Sie waren beängstigend. Sie waren eisig kalt, verbreiteten sich rasend schnell - und gaben somit meine Gefühle bekannt.

Angst.

Pure, nackte, eiskalte Angst.

Deimos wandte sich mir zu, musterte mich verunsichert - doch Nex war schneller.

Er lief sogleich auf mich zu, und bevor ich reagieren konnte, klatschte er mir eine.

Meine Finger schossen zu meiner Wange hoch. Sie brannte höllisch, doch was nicht weniger brannte, waren die salzigen, heißen Tränen, die mir nun über die Wangen rollten.

Erst jetzt schien Nex zu verstehen, was er getan hatte. ,,Oh Gott. Ich... Del, das tut mir leid, ich..."

,,Fass mich nicht an.", sagte ich, als er vorsichtig seine Hand nach mir ausstreckte. Nun zuckte er zusammen, betrachtete mich verunsichert. ,,Del, lass... lass es mich wiedergutmachen."
,,Sowas kann man nicht wiedergutmachen.", flüsterte ich als Antwort, wich nun von ihm zurück.
Doch wie er nunmal war, hörte er nicht.

Er griff meine Hand, hielt mich fest und legte seinen Arm um mich, drückte mich an seinen Körper. ,,Du wirst meine Ehefrau.", flüsterte er mir zu. ,,Du wirst mir Kinder schenken, und du wirst meine Königin sein." Ich schüttelte den Kopf. ,,Ich werde dir niemals Kinder schenken, Nex."

Sein Griff wurde fester, brachte mich zum Wimmern. ,,Liebling, ich will dir nicht wehtun. Aber du wirst tun, was ich sage, haben wir uns verstanden?"

Schließlich nickte ich. ,,Ja." Ich sah zu ihm hoch, sah ihm in die grünen Augen, die früher nur pure Liebe gezeigt hatten - nun waren sie gefüllt mit Gier.

Machtgier.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top