Kapitel 30

ich weine :(

30

AMYS SICHT || Entschlossen trat ich auf den Flur, der nur spärlich beleuchtet war. Ich erinnerte mich an den Abend, als Nathan und ich durch die Gänge geschlichen waren. Ohne ihn unter diesem spärlichen Licht war es gruselig.

Ich bog in den Part ab, der in sein Zimmer führte, da sah ich eine Person vor mir, die gerade auf Nathans Zimmertür zulief.

Es war Nate. Oh Gott. Was tue ich ihm damit nur an?

„Hey", rief ich. Augenblicklich fuhr er herum. Er stand ungefähr zehn Meter von mir entfernt, sodass ich auf ihn zulief. Ungefähr zwei Meter davor hielt ich an, weil ich ihn nun mustern konnte.

Seine Augen waren rot, die Tränen liefen ihm wie Niagarafälle an den Wangen herunter und er hatte die Hände zu Fäusten geballt.

„Was ... Was ist los?", fragte ich ihn leise, da lachte er unter Tränen.

„Du fragst, was los ist?"

Moment ... hatte er etwa?

Scheiße, bitte nicht. Ich wollte es ihm doch selbst sagen.

„Hast du ...?"

Er unterbrach mich. „Halt bloß die Klappe, bevor ich hier noch etwas demoliere! WIE KONNTEST DU MICH SO ANLÜGEN?"

Ich schrak ein paar Zentimeter zurück, weil er mir ins Gesicht schrie. Ich bekam Angst.

„Du bist richtig erbärmlich. Du schreckst vor mir zurück, weil ich dich anschreie? Denkst du etwa, ich würde dich jemals körperlich verletzen? Ich würde dich nie verletzen, nie. Normalerweise sollte ich vor dir zurückschrecken. Vor der Mörderin meiner Mutter."

Mein Herz zog sich zusammen, es fühlte sich an, als würden die Scherben mir das Herz auseinanderreißen.

„Nate, es tut mir leid", sagte ich. Wie lächerlich ich doch klang. Inzwischen wurden meine Wangen heiß, weil die Tränen nur soflossen.

„ES TUT DIR LEID? DU HAST MEINE MUTTER GETÖTET! MEINE MUTTER! WIE KONNTEST DU NUR? WIE KONNTEST DU MICH SO LANGE BELÜGEN? WIE? SAG ES MIR, VERDAMMTE SCHEIßE!", schrie er und boxte plötzlich gegen seine Tür.

So fest, dass das Holz splitterte und seine Knöchel anfingen zu bluten. Oh Gott oh Gott oh Gott oh Gott. Ich schluchzte elend und wollte näher treten, doch er wich zurück.

„Komm mir keinen Schritt näher!"

„Nate ..."

„NENN MICH NICHT SO!", brüllte er erneut. „NENN MICH SCHEIßE NOCHMAL NICHT SO!"

In mir zerbrach alles.

„Ich wollte es nicht, okay? Sean hat mich gezwungen! Als ich den Schuss gehört habe, bin ich abgehauen!", wollte ich mich verteidigen,doch die Verteidigung war so schwach. Ich war schwach, denn meine Gefühle hatten die ganze Zeit über meinen Verstand gesiegt.

„Ich glaube dir kein Wort!", brüllte er und schlug wiederholt auf die Tür ein.

Wurden die anderen in den Betten nicht wach? Wo zum Teufel waren die alle?

„Und selbst wenn das stimmt, was du sagst, es spielt keine Rolle! ICH HABE DICH AUF DIE BEERDIGUNG MIT GENOMMEN, HEILIGE SCHEIßE!" Er fuhr sich wutenbrannt durch die Haare und biss sich auf die Faust, um nicht nochmal zuzuschlagen.

„Deswegen hast du so hysterisch geweint, hab ich Recht? DU BIST SO EIN DRECKIGES MISTSTÜCK!"

Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Ich wollte das nicht hören. Ich wollte nicht hören, was für ein grauenhafter Mensch ich war, aber es stimmte alles, was er sagte. Er lag so richtig.

„Nate- Nathan, bitte. Ich habe nicht abgedrückt!"

„Aber du warst beteiligt! Und jetzt verschwinde, ich will dich nie wieder unter die Augen kriegen! Sei froh, dass ich es niemandem erzähle!"

Ich heulte weiter und versuchte, den Schmerz in meiner Brust zu ignorieren.

„ICH HAB DICH ZU MEINEM DAD, ZUR BEERDIGUNG, IN DAS HAUS MEINER MUTTER MITGENOMMEN! WIE KONNTE ICH NUR?"

Er hatte recht. Er hatte sowas von recht.

„Und so etwas liebe ich, wie bescheuert bin ich bitte? Verschwinde, hau einfach ab. Dad wird dich anzeigen. Und dann werdet ihr alle, eure ganze Gruppe, wird die gerechte Strafe bekommen. Ich hoffe du verrottest in der Hölle." Mit diesen Worten verschwand er hinter der Tür.

„Nate!", rief ich noch, doch genau in dem Moment kam jemand aus der Tür. ACHSO; JETZT KOMMST DU ALSO?

„Warum schreit ihr hier so rum?", fragte das Mädchen. „Und warum heulst du?"

„Nicht so wichtig", nuschelte ich und rannte weg.

Ich musste weg hier.

Ich hielt es nicht mehr aus.

Ich rannte und rannte und rannte über die Rasenfläche, über den Parkplatz, über die Straße, einfach ins Nirgendwo. Meine Beine wurden taub, aber ich ignorierte es. Ein Auto hupte, aber ich blendete alles aus.

Was hatte ich nur getan?

Das einzig Gute in meinem Leben hatte ich zunichte gemacht. Die Tränen erlaubten mir es nicht, klar zu sehen, und auch die Straßen waren nur spärlich beleuchtet, weshalb ich ohne jeglichen Anhaltspunkt sprintete.

Als ich stolperte und hinfiel, heulte ich noch mehr und blieb einfach auf dem Boden sitzen.

Ich hatte es verdient.

Sean konnte kommen.

Ich hatte den Tod verdient.


NATHANS SICHT || Wutentbrannt knallte ich die Tür hinter mir zu, die durch meinen Schlag schon halb demoliert war. Am liebsten würde ich das ganze Zimmer verwüsten, alles kaputt machen, aber das konnte ich nicht. Scott kam gerade aus dem Badezimmer, nur in einem Handtuch eingewickelt.

„Alter, was ist denn mit dir los?", fragte er geschockt, als er meine geröteten Augen und geballten Fäuste sah. Ruhig bleiben, ruhig bleiben, ruhig bleiben.

„Nichts!", log ich und setzte mich auf mein Bett. Egal was sie mir angetan hatte, ich würde es nicht herumerzählen. Wahrscheinlich war ich ein viel zu guter Mensch, aber ich würde mich selbst damit blamieren.

Oh Gott. Was hatte sie mir nur angetan? Wie konnte sie so etwas tun? Mir die ganze Zeit über verschweigen, dass sie am Tod meiner Mutter schuld war! Wie ekelhaft konnte ein einzelner Mensch nur sein? Genau deswegen wollte ich mich niemals verlieben. Genau deswegen war ich so ein kaltes Arschloch gewesen. Und jetzt – jetzt hatte ich den Mist! Ich hatte mich verdammt nochmal in die Mörderin meiner Mutter verliebt!

Ich schrie auf und fegte den Inhalt auf meinem Nachttisch durch das Zimmer. Ich könnte alles kaputt machen. Am liebsten würde ich zu der Brücke fahren und mir dort die Seele aus dem Leib schreien, aber ich glaubte, wenn ich fahren würde, würde ich noch einen Unfall bauen.

„Bist du bescheuert?! Was zur Hölle ist los mit dir?", fragte Scott, der inzwischen nochmal, jedoch diesmal angezogen, aus dem Bad kam.

„NICHTS IST LOS! NICHTS!", brüllte ich. Heiße Tränen liefen mir über mein Gesicht.

Ich war so tief gesunken. Ich hatte noch nie wegen einem Mädchen außer meiner Mutter geweint. Und ich weinte wegen einem Mädchen, das meine Mutter getötet hatte.

Ich fasste es nicht, wie erbärmlich das war. Scott wusste nicht, wie er reagieren sollte.

„Ist irgendetwas w-wegen ... äh ... Amy?", stotterte er.

„HALT DEIN MAUL! ICH WILL DIESEN NAMEN NICHT HÖREN!"

Mich wunderte es nicht, dass plötzlich gegen unsere Wand geklopft wurde, weil ich zu laut war.

„Okay, okay, sorry. Ich penn bei Emmy."

Mit diesen Worten verschwand er aus dem Zimmer, und ich war endlich allein.

Erschöpft von den Ausrastern setzte ich mich auf meinen Bettrand und stützte den Kopf in die Hände. Jetzt, da Scott weg war, konnte ich schluchzen und weinen so viel wie ich wollte.

Mich hörte keiner, und es war mir egal, dass ich weinte.

Dieses Mädchen hatte den Eisklotz in mir gebrochen, sie hatte etwas in mir berührt – und dann hatte sie alles zunichte gemacht. Ich konnte nicht fassen, wie dämlich ich war.

Warum war es mir nicht schon vorher aufgefallen? Warum hatte ich ihr meine verdammte Liebe gestanden?

Ich wollte raus aus diesem Raum. Runter von diesem Bett, in dem wir zusammen das erste Mal Arm in Arm eingeschlafen waren. Also setzte ich mich auf den Boden und winkelte die Knie an. Der Gedanke, zur Brücke oder sonst irgendwohin zu fahren, schlich sich wieder in meinen Kopf ein, jedoch wollte ich es immer noch nicht riskieren, einen Unfall zu bauen.

Aber wen juckte das schon? Kurzerhand stand ich auf und rannte zu dem Parkplatz. Mein Auto stand wie immer auf dem selben Platz, also setzte ich mich mit immer noch pochendem Kopf in das Auto. Ich musste mich scheiße nochmal beruhigen. Das offene Fenster ließ die kühle Luft in das Auto eindringen, was meinen heißen Körper ein wenig abkühlte. Ich atmete tief ein und aus. Unglaublich, wie heiß einem werden konnte, wenn man wütend und enttäuscht zu gleich war.

Als ich kurz davor war, den Schlüssel umzudrehen, fiel mir ein, dass ich jetzt nicht zur Brücke konnte. Amy war schon mit mir dort gewesen,und möglicherweise würde sie mir folgen. Selbst wenn sie das nicht täte, ich würde keine ruhige Minute bekommen, weil sie dort schonmal neben mir saß.

„FUCK!", schrie ich und haute auf das Lenkrad. Meine blutigen Knöchel taten jetzt noch mehr weh, und ich war mir sicher, dass dort einige Holzsplitter drin waren, die ich gerade noch tiefer in die Wunden gedrückt hatte.

„FUCK FUCK FUCK!" Die Holzsplitter, die ich in die Wunden befördert hatte, kamen mir vor wie Keile, die in mein Herz gebohrt wurden. Warum hatte ich nur zugelassen, dass sie mir so wichtig wurde?

Irgendwann verebbte mein Schluchzen, weil ich keine Kraft mehr hatte. Den Kopfauf dem Lenkrad liegend schlief ich offenbar irgendwann ein.


Als ich aufwachte, musste ich mich erstmal beruhigen. Ich war komplett nass geschwitzt und mein Genick tat unheimlich weh.

Was für eine Ironie, dass ich wieder einen Albtraum hatte, weil sie nicht bei mir gewesen war.

Innerlich schlug ich mich selbst dafür, dass ich nur mit ihr keine Albträume hatte.

Der eigentliche Grund, weswegen ich wach geworden war, war Scott, der an meine Scheibe hämmerte. Völlig benebelt stieg ich aus, schloss ab und lehnte mich gegen meinen Wagen.

Immer noch halb im Schlaf rieb ich mir die Augen. Wenigstens war Scott so schlau und fragte nicht nach, weshalb ich im Auto eingeschlafen war. Ich musste garantiert schrecklich aussehen, was mir keine Sekunde später der Rückspiegel auch bestätigte. Meine Augen waren geschwollen, die Haare standen in alle Richtungen ab und meine Nase war rot.

„Wann fängt der Unterricht an?", fragte ich Scott, während wir nebeneinander zum Zimmer liefen. Einerseits wollte ich schwänzen, weil ich mich ohnehin nicht konzentrieren könnte, andererseits würde das Schwänzen auch die Trauer und Wut anlocken. Egal wofür ich mich entschied – beides war nicht klug.

„In zehn Minuten", antwortete Scott. Ich fühlte mich so ausgelaubt. Die Wut war weg. Ich fühlte nur noch Enttäuschung und Abscheu gegenüber ihr, aber auch gegenüber mir selbst, weil ich so dumm gewesen war.

Erschöpft ließ ich mich aufs Bett fallen und versuchte, mir den Nacken zumassieren.

„Ich frage lieber nicht nach, was passiert ist", murmelte Scott verlegen. „Aber verkriech dich jetzt bitte nicht."

„Ich habe jedes verdammte Recht, mich zu verkriechen", schnauzte ich.„Du hast keine Ahnung." Ich hatte keine Kraft, ihm es zu erzählen. Ich hatte jetzt auch gar keinen Bock drauf. Vielleicht war es peinlich, dass ich mich jetzt verkroch, aber mir wurde jegliche Kraft ausgesogen.

„Okay. Ich mach mich mal auf den Weg, damit ich noch was Kleines zum Frühstück bekomme."

Ich nickte nur, dann hörte ich die Tür in das Schloss fallen.

Wenige Minuten später, in denen ich nur emotionslos die Wand angestarrt hatte, klopfte jemand gegen die Tür. Besser gesagt hämmerte.

„Neee", krächzte ich hervor. Durch das Gebrüll glich mein Hals glatt einer Wüste.

Noch mehr Gehämmer.

„Hau ab, man!"

Plötzlich ging die Tür auf. Genervt richtete ich mich auf, sodass ich jetzt im Schneidersitz auf dem Bett saß. Eine völlig aufgewühlte Marleen stand vor mir.

„Was willst du hier?", fragte ich und deutete auf die Tür. Die konnte mir gestohlen bleiben, denn ich verwettete meinen Arsch, dass die auch etwas damit zu tun hatte. Natürlich hatte sie das.

„Verpiss dich", schnauzte ich. Beruhig dich, Nate. Egal was sie getan haben, du lässt dich nicht auf dieses Niveau herunter und hebst die Hand gegen eine Frau.

„Ich wollte nur fragen, ob du weißt, wo Amy ist", wisperte sie und schloss die Tür. Dieses ewige Geräusch der Tür ging mir auf den Sack.

„Warum sollte mich das interessieren?", fragte ich. Die hatte echt Nerven.

„Nathan, ich weiß, dass -"

„Halt die Schnauze, echt jetzt. Sei froh, dass ich dir nicht an die Gurgel gehe."

Ich war überrascht von mir selbst, wie ruhig ich war.

„Meine Fresse, seit sie gestern zu dir gegangen ist, habe ich keinen Schimmer, wo sie ist! Sie hat ihr Handy natürlich nicht mitgenommen,warum sollte sie das mit zu dir nehmen?", rief sie und ballte die Händen zu Fäusten. Sie weinte.

„Juckt mich immer noch nicht", erwiderte ich kalt. Ich durfte jetzt nichts mehr an mich heranlassen.

„NATHAN! Es war nicht ihre Schuld, was passiert ist!"

„SIE WAR ABER BETEILIGT!", brüllte ich. Inzwischen hatte ich mich vor ihr aufgebaut.

So viel zum Thema ruhig bleiben.

„Selbst wenn, sie wurde gezwungen! Aber das spielt jetzt keine Rolle, heilige Scheiße! Sie ist nicht aufzufinden! Ich habe keine Ahnung, wo sie ist und ich kann sie nicht erreichen! Ich habe das ganze Gelände abgesucht!"

Mein Herz stach. Ich liebte sie, und natürlich machte ich mir unheimliche Sorgen, dass ihr etwas passiert war, aber nein. Nein. Möglicherweise konnte sie nichts .... nein.

„Schön für sie. Und jetzt raus aus meinem Zimmer", sagte ich und schob sie Richtung Tür.

„Was soll das? Du sollst mir gefälligst nochmal helfen sie zu suchen!"

„Ihr habt doch genug Freunde, die dir helfen können! Oder wissen die etwa inzwischen auch, welche Menschen ihr seid?", spuckte ich ihr förmlich ins Gesicht.

Ihre Miene änderte sich schlagartig und sie funkelte mich wütend an.

„Du bist das aller letzte", nuschelte sie.

Ich? Ich bin das aller letzte? Ihr habt meine Mutter getötet! Und ich soll das aller letzte sein? WAS BILDEST DU DIR EIGENTLICH EIN?"

„Wir haben nicht abgedrückt!"

„Ist mir egal, raus hier jetzt!", zischte ich und schubste sie endgültig aus der Tür, die ich direkt hinter ihr zuknallte.


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hatte echt tränen in den augen, das lied passt so gut :( (ok bis auf ein paar zeilen :D)

danke für über 900 reads :) ♥

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