Kapitel 19
19
„Ähm ..." Aus mir kam kein Wort heraus. Mit verschränkten Armen und hochgezogenen Brauen taxierte sie mich. Herrgott, sag doch was und steh nicht da wie ein Bekloppter.
„Ich warte", drängte sie ungeduldig.
„Also i-ich ..." stammelte ich, fasste mich dann aber und redete. Das war ja sowas von erbärmlich, wie ich mich aufführte. „Ich hab auf dich gewartet, weil ich mit dir reden wollte." So schwer war das doch jetzt gar nicht. Ich musterte sie von oben bis unten, was sie mit einem roten Kopf bemerkte. Mach's halt noch auffälliger, wie du sie betrachtest.
Sie deutete mit dem Finger auf das Bett ihrer Freundin, also setzte ich mich darauf. Sie hingegen setzte sich auf ihr Bett, sodass wir uns mit ungefähr drei Meter Entfernung gegenüber saßen.
„Mal abgesehen davon, dass du einfach mein Zimmer gestürmt hast: Worüber willst du reden?", fragte sie, während ich meine Hände aneinander rieb. Wahrscheinlich dachte sie, dass ich bescheuert war, aber das machte ich immer, wenn ich nervös wurde.
Als ob sie nicht wüsste, warum ich hergekommen war.
„Wegen neulich."
Sie hob ihren Kopf. Warum war ich überhaupt hierher gekommen? Ich wusste nicht einmal, was ich sagen sollte.
„Achso, ja." Amy sog scharf die Luft ein. Natürlich wusste sie sofort, wovon ich redete.
„Ich wollte mich entschuldigen", platzte es aus mir heraus. „Dass ich dich ... Miststück genannt habe." Das hätte ich wirklich nicht sagen sollen. Irgendwie war es einfach aus mir heraus geplatzt, weil sie mich so vor den Kopf gestoßen hatte.
Amy räusperte sich kurz, sah mich an und lächelte. Ihr Lächeln war unglaublich schön.
„Ist schon okay. Mir tut es auch leid, dass ich so überreagiert habe", sagte sie leise und spielte mit ihren Fingern. Mir fiel ein imaginärer Stein vom Herzen. Vielleicht war das alles einfach nur ein Missverständnis.
„Und was jetzt?" Genau das fragte ich mich auch. Ja - was jetzt? Diesen Punkt wollte ich vermeiden, aber es war ja glasklar, dass wir da angelangt waren. Ich zuckte nur mit den Schultern, weil ich keine Ahnung hatte, was ich sonst tun sollte. Sie presste ihre Lippen aufeinander und - oh verdammt - wie sehr hätte ich sie in diesem Moment gerne geküsst.
Ich fragte mich zwar immer noch, was mit mir los war und warum ich mich in ihrer Nähe so komisch verhielt, aber ich versuchte, es einfach zuzulassen. Die Gefühle, die ich bei ihr hatte, waren schön und es fühlte sich gut an, wenn man das so sagen konnte, also was sprach schon dagegen? Gerade als ich schon kurz davor war, auf sie zu zugehen und sie zu küssen, fing sie an zu sprechen. In Gedanken ermahnte ich mich, jetzt nicht aufzustehen. Ich konnte es doch nicht länger leugnen.
„Ich ähm ... Ich weiß nicht, warum du mich geküsst hast, aber ..."
Weil ich es wollte. Weil der Moment perfekt war. Weil du mich durcheinander bringst. Weil ...
„Ich glaube, es wäre besser, wenn wir nur Freunde sind." Wie bitte? Diese Worte trafen mich mitten ins Herz. Freunde sein? Da konnte ich mich ja gleich anzünden!
Die Lust, sie zu küssen, verschwand sofort, nachdem sie das gesagt hatte. Das war doch jetzt nicht ihr beschissener Ernst.
„Natürlich, das wollte ich auch sagen", log ich und hob meine Mundwinkel. Gott, ich bin so dämlich. Entweder sie meinte das ernst oder sie leugnete es, weil sie Angst hatte, dass ich sie verletzten würde, da sie wusste, wie ich normalerweise zu Mädchen war. Lambert, mach dich nicht lächerlich. Ich unterdrückte ein Seufzen und stand auf. Ich wollte sofort raus hier, bevor ich noch einen Wutanfall bekam. Ich wollte immer noch zu gern wissen, ob der Lockenkopf dieser Dean war, allerdings konnte ich sie das jetzt bestimmt nicht fragen. Erstens: Sie würde denken, dass ich eifersüchtig wäre. Zweitens: Sie würde wissen, dass ich rumgeschnüffelt hatte. Also musste ich es irgendwie anders heraus finden. Wieso musst du das bitte heraus finden? Ist doch scheißegal. Okay. Es war scheißegal. Sie wollte nur Freundschaft. Innerlich bekam ich einen Würgereiz bei dem Wort. Alles umsonst. Alles einfach umsonst.
Amy stand nun ebenfalls auf und öffnete mir die Tür.
Ich wollte gerade gehen, da hielt sie mich auf und umarmte mich. Verwirrt legte ich meine Arme um sie. Oh, das hätte ich ja glatt vergessen. Freunde umarmten sich des öfteren. Ich dummer Kerl. Trotz allem legte ich meinen Kopf auf ihren, was eigentlich nicht anders ging, weil sie so klein war. Ihre Hände lagen an meinen Schulterblättern, ich drückte sie an der Taille. Eine Wärme schoss durch meinen Körper. Am liebsten wollte ich so stehen bleiben, aber sie löste sich und lächelte.
„Ich bin froh, dass wir uns nicht mehr gegenseitig auf den Sack gehen und Freunde sein können", murmelte sie und rieb sich den Arm. Ihre Wangen röteten sich. Vielleicht ... Nein. Ausgeschlossen. Sonst hätte sie das nicht gesagt.
Ich lächelte und bestätigte ihr, dass ich auch froh darüber war.
Und genau deswegen, genau wegen so einer gottverdammten Scheiße, wollte ich eigentlich niemals mehr mit einem Mädchen. Aber jetzt war es zu spät und ich konnte keinesfalls leugnen, dass ich mich verdammt nochmal in Amy verguckt hatte.
AMYS SICHT || Nathan war schon vor ein paar Minuten gegangen und trotzdem stand ich immer noch auf der selben Stelle, als Marleen hereinkam. Schwer atmend drehte ich mich zu ihr um und runzelte die Stirn. Ihre Haare waren zerzaust, ihre Klamotten waren gar nicht richtig angezogen.
„Ich war bei Ethan", sagte sie und ging zum Kühlschrank. Das erklärte so ziemlich alles. Normalerweise hätte ich jetzt gelacht, aber ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte ins Nichts. Wie konnte ich nur so dumm gewesen sein? Freunde. Alleine bei dem Wort musste ich den Kopf schütteln, weil mir klar war, dass ich mit Nathan auf keinen Fall nur befreundet sein konnte.
„Heiliger Strohsack, was ist denn mit dir passiert? Wie zu einer Mumie erstarrt", lachte Mar, als sie eine Traube aus der Plastikschale aß. Abrupt hielt sie inne, weil ich ihr nicht antwortete. Die Plastikschale war im Nullkommanichts wieder im Kühlschrank.
„Okay, was ist passiert?", fragte sie und ging mit mir auf das Bett zu. Wie war das überhaupt möglich, dass sie immer dann auftauchte, wenn Nathan weg war?
„Ich bin so dumm, Mar", sagte ich, während ich den Kopf schüttelte und ihn n die Hände stützte. Freunde. Es ging mir nicht aus meinem Kopf.
„Warum? Was ist los? Erzähl's mir." Also erzählte ich es ihr. Wir saßen auf meinem Bett, sie gegenüber von mir. Während ich erzählte, tätschelte sie mir den Arm. Am Ende fragte sie mich, warum ich gesagt hatte, dass wir Freunde sein könnten.
„Mar, du weißt doch selbst, wie er ist. Das in der Cafeteria war der Beweis dafür. Ich bin kein dummes Flittchen, das er nach einer Nacht wegschmeißen kann", argumentierte ich.
„Ich komm mir vor wie in einem verrotzten Hollywoodfilm, ohne Scheiß", flüsterte Marleen.
Ich stimmte ihr zu. Aber es war nun eben echt.
„Verdammt nochmal Mar, ich bin so hohl!", schluchzte ich. Sie kam auf mich zugekrabbelt.
„Oh Gott, heulst du etwa? Ey, Amy, nein." Ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter und ließ die wenigen Tränen fallen. Warum heulte ich wegen so einer dummen Scheiße? Warum ließ ich das zur Hölle nochmal zu? Vielleicht weinte ich ja wegen meiner eigenen Dummheit, die ja offensichtlich grenzenlos war. Wer's glaubt, wird selig.
Sie drückte mich an den Schultern von sich weg und sah mir in die Augen.
„Ich sag dir jetzt ganz ehrlich meine Meinung dazu. Ich bin mir aber selbst nicht sicher, ob du darauf vertrauen solltest", lächelte sie und hob mein Kinn an. Ich nickte und entspannte mich wieder ein bisschen, also lockerte meine beste Freundin ihren Griff.
„Meine Interpretation dieser ganzen klischeehaften Geschichte ist, dass er sich nicht sicher ist, was das mit dir ist. Ich meine Amy, schau dir doch mal an, wie er dich immer in der Cafeteria angegrinst hat. Ich bin ja wohl nicht blöd, ich sehe das auch. Und du hast genauso blöd zurück gegrinst. Und als ihr euch dann tagelang ignoriert habt, da warst du erst recht down. Du warst ja völlig neben der Kappe." Ich wollte widersprechen, aber sie unterbrach mich.
„Was ich damit sagen will: Du hast dich in ihn verliebt, glaube ich zumindest mal, und er weiß nicht, was er von seinen Gefühlen halten soll." Gefühle für mich? Dass ich nicht lache.
„Bei solchen Typen ist das doch immer das Gleiche. Spielen mit den Mädchen, dann kommt ein ganz Besonderes, das auf den ersten Blick für ihn total bekloppt ist, und dann verguckt er sich in sie und weiß nicht, wie er damit umgehen soll, da es neu für ihn ist. Fertig."
Diese ganze gequirlte Scheiße klang doch vollkommen verrückt. Andererseits hatte sie schon recht ...
„Du willst mir also sagen, dass ich mich in Nathan Lambert verliebt habe oder was? Willst du mich eigentlich verarschen?", fragte ich und verschränkte die Arme.
„Glaub mir, jetzt denkst du ich wäre eine Hobbypsychologin, die Scheiße erzählt, aber spätestens in ein paar Tagen stimmst du mir zu. Du wirst zu mir angerannt kommen und sagen: Oh Himmel Marleen, ich glaube ich hab mich wirklich in ihn verliebt! Hilf mir!" Sie hob ihre Arme in die Lüfte und ich musste lachen. Oh man, was würde ich nur ohne sie machen?
„Ich glaube, da wird noch viel passieren", zwinkerte Mar und klopfte mir auf den Rücken. „Aber jetzt genug Gesülze. Lass uns unsere Hausaufgaben machen, ich hab keine Lust, die morgen zu machen. Und nach der Nummer mit Ethan ..." Ich schnitt ihr das Wort ab.
„Sei mir nicht böse, ich bin ja auch gerne für dich da, aber die Einzelheiten kannst du mir echt ersparen." Wir lachten und machten uns daran, unsere Hausaufgaben zu erledigen.
„Tu mir wenigstens einen Gefallen. Weine niemals wieder wegen einem Kerl, hast du mich verstanden?" Sie zwinkerte erneut und ich lachte.
Am nächsten Mittag gingen Marleen und ich schweigend zum Mittagessen. Ich war aufgeregt, weil ich nicht wusste, wie ich Nathan gegenüber treten sollte. Okay, eigentlich grinsten wir uns ja nur wie lächerliche kleine Kinder an, aber trotzdem. Das war irgendwie so unser Ding. Ha ha. Dass ich nicht lache. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht belud ich mein Tablett voll mit Essen. Ich wartete noch auf Marleen und gemeinsam suchten wir den Raum nach unseren Freunden ab.
„Ich glaube, die sind noch nicht da. Wir setzen uns hierhin und warten auf sie", sagte ich und deutete auf den nächstliegenden Tisch.
„Ähm ... schau mal", erwiderte sie. Ungewiss folgte ich ihrem Blick. An einem Tisch in der hinteren rechten Ecke saßen unsere Freunde, allerdings nicht alleine. Nathan und seine Freunde - was also die ganze Basketballmannschaft bedeutete - waren auch dabei. Ernsthaft? Man könnte ja meinen, dass wir uns verstanden hatten, aber hallo - wir hatten nur einmal zusammen gefeiert! Musste man sich jetzt da dann dazu setzen? Ich sah, wie alle lachten und sich grinsend unterhielten. Anscheinend schienen sie sich gut zu amüsieren.
„Egal, lass uns gehen." Entschlossen liefen wir auf den Tisch zu. Ein paar, die nicht mit dem Rücken zu uns standen, winkten uns zu. Wir setzten uns lächelnd dazu und stellten unser Tablett ab.
„Hey." Sofort wurden wir in die Unterhaltung mit eingebunden, wo es sich darum handelte, dass wir alle mal wieder etwas gemeinsam machen könnten. Mason saß links von mir und piekste mir in die Seite.
„Lass das!", schmollte ich und piekste ihn zurück. „Wo ist Mia?"
Sie saß nicht neben Mason und war auch sonst nirgendwo zu sehen.
„Keine Ahnung." Gespielt geschockt hielt ich mir die Hand vor den Mund.
„Du willst mir also sagen, dass ihr 24 Stunden am Tag aneinander klebt und dann weißt du nicht, wo sie ist? Völliger Stuss!" Er grinste, aber ich sah, dass es seine Augen nicht erreichte. Okay, warum zur Hölle hatten wir eigentlich alle Liebesprobleme? Konnten die nicht wenigstens nacheinander sein, damit man sich mal auf eine Sache konzentrieren konnte?
„Ich will alle Details hören. Sofort", ermahnte ich ihn und nahm ihm die Gabel aus der Hand, mit der er im Essen rumstocherte.
„Ach, keine Ahnung. Mir geht das ein bisschen zu schnell, weißt du? Natürlich mag ich sie und ich hab auch nichts mit einer anderen oder so, aber ich weiß nicht, ob wir jetzt schon ein Paar sein können."
„Oh man. Liebst du sie?" Ich war mir nicht sicher, ob man bei ihnen schon von Liebe reden konnte. Aber bei Nathan und dir oder was? Das hab ich nicht gesagt! Aber trotzdem, Mason und Mia kannten sich noch kürzer (sagte man das so?) als Nathan und ich. Ja und? Am Anfang habt ihr zwei euch gehasst, also zählt das nicht.
Genug jetzt. Mason zögerte eine Weile.
„Das ist es ja. Wie gesagt, ich hab sie unglaublich gern, aber sie hat eben vor kurzem gesagt, dass sie mich liebt und für mich war das eben zu früh. Ich glaube schon, dass ich mich in sie verliebt habe, aber ... Ich kann das einfach nicht erklären." Ich verstand diesen Kerl nicht.
„Du willst nichts überstürzen, das kann ich verstehen", erwiderte ich und tätschelte ihm sarkastisch den Kopf.
„Hör auf dich darüber lustig zu machen!"
„Mason, du willst mich doch auf den Arm nehmen. Es ist doch offensichtlich, dass du sie liebst, also geh sie verdammt nochmal suchen und sag ihr das, bevor es zu spät ist. Was wäre das Leben ohne Risiko? Du weißt, dass du sie liebst, also steht dir nichts im Weg, du Depp. Mein Gott, deine Probleme hätte ich gerne." Er schien kurz zu überlegen, dann schaute er mal von seinem Essen hoch und umarmte mich lächelnd.
„Danke, so eine Ansage hab ich gebraucht." Mit diesen Worten stand er auf. Ich lächelte ihm noch hinterher und drehte mich erst wieder zurück, nachdem er durch die Tür verschwunden war. Zufrieden schaufelte ich das Essen in mich rein, das heute mal wieder köstlich schmeckte.
Plötzlich fiel mir Nathan in den Blickwinkel, der gegenüber von mir saß, ein Stück weiter rechts. Er lächelte mich schüchtern an, und ich lächelte zurück. Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Tür und hob fragend die Augenbrauen.
„Liebesprobleme", formte ich mit den Lippen in der Hoffnung, dass er mich verstand. Er schüttelte lächelnd den Kopf, was mir also zeigte, dass er verstanden hatte.
War es wirklich möglich, dass er Gefühle für mich hatte? Was, wenn Marleen recht hatte? Wenn das wirklich ein dummes Klischee war und er sich in mich verguckt hatte?
Mach mal halblang. Wahrscheinlich hatte Marleen die Latte einfach zu hoch gesetzt ... Wenn er wirklich mehr fühlen würde, dann hätte ich doch etwas in seiner Reaktion bemerkt, als ich das mit den Freunden erwähnt hatte. Oder etwa nicht? Vielleicht war er nur ein guter Schauspieler. Oder er konnte eben seine Gefühle gut verbergen. Oder du übertreibst einfach und er will nur Freunde sein. Das ... war ... okay, das war das Wahrscheinlichste. Das war doch typisch für Mädchen, dass sie nach jedem Anzeichen suchten, wenn sie verliebt waren. Moment - was?
Seufzend trank ich meine Flasche leer und lief dann wieder zu meinem heißgeliebten Baum. Bis auf Marleen vielleicht würde es sowieso niemand merken, dass ich weggegangen war.
Ich lehnte mich an den Baum und versuchte, nicht nachzudenken, was natürlich unmöglich war. Eigentlich kam ich immer her, wenn ich nachdenken wollte, doch genau das wollte ich jetzt nicht. Wenn ich einmal anfangen würde, über ein Problem nachzudenken, würde das immer wieder zu einem anderen Problem führen. Und genau das würde dann meinen Kopf zum Explodieren bringen.
Wie aus heiterem Himmel wurde ich aus meiner Starre gerissen, als mich jemand von hinten erschrak.
„Buh!", rief Nathan, der sich halb tot lachte, da vor Schreck ein winziger Schrei aus meiner Kehle Drang.
„Bist du völlig bekloppt?", lachte ich, während er sich immer noch den Bauch hielt.
Er setzte sich vor mich, woraufhin ich die Beine an mich zog, damit er näher kommen konnte.
„Was machst du eigentlich hier?", fragte er. Seine schönen Augen betrachteten den Baum, der durch seine Baumkrone einen riesigen Schatten auf das Gras warf. Ich zuckte mit den Schultern.
„Nachdenken, eigentlich. Aber jetzt hatte ich keine Lust auf nachdenken."
Auf der einen Seite war es ja gut, dass er gekommen war, weil ich jetzt nicht so viel nachdenken konnte, jedoch ...
„Achso. Und worüber eigentlich?", fragte er und legte sich auf den Bauch. Mit den Armen stützte er sich ab. Och, darüber dass ich dich jetzt gerne küssen würde, dass mein gestörter Ex Freund hinter mir her ist und dass ...
„Keine Ahnung, alles Mögliche", sagte ich schulterzuckend. Hoffentlich würde er mir nichts anmerken.
Marleens Worte schossen mir wieder ins Gedächtnis. Von wegen nicht nachdenken. Wie sollte ich auch nicht darüber nachdenken, wenn er hier vor mir war und mich angrinste, als hätte er im Lotto gewonnen? Das war strikt unmöglich. Statt noch weiter zu bohren, nickte Nathan nur. Warum war er mir überhaupt gefolgt? Jetzt drängte er mich dazu, nachzudenken. Aber ich wollte nicht über ihn nachdenken.
„Hast du irgendwas davon mitbekommen, was die heute machen wollen?", riss er mich aus meinen Gedanken. Heute war Sonntag und das war irgendwie der Tag, an dem wir immer etwas machten. Ob ich da die Basketballmannschaft dabei haben wollte, wusste ich nicht so genau. Ich schüttelte den Kopf.
„Naja, offenbar gehen die hirnverbrannten Deppen vom letzten Mal auch mit." Er grinste mich belustigt an.
„Wie sich heraus gestellt hat, sind sie ja doch nicht so übel", antwortete ich ebenfalls grinsend.
„Das sind sie auch nicht. Ähm ... kann ich dich was fragen? So unter Freunden?" Bei diesem Wort hob ich meinen Kopf. Es fühlte sich so an, als würde mein Herz zusammengepresst werden. Freunde.
„Na klar", lächelte ich und versuchte meine Enttäuschung zu verbergen.
„Dieser Lockenkopf, der in der Cafeteria meistens neben dir sitzt ..."
„Dean?", fragte ich verblüfft. Was hatte das jetzt mit Dean zu tun? Nathans Gesichtszüge waren in diesem Moment alles andere als entspannt. Er sah aus, als würde er gleich jemanden aufschlitzen wollen. Gütiger Gott, was ist denn jetzt mit dem los?
„Äh ja, keine Ahnung, wie er heißt. Steht der eigentlich auf dich?" Völlig perplex runzelte ich die Stirn. Hä? Warum fragte er mich bitte so etwas? Und wie zur Hölle kam er darauf?
Aus meiner Kehle drang ein kleiner Lacher. „Ich weiß zwar nicht, wie du darauf kommst oder warum du mich das fragst, aber nein. Wir sind nur gute Freunde. Und selbst wenn er auf mich stehen würde, ich steh nicht auf ihn. Also von daher." Weil ich auf dich stehe.
„Okay okay", sagte er deutlich entspannter und hob die Hände. „Einfach nur so. Wir sind doch jetzt Freunde, da kann man doch über so etwas reden, oder etwa nicht?"
Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich geglaubt, dass er bei dem Wort Freunde einen Unterton in der Stimme hatte, möglicherweise hatte ich mir das aber auch nur eingebildet.
„Klar", entgegnete ich. Eigentlich müsste es mich stören, dass er hier war, weil ich hier immer alleine sein wollte, aber merkwürdigerweise fand ich es sogar angenehm. Er lenkte mich von meinen schrecklichen Gedanken ab. Meine Nächte blieben nämlich nicht albtraumlos ...
„Sieh mal ...", stammelte er plötzlich und schaute nach rechts. Ich folgte seinem Blick und sah unsere Gruppe (mitsamt Nates Freunden) auf uns zukommen. Ernsthaft jetzt?
Man, das war mein Platz! Stell dich nicht so an.
„Vielen Dank, dass du mir hinterher gegangen bist. Jetzt wissen alle, wo ich mich immer hinschleiche." Nate grinste nur, setzte sich jedoch auf, als die anderen sich zu uns setzten.
„Was macht ihr denn Schönes?", fragte Dean, der sich gerade neben mich pflanzte.
„Wir haben uns unterhalten." Nathan musterte Dean abschätzig, dessen Augenbrauen sofort in die Höhe schossen. Was war bitte sein Problem? Ein Gedanke schlich sich beiläufig ein: Vielleicht war er ja ... eifersüchtig? Konnte das möglich sein? So wie er guckte? Okay nein. Jetzt übertreib nicht gleich wieder.
Seufzend versuchte ich, mich in die Unterhaltung mit einzubinden, damit niemandem auffiel, dass ich vollkommen neben der Spur war. Wahrscheinlich redete ich nur banales Zeug, aber wen kümmerte das schon? Wir entschieden uns dafür, auf eine Kunsteisbahn zu gehen. Ich hoffte innerlich nur, dass ich mich nicht allzu blamieren würde, da ich in meinem Leben bisher nur zweimal eislaufen gewesen war - und da war ich sechs und neun. Ganz toll.
Bevor wir uns auf den Weg machten, gabelten wir noch Mason und Mia auf, die sich endlich eingekriegt hatten. Außerdem wollte Mar ihren heißgeliebten Ethan mitnehmen.
Heute fuhr ich mit Marleen, Mia, Mason und Ethan. Dean fuhr mit Tessa, Robin und Connor. Mar saß am Steuer und konzentrierte sich voll und ganz auf das Navigationssystem, das uns den Weg wies.
Nachdem wir endlich da waren, uns Schlittschuhe geliehen hatten und startklar waren, stürmten alle auf die Eisbahn, die zum Glück nicht all zu voll war. Mia, die sich seltsamerweise noch nicht an Mason geklammert hatte, der sich gerade einübte, kam auf mich zugeflitzt. Ich hatte mich als einzige noch nicht auf die Eisbahn getraut, was hoffentlich nicht so offensichtlich war.
„Hey", lächelte sie und half mir, sicher auf die Eisbahn zu kommen. „Noch nicht so oft gefahren, was?"
„Zweimal. Und das war vor neun Jahren." Ich kicherte und hielt mich krampfhaft an ihrem Arm fest, während wir langsam Schlittschuh fuhren. Das Geräusch unter meinen Füßen entlockte mir eine Gänsehaut.
„Hör mal, ich wollte mich bei dir bedanken." Sie machte eine kurze Pause. Jaja, Amy die Liebespsychologin. Und wenn es um meine eigenen Liebesprobleme ging, hatte ich keinen blassen Schlimmer. Richtig klasse. Nach einer Weile fuhr meine Freundin fort.
„Deine Ansage hat wirklich gesessen. Er hat mir erzählt, dass du ihn zur Vernunft gebracht hast. Jedenfalls danke."
Sie grinste über beide Ohren und führte mich.
„Du brauchst dich nicht zu bedanken. Ich freue mich für euch", sagte ich und piekste ihr in die Seite. Ungefähr zehn Minuten später konnte ich einigermaßen alleine fahren, allerdings hielt ich mich immer noch an ihrem Arm fest.
„Ich glaube du gehst jetzt wieder zu Mason. Ist doch total romantisch auf einer Eisbahn", zwinkerte ich ihr zu, was sie sofort annahm. Lächelnd und mit einem letzten Dankeschön flitzte sie zu Mason, der sie lachend an der Hand nahm und mit ihr ein paar Drehungen machte. Herrgott, wie zum Teufel machten die das bitte? Ich konnte mich gerade so auf den Beinen halten. Gerade als ich ein bisschen mehr Tempo annehmen und schneller über die Bahn flitzen wollte, stolperte ich. Ich bereitete mich schon auf den Schmerz vor, da packten mich zwei Hände von hinten an der Taille und retteten mich vor dem Sturz.
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omg, noch eine seite, dann sind es 200!!!
ich hab am montag schule. ich muss heulen :(
gute nacht und danke für 700 reads <3
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