2.Kapitel
„Komm."Janosh war ihr ganz nah. Er rannte neben ihr, obwohl er eigentlich schneller laufen könnte.
„Nur mehr ein kleines Stück! Du schaffst das." Er schlang die Arme um sie, um sie zu stützen. Die Schreie der Jaffa hinter ihnen ließen sie zusammenzucken. Die Welt um sie herum begann sich zu drehen und schwarze Flecken tauchten in ihrem Blickfeld auf. Sie strauchelte und riss dabei beinahe Janosh mit zu Boden.
„Lass mich zurück", keuchte sie und ließ den Kopf hängen. „Ich bin zu sehr verletzt, ich werde mich verstecken und komme dann nach."
„Nein!" Verzweifelt versuchte der Tok'ra sie noch mehr zu stützen, doch sie fiel keuchend auf die Knie. „Ich will dich nicht zurücklassen."
„Lauf endlich!", schrie sie ihn an und rappelte sich die Seite haltend wieder auf. „Ich komme nach."
„Versprochen?" Er stützte sie wieder, doch sie stieß ihn sanft von sich.
„Versprochen und jetzt lauf endlich!" Sie sah ihm noch kurz nach, bevor sie sich umdrehte und den Wald ansteuerte. Die Tok'ra wusste, dass der Wald ihre einzige Chance war, doch die Jaffa waren nicht dumm, früher oder später würden sie sie finden und sie hoffte nur, dass sich ihr Symbiont bis dahin um ihre Wunden gekümmert hatte.
Fest die Zähne zusammenbeißend lief sie weiter, stolperte, fiel hin und rappelte sich immer wieder auf. Die schwarzen Flecken wurden immer dichter, bald hörte sie nichts mehr außer ihr Blut, dass ihr in den Ohren rauschte.
Doch plötzlich veränderte sich die Situation. Sie lief wieder, doch diesmal war es Tag und sie sah klar und sie sah Janosh vor sich, dann lief sie wieder bei Nacht, sprang von Fels zu Fels ohne groß darüber nach zu denken, dass unter ihr nur rauschendes, dunkles Wasser war. Dann lief sie in einer unwirtlichen Gegend angetrieben von den Schüssen der Jaffa, hechtete durch ein Stargate, oder sprang steile Hänge hinab. Die Szenen veränderten sich so schnell, dass kaum noch was zu erkennen war, doch eines hatten sie gemeinsam, sie rannte nicht alleine. Entweder war Janosh vor ihr oder er lief an ihrer Seite, hechtete Hand in Hand mit ihr durch das Sternentor, sie war niemals alleine. Einsamkeit durchflutete ihren Körper und das Gefühl schmerzte beinahe noch mehr, als ihre Wunden.
Hektisch blinzelnd, sah sie in die plötzliche Dunkelheit und richtete sich auf. Ihr ganzer Körper tat ihr weh, doch sie wusste, dass sie nicht verletzt war. Es war nur ein Traum, es waren nur Nadjas Erinnerungen gewesen. Die atemberaubende Einsamkeit ließ allmählich nach, doch sie musste bei dem überwältigen Gefühl immer noch hart schlucken. Nadjas Gefühle waren so echt, die Bilder so real als hätte sie das alles wirklich einmal erlebt.
Langsam richtete sie sich auf und schaltete ihre Nachttischlampe ein. Die Lampe erhellte den Raum nicht wirklich, doch es war hell genug, um auf die Uhr sehen zu können. Viertel vor Fünf. Leise seufzend ließ sie sich in ihr Kissen zurückfallen, sie könnte noch ein paar Stunden schlafen, bevor ihr Großvater sie in ihrem Büro erwarten würde, doch sie wusste genau, dass sie ihre rasenden Gedanken so schnell nicht mehr zum Stillstand bringen würde.
Leise fluchend schlug sie schließlich die Decke zurück und stand auf. Ihre Gedanken kreisten die ganze Zeit, um den Traum und Nadjas Erinnerungen, die seit langem wieder einmal so intensiv waren. Kopfschüttelnd zog sie sich schließlich an und streckte schließlich den Kopf zur Tür ihres Quartieres hinaus. Die Gänge waren verlassen und sie lächelte leise, als alte Erinnerungen in ihr hochkamen, wie sie früher durch die Gänge gejoggt war.
Während sie schließlich ihre Gedanken hin und her wälzte lief sie los und achtete nicht einmal wirklich darauf wohin sie lief. Sie kannte die Gänge in und auswendig, schließlich hatte sie hier lange genug gelebt während sie bei Fraiser in Behandlung gewesen war.
Nadjas Erinnerungen vertrieben mit der Zeit wieder ihre eigenen und sie dachte darüber nach, was die damals so junge Tok'ra alles erlebt hatte. Misha wusste zwar nicht wirklich, wie alt die Erinnerungen waren, doch Nadja musste noch ziemlich jung gewesen sein, da sie ihr in einigen vereinzelten Erinnerungen noch so naiv und gutgläubig vorkam. Sie hatte Erinnerungen von ihr, wie sie mit Janosh durch die unterirdischen Gänge der Tok'ra streifte, ausgelassen lachte und sich nicht wirklich darum zu kümmern schien, dass ältere Tok'ra ihnen kopfschüttelnd hinterhersahen. Trotz, dass sie das gesamte Wissen der Tok'ra besaß, wirkte sie in diesen Erinnerungen so jung, dass sie es selbst irgendwie nicht verstand, doch sie liebte diese Erinnerungen. Sie würde sich nur so sehr wünschen, dass Nadja ihr persönlich davon erzählen könnte.
Plötzlich spürte sie das klaffende Loch wieder, das Nadja hinterlassen hatte, als sie für sie gestorben war und sie drängte die Erinnerungen sofort wieder beiseite. Sie erinnerte sich gern an die Tok'ra, doch sie wollte dieses quälende Gefühl nicht spüren.
Die Einundzwanzigjährige atmete einmal tief durch und lenkte ihre Gedanken in eine andere Richtung. Misha wurde aufgeregt wie ein kleines Kind, wenn sie an daran dachte, dass sie Daniels Forschung übernehmen würde. Sie freute sich so sehr darauf, dass das quälende Gefühl beinahe sofort verschwand, während sie noch einmal durchging, was sie gestern schon erfahren hatte.
Die Antiker sprachen von einer gefährlichen Waffe, die die stärksten Feinde besiegen konnte. Auf den Tafeln war geschrieben, dass die Waffe sich an einem Ort befand, wo alles angefangen hatte, wo das Leben und die Magie, die in jedem Lebewesen steckte, ihren Ursprung fand. Dieser Ort sei der einzige Ort, der einer solchen Waffe würdig sei.
„Wie der Kreislauf des Lebens", murmelte sie stirnrunzelnd vor sich hin. „Jedes Leben findet einmal ein Ende und im selben Moment entsteht neues."
Verlegen sah sie sich um, als sie bemerkte, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte, doch der Gang wirkte wie ausgestorben und wurde auch nur von einem Notlicht beleuchtet. Erleichtert atmete sie auf, musste aber dann im nächsten Moment über sich selbst lachen.
Immer noch lächelnd beschleunigte sie ihre Schritte und legte schließlich einen Endspurt zu ihrem Quartier zurück. Kaum außer Atem machte sie sich schließlich fertig und schaltete keine Viertelstunde später das Licht in ihrem Büro ein. Mit den Notizen unter ihrem Arm sah sie auf die verwitterten Steintafeln die dort lagen und als einzige Fundstücke mitgenommen worden waren. Die Bilder in den Notizen stammten von anderen Tafeln, die nicht zersplittert wurden und zu groß und schwer waren, um sie mit ins Stargatecenter nehmen zu können. Stirnrunzelnd sah sie auf die Tafeln hinab und fuhr die antikische Schrift mit dem Finger nach. Es war schwer etwas zu erkennen, die Tafeln waren bei weit schlechterem Zustand als die, die noch am Planeten waren. Doch desto länger sie die Schrift anstarrte, desto öfter sprang ihr ein Wort ins Auge, dass sie ohne Mühe übersetzen konnte.
Schließlich breitete sie ihre Notizen auf dem gesamten Tisch aus und machte sich daran Zeichen für Zeichen und Wort für Wort zu übersetzten. Fein säuberlich schrieb sie jeden Gedankengang auf und schrieb das fremde Wort hin, wenn es keinen Sinn in dem Satz zu ergeben schien. Misha merkte nicht, wie die Zeit verging, während sie nur den Blick hob, wenn sie etwas nachschlagen musste. Erst als sie eindeutig nicht mehr weiterkam sah sie auf. Erschrocken sprang sie auf, als sie zur Tür sah und dort Daniel und ihren Großvater stehen sah. Die beiden grinsten sie breit an und sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war halb acht, ihr Großvater hätte sie erst in einer halben Stunde hier erwartet.
„Seit wann seid ihr schon hier?", fragte sie während sie sich verlegen durchs Haar fuhr.
„Lange genug." Daniels Grinsen wurde immer breiter, als erinnere er sich, wie sie ihn damals jedes Mal erschreckt hatte, wenn sie in sein Büro gekommen war und er in seiner Arbeit vertieft gewesen war. Auch sie lächelte bei der Erinnerung.
„Schon einen Erfolg?", wollte ihr Großvater wissen, doch er sah nicht wirklich überrascht aus, als sie nur den Kopf schüttelte.
„Ich bin immer noch bei dieser Tafel hier." Sie tippte auf die Tafel vor sich und sah schließlich zu den Bildern in ihren Notizen.
„Daniel und ich haben gestern ein wenig an den Tafeln gearbeitet, die sie zurücklassen mussten, aber konnten nicht wirklich etwas Nützliches herausfinden. Ich denke da hat irgendein Antiker ein wenig über Leben und Tod philosophiert. Ich hoffe diese Tafeln hier werden hilfreicher sein. Immerhin handelt der Anfang nicht von der Frage des Lebens, oder was man der Seele antut wenn man tötet. Es scheint eher die Geschichte der Waffe zu sein. Wenn dort geschrieben steht wie sie entstand, wird vielleicht auch der Ort näher beschrieben, wo die Waffe zu finden ist. Der Ursprung alles Lebens, hilft uns dabei ja leider nicht viel."
Der Wissenschaftler kam etwas näher und legte den Kopf schief, um einen Blick auf die Tafel, auf die sie gezeigt hatte, werfen zu können. Grinsend beobachtete sie ihn, denn sie wusste genau, wie sehr er selbst an den Tafeln weiterarbeiten wollte.
„Hast du heute keinen Einsatz?", fragte sie schließlich und holte ihn damit wieder aus seinen Gedanken.
„Nein, wir sind alle in Bereitschaft, falls einer unserer Alliierten Hilfe braucht. An erster Stelle stehen aber diese Tafeln hier, um so schnell wie möglich an die Waffe zu kommen und hoffentlich schlimmeres verhindern zu können." Daniel fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und sie merkte ganz deutlich wie angespannt er war.
„Arbeitest du dann auch wieder an der Übersetzung?" Fragend sah sie ihn an und er nickte lächelnd.
„Ich hoffe wir kommen schnell voran..." Sie merkte, dass der Archäologe noch etwas hinzufügen wollte, doch in diesem Moment ertönten Schritte im Gang und er brach ab. Drei Männer betraten den Raum und sie stellte sich sofort etwas aufrechter hin.
Ihr Großvater nickte ihr leicht zu und zeigte dann auf einen der drei Männer, den sie nicht wirklich als Forscher einschätzte: „Colonel Edwards, das ist Lieutenant Hammond Ihr neuestes Teammitglied."
Der Colonel nickte ihr zu und gab ihr schließlich die Hand.
„Major Lorne." Einer der beiden anderen streckte ihr die Hand entgegen und lächelte sie leicht an, als wisse er genau, dass Colonel Edwards nicht gerade den freundlichsten Eindruck auf sie machte.
„Dr. Rick." Der jüngste der Drei stellte sich als Letzter vor. Misha schätzte ihn auf Ende zwanzig und gab auch ihm lächelnd die Hand.
„Ich bin Astrophysiker", fügte er hinzu und ein breites Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus. „Das Militärzeug überlasse ich lieber dem Colonel und dem Major."
Die Einundzwanzigjährige nickte dem Lieutenant leise Lächelnd zu. Er wirkte etwas eigenartig, wie er sich etwas aufgedreht im Büro umsah, als wäre er neu im Team und nicht sie. Major Lorne und der Colonel hingegen standen immer noch genauso steif, wie sie im Raum und schienen sie zu beobachten. Sie ließ sich von den beiden nicht einschüchtern, sondern begegnete ihren Blicken und sah nicht fort, wenn sich ihre Blicke trafen.
„Ich denke wir lassen den Lieutenant in Ruhe arbeiten und stehen nicht im Weg rum." Der Colonel nickte ihr zum Abschied zu und deutete den beiden anderen aus seinem Team ihm zu folgen. „Lorne, Rick."
Die junge Wissenschaftlerin erwiderte das Nicken Lornes und nickte auch Dr. Rick zu, der ihr allerdings zum Abschied zuwinkte.
„Ich lasse euch beide ebenfalls arbeiten." Ihr Großvater schenkte ihr ein Lächeln bevor er ging und sie beide allein ließ.
„Colonel Edwards scheint zwar etwas streng und nicht wirklich freundlich zu wirken, doch er ist ein guter Soldat und Major Lorne ist nett, dass wirst du schon sehen." Daniel riss sie aus ihren Gedanken und sie drehte sich zu ihm um.
„Dr. Rick scheint mir etwas... naja... aufgedreht?" Misha richtete ihren Blick bereits wieder auf die Tafel vor sich, mit ihrem Teamkollegen konnte sie sich später auseinandersetzten, die Tafeln waren jetzt wichtiger.
„Aber er ist ein guter Astrophysiker", erwiderte der Archäologe und sie sah aus den Augenwinkel, wie er sich ebenfalls zu den Tafeln hinabbeugte. „Wenn er vor einem Problem steht wird er ruhiger, fast so als wäre die Wissenschaft ein Beruhigungsmittel für ihn."
Bei seinen letzten Worten sah sie auf und begegnete seinem Blick, sie wussten beide wie Dr. Rick vermutlich fühlte, für sie beide war die Sprachwissenschaft, wie eine Droge.
„Lass uns weitermachen." Sie tippte auf die Tafel vor sich und sah sich noch einmal ihre Notizen durch. Nach einer gefühlten Ewigkeit raufte sie sich die Haare und zerzauste sie, soweit es bei ihren kurzen Haaren eben ging.
„Hast du was?" Daniel sah nicht von seinen Notizen auf, sondern tastete nur nach einem Buch, das er wie üblich weit verfehlte.
„Nein." Mit einem Lächeln auf den Lippen schob sie ihm das Buch hin, sie wusste noch genau, wie sie das Gleiche vor sechs Jahren getan hatte und sie war froh, dass sich das nicht geändert hatte.
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