34.Kapitel
Ein Gefühl, das sie erst vor kurzem kennengelernt hatte erfasste sie plötzlich und die friedliche Dunkelheit ihres traumlosen Schlafes wich, als sie kurz in ein helles Licht getaucht wurde, und schnell daraus hervortrat.
Sie warf einen Blick zurück und dabei fielen ihr ein paar Strähnen langen schwarzen Haares ins Gesicht. Während sie zurück auf das Sternentor sah lief sie weiter, sie umklammerte eine Waffe und sah erst wieder nach vorne als eine zweite Person durch das Sternentor trat.
Ihr schwerer Atem hallte ihr in den Ohren wider, sie war erschöpft doch sie hielt nicht inne.
„Nadja!", jemand packte sie am Arm und zwang sie dazu stehen zu bleiben.
„Janosh", keuchte sie und warf einen Blick zurück auf das Sternentor, das mittlerweile erloschen war, „Sind wir die einzigen?"
„Die anderen wollen sie ablenken", er zog sie in seine Arme und gab ihr damit die Kraft, die sie brauchte um weitermachen zu können, „Sie wollten uns die Chance geben unentdeckt hierher zu kommen."
Die Bilder wurden verschwommener, die Stimme des Fremden verzerrter, doch die Gefühle die sie durchströmten spürte sie genau.
Angst, Trauer, Liebe. Erleichterung.
Angst, weil alles so unlösbar erschien.
Trauer, weil sie wusste, dass die anderen sich für sie geopfert hatten.
Liebe, weil sie den Mann vor sich liebte.
Erleichterung, weil sie wusste, dass er lebte, dass er bei ihr sein würde, dass er ihr Kraft spenden würde.
„Wer seid ihr?", der Ausruf, ließ sie zusammenzucken und bevor sie herumwirbelte verschwamm alles.
Misha fuhr hoch und fuhr sich durch ihr kurzes Haar.
Ihr Herz raste und sie schappte nach Luft.
Was war das gerade gewesen?
Sie konnte sich an jedes Detail des Traumes erinnern, was sie sonst niemals konnte.
Es war keine Erinnerung an die Folter gewesen, aber auch kein Traum.
Langsam stand sie auf. Alles schien so unwirklich, so unwirklich dass sie hier im Stargatecenter war.
Es war Nadjas Erinnerung gewesen, sie hatte nicht einmal gewusst, dass sie auch die Erinnerungen der Tok'ra geerbt hatte.
Die plötzliche Kälte die ihren Körper erfüllte, als sie an das Wesen dachte, ließ sie kurz erstarren. Würde sie jemals damit klarkommen, dass sie gestorben war?
Ein Seufzen kam über ihre Lippen und sie sah auf als es plötzlich klopfte.
„Ja?", wollten ihre Eltern etwa jetzt gleich fahren?
Doch die Person, die den Kopf durch den Türspalt steckte waren nicht ihre Eltern.
„Daniel", sie lief zu ihm und schlang die Arme um ihn.
Er schloss die Tür hinter sich und kniete sich zu ihr hinab, er schien sofort zu bemerken, dass etwas nicht stimmte.
„Alles in Ordnung?", fragte er und strich ihr besorgt über den Arm.
„Ich bin so durcheinander", murmelte sie nur.
„Was ist los?", er führte sie zu ihrem Bett zurück und setzte sich auf dessen Bettrand während sie lieber stand.
„Ich habe geträumt", erwiderte sie knapp und fuhr sich durchs Haar.
„Von... Apophis?", seine Augen wurden bei der Erwähnung des Namens ein wenig dunkler, was wahrscheinlich auch nur ihr auffiel, „Rede mit mir."
„Von Nadja", Misha schlang die Arme um ihren Oberkörper und seufzte leise, „Ich habe mich an etwas erinnert, was ich nie erlebt habe. Aber es war so real."
Kurz schloss der junge Mann die Augen bevor er sie wieder ansah.
„Sam hat Ähnliches erlebt wie du", begann er schließlich zu reden, „Sie ist auch unfreiwillig zur Wirtin einer Tok'ra geworden, die ebenfalls gestorben ist. Wir konnten die Tok'ra ausfindig machen und sie als unsere Freunde gewinnen, weil Sam sich an das erinnert hatte was Jolinar, die Tok'ra, ihr an Erinnerungen hinterlassen hatte."
„Wie konnte sie damit klarkommen?", fragte sie hoffnungsvoll. Vielleicht konnte Sam ihr helfen die Erinnerungen zu vergessen.
„Ich weiß es nicht", Daniel schüttelte den Kopf und klopfte auf ein Bündel Kleider, das ihr zuvor nicht aufgefallen war, „Lass uns frühstücken gehen. Im Speisesaal treffen wir sicher auf sie."
Erst beim Erwähnen von Essen fiel ihr auf, dass sie überhaupt keinen Hunger hatte. Sie hatte Gestern nur die Früchte der Nox gegessen. Die Geschehnisse des vergangenen Tages mussten ihr den Hunger verschlagen haben.
„Ich hab gar keinen Hunger", antwortete sie auf den fragenden Blick des Archäologen hin.
„Der wird schon kommen wenn du das Essen riechst", er stand langsam auf und wandte sich zur Tür, „Ich warte vor der Tür auf dich. Wenn du fertig bist kommst du einfach raus, ok?"
Misha nickte nur und warf einen Blick auf das dunkelgrüne Bündel vor sich. Anscheinend hatte Daniel nichts anderes auftreiben können als die Kleidung des Stargatecenters, aber das war ihr egal. Es war besser als die ganze Zeit in den Sachen der Nox rumzulaufen.
„Fertig?", fragte Daniel vollkommen überflüssig als sie schließlich die Tür zu ihrem Quatier öffnete.
Die Fünfzehnjährige nickte nur kaum wahrnehmbar.
Der junge Archäologe lächelte sanft auf sie hinab und drückte kurz ihre Schulter.
Sie schwiegen, während sie sich ihren Weg durch die grauen Gänge suchten und nur hinundwieder einen Soldaten grüßten.
Der junge Mann stieß die Tür für sie auf und schob sie hindurch, als sie wegen den neugierigen Blicken ein paar der Anwesenden stehen geblieben war.
„Komm", sanft schob er sie vor sich her, zu einem Tisch an dem schon Jackie mit der blonden Frau saß. Er winkte lächelnd zu ihnen herüber und sie winkte kurz zurück.
„Morgen", murmelte sie leise und auch Sam lächelte sie nun an.
Gerade als sie sich setzten wollte kam ein anderer Mann an ihren Tisch, dem O'Neill kurz zunickte. Sie drehte sich nicht zu ihm um sondern sah zu Sam die sie die ganze Zeit zu beobachten schien.
„Guten Morgen, Misha Hammond", sie erstarrte als sie die Stimme hörte und kurz verschwommene Erinnerungen an einen dunkelhäutigen Mann mit goldenen Emblem vor ihren inneren Augen auftauchten.
Sie schnappte nach Luft und riss ihre Augen weit auf.
„Misha?", Daniel rückte näher zu ihr heran und hob die Hand um sie ihr auf die Schulter zu legen, doch sie zuckte zurück.
„Es ist alles gut", sagte Jackie beschwichtigend doch die Worte kamen bei mir nicht an.
Er ist ein Jaffa. Er ist ein Jaffa. Er ist ein Jaffa.
Das waren die einzigen Worte die in ihren Gedanken herumkreisten und sie presste die Lippen fest zusammen um sie nicht herauszuschreien.
Ganz plötzlich war sie nicht mehr im Stargatecenter sondern wurde wieder von den Jaffa durch den Wald gejagt.
Misha wirbelte herum und stieß Daniel zurück, der sie davon abhalten wollte wegzurennen.
Sie nahm die irritierten Blicke der Soldaten gar nicht wahr an denen sie vorbei rannte, sie war in ihren Erinnerungen versunken.
Ihre Fluchte hatte ein jähes Ende, als das gleißende Licht sich zwischen ihre Augen bohrte und sie mitten im Lauf einfach zusammenbrach.
Die Fünfzehnjährige presste beide Hände gegen ihre Stirn und krabbelte zur Wand um sich an sie lehnen zu können.
Tränen rannen ihr die Wangen hinab, als sich ihre Gedanken langsam wieder klärten.
Sie konnte nicht damit klarkommen. Das Gefühl in ihrer Brust bestätigte es ihr. Die Erinnerungen würden sie immer wieder überkommen und sie konnte es nicht unterdrücken.
Misha vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und schluchzte Laut. Wie sollte sie so leben können?
„Misha!", sie sah nicht auf als sie Daniels Stimme hörte und merkte wie er sich neben ihr auf den Boden setzte.
„Es tut mir leid", murmelte sie schluchzend.
„Sch", der junge Wissenschaftler legte einen Arm um sie, „Du musst dich für nichts entschuldigen."
Eine Zeit lang war nur ihr Schluchzen zu hören und die besorgten Fragen der Soldaten, die hin und wieder vorbeikamen.
Sie saßen immer noch dort wo sie zusammengebrochen war und Daniel schien es nicht zu kümmern. Er hielt sie einfach nur fest und schwieg.
„Wie soll ich jemals damit leben können?", fragte sie schließlich mit rauer Stimme und sah endlich auf, „Ich will nicht, dass meine Erinnerungen mich in jeder Sekunde meines Lebens einholen könnten und ich wie eine Irre ausraste."
Der junge Mann zog leicht die Augenbrauen zusammen und sie tat es ihm gleich, weil sie merkte, dass er über etwas nachdachte.
„Was ist?", hackte sie nach.
„Es wird dir nicht gefallen", er schüttelte den Kopf, als wäre sein Gedanke vollkommen abwegig.
„Bitte verschweig es mir nicht, wenn du eine Lösung hast", sie sah ihn flehentlich an, „Ich mache alles damit das aufhört."
Daniel sah sie immer noch skeptisch an, doch er rappelte sich schließlich auf, als wieder ein paar Soldaten kamen und sie musterten. Langsam schien es ihm hier zu bunt werden.
„Kannst du gehen?", er hielt ihr eine Hand hin.
„Klar", sie ließ sich von ihm aufhelfen, „Die Erinnerung ist fort. Es geht mir wieder gut. Bis zum nächsten Mal jedenfalls."
Der Archäologe schüttelte immer noch den Kopf bis er endlich mit seiner Idee herausrückte.
„Kelnoreem", er sah besorgt auf sie hinab, als erwarte er, dass sie jeden Moment wieder weglaufen könnte.
Sie runzelte die Stirn und zuckte schließlich mit den Schultern.
„Nadja war der Begriff bekannt", sie verstand jedoch nicht was daran so schlimm sein sollte, „Und?"
Gerade als Daniel den Mund aufmachen wollte, um es ihr zu erklären, fiel bei ihr der Groschen.
„Oh nein", abrupt blieb sie stehen, „Du meinst ich könnte ihn jemals so weit vertrauen?"
„Ja", beruhigend legte er ihr eine Hand auf die Schulter und ging weiter, „Ich vertraue ihm."
„Er ist ein Jaffa", sie spuckte das Wort aus und sie merkte, dass das Daniel nicht gefiel, doch sie konnte nicht anders.
„Ich vertraue ihm bei jeder Mission mein Leben an und Jack und Sam genauso", diesmal war es er, der stehen blieb und ihr tief in die Augen sah, „Wir vertrauen ihm Tag für Tag unsere Leben an. Er ist ein netter Kerl und er wird dir gerne helfen."
„Daniel, ich kann das einfach nicht. Der Primus Apophis hat mich mit dem Zat'n'ktl auser gefecht gesetzt und gefangen genommen. Dein Freund trägt ebenfalls das Zeichen des Primus auf der Stirn. Ich werde die ganze Zeit von meinen Erinnerungen gequält werden, wenn ich mich darauf einlasse. Verstehst du das nicht?", sie konnte in seinen Augen sehen, dass er sie sehr gut verstand.
„Ich kann die ganze Zeit bei dir sein, wenn es dich beruhigt", er schien unbedingt zu wollen, dass sie dem Jaffa genauso vertraute wie er.
„Daniel...", sie schüttelte den Kopf.
„Lass uns einfach damit anfangen zurück in den Speisesaal zu gehen und endlich zu frühstücken", ließ er nicht locker.
„Aber er ist doch immer noch dort", erwiderte sie.
„Ich will dir nur helfen, Misha", sagte er sanft und sie merkte, dass er sie nicht zwingen wollte, sie konnte immer noch ‚nein' sagen, „Willst du es nicht wenigstens einmal versuchen. Ich bin die ganze Zeit bei dir und er wird sofort gehen, wenn du es willst."
„Du vertraust ihm, ja?", sie wusste nicht wie sie es schaffen sollte, aber sie wollte es versuchen und sie vertraute Daniel, wenn er dabei war, würde nichts geschehen.
„Ja", antwortete er schlicht und streckte ihr eine Hand entgegen, „Versuchst du es?"
„Wenn du bei mir bist", etwas zittrig nahm sie seine Hand an und schüttelte den Kopf.
War sie jetzt vollkommen verrückt?
Als sie vor der Tür zum Speisesaal ankamen drehte sie sich so abrupt um, dass Daniel beinahe ihren Arm nicht mehr zum Fassen bekam, doch er schaffte es gerade noch.
„Ich kann das nicht", sie schüttelte wie wild den Kopf, „Bitte lass mich gehen."
„Ich bin bei dir", er strich ihr beruhigend durchs Haar, „Nur ein Wort und er geht, versprochen."
„Du weißt nicht was du von mir verlangst", sie konnte ihm nicht in die Augen sehen.
„Ich kann mir nicht im geringsten vorstellen was du durchmachen musst", stimmte er ihr zu, doch etwas an seiner Stimme sagte ihr, dass noch etwas kommen würde, dass ihr gar nicht gefallen würde, „Desshalb möchte ihr dir helfen. Ich möchte, dass das endlich ein Ende hat und du nicht mehr leiden musst."
Sie seufzte nur und stieß die Speisesaaltür auf.
Er saß am Tisch bei Jackie und Sam und sie schluckte schwer, als sie ihn sah.
Das war doch verrückt.
„Wenn du es so willst, dann ist er jetzt ein Tok'ra", flüsterte Daniel ihr ins Ohr, „Er kämpft genauso gegen die Goa'uld und hasst Apophis genauso sehr wie du, weil er sein Volk versklavt."
Misha biss fest die Zähne zusammen und ging zum Tisch. Sie zögerte beinahe bei jedem Schritt, jede Faser ihres Körpers war angespannt, weil sie jeden Moment die grausamen Erinnerungen erwartete, die sich jetzt noch tief vergraben in ihrem Kopf befanden.
„Misha Hammond", sie schaffte es nicht ihn anzusehen, sondern sah stattdessen zu Jackie, der sie überrascht ansah.
Sie schloss kurz die Augen bevor sie den Kopf wandte und ihn ansah.
Teal'c, sie erinnerte sich plötzlich wieder an seinen Namen, neigte den Kopf vor ihr und sah sie ohne eine Miene zu verziehen an.
Daniel stand immer noch ganz dicht hinter ihr und hatte ihr eine Hand auf die Schulter gelegt. Sie stand immer noch und machte keinen Anstalten sich zu setzten, doch niemand sagte etwas, jeder schien Angst zu haben, dass ein Wort sie wieder verschrecken könnte.
Die ganze Zeit erwiderte der dunkelhäutige Mann ihren Blick und seine dunkelbraunen Augen schienen tatsächlich eine gewisse Wärme auszustrahlen. Jedenfalls unterschied sein Blick sich eindeutig von dem der anderen Jaffa. Er sah sie nicht wie ein Stück Beute an.
Doch kaum hatte sie das gedacht und sich ein wenig entspannt überkamen sie die Bilder. Die Fünzehnjährige wollte sie zurückdrängen, griff sich mit einer Hand an die Schläfe, als würde es etwas helfen, doch sie schaffte es nicht.
„Nein", rief sie mit zittriger Stimme und fuhr herum.
Daniel zog sie in seine Arme und schlang sie um sie.
„Teal'c", tatsächlich hörte sie seinen Stuhl über den Boden kratzen, als er auf das Wort des Archäologen aufstand.
„Ich würde dir niemals Leid zufügen, Misha Hammond", sagte er zu ihr bevor er ging und erreichte nur, dass sie beim Klang seiner Stimme aufwimmerte.
„Es tut mir leid", murmelte sie in sein Hemd und spürte wie er wild den Kopf schüttelte.
„Es braucht dir nicht leid zu tun", beruhigend fuhr er ihr durchs Haar, „Das war sehr mutig, Misha. Wir werden das schon noch hinbekommen."
„Meinst du?", sie konnte es nicht so ganz glauben und suchte in seinen Augen nach demselben Zweifel.
Daniel lächelte nur sanft und drückte sie auf einen der Stühle: „Ganz bestimmt."
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