Schau nicht zurück

>>> Ein bisschen schwedisch-hawaiianische Party-Stimmung (oben) zum Einstimmen auf  ... Weiteres;) Und "War Chant" passt wie Faust aufs Auge :)


Die ganze Silberhochzeits-Party war, um es kurz zu machen, entsetzlich öde und stinklangweilig. Moritz und Karsten, oder besser Charlene, saßen schon eine ganze Weile auf ihren Plätzen, hielten unterm Tisch Händchen, wann immer es ging, und ließen sich zumindest das Essen schmecken. Es gab Hochzeitssuppe, wie Charlene kompetent bemerkt, anschließend einen deftigen Schweinsbraten mit Serviettenknödeln auf Salatgarnitur und schließlich eine Fürst Pückler Eiscreme.

„Na wenigstens gibt's hier ordentlich zu essen!", fand sie, während sie sich eine zweite Portion Nachtisch gönnte.

„Findest du? Ich find's ja toll, wenn's dir schmeckt, aber ich kriege gerade nichts mehr runter. Deine bucklige Verwandtschaft hat noch kein vernünftiges Wort mit uns geredet, stattdessen glotzen die nur."

Moritz war nicht sicher, was er eigentlich erwartet hatte, aber bis jetzt waren nur die Kinder offen auf das Paar zugegangen. Alle anderen taten direkt so, als würden sie Karsten im Fummel nicht erkennen oder sie trauten sich nicht, den Kontakt mit einer für sie außerirdischen Spezies aufzunehmen. Was also könnten sie tun?

„Komm Schatz, hör mal auf zu essen und überleg mit, was wir machen. So ist es nicht das, was du wolltest, oder?"

Charlene seufzte einmal demonstrativ, als sie das Schälchen Pückler Eis abstellte.

„Nein! Das wollte ich wirklich nicht. Aber das hier kann ja nicht ewig so weitergehen. Wenn wir Pech haben, hält gleich noch jemand eine Rede."

„Dem sollten wir unbedingt zuvorkommen!"

Mit diesen Worten erhob sich Moritz.

„Was hast du vor, mein Mo?"

„Ich geh mal und sag diesem Vogel am Keyboard, dass er ein bisschen Musik machen soll. Oder hast du keine Lust zu tanzen?"

Die Idee war so toll, dass Charlene ganz aufgeregt mit ihren aufgeklebten Wimpern klimperte.

„Oh ja!"

Moritz ging also quer durch den Saal zu dem Alleinunterhalter und bat ihn, irgendetwas zu spielen, zu dem man tanzen könnte. Immerhin sei das hier keine Beerdigung. Der Mann am Keyboard schaute etwas ratlos in die Richtung des Silberpaares. Offensichtlich war vereinbart, dass Karstens Eltern den Tanz eröffnen würden.

„Jetzt komm schon, Mann, die zwei haben aufgegessen. Es wird Zeit, dass sie sich bewegen."

Als zusätzliche Aufforderung zog Moritz eine Augenbraue hoch und steckte dem Alleinunterhalter einen 50 € Schein zu. Der verstand jetzt, dass es dem jungen Mann im schicken Anzug wirklich ernst war und legte los. Mit einer fies fiependen Rückkopplung schaltete er sein Mikrofon an und bat das Silberpaar auf die Tanzfläche. Moritz hielt die Ohren zu und machte sich auf den Rückweg zu seinem Süßen, um ihn zum Tanzen aufzufordern.

Karstens Eltern waren etwas überrumpelt, mochten sich aber auch keine Blöße geben und huschten wie aufgescheuchte Rokoko-Vampire in die Mitte des Raumes. Der Typ am Keyboard spielte nun allen Ernstes den Schneewalzer. Während Vati und Mutti dazu ein paar Runden drehten und die Verwandtschaft im Takt klatschte, erreichte Moritz seine Charlene. Ihr Blick sprach Bände: Wenn du mich zu dem ihr aufforderst, fall ich tot um.

„So schlimm?"

„Total schlimm!", fand Charlene und fächelte sich mit einem der Platzkärtchen Luft zu. Dann nahm sie das andere Platzkärtchen und schrieb einen Titel auf der Rückseite. It's Raining Men.

Moritz las das und grinste beinahe diabolisch.

„Dein Ernst?"

„Aber ja. Geh doch bitte zu der Kleinen von vorhin und sag ihr, dass ich meine Boa brauche. Ich schenk sie ihr sehr gerne, aber ich muss sie mir noch einmal kurz ausleihen."

Das ließ sich der junge Mann nicht zweimal sagen. Wie es jetzt aussah, würde diese lahme Veranstaltung doch noch an Fahrt gewinnen. Ohne Zögern ging er erneut durch den Saal, hinter den Rücken der Gäste, die noch immer das Silberpaar zum Schneewalzer anfeuerten, entlang. Ohne ein weiteres Wort legte er dem Alleinunterhalter das Platzkärtchen mit dem Titelwunsch auf das Keyboard, dazu einen weiteren 50 € Schein. Moritz sah das so: Wenn Charlene jetzt die ganze Bande aufmischte und das 100 € kostete, dann war das doch ein super Geschenk! Oder etwa nicht?

Als Nächstes ging er zu der kleinen Nichte, die mit der aprikotfarbenen Boa bei ihrer Mutti stand, welche gerade nur dämlich klatschend auf die Tanzfläche starrte. Im Nu hatte er die Herausgabe des neuen Lieblingsstücks ausgedealt und machte sich damit auf den Rückweg zu seinem Dicken.

Charlene war inzwischen aufgestanden und hatte ihr Make-up und die Perücke kontrolliert. Jetzt rückte sie sich das Kleid zurecht. Als Moritz mit der Boa kam, strahlte sie ihn an.

„Du bist ein Schatz! Jetzt komm, lass uns tanzen. Schau nicht zurück!"

In dem Moment setzte auch schon It's Raining Men ein. Moritz legte Charlene das Prachtstück aus Federn und Glitzer elegant um die breiten Schultern. Jetzt würde es doch noch richtig losgehen!

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