Same procedure as every year, Moritz!


Das Chez Charlene war an diesem besonderen Abend ganz besonders herausgeputzt, denn es war Halloween. Überall lagen Zierkürbisse, Spinnen und Fledermäuse aus Gummi hingen in den Ecken, die für einen besonders schaurigen Effekt mit Spinnenweben aus der Sprühflasche verziert wurden. Alles, was sonst in Regenbogenfarben glitzerte und blinkte, war verhangen hinter schaurigen, aber wie Charlene fand, höchst echt wirkenden Samtvorhängen aus 100% Polyester. Sie hatte selbst mit Hand angelegt und überließ nichts dem Zufall. Schon gar nicht die kleinste Kleinigkeit, die am heutigen Abend mit ihrer Show zu tun hatte. Die Kostüme des Männerballetts, das immer zu Beginn auftrat und die Musikauswahl waren kontrolliert. Die Perücken ebenso und wo es immer noch zu hell schien, da ließ sie die eine oder andere Glühbirne herausdrehen. Schon um Strom zu sparen in der Krise.

Apropos Krise – natürlich kann man es nicht so nennen, aber Charlenes Superschatz, Moritz, war natürlich wie jedes Jahr sonst vor der Pandemie wieder miteingespannt, und er stand vergleichsweise nervös vor dem Spiegel in der Garderobe und besah sich seine sexy Figur in seinem Kostümchen.

„Charlene, mein Dickerchen! Komm mal her! Ist das so vorgesehen, dass ich nur diesen Fummel von einer Badehose oder was das ist, trage?", rief er.

Sogleich öffnete sich die Tür einen Spalt und sein Freund, bereits zu 85% in Full Drag, schob sich durch.

„Ja, das ist richtig so, mein Mo. Du bist doch quasi die Hauptattraktion!"

Moritz seufzte. Ja, den Teil hatte er natürlich nicht vergessen, aber wie so oft hatte er Charlenes Kreativität unterschätzt. Bei der Kostümprobe zuhause war die Hose jedenfalls nicht ganz so knapp und noch nicht überall mit Sprühkleber und Glitzer bearbeitet. Auch der – ach je! – puschelige Häschenschwanz hinten war noch nicht dran.

„Es ist Halloween, nicht Ostern!", muckelte er, wohl wissend, dass seine Bemerkung nicht viel nutzen würde.

„Ja-ha", trällerte Charlene nur. „Aber Ostern musste die Show doch ausfallen, wegen Covid. Und ich wollte deinen süßen Knackpo betonen."

Schon klar. Das Schwänzchen musste recycelt werden ...

„Sei doch froh", fuhr sie fort, „dass dein Kostüm so wenig aufwendig ist. Sieh mich an und hilf mir lieber!"

Moritz gab sich in sein Schicksal. Schließlich war er mit dieser Wuchtbrumme ja gerade deswegen zusammen, weil es immer schön bunt und nie langweilig war.

„Na, dann zeig mal", forderte er sie auf und schon drehte sich Charlene vor ihm. Sie trug bereits das nicht so ganz kleine Schwarze mit den angesetzten Tintenfischtentakeln und die dicke Muschelkette. Auch das Make-Up war sehr Disney. Es fehlte nur noch die Perücke und die passenden violetten Schuhe für Ursula, die Meerhexe.

„Wenn du dich so zu nackig findest", überlegte Charlene laut, „können wir dir noch Pailletten ankleben."

„Da sind schon überall welche auf der Shorts."

„Ich meine doch an dich, nicht die Buchse!"

Um Himmels Willen! Moritz erinnerte sich noch sehr gut an das letzte Mal und seine unerwartete allergische Hautreaktion auf Sprühkleber.

„Neee, lass bloß!"

„Alles für die Kunst, meine Sahneschnitte. Und jetzt hilf mir mal. Das Kleid ist noch nicht richtig zu!"

Oh je! So was hatte Moritz befürchtet. Das Ursula-Kostüm war schon mehrfach in Aktion gewesen und bestimmt hatte Karsten in der Zwischenzeit ein bisschen mehr Hüftgold bekommen.

„Dann halt mal ganz doll die Luft an", schlug er vor und positionierte sich hinter Charlene am Reißverschluss. Wenn er es schaffte, den ganz zuzumachen, müsste der schwarze Stretchstoff eigentlich halten. „Auf drei ..."

„Eins, zwei, drei", zählte Charlene und zog den Bauch ein, so gut sie konnte und ganz für die Kunst. Moritz zippelte und zupfte an dem Verschluss und hoffte nur, es würde nichts reißen! Inzwischen lief Karsten/ Charlene rot an. Dann – puh! – war es geschafft. Alle Röllekes noch drin und der Zipper war oben. Moritz nahm sich vor, seinen Süßen in Zukunft öfter zum Park zu locken und zwar nicht mit Eis sondern Sex vielleicht. Das müsste doch helfen ...

„Huuuuhh, danke mein Mo!", flötete Charlene und drehte sich sogleich vor dem Spiegel. „Ganz schön drall, aber das muss ja so sein. Und die Musik kommt eh vom Band. Dann geht das schon."

Moritz grinste. Singen, live, wäre so sicherlich schwierig.

„Welcher Song war es nochmal?", wollte er wissen.

Somebody to love von Queen."

Wie hatte er das vergessen können?

„Warum singst du eigentlich nicht den Song von Ursula?"

„Spinnst du? Das ist doch voll fies, dieses Arme Seelen in Not! Ich interpretiere das frei. Ich bin die arme Seele, die einsame Meerhexe und ich mache einen Zauber zu dem Queen Song und werfe all diese kleinen magischen Trankzutaten in den großen Kessel. Und wenn ich dann beim letzten „Can anybody find me somebody to love?" bin, dann springst du in deiner sexy Meerboy-Badehose aus dem Ding hervor und das Publikum tobt! Das hatten wir doch so abgemacht."

Moritz nickte etwas irritiert. Ja, an seinem Geburtstag, nach mindestens drei Sektchen, da hatten sie was abgemacht. Ein paar Details waren ihm wohl entgangen.

„Ich dachte, ich soll dich ansagen oder so ..."

„Aber das machen doch die Jungs vom Ballett!"

„Wir haben das gar nicht geübt ..."

„Du musst doch nur aus dem Kessel springen. Das hast du an Silvester vor drei Jahren bei der Torte in meiner Doris-Day-Nummer auch schon gemacht."

Da hatte sein Süßer einen Punkt. Und davon abgesehen, fand Moritz die Idee schon wieder so süß, dass es ihm egal wäre, wenn er kopfüber und nackig aus dem Kessel purzeln müsste. Immerhin ging es ja um Kunst. Und Liebe. Und seine Charlene.

😊

https://youtu.be/aA2IRoPFIn0

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