Milchshake

Moritz horchte vor seinem Bildschirm auf. Da war ein Schleppen, Schleifen und Keuchen im Treppenhaus, was nur bedeuten konnte, dass sein Süßer schon zurückkam. Erst 13.55 Uhr. Wie ungewöhnlich! Im Normalfall brauchte Karsten deutlich länger, wenn er seine Nichte nachhause brachte und hinterher noch die Angebote beim Aldi auscheckte. Sie nahmen die Kleine an drei Wochentagen vormittags zu sich, damit ihre Mutti entspannt Home-Office machen konnte. Karsten und erst recht sein Alter Ego Charlene hatten zwar ihr liebe Not mit Violas Schulaufgaben, aber hinterher setzten sie sich immer noch etwas an den Bastel- oder den Schminktisch und machten „was Schönes für Mädels", wie sie stets betonten. Moritz grinste die meiste Zeit an seinem Schreibtisch vor sich hin, wenn die beiden ihren Spaß hatten. Sein Home-Office ging ihm mit dem Lachen seines Dicken und dessen Nichte im Hintergrund deutlich leichter von der Hand.

Als sich der Schlüssel im Schloss drehte, ging er Karsten entgegen. Da sah er auch schon was los war: Karsten hatte einen ganzen zwanziger Karton mit 1l Vollmilch im Tetrapack dabei.

„Du liebes Bisschen, Karsten! Was willst du denn mit so viel davon auf einmal? Und warum hast du nichts gesagt? Ich wäre doch mitgegangen! Immerhin wohnen wir im Fünften."

Sein Pummel stützte sich am Türrahmen ab und wirkte völlig aufgelöst.

„Das ... war ... so halb spontan, ... mein Mo."

„Du kaufst zwanzig Liter Milch ohne Plan?"

Moritz war doch einigermaßen ratlos. Zwanzig Meter Tüll oder Taft hätten ihn weniger überrascht.

„Die war im ... Angebot!"

„Das dachte ich mir."

In der Tat dachte Moritz sich das. Immerhin neigten Karsten und vor allem Charlene zu solchen Einkäufen. Wenn etwas günstiger war als sonst, dann konnte man es sicher brauchen. Und auch viel davon. Er erinnerte sich mit Grausen an die sechs Tuben Hornhaut- Reduziercreme für zarte Füße, die Karsten unlängst angeschleppt hatte. Die roch schlimmer als Omas Latschenkiefer Duschbad, doch tat, was sie sollte. Unter der Bettdecke und in Charlenes Pumps.

„Willst du darin baden?", wagte er sich vor und nahm seinem Schatz die Last ab.

„Findest du ich sollte?"

„Hmmmm..."

„Das ist keine Antwort, mein Mo."

„Ist es für was anderes?"

„Ja, schon. Aber das wollte ich schon immer mal machen!"

Seine plötzliche Begeisterung für den Vorschlag seines Verlobten ließ Karsten direkt vergessen zu keuchen.

„Also, was hast du denn nun vor?", hakte Moritz nach, denn er hatte noch immer keine zufriedenstellende Antwort über den Zweck von zwanzig Tetrapacks.

„Ja weißt du", begann Karsten mit einem Charlene-würdigen Augenaufschlag, „Viola und ich, wir wollten eigentlich Milchshakes machen. Ich habe doch noch so viel Lebensmittelfarbe von Ostern. Da wollten wir welche in allen Regenbogenfarben machen."

Sein Mo nickte. Das klang ja toll: ein Riesenspaß für kleine und große Mädels!

„Super Idee. Ihr räumt die Küche aber hinterher zusammen auf."

„Ja natürlich! Wofür hältst du uns?"

„Für unberechenbar ..."

„Da könntest du recht haben", muckelte Karsten und freute sich, weil es ja eigentlich ein Kompliment war.

"Weißt du was, mein Mo?"

„Was denn?"

„Wenn wir zwei jetzt nochmal zum Aldi gehen und jeder von uns nochmal so viel Milch schleppt, dann könnte ich tatsächlich darin baden."

„Was?"

„Ja! Mir dir natürlich!"

Moritz bekam sein Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.

„Du meinst: Du und ich, in vierzig Litern heißer Milch. Gleich heute?"

„Aber ja, worauf warten? Du bist doch im Home-Office und musst nicht früh raus ...", schlug Karsten vor und legte so einen gewissen Ton in die Stimme. „Und außerdem, wenn ich nochmal die Treppe runter und rauf muss, brauche ich ein Bad."

Das sah Moritz nun wirklich total ein.

„Na, dann komm, mein Süßer. Sonst ist am Ende die Milch alle. Nimmst du deine Bademilch eigentlich geschüttelt oder gerührt?"

Karsten lachte und verpasste seinem Mo einen dicken Schmatzer auf die Wange.

„Das findest du nachher noch früh genug heraus!"


https://youtu.be/H5MduYLe2lA

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