Babyparty

„Karsten bist du da?"

Moritz horchte, doch es kam keine Antwort. Er musste nicht überlegen und rief noch einmal. „Charlene? Was ist, Dicker, geht's dir gut?"

Dieses Mal rührte sich etwas.

„Natürlich bin ich da, Mo. Wo sollte ich denn sonst sein?"

Die Stimme kam ungewöhnlich kleinlaut aus dem Schlafzimmer und tatsächlich saß Karsten dort auf der Bettkannte und trug sein neues Lieblingskostüm für die Eartha Kitt-Nummer, die er gerade einstudierte: Seine cremefarbene, extralange, flauschige Boa aus Fake Fur. Sonst nichts. Wie Eartha. Trotzdem sah er nicht glücklich aus. Moritz setzte sich zu ihm und legte ihm liebevoll den Arm um.

„Was ist los? Klappt der Act nicht? Du hast das doch bestimmt inzwischen drauf. Kann ich mal sehen?"

Normalerweise war Mos Interesse und eine Bitte von dieser Art etwas, das seinen Süßen garantiert aufmunterte, doch heute blieb es Fehlanzeige.

„Ach", seufzte er in der für Charlene typischen, etwas übertriebenen Art und Weise.

„Machst du dir etwa Sorgen, weil du noch immer nicht weißt, wann du wieder auftreten kannst?"

Irgendwie schien dies das Naheliegendste zu sein. Seit Monaten war Karsten nicht auf der Bühne gewesen und ob der Szeneclub, in dem er seine Travestie-Show hatte, überhaupt die Corona-Krise überstehen würde, stand noch in den Sternen. Der Ausfall der Gage war da das kleinere Problem, denn Moritz verdiente in seinem Job als Webdesigner nicht schlecht und außerdem waren da noch die Kostüme, die Karsten für andere Künstler entwarf und nähte. Zugegebenermaßen lag das gerade auch etwas auf Eis.

Karsten schaute seinen Freund an. „Wenn man das so nennen kann! Natürlich mache ich mir so meine Gedanken, aber hauptsächlich ist mir langweilig!"

„Seit wann ist dir langweilig, wenn du eine neue Nummer probst?"

„Na, seit ich fünf neue Nummern draufhabe und niemand sie zu sehen bekommt."

„Was ist mit mir? Ich krieg sie doch zu sehen ..."

„Das ist nicht dasselbe."

Also schön. Da hatte Karsten einen Punkt. Er brauchte sein Publikum. Er wollte gesehen und bewundert werden. Nicht nur von seinem Süßen.

„Was ist", startete Moritz einen nächsten Anlauf, „wenn wir was unternehmen? Wir könnten immer noch die Einladung zu dieser dummen Babyparty mit zwei Meter Abstand bei deiner alten Schulfreundin annehmen."

Sein Schatz runzelte etwas echauffiert die Stirn.

„Die von Samantha? Nie im Leben! Sie hat mich nur eingeladen, um zu zeigen wie schlank sie trotz Babybauch ist und um zu sehen wie dick ich bin!"

„Jetzt übertreibst du. So fies ist sie nicht. Und du bist nicht so dick."

„Vergiss es! Wenn ich in diesen schweren Zeiten auch noch daran erinnert werde, dass ich wieder mal Diät machen sollte, dann ist meine Laune ganz hin."

Moritz blinzelte mit den Augen und kniff seinem Süßen in die Röllchen.

„Du sollst gar nichts. Es ist alles perfekt wie es ist."

Karsten kicherte und zog die Fake-Fur-Boa in gespielter Entrüstung enger.

„Du bist wie immer ein ganz Schlimmer!"

„Na, das weißt du doch."

Moritz legte einen extra Hauch Sexappeal in seine Stimme, denn erstens fand er seinen Freund natürlich total zum Anbeißen und zweitens schien die Aussicht auf ein verfrühtes Schäferstündchen dessen Laune zu verbessern. Noch bevor Karsten sich versah, angelte Moritz blitzschnell nach dem Ende der Boa und zog daran. Sein Dicker lachte auf.

„Was machst du?"

„Na was schon. Erst wickel' ich dich aus, Eartha, dann zeigst du mir deine Nummer und ich dir eine von meinen. Und wenn wir dann viel später noch Lust dazu haben, machen wir uns ein paar Cupcakes. Auch ohne Babyparty."

Karsten strahlte jetzt über das ganze Gesicht.

„Das ist ein toller Plan, mein Mo!"

„Oh ja. Dann mal los!"

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