Kap. 15
Flashback Levi
Schweißgebadet riss der Junge seine Augen auf und richtete sich auf der Matratze auf. Seine Brust zog sich zusammen. Er brauchte einige Minuten, um wieder richtig atmen zu können. Angestrengt massierte Levi sich die Schläfe, und erhob sich von der gefederten Unterlage.
Jede Nacht erwachte er mit pochenden Kopfschmerzen. Seine Beine führten ihn hinüber ins Badezimmer, wo er sein Gesicht mit kaltem Wasser benetzte. Gedankenverloren schweifte sein Blick durch die Einraumwohnung, als er das Bad wieder verließ. Angesichts der Tatsache, wie dreckig und staubig es hier war, kam dem Jungen in den Sinn, dass es kein Wunder war, dass es ihm körperlich nicht gut ging.
Oder lag es doch an der Stimme? An dieser Stimme, die ihn immer wieder durch die Träume begleitete? Anfangs hatte sie noch den Klang seiner Mutter. Die ihm eine bessere Zukunft versprach und meinte, der graue Himmel würde auch bald für ihn aufbrechen. Doch mit der Zeit verstummte sie immer mehr. Bis nur noch die vage Erinnerung daran blieb, wie die Stimme seiner Mutter klang.
Levi seufzte dunkel auf. Jeden Tag fragte er sich aufs neue, warum er mit dem Alten mitgegangen war. War es die Angst vor der Einsamkeit, die ihn dazu getrieben hatte? Er wusste es nicht.
Aber tief in seinem kleinen Kinderherz, war ihm bewusst geworden, wie sehr er seine Mutter vermisste. Der Alte hatte seit jenem Tag, nicht ein Wort mehr darüber verloren. Stattdessen zog er mit dem Jungen, von einem Motel ins nächste. Levi wusste nicht einmal, wie lange sie wohl in dieser Wohnung bleiben würden.
Der Alte hatte gegenüber Levi nur erwähnt, dass sie einem alten Freund von ihm gehörte, der ihm noch etwas schuldig war. Der Junge verstand diese Worte nicht und nahm sie so hin. Allgemein erzählte der Alte nicht wirklich viel von sich, wenn er denn mal nach tagelanger Abwesenheit wieder auftauchte. Levi wusste nur seinen Namen und dass er zu viel trank. Alles andere war dem Jungen verborgen.
Er erinnerte sich noch gut an den einen Tag, als der Alte ihn in irgendeine Kneipe mitgeschleift hatte. Im hintersten Zimmer, musste sich das Kind die ganze Zeit anhören, dass er bei dem Spiel gut hinschauen sollte und sich jede Regung der Spielteilnehmer einprägen sollte.
Menschenkenntnis entwickeln, nannte es Kenny.
Doch für Levi war es nur wieder irgendein kompliziertes Wort der Erwachsenen. Das Spiel arte auch schnell in einer Schlägerei aus. Wo der Alte, einem Teilnehmer ein Messer in die Kehle rammte, noch bevor der Junge realisiert hatte, dass etwas Rotes aus dem Körper des Mannes trat, schleifte der Alte ihn auch schon mit sich und sie verließen das Stadtviertel. Solche Unternehmungen kamen immer öfter vor. Und Levi begriff langsam, wie die Welt der Erwachsenen funktionierte.
Nur wurde ihm eine falsche Welt aufgezeigt.
Auch wenn ihm Kenny, im Umgang mit dem Messer, einiges beibrachte, so begriff der Junge dennoch nicht so ganz, wozu das alles gut war. Er wollte sich nicht streiten, oder schlagen. Unterbewusst wollte er immer noch das Versprechen halten, was er seiner Mutter gegeben hatte. Es genügte schon, dass der Alte immer wieder gegen ihn stichelte, wie klein Levi doch war, und er in dem einen Jahr, seid dem er bei ihm war, nicht gewachsen sei. Doch aufgrund der Lebensverhältnisse, kein Wunder, dachte sich der Junge. Wenn es mal etwas zu essen gab, bestand die Mahlzeit nur aus Brot, und dem Alten reichte eine Flasche Whiskey.
Völlig in Gedanken fuhr das Kind auf, als plötzlich die Haustür aufknallte. Abrupt wandte er seinen Kopf zur Tür und erblickte den Alten. Eine etwas ältere Frau war zu seiner Seite und hatte ihre Arme um seine Schultern geschlungen. Erschrocken wich Levi zurück und zog sich ein Stück hinter dem Küchentresen zurück. Kenny lachte amüsiert auf. Sofort schlug dem Jungen starker Alkoholgeruch entgegen.
»Was ist das denn?! Du hast ein Gör?!«, murrte die Frau und nahm Kenny die Whiskyflasche ob, um einen Schluck zutrinken.
Der Alte schloss die Tür und warf seine Schuhe, quer durch den Raum. »Tcch! Wo denkst du hin, Weib? Ich lach' mir kein eigenes Balg an! Ich pass' nur auf den Bastard auf.«
»Ach so?! Du hast also auch eine väterliche Seite?«, merkte die Frau überrascht an. Ihr Zeigefinger strich seine Brust entlang. »Irgendwie macht mich das an«, säuselte sie weiter.
Levi presste die Lippen zusammen. Ihm war die ganze Situation äußerst unangenehm. Sein Magen verkrampfte sich immer mehr, bei dem immer stärker werdenden Alkoholgeruch. Kenny brummte nur und führte die Frau ins Wohnzimmer. Argwöhnisch beobachtete der Junge die beiden.
»Oii! Levi! Wieso bist du überhaupt wach?«, knurrte der Alte und setzte sich mit seiner Begleiterin auf die Couch. Der Schwarzhaarige kam hinter dem Tresen hervor und schritt in den Raum hinein. Mit angewinkelten Beinen setzte er sich auf die Matratze und legte sich die Decke über die Schultern.
Ohne ersichtlichen Grund lachte Kenny kehlig auf. »Ach, bestimmt hattest du wieder einen Albtraum«, feixte er und grinste schief. »Na, hast du wieder nach deiner Mutter geschrien?! Gott! Fast jede Nacht kreischst du mir die Ohren voll. Kein Wunder, dass ich dein Geplärre nur voll ertrage«, fuhr der Alte grimmig fort und entzog der Frau die Flasche, um selbst wieder einen langen Schluck zunehmen.
Levi schob die Brauen zusammen. Er schrie doch gar nicht, während er schlief! Oder? Er konnte sich nicht erinnern. Bestimmt zog der Alte ihn nur wieder auf. Also erwiderte der Junge nichts und legte sein Kinn auf seine Knie ab. Kenny hatte auch schon längst seine Aufmerksamkeit auf die Frau gerichtet, die mit ihrer Hand sein Hemd aufknöpfte, während er seine Lippen auf die ihren presste. Irritiert beobachtete der Junge das Schauspiel, legte sich auf die Matratze und zog die Decke über seinen Körper.
»Hey! Was ist mit dem Bengel?! Ich will nicht, dass er uns zu sieht«, erklang die Stimme der Frau. Levi schaute zu den Beiden auf. Kenny knurrte nur und drängte ihren Körper rücklings auf die Couch. »Moment! Warte mal!«, presste sie stockend hervor.
Doch Kennys Gesicht verzog sich nur missbilligend und er verpasste ihr eine Ohrfeige. »Halt die Fresse! Glaubst du, das interessiert mich?!«
Geschockt sah die Frau ihn an. Auch Levi richtete sich nun auf und beobachte die Szene mit großen Augen. Die Begleitung presste entrüstet die Lippen zusammen und stieß Kenny von sich, ehe sie von der Couch aufstand. Jedoch kam sie gar nicht weiter, denn der Alte drehte ihren Arm hinter ihren Rücken. Der Körper der Frau krümmte sich und ihr Gesicht verzog sich Schmerz-verzerrend.
Der Junge war wie versteinert und starrte die beiden weiter an.
»Lass mich los, du Arschloch!«, zischte sie. Kenny schnalzte abfällig mit der Zunge und holte ein Messer aus seiner Gesäßtasche. Dessen Klinge richtete sich an die Kehle der Frau.
Levi hielt die Luft an. Er wusste, was jetzt passieren würde. So etwas hatte er schon oft gesehen, wenn er mit dem Alten wieder in einer Kneipe war.
»Wie war das, du Hure?! Du Flittchen machst mich erst scharf und dann machst du einen Rückzieher? Nur weil der Bengel hier ist?«, knurrte er tonlos und stieß sie grob nach vorne. Die Frau landete auf allen Vieren vor der Matratze.
Dann ging alles sehr schnell. Ohne dass der Junge so schnell begreifen konnte, was vor sich ging. Der Alte zog die Hose der Begleiterin aus und drehte sie auf den Rücken. Kreischend schlug die Frau um sich. Doch Kenny erwiderte ihre Versuche, sich zu wehren, nur mit einem dreckigen Grinsen. Sein Messer fand den Weg in die Schulter der Frau, die nun schmerzverzerrt wimmerte und sich kein Stück mehr rührte, während der Alte seine Hose runterzog.
Die Bewegungen, die der Alte dann bei der Frau machte, waren für den Jungen unverständlich. Er verstand nicht, was Kenny da machte. Aber tief in seinem Inneren kam ihm dieses Bild bekannt vor. Das qualvolle Schluchzen der Frau, ließ seinen Magen verkrampfen. Levi schloss die Augen und presste sich die Hände gegen die Ohren.
Er wollte nichts mehr sehen. Er wollte nichts mehr hören.
Dann war es plötzlich Totenstill. Zögerlich öffnete der Junge die Augen.
Die Frau starrte mit weit aufgerissenen Augen zu ihm herüber. Ihr Kopf war nach hinten geneigt. Nur spärlich konnte Levi den großen Schnitt an ihren Hals erkennen. Langsam färbte sich der Fußboden rot. Levi's Augen wanderten weiter zu Kenny, dieser leckte gerade über die blutverschmierte Klinge und entfernte sein Unterleib aus der Frau.
Mit einem dreckigen Grinsen zwinkerte er dem Jungen zu. »Oii! Kleiner! Das bleibt unser Geheimnis, verstanden?«
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