Kap. 11
Levi Flashback
Der kleine Junge schnaubte, gespielt beleidigt, auf und entzog sich der Hand. Die durch sein dichtes schwarzes Haar fuhr. Sie wusste doch ganz genau, wie wenig er es leiden konnte, wenn sie dies tat.
»Wo hast du dich wieder herumgetrieben? Selbst deine Haare sind voller Staub«, seufzte sie und ging vor dem Jungen in die Hocke. Mit besorgter Miene musterte sie seine Kleidung. Auch auf dieser befand sich Dreck und Schmutz. Ein kleiner Riss zog sich seinen Ärmel entlang. Doch das war alles nicht so schlimm, dachte die Frau. Es war viel wichtiger, dass es ihm gut ging. Seine aufgeplatzte Unterlippe war schon schlimm genug. Sanft nahm sie sein kleines Gesicht in beide Hände.
»Was ist diesmal passiert, Levi? Du sollst dich doch auf keine Streitigkeiten einlassen.« Der Junge strich sich über die Unterlippe und schob verärgert die Brauen zusammen. Da bemerkte sie, dass seine Fingerknöchel leicht errötet waren.
»Sie sind selber Schuld«, brummte er. »Dieser Abschaum.«
Seine Mutter tippte ihn an der Stirn an. »Rede nicht so, junger Mann! Und hör auf so grimmig drein zu blicken. Das gibt später nur Zornesfalten«, ermahnte sie ihn und seufzte wieder.
Levi wiederum verzog keine Miene. Sie konnte sich schon denken was wieder passiert war. Diese Gegend war voll mit Leuten, die sich mehr um das Leben anderer scherten, als um ihr eigenes. Kriminalität war hier an Tagesordnung. Nur zu gerne würde sie ihrem Sohn ein anderes Umfeld bieten. Doch es war äußerst schwierig, anhand des spärlichen Einkommens, Ersparnisse anzulegen. Sie versuchte das beste daraus zumachen, was ihr Kellnerinnenjob abwarf. Bei ihrer vorherigen Arbeit hätte sie weitaus mehr am Tag verdient. Jedoch, kam dieser, seid Levi’s Geburt, auf keinen Fall mehr infrage!
Aber, so wie es nun mal hieß, die Welt war klein und ihre Vergangenheit machte natürlich die Runde.
Wieder entfloh ihr ein Seufzer. »Ich lass’ dir ein Bad ein«, sprach sie ruhig und richtete sich wieder auf.
»Mama?«
»Hmm?«
»Was ist eigentlich ein Hurensohn?«
Kuchel sog scharf die Luft ein.
»W-woher hast du dieses Wort, Levi?!«, presste sie geschockt hervor.
Der Junge schob eine Haarsträhne aus seinem Blickfeld. »Das haben die Jungs vorhin gesagt. Ich weiß nicht, was das bedeutet. Aber mir gefällt das Wort nicht. Ich hatte das Gefühl es ging gegen dich.«
»Das ist ein böses Wort, Levi. Ich will nie wieder, dass du es in den Mund nimmst! Verstanden?!«, forderte sie. Levi verzog die Mundwinkel und ging ohne weiter nachzufragen ins Bad.
Kuchel massierte sich die Schläfe. Kinder konnten grausam sein. Dabei wiederholten sie auch nur, was sie von den Erwachsenen hörten. Ohne sich der Bedeutung bewusst zu sein. Und leider neigte ihr Sohn dazu, gleich jeden zum Schweigen zubringen, sobald er sich provoziert fühlte. Vor allem, wenn er bemerkte, dass die Äußerungen gegen seine Mutter gingen. Es war nicht das erste Mal, dass er deswegen in eine Schlägerei geriet. Sie machte sich Sorgen um die Zukunft ihres Sohnes. Er war gerade mal sieben Jahre alt, und dennoch lernte er schon die dunkle Seite der Menschen kennen. Nur zu gerne würde sie ihn davor bewahren. Ihn in einem ordentlichen Umfeld aufwachsen sehen. Doch das Ersparte reichte noch nicht aus, um dieser Gegend den Rücken zukehren.
Tief seufzend wandte sich Kuchel um, und begann damit, das Essen vorzubereiten.
*
Die Abendsonne färbte den Himmel in einen glühenden hellen Ton. Während Levi auf den Weg zurück nach Hause war. Seine Mutter sollte jetzt eigentlich von ihrer Schicht zurück sein. Dem Jungen war es nicht entgangen, wie abgespannt und erschöpft seine Mutter die letzten Wochen wirkte. Sein kleines Herz schmerzte bei diesen Anblick und ihn tat es leid ihr immer wieder Sorgen zubereiten. Er wollte sich doch gar nicht streiten. Nur dieser Abschaum provozierte ihn immer wieder aufs neue, mit Dingen, die Levi nicht verstand. Aber er wusste, dass es etwas Schlechtes gegenüber seiner Mutter sein musste.
Es war doch nur natürlich, dass er sie verteidigte, oder nicht?! Was gab ihnen das Recht so über sie zusprechen? Wenn sie nicht bereit waren, damit aufzuhören, dann mussten sie es eben spüren.
Doch dieses Mal ging er ohne Zwischenfälle nach Hause. Mit dem kleinen Blumenstrauß in der Hand. Er wollte sich bei seiner Mutter entschuldigen.
Noch einmal atmete er tief durch, als er vor der Haustür stand. Zum Glück hatte ihn keiner mit den Blumen gesehen. Bestimmt würde der Abschaum ihn damit aufziehen. Er war ein junger Mann und hatte schließlich auch seinen Stolz. Levi schob irritiert die Brauen zusammen, als dumpfes Gepolter aus der Wohnung drang. Seine Muskeln spannten sich an, und ihm überkam ein ungutes Gefühl.
Seine Hand legte sich auf die Türklinke und drückte sie ganz langsam herunter. Leise stieß er die Tür auf und trat in den Flur.
Augenblicklich weiteten sich seine Augen, bei dem Anblick der sich ihm bot. Die Stühle waren umgekippt und Schubladen waren aufgerissen. Ein paar, der wenigen Habseligkeiten, die sie besaßen, lagen verstreut auf dem Boden. Zögerlich schritt Levi immer weiter in die Wohnung. Was war hier passiert? Und wieder vernahm er das Poltern. Es schien aus dem Schlafzimmer zu kommen.
Vorsichtig trat der Junge näher zur Tür heran, die einen Spalt geöffnet war. Sein kleines Herz pochte unregelmäßig, und seine Kehle schnürte sich zu.
Seine Mutter lag auf dem Bett, über ihr war ein fremder Mann gebeugt und hielt ihr offensichtlich den Mund zu. Der Oberkörper seiner Mutter war entblößt und ein dreckiges Grinsen zierte die Züge des Mannes.
Levi ließ den Blumenstrauß fallen. Jeglicher Muskel in seinen Körper spannte sich an. Seine Gedanken rasten. Egal, was dieser Mann gerade tat, es war ersichtlich, dass seine Mutter es nicht wollte. Sein kleiner Kiefer spannte sich an.
Gerade, als er die Hand ausstreckte, um die Tür weiter zu öffnen, wurde sein Körper mit einem Ruck in die Höhe gehoben. Hektisch zappelte Levi mit den Beinen, und wandte seinen Kopf nach hinten.
Ein weiterer Mann hatte ihn am Kragen gepackt, und hielt den Jungen nun in der Luft, als sei er ein Welpe. »Na, wen haben wir denn da?!«, grinste er breit, und trat die Schlafzimmertür mit seinen Fuß auf. Levi ruderte immer noch wild umher und versuchte nach hinten hin auszutreten. »Hey, Markus, sieh mal wen ich hier habe.«
Der Angesprochene sah auf und ließ das Kleid von Kuchel auf den Boden fallen. »Wo kommt das Gör her?!«, fragte er zischend. Die Augen seiner Mutter weiteten sich geschockt und die Hand des Mannes presste sich stärker auf ihren Mund, während sich sein Griff um ihr Handgelenk verstärkte.
»Keine Ahnung. Das stand hier an der Tür. Vielleicht ist es ihr Balg?«
»Das interessiert mich nicht. Hast du das Geld gefunden?«
Der andere nickte. »Ja, war in einem Buch drin«, antwortete er dem anderen. Levi drehte seinen Kopf blitzschnell herum und verpasste dem Mann eine Kopfnuss. Dieser ließ ihn vor Schreck fallen, und hielt sich die Stirn. »Aah! Du … du Drecksbalg!«, knurrte er und funkelte Levi hasserfüllt an.
Dieser versuchte sich vom Boden aufzurappeln. Doch, noch ehe es ihm gelang, trat der Mann ihm schon mit Schwung in die Magenkuhle. Der Körper des Jungen schleifte über den Boden, gegen den Kleiderschrank. Unbeirrt, verharrte der andere Mann, namens Markus, weiterhin auf Kuchel und schaute ausdruckslos dem Treiben zu.
»Was machst du da, verdammt?! Bring den Jungen zum Schweigen. Er nervt!", brummte er gereizt und wandte sich wieder Levi’s Mutter zu. »Ich will nicht gestört werden, wenn ich meinen Spaß habe.«
Levi’s Körper durchzog ein stechender Schmerz und er hustete brüchig. Trübe wanderten seine Augen zu seiner Mutter. Diese hatte die Augen zusammen gekniffen und dumpfe Laute drangen durch die Hand des Mannes, während er ihre Beine öffnete. Der Körper des Jungen bewegte sich kein Stück. Wie paralysiert schaute er zu, wie seine Mutter sich versuchte verzweifelt zu wehren. Mit einer, für Levi undeutbaren Bewegung, beugte sich der Mann weiter über Kuchel, und stieß seine Hüfte immer wieder zu ihr heran.
Levi wurde wieder am Kragen gepackt, und auf die Füße gezogen. Das Letzte, was seine kleinen Kinderaugen sahen, war der verzweifelte Ausdruck im Gesicht seiner Mutter. Das Letzte, was seine kleinen Ohren vernahmen, waren ihre dumpfen Schreie. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.
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