98. Oma hat recht
So, Australien kommt wirklich verdammt nah. Endlich.
Das Buch hier sollte ich bald abschließen können, aber wie gesagt, vorher haben wir alle noch was Loszuwerden (ich bin mir nicht ganz sicher, aber es sollten zumindest nicht mehr mehr als 15 Kapitel werden. Andererseits bin ich echt schlecht darin, Enden zu finden, also...mal sehen)
Time takes time to heal it
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Pov Franzi
Harry hatte absolut gar keinen Sinn für Dramatik oder ein Gespür für den Höhepunkt eines Spannungsbogens.
Die ganzen letzten Tage hatte ich mir die Fingernägel kurzgekaut, meine Haare lockig gedreht und meine Nächte mit dem Hoffen verbracht, weil ich Harrys Antwort herbeisehnte - die richtige Antwort. Meine Nerven hatten blank gelegen, die Nervosität war kaum auszuhalten und die Anspannung unerträglich gewesen. Einen Plan B hatte ich nämlich nicht.
Und Harry besaß die Frechheit, mir seine Antwort an einem Sonntagabend entgegen zu flüstern, während ich mit meiner Oma telefonierte. Was ein Idiot! Da wartete ich tagelang auf eine glorreiche Verkündigung oder eine emotionale Entschuldigung und er öffnete die Tür, bemerkte mein Telefonat, flüsterte ein leises Ich komme mit, wenn das Angebot noch steht und verschwand wieder. Welcher Mensch machte sowas?!
Ich fluchte laut in den Hörer und ignorierte Omas Beschwerden gekonnt, während ich mich aus meinen Bettdecken wühlte - ich hatte eine menschliche Sushirolle dargestellt, bis Haz hier reingeplatzt war. Scheiße, der konnte doch nicht einfach so wieder gehen!
,,Oma, tut mir leid, was Wichtiges! Ich muss Harry einfangen.", prustete ich schwer atmend ins Handy, der Bettdeckenkampf zerrte an meinen Kräften.
,,Oh je, ist etwas passiert?", fragte meine Oma mit Besorgnis in der Stimme nach und verstand offensichtlich nicht, dass ich mich hier grade beeilen musste.
,,Er hat mir eine Antwort gegeben, ich denke ein Ja. Aber der zischt mir hier nicht einfach so ab, das will ich nochmal bestätigt haben, zur Not schriftlich! Mein Herz macht das doch nicht mit!", meckerte ich und schaffte es auch beim vierten Versuch nicht, meinen rechten Fuß zu befreien.
,,Scheiß Decke, verpiss dich!"
,,Franzi, Ausdrucksweise!", motzte Oma ermahnend, lachte aber Sekunden später auf.
,,Hast du dich verfangen?"
,,Nein, ich mache das hier zu Spaß Omi.", meinte ich sarkastisch und rollte mit den Augen, bevor ich endlich die blöde Wolldecke von meinen Füßen stieß. Blödes anhängliches Ding. Sollte sich wen anders zum Kuscheln suchen.
,,Ich muss jetzt los, Oma!"
,,Gönn dem Jungen doch ein bisschen Ruhe, Herzchen. Er hat dir sein Ja gegeben, oder?"
,,Ja...aber...das reicht doch nicht, das war so im Vorbeigehen. Was, wenn er es wieder zurücknehmen will?", grummelte ich und wollte am Liebsten auf den roten Hörer drücken, um meine Oma auszublenden. Mein Herz pochte in meiner Brust, ob nun vom heftigen Kampf oder Harrys Aussage wusste ich nicht. Ich wollte einfach nur sicher gehen. Meine Nerven machten nicht nochmal so eine Zitterpartie mit.
Erstaunlich, wie verdammt wichtig es mir war, Haz mitzunehmen. Aber das war eben die beste Möglichkeit, ihn wirklich zu stärken, um eine Trennung von Derek wirklich in Realität zu verwandeln.
,,Wird er nicht. Du hast ihn verstanden und er hat dir sein Wort gegeben. Wenn er wirklich der Harry ist, von dem du mir erzählt hast, nimmt er es nicht zurück.", belehrte mich meine Oma trotzdem weiter und ich seufzte, während mein Gehirn wie ein langsamer Computer gemächlich hochfuhr.
Die Worte meiner Großmutter setzten sich in meinem Kopf fest und ich dachte für einen Moment darüber nach, meine Aufregung ausblendend. Konnte sie recht haben?
Harry würde es vermutlich genauso meinen, wie er es gesagt hatte. Seine Entscheidung war nach fünf Tagen nicht grade impulsiv oder unüberlegt gefallen, also würde er sich wahrscheinlich nicht nochmals umentscheiden. Und wenn Harry einem etwas versprach und wusste, wie wichtig das Ganze war, tat er alles, um dieses Versprechen, sein Wort, wirklich umzusetzen. Er würde nicht mehr abspringen.
Als diese Erkenntnis durch meinen Geist sickerte, spürte ich eine Welle der Erleichterung durch mein Herz schwappen. Ein verdammt intensives Gefühl, weil all die Anspannung und die Sorge mit einem Schlag fortgespült und durch diese Wärme ersetzt wurden, die nach und nach alle Ecken meines Körpers ausfüllte. Mir fielen nicht nur Steine vom Herzen, sondern eine ganze Felsformation. Und das war keine Redensart, nein, alles fühlte sich innerhalb von wenigen Sekunden so massiv viel leichter an, dass ich mein Herz hüpfen spürte.
Und Oma hatte recht. Ich setze Harry genug zu, ich bedrängte ihn wider besseren Wissens immer wieder, ich sollte es hierbei belassen. Jetzt wieder nachzuhaken und alles zu hinterfragen würde ihn höchstens zum Zweifeln bewegen, helfen würde es niemandem von uns.
So ein Mist. Ich war schon wieder viel zu temperamentvoll voran geprescht, ohne eine Sekunde nachzudenken. Wäre vermutlich besser gewesen. Ich stöhnte leise. Daran sollte ich arbeiten.
,,Oma. Danke.", seufzte ich ins Handy und ließ mich rücklings aufs Bett fallen, wo ich mich abermals in den Decken einkuschelte. Die ganze Wohnung schien in den letzten Tagen auszukühlen, die Heizungen waren nur im Wohnzimmer und bei Louis und Zayn im Zimmer überhaupt spürbar aktiv. Harrys Zimmer glich der Arktis und meins...naja, vielleicht Skandinavien oder so. Es war aushaltbar und die Decken eine echte Hilfe, aber ich freute mich mit jeder Minute in der kalten Februarluft Londons auf die Hitze Australiens. Meine Heimat.
Ich grinste breit. Harry mit der wunderschönen Landschaft meines abgelegenen Zuhauses bekannt zu machen würde einfach nur toll werden. Ich freute mich riesig, dass er mitkam, mal vom Nutzen der ganzen Sache abgesehen.
,,Keine Ursache. Ich kenne dich schon was länger, Liebes, ich weiß, dass dein Temperament manchmal zu schnell ist. Hab dich lieb.", entgegnete Oma mir und ich blinzelte, als ihre Stimme mich in die Gegenwart zurückholte. Die Bilder der Farm, der Pferde und dem Meer standen mir zu realistisch vor Augen.
,,Jaja."
,,Freust du dich?"
,,Wegen Harry? Ernsthaft? Natürlich freue ich mich! Ich war so aufgeregt, er musste einfach ja sagen...ich weiß nicht, was ich sonst getan hätte.", lachte ich, während die Erleichterung noch immer in Form von Wellen durch meinen Körper wog. Ich zog eine der Decken ein Stück höher, um mich einzukuscheln. Omas Stimme erklang aus dem Handy.
,,Sehr gut! Ich weiß ja nicht, was genau da losgeht, aber es scheint wirklich wichtig zu sein, dass dein bester Freund einen Urlaub bekommt. Mach dir keine Sorgen, ich nehm ihn schon unter meine Fittiche.", verkündete Oma bestens gelaunt und ich konnte sie förmlich lächeln sehen. Sie liebte es, Menschen zu umsorgen, für sie da zu sein und sie zu bekochen. Der arme Harry würde nicht einmal in die Küche dürfen, Oma würde darauf bestehen, ihm alles zu zaubern, was er sich wünschen könnte. Ich grinste.
,,Da mache ich mir gar keine Gedanken drum, Omi, du schaukelst das mit Liebe. Ich hoffe nur...es funktioniert auch alles so, wie ich mir das vorstelle."
,,Du könntest mich einweihen, das weißt du, ja? Vielleicht könnte ich etwas tun...?", schlug meine Oma vor, aber ich schüttelte instinktiv den Kopf. Das wäre falsch.
,,Es ist Harrys Geschichte, nicht meine. Ich hoffe, er wird in der Zeit die richtigen Erkenntnisse haben. Ich hoffe einfach, dass die neue Perspektive ausreicht. Andererseits...Haz weiß eigentlich längst, was zu tun ist. Er braucht nur Kraft.", überlegte ich laut, erntete dafür ein verstehendes Grummeln. Sie konnte eben wenig zu dem Sachverhalt sagen.
Für einen Augenblick blieb die Leitung still. Ich wanderte in Gedanken durch die letzten Tage, Louis und meine Nervosität, die Fragen der Anderen, die gemerkt hatten, dass wir schrecklich hibbelig waren. Harrys Gesichtsausdruck, wann immer Derek in der Schule um die Ecke kam und ihn ansprach. Sein beschleunigter Atem, sobald der Schwarzhaarige mal wieder zufällig in derselben Bahn auftauchte, die wir nutzten. So ging es nicht weiter. Und hoffentlich würden sich diese Probleme mit Australien auflösen.
,,Ich schätze, ich muss auflegen, Liebling.", entschuldigte sich meine Omi Minuten später mit bedauerndem Tonfall und weckte mich aus den Tagträumen. Ich blickte zu Uhr.
,,Du musst die Pferde füttern gehen, hm? Kann Dad das nicht mal machen? Oder seine wundervolle Geliebte?", meckerte ich. Nicht, weil Oma jetzt auflegen musste - das würde sie sowieso tun, sie musste langsam aus dem Bett, im Gegensatz zu London war es dort nicht Abend, sondern morgens - sondern weil meine Oma...eine Oma war. Nicht mehr die Jüngste. Ja, sie war gesund und munter, aber mein Vater könnte ihr Wenigstens die morgendliche Fütterung abnehmen. Aber nein. Er kümmerte sich um alles, nur nicht die Tiere.
,,Du weißt, dass dein Vater nicht gut mit den Pferden umgehen kann, Franzi. Das ist in Ordnung so."
Ich schnaubte. Sollte er es eben lernen. Er lebte dort, aß, schlief und wohnte unter Omas Dach. Da konnte er auch mehr arbeiten als die Farm einfach nur intakt zu halten und einen Stallburschen nach dem anderen anzuheuern und wieder zu verscheuchen. Idiot.
,,Mom wäre dir eine größere Hilfe."
Der Satz war gemein. Und er tat weh. Aber ich hatte ihn gedankenlos ausgesprochen, wie so oft, wenn ich mit Oma redete. Ich hörte, wie sie die Luft einsog und sofort grub sich die Schuld in mein Herz. Verdammt. Mom war ihre Tochter gewesen, sie vermisste die rothaarige Frau gewiss ebenso stark wie ich selbst.
Es war nicht fair, Dad mit ihr zu vergleichen. Er hatte sie auch geliebt.
,,Franzi. Dein Vater hilft so gut er kann und auch Monika trägt ihren Teil hierzu bei. Wir vermissen beide deine Mutter und natürlich könnte sie mir mit den Pferden helfen, würde sie noch leben. Aber sie ist auch hier aufgewachsen. Sei nicht so streng mit deinem Dad, hm?", erklärte Oma mir nach einem Moment, in dem sie sich gefasste hatte. Sie klang gleichzeitig ernst und sanft. Ich ließ die Schultern hängen.
Das ‚er ist der, der mich fortgeschickt und aufgegeben hat, ich habe nicht damit angefangen, unsere Beziehung zu zerstören' sparte ich mir. Irgendwo hatte ich doch noch Respekt vor Oma. Und ich war erwachsen. Ich konnte meinen Streit mit Dad selbst mit ihm besprechen, Oma würde ich nicht mit reinziehen. Sie hatte genug Sorgen. Und ohne meinen Vater würde sie die Farm aufgeben müssen, das wusste ich.
Ich schluckte den Schmerz und die Wut hinunter, vergrub die Trauer und Frustration wieder tief in mir, bevor ich aufatmete. Meine Augen glitten zu meinem Schreibtisch. Der rote Bilderrahmen. Meine wunderschöne Mom, ich und ihre liebste Stute. Der Anblick stimmte mich zwar erneut traurig, aber ihr Gesicht schenkte mir so viel Ruhe, dass ich meiner Oma antworten konnte, ohne laut zu werden. Das verdiente sie nicht.
,,Ich weiß. Ist schon gut, tut mir leid. Ich habe dich lieb."
,,Ich dich auch, mein Herzchen. Ich freue mich auf dich.", akzeptierte meine Oma die Entschuldigung, ihre Stimme erneut triefend vor Liebe. Ich musste trotz Allem Lächeln.
,,Ich mich auch auf dich. Bis dann. Gib Khya einen Kuss von mir.", erwiderte ich den Gruß und lächelte der dunklen Stute auf dem Bild sanft zu, bevor ich auflegte. Die Morgenrunde meiner Oma war fällig.
Entkräftet sank ich zurück in die Kissen und vergrub das Gesicht darunter. Scheiße, meine Gefühle spielten völlig verrückt. Erleichterung, Sehnsucht, Euphorie, Frust, Trauer. Was denn noch alles?
Nicks Gesicht tauchte aus dem Nichts vor meinem inneren Auge auf. Ich hielt inne und horchte in mich hinein. Würde jetzt noch der Liebeskummer dazukommen, um mir den Atem zu rauben, meinen Magen umzukippen und mir die Tränen in die Augen steigen zu lassen?
Nein. Kein Kummer, kein gebrochenes Herz was sich bei dem Gedanken an diese grünen Augen meldete. Nichts, was auf meine zerstörte Liebe hindeuten konnte. Wut, ja. Ein wenig Hass, ja. Aber kein Kummer. Nichts, was wehtat.
Ich lächelte. Über Nick war ich dann wohl halbwegs hinweg. Etwas Gutes, oder?
Zufrieden schob ich meine negativen Gefühle beiseite und entsperrte mein Handy erneut, um Louis eine kurze Nachricht zukommen zu lassen. Immerhin verdiente auch er es, von der ganzen Nervosität erlöst zu werden.
H kommt mit. Danke für deine Hilfe! Hast was gut bei mir!
Die Antwort blinkte nur Sekunden später auf und brachte mich zum liebevollen Lächeln.
Solange du gut auf ihn Acht gibst und vielleicht Erfolg hast, bin ich dir was schuldig, nicht andersrum.
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Pov Harry
Louis Zimmer war warm, roch nach ihm und erschien mir im Halbdunkeln so gemütlich, dass ich nicht anders konnte, als mich ohne zu Zögern auf sein Bett zu schmeißen.
Louis lachte rau auf, als er von seinem Handy aufblickte und mich ausgestreckt auf der Matratze liegen sah.
,,So müde Haz?"
Ich grummelte und vergrub das Gesicht in den flauschigen Kissen, um meine roten Wangen zu verbergen. Schon seit über zwei Stunden fühlte ich mich ziemlich erschlagen und hatte mich mit lustigen Memes wach gehalten, um nicht an einem Sonntagabend um acht in die Welt der Träume zu fallen. Die letzten Tage des Nachdenkens hatten mich einfach unheimlich geschlaucht. Gepaart mit den gemischten Gefühlen, die in meinem Inneren ihre Kämpfe austrugen.
,,N' bisschen.", murmelte ich also und schloss die Augen. Die Wärme des Zimmers und des kuscheligen Bettes drang durch meine Haut und wusch die Gänsehaut und die Kälte schneller fort als ich gähnen konnte.
,,Dann lass uns schlafen gehen.", vernahm ich Lous ruhige Stimme. Rasch zog ich den Kopf aus den Federn und rollte mich mit zusammengekniffenen Augen auf den Rücken.
,,Nichts da! Du bist nicht mal müde, wir können noch was machen. Film sehen, reden, was immer du magst. Wir könnten auch Zocken wenn du magst oder...", widersprach ich hastig, wurde aber von Louis unterbrochen, bevor ich noch weiter plappern konnte.
,,Sei schon still, dir fallen gleich die Augen zu. Wir müssen morgen wieder früh aufstehen, es ist nichts Verwerfliches dann um halb elf ins Bett zu gehen, Hazza."
Ich wollte erneut etwas erwidern, wurde aber von einem herzhaften Gähnen davon abgehalten. Verräterischer Körper! Louis grinste freundlich und stand dann von seinem Schreibtischstuhl auf, um sich zum Kleiderschrank zu bewegen. Aus trägen Augen beobachtete ich den Wuschelkopf dabei, wie er die Türen aufriss und sich eine Jogginghose aussuchte. Nach welchen Kriterien war mir schleierhaft, Louis halber Klamottenbestand existierte aus diesen Hosen, ob nun schwarz, grau oder blau, mit Taschen, ohne Taschen...und mindestens zwei dieser Hosen hingen bei mir drüben rum.
,,Ich geh mich fertig machen. Bis ich wiederkomme könntest du ja schonmal einen Pyjama anziehen, hm?", schlug Louis sanft vor und öffnete die Tür zum Flur. Ein schmaler Lichtstreifen zeichnete einen Fluss aus Helligkeit durch den Raum. Ich blinzelte. Nickte. Die Tür fiel wieder ins Schloss.
Müdigkeit kroch durch meine Adern und ich ließ mich erneut in die Kissen zurückfallen. Nur eine Minute die Augen schließen, dann würde ich rübergehen und mir was zum Schlafen anziehen, ganz bestimmt. Ich gähnte. Louis Duft kroch in meine Nase und ich seufzte wohlig.
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,,Harry? Haz? Na komm schon, du musst aufwachen.", weckte mich eine in meinen Augen viel zu laute Stimme aus der samtigen Dunkelheit des Schlafes. Murrend drehte ich mich zur Seite.
,,Du musst zum Schlafen was anderes tragen, Sun. Ich weiß, du bist müde, aber in Jeans mit Gürtel kann das nicht angenehm sein.", redete Louis weiter und ich spürte seine Fingerspitzen sanft über meine Wange streicheln. Genüsslich lehnte ich mich in die Berührung und sonnte mich in der Zärtlichkeit. Ich vermisste die Nähe. Und mein Gehirn war vor Müdigkeit gänzlich vernebelt.
,,Will nicht.", grummelte ich also lediglich und blinzelte unter Anstrengung zu Louis hoch, der anscheinend neben mir auf dem Bett hockte. Ich erkannte dank dem warmen Licht der Nachttischlampe die Belustigung, aber auch die Entschlossenheit in seinem Blick und stöhnte auf. Der würde mich zum Umziehen zwingen, wenn es sein musste.
,,Ich hol's dir rüber, hm? Ein Shirt und eine Pyjamahose, dann ziehst du dich um und wir können schlafen, versprochen."
Jaja. Geh doch. Ich blieb still und genoss erneut seine sanfte Berührung auf meiner warmen Haut, die allerdings Sekunden später verschwand, als Lou sich vom Bett schwang und über den Boden tapste. Ich murrte leise, Louis lachte.
In meinen Augen zogen sich die nächsten Atemzüge unnötig in die Länge, aber bald darauf stand Louis mit meinem Pyjama in der Hand wieder neben dem Bett und zog mich in die Senkrechte. Er schien wirklich gar nicht müde zu sein und erneut fühlte ich mich schlecht dafür, ihn jetzt zum Schlafen zu bewegen. Ich öffnete den Mund, aber der Blauäugige kam mir zuvor.
,,Nein. Ich gehe mit ins Bett. Und jetzt beweg dich ein Stück, ja?"
Ich seufzte leise, ließ mich aber doch hochziehen. Mit etwas wacherem Blick nahm ich Louis meine Klamotten ab - irgendwie hatte er eine Schlafanzugshose von Niall und mir unbekanntes Shirt erwischt - und schälte mich aus dem roten Pullover, den ich heute getragen hatte. Louis wandte sich räuspernd ab und ich meinte eine leichte Röte über seine Wangen kriechen zu sehen.
,,Fertig.", murmelte ich Sekunden später und schob meine Klamotten auf einen Haufen, ehe ich mich unter eine der weichen Decken kuschelte und Louis auffordernd musterte.
,,Kommst du?"
Mein bester Freund lächelte eine Spur verlegen und krabbelte dann ebenfalls auf die Matratze. Ich spähte zur Decke hinauf und beobachtete kurz den gelb schimmernden Plastikstern. Diesen Anblick liebte ich.
Louis drehte die Nachttischlampe so, dass sie den Raum mit einem schwachen Lichtschimmer von seiner Finsternis befreite und zupfte dann kurz an meinem rechten Arm, den er unter der Decke zu fassen bekam.
,,Möchtest du die Vorhänge auf und Licht aus oder das Licht an und die Vorhänge aus oder beides oder keines oder...", fragte er ein wenig unsicher und ich lachte leise auf. Ein bisschen süß, wie er sich alle Mühe gab.
,,Alles ist okay Lou, lass es so, wie es grade ist und beweg dich nicht mehr, ja?", kicherte ich und drehte der Kopf, um ihm zuzuzwinkern. Louis musterte mein Gesicht für einen Moment, dann drehte er sich ohne Vorwarnung auf die Seite und stützte sich auf seinen Ellbogen. Überrascht sah ich ihn an.
,,Harry, wie geht es dir?"
Ich zog eine Augenbraue hoch. Wie jetzt? Ich war müde, das wusste er doch.
Jetzt unsicher betrachtete ich den Jungen vor mir. Wie meinte er die Frage?
Louis Stirn wurde von Falten der Sorge geziert und am Liebsten würde ich die Hand ausstrecken, um seine Haut zu glätten. Er sollte fröhlich sein und lachen, nicht grübeln und bangen. Ebenso gerne wollte ich diese flauschigen Haare berühren, die wie immer in alle Richtungen verteilt auf seinem Kopf lagen. Mein Blick wanderte weiter zu Lous Augen. Dieses einzigartige, wunderschöne blau, so viel intensiver als der Himmel oder das Wasser. Einfach schön. Und darin lag so viel Zuneigung, dass mir ein heißer Schauer über den Rücken kroch. Wärme breitete sich in mir aus, als ich Louis Wangenknochen, die geschwungenen Lippen und seine unter meinem Blick roten Wangen musterte.
Er war so hübsch. So schön.
Überrascht blinzelte ich. Der Gedanke war neu. Ja, Louis war schon immer gut aussehend gewesen, auch für mich, blind war ich jetzt nicht. Aber ich hatte meinen besten Freund noch nie als hübsch bezeichnet, das wusste ich. Aber machte das überhaupt einen Unterschied? Vermutlich nicht.
,,Sun?"
Ich atmete tief ein, bevor ich wieder in Louis blaue Augen sah und mir auf die Unterlippe biss. Richtig, er hatte eine Frage gestellt. Und so gerne ich mit einem einfachen Gut antworten wollte, ich konnte ihn jetzt grade nicht belügen. Nicht in diesem Moment der Wärme und Ruhe zwischen uns, nicht, wenn er mich Sun nannte. Ich wollte den Augenblick nicht mit einer Lüge besudeln. Kurz blinzelte ich wieder zu dem Stern hinauf.
,,Ich weiß es nicht, Lou. In letzter Zeit war alles so verdammt viel...ich weiß überhaupt nicht mehr was ich fühlen oder denken soll. Es ist...laut in mir drin. Ich habe keinen Durchblick mehr, welche Emotionen oder Gedanken grade wichtig sind."
Mit der Antwort war vermutlich nicht viel anzufangen, aber ich war ehrlich gewesen. Ich lächelte zaghaft.
,,Okay. Ich kann mir nicht ausmalen, was in dir los ist. Vielleicht kannst du in Australien ja ein bisschen Ruhe sammeln, hm?", entgegnete Louis leise und malte mit seinen Fingern Muster auf die Haut über meinem Handrücken. Ich nickte vorsichtig. Vielleicht. Und ich war dankbar, dass Louis nicht nachhakte. Ich war müde. Und über Gefühle zu sprechen war nichts, was ich gerne tat. Überhaupt tat.
Ich gähnte. Louis lächelte und ich grinste müde zurück.
,,Lass uns schlafen, ja?"
Louis rollte sich zurück auf den Rücken und ich zögerte einen Moment. Ich wollte an ihn heranrücken um seine Nähe spüren zu können, ich wollte meinen Kopf auf seiner Brust ablegen, um seinen Herzschlag zu hören, aber war das überhaupt in Ordnung? Ich hatte Louis nie gefragt, ob ich mit ihm kuscheln durfte. Und außerdem...Dereks Gesicht tauchte vor meinen Augen auf. Die markanten Gesichtszüge. Die wunderschönen Augen, so schwarz wie ich sie noch nie anderswo gesehen hatte. Die kleinen Fältchen unter seinen Augen. Das Muttermal unter dem linken Nasenflügel.
Ein scharfer Schmerz durchzuckte mich und ich kniff die Augen zusammen, um nicht loszuheulen. Hier zu flennen wäre Lou gegenüber nicht grade fair. Und er könnte meinen Liebeskummer auch nicht verstehen, nicht nach dem, was Derek getan hatte. Wir getan hatten.
,,Komm schon her, Hazzy.", flüsterte Louis und zwang mich dazu, meine brennenden Augen zu öffnen, um zu ihm herüber zu spähen. Er hatte seine Arme geöffnet und forderte mich stumm dazu auf, mich zu ihm zu kuscheln. Er schien im Halbdunklen nicht sehen zu können, dass sich das Wasser in meinem Blick sammelte, aber seine verlockende Wärme zog mich magisch an. Ich unterdrückte ein Schluchzen und kroch in Louis Arm, lauschte seinem Herzen. Er roch so gut.
Der Schmerz ebbte ab und die Müdigkeit kehrte ohne Warnung zurück. Ich vermied jeden weiteren Gedanken so gut wie möglich, senkte die Lider und gab mich der Geborgenheit in diesem Raum, bei Lou, hin. Er begann, leise zu Summen und ich schluckte den Rest Trauer in mir hinunter. Mein Kopf wurde abermals vom Schlaf vernebelt und ich gähnte ein weiteres Mal.
Kurz bevor die Stille des Schlafes mich packen und ins Land der Träume führen konnte, hörte ich die leisen Worte, die Louis mir ins Ohr hauchte, als wolle er mich keinesfalls wecken.
,,Es wird alles gut werden, Sun. Ich bin für dich da. Ich wünschte, ich könnte dir deine Last abnehmen und sie selbst tragen."
Ich konnte das laute Nein nicht mehr aussprechen, aber der Gedanke durchzuckte mich dennoch, bevor ich endgültig Opfer der Müdigkeit wurde. Nein, das wünschst du dir nicht.
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Ein bisschen Larry Content. Ich hoffe, es hat euch gefallen.
Und die arme Franzi, die mit ihrer Familie kämpft ):
Hab euch lieb!❤️
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