73. Angst und Manipulation
Zeitsprung zum Vorabend von Harrys Geburtstag.
Nochmal Louis Pov, bisschen länger geworden, aber ich fand es anders nicht gut genug.
Hab euch lieb, danke für alles!
Time to heal my heart
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Pov Louis
Meine Traurigkeit hatte sich in den letzten zwei Wochen zur reinen Angst entwickelt.
Angst ist ein uraltes, tief im Wesen des Menschen verankertes Gefühl, dass sich nicht wirklich definieren lässt. Dieser Druck auf der Brust, die quälenden Sorgen und sich im Kreis drehenden Gedanken, der ganze beengende Zustand an sich...all das kann man mit der Angst in Verbindung bringen, aber es scheint so, als könnte man den Begriff des starken Gefühls einfach nicht in Worte fassen. Vielleicht ist eben dieses Unbestimmte, das die Angst am besten beschreibt. Und doch ist sie etwas Grundsätzliches, das einfach zum Leben dazugehört.
Ich hasste die Angst. Sie war jetzt erst seit kurzer Zeit mein ständiger Begleiter, aber schon jetzt wusste ich, dass sie weitaus mehr sein konnte als eine schwache Prüfungsangst, die Nervosität vor einem Arztbesuch oder das mulmige Gefühl im Magen, wenn man nach Anbruch der Nacht noch in einer dunkleren Ecke Londons unterwegs war.
Meine Furcht war etwas ganz anderes als alles, was ich je gespürt hatte. Nicht oberflächlich, nein, ich hatte einfach nur nackte Angst um meinen besten Freund. Es erschien mir so, als würde ich an nichts anderes mehr denken können, als an Harry und die Gefahr, in der er an Dereks Seite nun mal schwebte.
Es belastete mich unheimlich, dass er nicht in Sicherheit war. Dass ich nun mal nicht jede Sekunde des Tages auf ihn aufpassen konnte und dass Harry seinem Freund bereitwillig die Möglichkeit gab, ihn zu verletzten. Das war zwar nicht wieder vorgekommen und wir hatten Harry auch nicht mehr allein zur Wohnung des Schwarzäugigen gehen lassen, aber ich fürchtete jede Minute, den Lockenkopf, der mir so unendlich viel bedeutete, erneut im Krankenhaus besuchen zu müssen.
Ich verstand Harrys Beweggründe noch immer nicht und ich war mir nicht mal sicher, ob ich das überhaupt konnte oder wollte, aber es änderte sich nichts an der Tatsache, dass ich meinen Freund beschützen wollte.
Die Traurigkeit war wieder in mein Herz zurückgekehrt, hatte die Sehnsucht nach Liebe mit sich gerissen und mich mit der reinen Angst zurückgelassen. Ich wusste nur nicht, was ich tun sollte. Wie ich mit diesem Gefühl umgehen konnte.
Wie ich mit Harry umgehen sollte.
Zwischen uns hatte sich eine Distanz entwickelt, eine scheinbar unüberbrückbare Schlucht, die ich nicht überwinden konnte. Wie sollte ich auch? Harry tat einfach so, als sei all das nie passiert, als wüssten wir nichts über seine Panikattacken und Dereks Art, seine Aggressionen an Haz auszulassen und ihm völlig die Kontrolle über sein eigenes Leben zu nehmen. Aber wir wussten es. All diese Dinge hatten sich in mein Hirn gebrannt und ich fühlte mich fast schon übergangen, indem Harry einfach weiter seine Rolle spielte und sich in seinem Bett von den Verletzungen erholte.
Es tat weh.
Und so konnte es nicht weitergehen. Nicht nur Harrys Wohlergehen, sondern auch meines litt hier ungemein. Ich wusste, dass ich diese ganze Situation nicht länger aushalten konnte, ich musste etwas tun. Und morgen war Harrys Geburtstag, sein 18. um genau zu sein.
Wir hatten früher immer darüber fantasiert, wie es wohl als Erwachsener sein musste. Hatten es uns ziemlich cool ausgemalt. Aber die Realität sah ganz anders aus. Im Augenblick wünschte ich mir eigentlich eher, wieder ein Kind sein zu können, für das die Welt aus nichts als Regenbögen und Einhörnern bestand. Gut, für mich vielleicht aus der Farbe Grün und Fußball, aber es lief aufs selbe hinaus: ich war glücklich gewesen. Und Harry und ich waren uns so verdammt nah gewesen...ich wünschte mir nichts sehnlicher als diese Nähe zurück.
Wir hatten immer geplant, meinen 18. zu ignorieren und seinen dann groß gemeinsam zu feiern. Denn Harry war der Meinung, dass ich, wenn ich denn einmal erwachsen wäre, sicher nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen würde. Könnten wir jedoch gemeinsam feiern, so würden wir auch gemeinsam in die Welt der Erwachsenen eintreten. Soweit zur Logik eines sechsjährigen Harry. Als könnte ich ihn je nicht mehr in meinem Leben haben wollen.
Im Endeffekt hatten wir meinen Geburtstag natürlich doch groß gefeiert, im Haus meiner Eltern und mit einer Menge von Leuten, die mir herzlich egal gewesen waren, solange mein bester Freund, Zayn, Niall, Nils und Liam bei mir waren. Lustigerweise waren Emma und Nils sich an diesem Abend tatsächlich zum ersten Mal näher gekommen und das Glück war perfekt gewesen, da weder Derek noch Nick aufgetaucht war.
Ich erinnerte mich gerne an die Party zurück, die letzte, die ich selbst veranstaltet hatte. Im nächsten halben Jahr, in dem auch Liam und Zayn erwachsen geworden waren, hatten wir begonnen, uns eine Wohnung zu suchen. Und hier hatten wir noch nie eine richtige große Party geschmissen.
Und jetzt stand Harrys 18. Geburtstag an. Und für welche Location hatte er sich entschieden? Natürlich für die riesige Wohnung des größten Arschlochs auf Erden. Gut, die Entscheidung war schon vor über einem Monat getroffen worden, aber sie schien jetzt wie die Ironie des Schicksals. Das erste Mal, das Harry seit dem Nachmittag, an dem Derek ihn verprügelt hatte, in die Wohnung seines Freundes zurückkehrte, war sein Geburtstag.
Aber gut. Haz hatte das Glück, an einem Samstag 18 zu werden, als wollte er am Abend eine Party schmeißen. Ich wusste nur, dass wir morgen Mittag zum Vorbereiten rüberfahren würden und dass ich Harry keine Sekunde allein in Dereks Anwesenheit sehen wollte. Das sollte doch wohl möglich sein.
Aber ich wusste auch, dass ich Harry an seinem Geburtstag mit einem Lächeln gratulieren wollte. Und das bedeutete, dass wir uns aussprechen mussten. Dringend. Jetzt.
Ich packte den Entschluss beim Schopf und rollte mich mehr oder weniger elegant aus meinem Bett, von dem aus ich seit gefühlten Stunden den Plastikstern angestarrt hatte, und eilte zur Tür. Es reichte jetzt. Nachdenken, dann Handeln. Egal, wie unangenehm das sein würde, ich wollte mich ebenso gerne an Harrys Party wie an meine eigene zurückerinnern. Und schön würde sie für mich zu werden, wenn ich und mein bester Freund uns endlich wieder nah waren.
,,Autsch!"
Huch. Da hatte ich in meinem Eifer wohl Franzi über den Haufen gelaufen, die grade mit Grabesmine aus ihrem Zimmer Richtung Küche gestürmt kam.
,,Mach doch die Augen auf, du Blindfisch!", motzte die Rothaarige genervt, während sie sich aufrappelte und mir einen giftigen Blick schenkte. Ich grinste sie nur provokant an.
,,Sorry, Rotkäppchen."
Ja. Der war schlecht. Und alt.
,,Pff.", zischte Franzi nur und drehte sich auf dem Absatz um, um ihren Weg fortzusetzen, was ich ihr gleichtat. Es war doch immer wieder lustig, dieses Mädchen zu nerven.
Ich klopfte sachte an Harrys Tür, als ich sie erreichte. Von drinnen erhaschte ich Harrys sanftes ,,ja?" und schob mich daraufhin ins Zimmer, um nicht halb im Flur stehen zu müssen, der bei uns mit Sicherheit zu jeder Zeit Ohren besaß.
,,Können wir...reden?", fragte ich, während ich mich kurz im Raum umsah.
Dieser sah eigentlich genauso ordentlich und gemütlich, wie er es bei Harry zu jeder Zeit tat, bloß ein paar Dinge fielen mir ins Auge. Die Mullbinden auf dem Schreibtisch, die Flasche Wasser neben dem Bett und die Krücken in der Ecke, welche die einzigen Gegenstände waren, die optisch nicht ins Bild des Zimmers passten und auf Harrys bis heute geltende Krankschreibung hinwiesen.
Mein bester Freund selbst entspannte sich momentan in seinem Bett, gestützt durch etliche flauschige Kissen und unterhalten durch den Laptop, der in seinem Schoß ruhte und irgendeine wahrscheinlich blöde Soap abspielte.
,,Klar, komm her.", antwortete Haz mir leicht überrascht auf meine unsichere Frage und klappte das Gerät zu, um sich mir zu widmen.
Ich trat weiter in den Raum hinein und überlegte, mir Harrys Schreibtischstuhl zum Bett zu ziehen, da zog der Lockenkopf auf dem Bett kurzerhand die Beine zu sich und verschaffte mir damit genügend Platz ihm gegenüber. Mit einem auffordernden Lächeln nickte er mir zu und verlagerte noch einmal vorsichtig das Gewicht, um seine Rippe etwas zu entlasten.
Ich seufzte. Da wollte mir wohl jemand beweisen, wie gut die Verletzung verheilten. Naja, vielleicht stimmte das ja auch, die Krücken brauchte Haz nämlich nicht mehr zwingend.
,,Was ist los, Lou?", riss mich Harry aus meinen Gedanken.
Ich sah auf. Große, grüne Augen musterten mich interessiert, während seine Stimme, die inzwischen wieder ordentlich funktionierte, ganz sanft geklungen hatte. Ich betrachtete die inzwischen verkrustete Platzwunde an Harrys Stirn und die Verfärbungen an seinem Hals, welche zwar deutlich blasser als noch vor zwei Wochen waren, aber dennoch verrieten, was er erlebt hatte. Ebenso stand es um dem Verband, der noch immer die geprellte Rippe stützte, und um Hazzas Handgelenk, das nur noch sanft blau schimmerte.
Dieses Handgelenk war der Grund meiner Angst. Diese Flecken waren der Beweise dafür, dass Derek nicht mal eingesehen hatte, einen riesigen Fehler begangen hatte, dass er sich keineswegs von nun an bessern würde. Dass Harry noch immer nicht sicher war. Und dass ich mich nicht entspannen konnte. Durfte. Würde.
,,Ich möchte das nicht mehr, Haz.", sprach ich aus, was mich hergebracht hatte.
,,Momentan steht zu viel Unausgesprochenes zwischen uns...ich...ich will nicht, dass das so bleibt."
Harry wirkte fast erleichtert, als ich das sagte. Seine Schultern krampften sich zwar zusammen, als behagte ihm die Vorstellung, meine unausgesprochenen Gedanken zu hören, nicht ganz, aber seine Augen leuchteten zustimmend auf. Wenigstens wünschten wir uns also beide unsere unkomplizierte Nähe zurück. Wobei...für mich war die schon lange nicht mehr unkompliziert.
,,Okay. Was...was möchtest du loswerden?", begann Harry und ich hörte das Zittern in seiner Stimme deutlich heraus, ignorierte es aber. Für uns beide.
(Ihr könnt euch ab hier gerne ,,Broken" von Isak Danielson anmachen...ich finde, es passt zu diesem Gespräch und das ist einer meiner Lieblingssongs❤️)
,,Fürs erste will ich einfach sagen, dass du auf mich zählen kannst, okay? Ich bin an deiner Seite, wann und wo auch immer du mich brauchst, ja?", stieß ich aus und kratzte mich nervös im Nacken, als ich aussprach, was mir vorschwebte. Ich dachte nicht weiter nach, ich wollte Harry sagen, was ich dachte.
,,Du kannst mir wirklich vertrauen, Hazza."
Harrys Mine wurde weich, seine grünen Augen strahlten liebevoll zu mir herüber, als ich den Mund schloss und zu ihm hinüber blinzelte.
,,Das weiß ich doch, Boo. Ich weiß, dass du für mich da bist. Und ich vertraue dir auch.", sagte er leise.
Ich schüttelte instinktiv den Kopf. Nein, das tat er nicht. Und das tat weh und ich wusste nicht, woran es lag, aber er vertraute mir eben nicht genug, um mir von seinen Schmerzen, Ängsten und vor allem von Derek zu erzählen. Nicht genug, um sich mir gegenüber wegen der Panikattacken zu öffnen.
,,Tust du nicht, Haz. Zumindest nicht vollständig."
Harry sah erst so aus, als wolle er protestieren, dann huschte ein trauriger Ausdruck über sein Gesicht und er senkte den Kopf, um meinem Blick zu entgehen. Er sah aus wie ein kleines Häufchen Elend.
,,Tut mir leid, Louis."
Ich schüttelte erneut den Kopf, auch wenn der jüngere Lockenkopf das nicht sehen konnte. Das war doch überhaupt nicht der Punkt. Natürlich war es für mich verletzend, wenn mein bester Freund mir eingestand, mi nicht vollständig zu vertrauen, aber was wirklich zählte, war der Grund dafür. Und natürlich was ich dagegen unternehmen konnte. Wie ich Harry dazu bewegen konnte, mir zu vertrauen.
,,Kannst du mir sagen, wieso das so ist, Curly?", fragte ich vorsichtig und fügte den niedlichen Spitznamen hinzu, um Harry zu zeigen, dass ich ihn keinesfalls unter Druck setzte. Selbst wenn hier deutlich zu viel in der Luft hing, was raus musste, ich wollte nicht, dass mein bester Freund sich bei mir unwohl fühlte.
Tatsächlich grinste Haz bei seinem Spitznamen wieder ein wenig. Tja, ich wusste halt von seinem Fetisch für Kosenamen...das musste man doch auszunutzen.
,,Ich...es...ich weiß nicht, Lou. Ich weiß, dass du mich immer unterstützt, aber...manche Dinge spricht man einfach nicht aus, weißt du? Von manchen Dingen will man niemandem erzählen...", antwortete Harry schließlich mit kaum wahrnehmbarer Stimme.
Diese Worte bescherten mir ein ordentliches Stechen in der Brust. Mein bester Freund klang so unglaublich traurig, als er das sagte und sein Gesichtsausdruck war so zögerlich und unsicher, dass ich ihn einfach nur in die Arme schließen wollte. Aber das ging jetzt nicht. Ich wollte immerhin ein für uns beide erlösendes Gespräch führen.
,,Okay.", sagte ich also, wobei ich die Enttäuschung und jegliches Mitleid aus meinem Tonfall verbannte.
,,Hast du mir und den anderen deshalb nicht davon erzählt, was Derek dir antut? Weil du nicht wusstest, wie, und es gar nicht aussprechen wolltest?"
Ich konnte diese Frage nicht umgeben oder mir verkneifen und das wusste ich. Sie beschäftigte mich zu sehr, um sie zu ignorieren und ich wollte wirklich alles zwischen uns los werden. Also musterte ich meinen besten Freund neugierig und wartete auf eine Antwort. Nervosität kribbelte unter meiner Haut wie kleine Käfer unter einer Baumrinde, so unsicher war ich gegenüber diesem Gespräch, aber...es war nun mal nötig.
,,Ich...ich...Louis, vieles davon ist selbstverschuldet und ich bin nicht grundlos mit Derek zusammen, okay? Ich hab mich in ihn verliebt und deshalb verzeihe ich ihm auch, dass er sich eben manchmal nicht unter Kontrolle hat, weißt du? Das tut man doch aus Liebe, nicht?", antwortete Harry mindestens so unsicher wie ich mich fühlte und vermied jeglichen Augenkontakt, während er mit den Fingern an seinem Shirt herum zupfte.
Mein Herz stach für einen Moment unerträglich, als ich das hörte. Natürlich wusste ich von Harrys Gefühlen, aber ihn sagen zu hören, dass er den Schwarzäugigen wirklich liebte, tat weh. Wahrscheinlich mehr, als ich zugeben wollte, aber ich schluckte meine Sehnsucht, Eifersucht und die Schmerzen hinunter, so wie ich es mir nach dem Ausraster mit Niall geschworen hatte. Es ging hier um mehr als meinen Liebeskummer.
Aber Harrys Worte ergaben auch so objektiv wie möglich betrachtet nur wenig Sinn. Egal, wie sehr man einen Menschen liebte...man verzieh ihm doch nicht einfach so, wenn dieser einen ständig schwerst verletzte! Das war doch bei Derek schon kein begrenztes Ausmaß mehr, der Typ musste, wenn er für jeden von Haz ,,Unfällen" verantwortlich war, dann musste er vielleicht alle paar Wochen mal ,,die Kontrolle verloren haben"...Meiner Ansicht nach war der Kerl einfach gestört. Und Harry sollte diese toxische Beziehung der Kontrolle und Machtspielchen schnellstens hinter sich lassen, Liebe hin oder her. Konnte das überhaupt Liebe sein, wo Derek meinem besten Freund sowas antat?
Und selbstverschuldet war hier gar nichts.
,,Nein, Harry. Tut man nicht. Eine Beziehung muss für alle Beteiligten etwas Wundervolles sein. Derek verletzt dich. Das ist nichts Gutes und keine gesunde Beziehung, das ist alles, was Liebe nicht ist. Er müsste alles dafür tun, um dich vor sowas zu beschützen, nicht auch noch selbst dafür sorgen, dass es dir schlecht geht.", entgegnete ich dem Lockenkopf also und bemühte mich um einen möglichst ernsten und eindringlichen Gesichtsausdruck, als Haz zu mir aufblickte.
,,Du meinst...er liebt mich nicht?"
Das war alles, was hängen geblieben war?!
Ich schnaufte leise durch. Scheiße, er sollte begreifen, dass das eine völlig falsche und schlechte Beziehung war!
Ich wusste nicht, ob Derek Haz liebte, seine Blicke und seine besitzergreifende Art sprachen natürlich absolut dafür, aber wie konnte er den Jüngeren dann verletzt?
Er musste gestört sein. Nein, das war ein unschönes Wort, er musste einfach irgendeine Art von psychischem Problem haben, er musste krank sein. Und die Aggressionsprobleme waren das nicht - die hatte ich nämlich auch.
Das konnte ich dem Lockenkopf mit den riesigen Augen vor mir aber schlecht ins Gesicht sagen.
,,Haz...er tut dir weh. Ziemlich extrem sogar. Das darf er nicht. Und es sieht nicht danach aus, als würde er in Zukunft damit aufhören, richtig?", erwiderte ich also stattdessen und bemühte mich dieses Mal um einen möglichst sanften und einfühlsamen Tonfall. Am liebsten wollte ich ihn in den Arm nehmen. Manchmal musste man mit Harry wie mit einem Kind reden. Denn streng benommen war er eins, so gerne und häufig ich das auch vergaß. Zumindest rechtlich gesehen bis morgen.
,,Vielleicht...vielleicht wird er sich ja doch ändern. Wenn ich gut genug bin, wenn ich ihm helfe...er...", stieß Haz jetzt ganz leise aus und seine Schultern sackten zusammen.
,,Glaubst du das wirklich?"
,,Ich muss, Louis! Ich hoffe es einfach!", brach es aus dem jungen Lockenkopf hervor und ich schreckte zurück, als ich dessen sich überschlagende Stimme hörte.
Mein bester Freund starrte mich mit seinen wunderschönen grünen Augen an, in denen nun das Wasser stand. Die erste Träne suchte sich bereits jetzt einen Weg über seine Wange und hinterließ dabei einen nassen Streifen auf seiner hellen Haut, was Harry aber nicht wahrzunehmen schien. Seine Hände zitterten so stark, dass er sich, um sie zu beruhigen, in sein Shirt krallte, wobei er einem kurz schmerzerfüllt zusammenzuckte.
Ich konnte ihn zu anstarren. So verzweifelt und aufgelöst hatte er auf mich nur gewirkt, als er in seine Panikattacken in der Küche geraten war...aber jetzt sah er nicht im geringsten panisch aus. Nein, Harry war einfach verzweifelt und hilflos.
Ich hasste es, wenn er weinte, dann wurde ich jedes Mal schwach.
Ich zögerte jetzt nicht mehr, ihn in den Arm zu nehmen und rutschte näher zu meinem besten Freund, um ihn ganz behutsam an mich zu drücken, wobei ich auf seine Rippe acht gab.
,,Hazza, beruhige dich doch, hey, ich bin hier.", murmelte ich sanft in sein Ohr, während ich seinen wunderbaren Geruch in mich aufzog und hoffte, dass meiner für ihn ebenso angenehm wirkte.
,,I-Ich kann nicht 0-ohne ihn, Lou.", schniefte Harry und vergrub das jetzt tränennasse Gesicht in meiner Halsbeuge. Sein Schluchzen hallte in meinem Kopf wieder, während ich erneut meinen Herzschmerz von mir stieß.
Ich seufzte. Vielleicht war eben dieses Denken seinerseits hier das Problem.
Mir wurde plötzlich bewusst, dass es hier um sehr viel mehr als häusliche Gewalt im physischen Sinne ging. Klar, Derek verletzte Harry extrem und er hatte körperlich zu so viel Schlimmen die Möglichkeit, dass ich meine Angst nur wachsen spürte, aber das war nicht das einzige, was hier abging.
Emotionale Gewalt spielte hier ebenfalls eine große Rolle. Derek hatte Harry einfach schon längst soweit manipuliert, dass er gar nicht wollte, dass sich etwas änderte.
,,Du kannst und du musst, Haz. Das weißt du. So geht das nicht weiter.", antwortete ich also leise und strich dem weinenden Lockenkopf durch die Haare, um ihn zaghaft zu beruhigen. Ich wollte jetzt nicht lügen und klein beigeben, nur weil Harry weinte. Natürlich ließ mich das alles andere als kalt, aber...das hier musste einfach sein. Diese ganze Sache war so viel größer und dunkler, als ich es auf den ersten Blick hin gedacht hatte.
,,Ich mag keine Veränderungen. Ich kann das nicht, Lou. Ich brauche Derek.", nuschelte Harry an meiner Halsbeuge und verpasste mir eine heftige Gänsehaut.
,,Du kannst, Harry."
,,Aber ich...er kann so wundervoll sein, Louis! Wenn ich alles richtig mache, dann ist alles perfekt...er...er ist so ein liebevoller Mensch und...", Harrys Stimme versagte unter seinem Schluchzen. Ich drückte ihn sanft an mich und ignorierte sowohl meine Eifersucht als auch die Wut in meinen Adern, während ich den weinerlichen Geräuschen meines besten Freundes lauschte.
Derek hatte ihn völlig unter seiner Kontrolle. Harry dachte sogar, was dieser wollte.
Es wurde still im Zimmer. Harrys Schniefen und mein betont ruhiges Atmengeräusch waren das einzige, was an meine Ohren drang, während ich meinen besten Freund im Arm hielt, der jetzt vom herzzerreißenden Weinen zu leisen Schmerzenslauten überging. Ich drückte sanft seine Schulter.
,,Weinen tut weh, was?"
Haz nickte nur und rieb sich dann einmal über Gesicht, um seine roten, verquollenen Augen, die nasse Nase und die vor Tränen fleckigen Wangen loszuwerden. Als er sich aufrichtete und geräuschvoll seine Nase hochzog, musste ich mich zurückhalten, um nicht zu lachen. Oder zu heulen. Wahrscheinlich beides gleichzeitig. Er sah einfach zu niedlich...und zu kaputt aus.
Es tat weh.
,,Ich...Louis...ich feiere Morgen meinen Geburtstag. Und dann werde ich über deine Worte nachdenken, ja? Deine Meinung ist wichtig für mich und wenn du recht hast...ich werde drüber nachdenken, ja?", richtete Harry das Wort wieder an mich und schlug die Augen nieder, bevor er doch nochmal die Hand ausstreckte, um meine zu drücken.
Ich schwieg. Was sollte ich dazu auch sagen? Er würde darüber nachdenken. Er wusste von meinen Gedanken. Und ich konnte nur hoffen, dass er dieses Mal richtig entscheiden würde. Auch, wenn ich nicht wusste, wie weit Dereks Kontrolle über seine Gedanken denn nun reichte, wie eigenständig Haz überhaupt noch war.
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Das wars.
Was denkt ihr?
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