113. We'll be alright

Wo Harry letztes Kapitel ja eine absolute Erkenntnis gefasst hat, kann's ja nur bergauf gehen, was?
Freut ihr euch schon auf Weihnachten? Habt ihr Adventstraditionen?
We'll be alright

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Pov Franzi

Scheinbar hatte der kleine Trip durch seine liebsten Erinnerungen Harry ganz schön aufgewühlt.

Ich war ziemlich gerührt, dass es sich bei den Top 3 um Momente mit uns, seinen Freunden handelte, auch wenn ich schon vorher gewusst hatte, wie wichtig wir Harry waren - ich erinnerte mich an Weihnachten und seine Tannenbaumkugel mit unserem Foto als seinem Zuhause. Ich selbst hatte nämlich Augenblicke mit meiner Mom gewählt. Vielleicht war das aber auch etwas anderes.

Harry sah aus, als würde er seine Erinnerungsbibilothek aufräumen, wie er so da saß, tief in Gedanken versunken und mit dem Blick aufs weite Meer hinaus. Er sah älter aus als sonst. Erwachsener. Das war er allerdings ja auch, als vielleicht bildete ich mir diese Ernsthaftigkeit in seiner Körpersprache auch nur ein.

Er reagierte nicht, als Nils ihn scherzhaft fragte, wieso sein erstes Mal nicht zu den top 3 Momenten gehörte, auch nicht, als Oma uns von ihren schönsten Erinnerungen erzählte. Ich überlegte, ob ich ihn anstupsen sollte, ob ich mir Sorgen machen musste, aber Haz atmete tief und gleichmäßig, er hatte weder Schmerz noch Tränen in den Augen und obwohl seine Finger ein wenig bebten, strahlte er auf eine so bestimmte Art und Weise Ruhe aus, dass ich mich zurückhielt. Vielleicht brauchte er den Moment in seinem Kopf. Manchmal musste man sich auf sich konzentrieren und sollte dabei nicht gestört werden.

,,Ich werd's hier vermissen.", seufzte Nils plötzlich und lenkte meine Aufmerksamkeit von meinem besten Freund auf meinen Bruder, der ein klein wenig trübselig nach einem der Weihnachtskekse griff, die Oma eben aus der Küche geholt hatte. Es war nichts besonderes, dass sie auch Anfang März noch Weihnachtsgebäck hier rumstehenden hatte, wenn jemanden dieses Fest liebte, dann Oma. Und dabei hatte sie noch nie in ihrem Leben ein weißes Weihnachten erlebt.

,,Hör auf, mir die Stimmung zu vermiesen.", schnaubte ich und griff nach einem Vanillekipferl, um mich zu trösten. Scheinbar war ich nicht die Einzige, die an den Abschied dachte. Oma lehnte sich lächelnd in ihrem hölzernen Gartenstuhl zurück und schenkte erst Nils und dann mir einen zugleich warmen, aber auch eindringlichen Blick.

,,Noch seid ihr mich nicht los, Kinder. Und dass ihr jederzeit herkommen könnt, wann immer ihr wollt, wisst ihr, nicht?"

Nils und ich lachten einstimmig.

,,Erzähl das mal meinem Kontostand oder der Schule, die erzählen dir da was ganz anderes, nur so zur Info", meinte ich sehnsüchtig und blickte auf das Meer hinaus, um Oma nicht in die Augen sehen zu müssen. Sie würde uns ebenso vermissen wie wir sie und ich wusste, dass Oma ziemlich emotional werden konnte.

,,Noch ist es nicht soweit, Leute, lasst uns doch noch die nächsten Tage zusammen genießen, oder? Die Zukunft wird so oder so kommen", rettete unerwarteterweise ausgerechnet Harry die Situation, als er aus seinen Gedanken auftauchte und in der Gegenwart wieder einatmete. Ich schenkte meinem besten Freund ein Lächeln.

,,Alles klar?"

,,Jetzt schon.", erwiderte er und überschlug dann die Beine.

,,Wer hat Lust auf eine Runde Wer bin ich?, ich liebe dieses Spiel ein bisschen zu sehr, schätze ich."

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Aus einer Runde wurden zwei, dann drei und dann holte Oma den Alkohol. Es wurde eine lange, laute, lustige Nacht voller Lachen und Gemütlichkeit. Das Gefühl von Zuhause war beinah so überwältigend wie am ersten Tag hier und ich vergaß unsere baldige Abreise auch ohne mich völlig zu betrinken.
Mein Kopf beruhigte sich vermutlich eher durch das flüssige Gold, aber es war mir recht, solange ich nicht darüber nachdenken musste, wie die Zukunft werden würde.

Donnerstagmorgen wachte ich auf, spürte die Sonnenstrahlen und die Hitze meinen Körper überrollen und stöhnte, weil das Licht einfach einen Tick zu hell für mich war. So viel zum Betrinken.

Mühselig rollte ich mich aus dem Bett und stampfte - schlurfte - durch das Zimmer Richtung Bad. Eine Dusche sollte das wieder richten, hoffentlich. Ich wollte diesen Tag eher weniger wie ein Zombie verbringen.

Müde tapste ich in den gefliesten Raum und entledigte mich ohne Umschweife meines ohnehin völlig verdrehten Pyjamas in Form einer Shorts und eines Shirts, bevor ich in die Dusche stolperte. Sicherheitshalber packte ich den Duschkopf und richtete ihn gen Boden, bevor ich das Wasser anstellte. Die ICE-Bucket Challenge stand heute trotz der Temperaturen nicht auf meiner to-do-List und so überließ ich es meinen Füßen, die richtige Temperatur zu ermitteln. Es kam mir wie Ewigkeiten vor, aber irgendwann wurde das Wasser tatsächlich ein wenig wärmer. Wirklich warm wollte ich es sowieso nicht haben, ein gepflegtes Mittelding zwischen kalt und lauwarm tat es für mich.

Tatsächlich wirkte das kalte Wasser Wunder, als ich unter den Wasserstrahl tat und sich die Tropfen eifrig daran machten, mir den Schweiß von der Haut zu spülen und meine Locken dazu zu bringen, sich vollzusaugen. Gleichzeitig wusch es nämlich die meine Augen und besonders meine Gedanken trübende Müdigkeit aus meinem Geist, als würden der Wasserstrom durch meine Kopfhaut auch in mein Inneres fließen. Lustige Vorstellung irgendwie.

Wie automatisiert tastete meine Hand um den etwas vergilbten, grünen Duschvorhang herum nach der Flasche Shampoo auf dem Fenstersims. Die Tropfen aus den Augen blinzelnd versicherte ich mich rasch, dass das hier nicht Omas Wundermittel gegen ergrauende Haare war, aber scheinbar konnte ich das Zeug gefahrenlos verwenden. Noch immer angenehm gedankenlos massierte ich die glitschige Substanz in meine Haare und genoss den Moment, als das Wasser nur Sekunden später damit begann, es gemeinsam mit allem, was nicht in die roten Strähnen gehörte, herauszuspülen.

Meine Dusche beschränkte sich ansonsten auf ein schnelles Einseifen und einen genießerischen Moment, indem ich die Ruhe der Welt hinter dem rauschenden Wasservorhang mit halbgeschlossenen Augenliedern genoss.

Alles hatte ein Ende, nicht? Auch der Wasserstrahl und seine Unendlichkeit stoppten abrupt, als meine Hand den Griff herumdrehte. Na gut, der Duschkopf verlor weiter fleißig in unregelmäßigen Abständen einzelne Tröpfchen, aber das lag vermutlich einfach an der Dusche.

Ich stolperte wieder aus den Duschen hinaus und trotz den Temperatur fühlten sich die Fliesen unter meinen Füßen kühler an als der Lufthauch, der mir eine Gänsehaut bescherte. Müdigkeit und Wasser blinzelte ich energisch aus meinen Augen und tastete unterdessen bereits nach einem der leichten Handtücher auf der Stange neben der Tür. Ich schlang es mir um den nassen Körper und rubbelte mir ein wenig zu grob über die Haut, sodass sich ein paar rote Striemen darauf abzeichneten, was mich aber nicht wirklich störte. Bereits jetzt verfolg der kühlende Aspekt des Wassers und länger als nötig wollte ich das Handtuch nicht tragen müssen.

Seufzend griff ich nach der nassen Haarmenge auf meinem kopf, formlos und triefend, bevor ich entschied, die Proteste der Locken zu ignorieren und sie mit einigen schnellen Bewegungen dürftig zu trocken, damit sie mir nicht alles nass tropften. Der Rest würde an der Luft schon trocken.

Um dem beschlagenen Spiegel zu helfen, in den ich sorgsam nicht hineinblickte, stieß ich das Dachfenster auf, bevor ich das Bad verließ, um meinen Kleiderschrank nach etwas zum Anziehen abzusuchen. Immerhin gabs einen Gast im Haus...naja, als Gast empfand ich Harry längst nicht mehr.

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Als ich die Treppe zum Frühstück hinunter stolperte - der herrliche Duft machte es mir schwer, nicht kindisch zu werden und zu rennen - hatte jede Müdigkeit, aber auch jede angenehme Abkühlung meinen Körper verlassen. Während ich die Etage unter meinem Zimmer hinter mir ließ, hörte ich eine weitere Dusche rauschen und wünschte mir für eine Sekunde, das kühle Nass selbst noch einmal spüren zu können, dann dachte ich an das Meer vor meiner Haustür. Wo war das Problem?

,,Morgen, Franzi.", begrüßte mich Oma, als ich die Küche betrat und einmal blinzeln musste.

Das hier war dann mal eine Steigerung all der Mahlzeiten, die wir hier bisher eingenommen hatten. Oma hatte sich so viel Mühe gegeben wie sonst nur an meinem Geburtstag oder an Weihnachten. Sie würde uns definitiv ebenso vermissen wie wir sie.

,,Morgen, Omilein." Ich streckte die Arme aus und zog sie in eine feste Umarmung. Mehr gab es nicht zu sagen. Ich atmete ihren Oma-Geruch ein, der beinah von dem fettigen Süß hier in der Küche überdeckt wurde. Oder beide Düfte vermischten sich so harmonisch miteinander, dass ich sie einfach nicht mehr trennen konnte.

Schweigend schenkten wir uns gegenseitig ein Lächeln, als wir einander losließen und stumm begann ich, die Pfannkuchen in den Pfannen zu wenden, während Oma mit den Waffeln und Beeren beschäftig war. Durch den Herd wurde mir augenblicklich noch deutlich wärmer als zuvor schon, aber als ich heimlich ein Stück Pfannkuchen stibitzte, war es das definitiv wert. Himmlisch, einfach himmlisch.

Das Brutzeln und leise Zischen des Teigs, der in die Pfanne tropfte und kurz darauf mit meiner Abhilfe einen wunderschönen, flachen Pfannkuchen bildete, war eines dieser Geräusche, die ich stundenlang hören und doch niemals als störend empfinden würde. Das Geräusch klang nach Oma, nach Australien, nach mir. Und vielleicht auch nach meiner Mom.

,,Was hast du geträumt?", fragte ich in die Monotonie der Geräuschkulisse hinein und blinzelte zu meiner Oma hinüber, die damit beschäftigt war, das Waffeleisen auszustellen und sich wie immer über den klemmenden Stecker in der Steckdose aufregte. Eine der Aufgaben, die Dad seit Jahren im Haus hatte und niemals umsetzen würde.

,,Einen Haufen Blödsinn. Die Pferde konnten sprechen, glaube ich. Ansonsten ist alles sehr verworren, wenn ich darüber nachdenke.", überlegte Oma und zog ruckartig an dem Stecker. Hilfsbereit löste ich sie mit dem blöden Teil ab und überließ ihr die Pfannkuchen.

,,Was dir das wohl mitteilen soll?", scherzte ich dann und zog kräftig an dem weißen Teil. Immer noch keine Bewegung. Wenn ich noch mehr Kraft aufwenden würde, denn würde ich vermutlich die Steckdose aus der Wand reißen.

,,Vermutlich, dass ich die Pferde keine Wörterbücher mehr fressen lassen sollte." Ich blinzelte.

,,Bitte was?!"

,,Nur ein Spaß, Franzilein, so senil bin ich dann doch nicht.", lachte Oma und zwinkerte mir zu, bevor sie die mir einen neugierigen Blick zu warf. Ich versuchte das mit dem Stecker nochmal. Erfolglos.

,,Was hast du denn so im Traum erlebt, hm?", fragte Oma, als ich ärgerlich die Fingerknöchel knacken ließ. Das durfte doch wohl nicht wahr sein!

,,Weiß nicht. Viel. Nichts. Keine Ahnung.", schwindelte ich dann und verdrängte meinen Traum, den ich sicher nicht mit meiner Oma teilen würde. Im Laufe des Tages würde ich ihn sowieso vergessen, so war das eben mit Träumen. Manchmal war das gut und manchmal vermisste man die Erinnerung noch ein bisschen, so paradox das auch klingen mochte.

Oma schnaubte und wendete einen der Pfannkuchen. Entweder war sie beleidigt oder belustigt, schwer zu sagen, manchmal lag beides zu nah beieinander.

,,Na gut, behalts für dich, in deinem Alter hat mich meine Mutter immer mit jeder einzelnen Frage zur Weißglut gebracht.", ruderte sie dann zurück und ich grinste bei dieser Vorstellung. Meine Urgroßmutter hatte ich nie kennengelernt, aber Oma, Mom und ich waren uns allein vom Temperament her schon immer sehr ähnlich gewesen, wieso sollte meine Uroma da anders gewesen sein?

Ich ließ den Stecker Stecker sein und angelte die Brötchen eins nach dem anderen aus dem Ofen, während wieder ein wenig Stille in der Küche einkehrte. Oma briet die letzten Pfannkuchen, das Zischen erstarb und die Hitze im Raum wurde nun doch etwas unangenehm, wenn ich ehrlich war. Das Meer rief nach mir, definitiv.

,,Morgen.", grüßten Nils und Harry unison, als sie gemeinsam die Küche betraten, beide mit nassen Haaren und einem Grinsen im Gesicht. Wenn da Mal nicht jemand gut gelaunt war. Oma lächelte.

,,Morgen, ihr beiden. Gut geschlafen?", fragte sie. Nils nickte und Harry gesellte sich an meine Seite.

,,Kann ich dir helfen?"

,,Nope. Ich schneid die hier jetzt noch eben auf und dann muss alles auf den Tisch, das wars.", versicherte ich meinem hilfsbereiten - oder besessenen - besten Freund energisch und wies auf die frisch gebackenen Brötchen im Korb neben mir. Dann besann ich mich eines Besseren.

,,Warte...kriegst du den Stecker da raus?"

Harry zog verwirrt eine Augenbraue hoch, probierte sich aber an dem blöden Teil, das mich aktiv mobbte, da war ich mir sicher. Und weil er nun mal Harry war, löste sich der Stecker nach nur einem Versuch aus der Steckdose und mein bester Freund hielt ihn mir verwirrt hin.

,,Klar, Bitteschön." Oma lachte.

,,Jaja, lass mich doch.", spielte ich die Beleidigte, grinste Haz aber dankbar an und schickte in dann zu Nils, damit beide Jungs den Tisch denken konnten. Mit Harrys Hilfe würde das auch Nils perfekt gelingen.
Der Morgen war wunderschön, perfekt und versprach einen wundervollen Tag. Ich lächelte und packte das Brotmesser.

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Nach dem Frühstück gingen wir tatsächlich alle gemeinsam Schwimmen, auch Oma. Die Wellen waren erfrischend kühl, das Wasser spülte jede Spur Schweiß von meiner Haut und die Sonne trocknete meinen Körper bereits nach wenigen Minuten am Strand, als ich aus dem Meer krabbelte.

Ich war glücklich damit, einfach hier zu liegen die Sonnenstrahlen auf meinem Körper zu genießen, dem Meeresrauschen zu lauschen und meine liebsten Menschen neben mir zu haben. Natürlich nicht alle, aber in diesem Moment störte mich nicht mal die Abreise morgen. Das hier war pure Erholung. Grade fühlte ich mich absolut allem gewachsen.

Als Nils und Harry zum fünften Mal in einer Stunde in die Wellen stürmten, blieb ich mit geschlossenen Augen auf dem Rücken liegen. Oma hatte sich eben verabschiedet, um ein paar Getränke zu organisieren, weil sie der Meinung war, wir würden sonst alle eingehen, und ich genoss den Moment der Ruhe. Trotzdem grinste ich, als ich Nils Gekreische hörte, weil das Wasser ihm wie jedes Mal zuvor doch zu kalt war. Mein Bruder konnte nicht anders.

Ein leises, aber penetrantes Handyklingeln riss mich aus meinem Frieden und irritiert richtete ich mich auf, um den Haufen Kleidung zu durchwühlen, den wir angehäuft hatten. Mein Handy sollte eigentlich leise gestellt sein, aber ich wollte keinen Anruf von London verpassen, was, wenn Emma ein Problem hatte oder wenn Niall schon wieder wissen wollte, wie man sich was zu Essen machte?

Ich fand den Unruhestifter in Nils linkem Schuh, aber dass es sich um Harrys Handy handelte, erkannte ich augenblicklich am Hintergrund. Nils hatte da nämlich ein Bild von sich und Emma eingerichtet, Harry gleich die ganze WG. Der Anrufer stellte sich als Louis heraus. Kurz zögerte ich, man ging nicht einfach so an fremde Handys, aber es war Louis und ich war mir ziemlich sicher, dass Louis sich sofort sorgen machen würde, wenn er Harry nicht erreichte. Unsicher nahm ich den Anruf an und schaltete das Video ein.

,,Hey Louis!"

,,Franzi? Meine Güte ist es sonnig bei euch, ich werd noch blind, dreh mich mal aus der Sonne!", bat Louis mit Verwirrung in der Stimme und ich merkte, dass die Kamera beinah nur die Sonne zeigte. Schnell bewegte ich das Handy so, dass Louis mich und das Meer im Hintergrund erkennen konnte.

,,Dann schalt mal dein Video ein, ja? So besser?"

,,Jup.", Louis tauchte auf dem Bildschirm auf, er saß auf dem Sofa der Wg und sah aus, als wäre er grade aufgestanden. Haare zerwühlt, Augenringe und ein zerknautschtes Gesicht. Trotzdem strahlte er so hell wie die Sonne über mir.

,,Alles klar bei dir?", erkundigte ich mich irgendwo zwischen Sorge und Belustigung. Louis nickte.

,,Klar, bin nur mit Liam am Lernen und hey, das ist alles so viel! Aber der Ausblick bei dir ist echt wunderschön...wie geht's euch?", berichtete er und ich war mir ziemlich sicher, dass ich ihm grade eine Lernpause ermöglichte. Gut, dass ich rangegangen war. Liam konnte in dieser Hinsicht ein Tyrann sein, das wusste ich.

,,Sehr gut! Klar, gestern Abend waren wir ein bisschen traurig wegen dem Rückflug morgen, aber uns gehts ziemlich gut hier. Und ich glaube, Harry hat das alles wirklich gut getan, Louis. Auch wenn ich nicht in seinen Kopf schauen kann.", gab ich meinem Freund ein Update und warf einen kurzen Blick aufs Meer. Nils und Harry veranstalteten Wettschwimmen, meine Güte.

,,Ich für meinen Teil freu mich wahnsinnig auf euch. Habt ihr uns denn nicht vermisst?", umging Louis meine letzte Aussage, scheinbar wollte er ebensowenig über die Zukunft nachdenken wie ich.

,,Natürlich, du Schlumpf! Aber das hier ist Australien, Louis, hier gibt es eine Sonne und das ist nur der erste Unterschied London gegenüber, weißt du?" Ich lachte und dachte an das kalte, verregnete Wetter, das grade in London herrschen musste, grade um diese Jahreszeit. Darauf freute ich mich definitiv nicht.

,,Jaja,ich weiß. Ich freu mich trotzdem auf Samstag, wenn ihr wieder da seid.", erwiderte Louis grinsend, bevor Liams Kopf neben seinem auftauchte.

,,Schreibst du uns noch, wo und wann wir euch abholen sollen, Franzi?", bat er und ich nickte. Wahrscheinlich hätte ich das vergessen, ein Lob auf Liam. Der jetzt allerdings Louis energisch auf die Schulter klopfte.

,,Komm schon Tommo, lass uns weiterlernen, wir haben echt viel Stoff. Du hattest deine Pause.", meckerte der Tyrann und Louis und ich verdrehten synchron die Augen. Liam halt. Auch, wenn er recht hatte. Ich und die zwei anderen hatten zwar alles an Aufgaben gemacht, aber das Lernen würde mich die nächsten Wochen bis zu den Prüfungen nicht mehr loslassen. Juhu.

,,Jaja. Grüßt du Haz von mir?", bat Louis mich und ich nickte, bevor ich ihm winkte und der er vom Bildschirm verschwand. Mein Mitleid wuchs. Auf Lernen hätte ich grade wirklich keine Lust.

Grade, als ich Harrys Handy ordnungsgemäß weglegen wollte, ploppte oben in der Benachrichtigungsfeld eine neue Anzeige auf. Wie automatisch las ich die paar Worte. Es schien eine Mail zu sein, nur der Absender wurde offenbart, Cafcass. Kam mir bekannt vor, auch wenn mir der Begriff nichts sagte. Ein Name war das jedenfalls nicht. Ich zuckte mit den Achseln und realisierte gleichzeitig, dass ich Harrys Privatsphäre zerstörte. Mist.

Ohne einen weiteren Gedanken an die Mail zu verschwenden, steckte ich das Gerät zurück in Nils Schuh und ließ mich rücklings in den Sand fallen. Ein Glück, dass ich grade hier lag und nicht wie Louis vor den Büchern hängen musste. Auch, wenn das definitiv noch auf mich zu kam -  eine Prüfung war eben nichts, was sich nach persönlichen Launen verhielt.

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Wir rundeten den Tag perfekt ab, indem ich, Nils und Harry gemeinsam einen kleinen Ausritt unternahmen. Oma traute sich nicht mehr auf den Rücken der großen Tiere, ein Sturz wäre wirklich gefährlich für sie und sie war eher so eine Person, die bodenständig auf dem Boden blieb. Nils auf ein Pferd zu setzten war wie immer eine Tortur, aber es lohnte sich definitiv. Mein Bruder hatte zwar eine Heidenangst vor den Riesen, aber wenn er einmal da oben saß, bekam ihn nichts wieder runter. Nils war mehr oder weniger ein Naturtalent und Harry, der vor wenigen Tagen mit dem Reiten angefangen hatte, erwies sich auch als...naja, zumindest als fähig, in den Trab zu wechseln, um die Wellen um die Fesseln der Pferde tanzen zu lassen.

Und genau das taten wir jetzt: zu dritt ritten wir im Licht der langsam herabsinkenden Sonne mitten in der Brandung immer weiter und weiter, bis die Farm weit hinter uns lag und vor meinen Augen nur die Freiheit existierte.

Ich lebte für dieses Gefühl. Für diesen Moment, in dem der Wind einem um die Ohren peitschte, die Haare ihren eigenen Gesetzten folgten und alles verschwamm. Ich wurde schwerelos, getragen von dem warmen Körper unter mir. Das Glück spritzte wie die aufgewirbelten Wassertropfen um mich herum auf in den Himmel, den die Sonne leuchtend orange malte. Ich hörte nichts als meinen Atem, ich spürte nur den Wind in meinem Gesicht und alles, was ich hörte, war das Platschen der Hufe auf dem Wasser.

Ich war frei, so kitschig das auch klingen mochte. Nicht ein einziger Gedanke ließ sich formen, keine Sorge, keine Erinnerung, nichts. Ich war frei, als würde ich schlafen ohne die Augen zu schließen und ohne das Bewusstsein zu verlieren. Ich war frei, als würde die Welt für den Moment nur mir gehören und als würde alles seiner perfekten Ordnung folgen.

Ich atmete, tief, langsam, entgegen jeder Bewegung, die Issi dank ihrer Muskeln vorantrieb. Meinen Körper presste ich herab, näher an Isabella heran, und völlig unbewusst wechselten wir in den Galopp. Kein Gedanke existierte, keiner an Nils oder Harry, keiner an die Welt.

Ich existierte nur. Nur für den Moment.

Dann entschied Issi allerdings, dass sie schwimmen gehen wollte und schlug einen Hacken ins tiefere Wasser hinein, die Wellen erreichten plötzlich meine Knöchel und ich blinzelte überrascht, bevor ich sanft aber bestimmt die Zügel straffte. Das war nicht Teil des Plans gewesen.

,,Hey, Issi, ich hab nicht wirklich Lust auf ein Bad, lass uns das auf wann anders verschieben.", brummte ich dem Pferd ins Ohr und klopfte als Entschuldigung ihrer Hals ab, lenkte Issi aber trotzdem aus dem Wasser. Wenn auch mit Bedauern. 
Wann auch immer dieses wann anders sein würde, ich nahm es mir augenblicklich fest vor, ich würde das nicht versäumen. Ich hatte jetzt eine Verpflichtung, ich musste wieder her kommen. Und wenn es für Issi war.

Eine einzelne Träne musste ich mir von der Wange wischen, dann sah ich mich schuldbewusst nach den Jungs um. Nils galoppierte zwar auch gerne, aber ich wusste, dass Haz das besser nicht grade hier am Wasser versuchen sollte, mal abgesehen davon, dass Jerry sowieso ein fauler Sack war. Und Nils war sicher bei Harry geblieben.

Ich behielt recht. Gut fünfzig Meter hinter mir trabten die beiden nebeneinander in der Brandung und über das Meer hinweg schallte das Gelächter der beiden jungen Erwachsenen. Der Hintergrund der ewigen Landschaft aus Sand und Wasser strahlte im Licht der goldenen Sonne, der Himmel leuchtete bunt und keine Menschenseele, kein Stück der Zivilisation rückte zwischen  meine Freunde auf den Pferden und mir.

Das Bild war ästhetisch. Ich wollte es festhalten. Aber das war kein Moment für ein Handy. Dieses Bild brannte ich mir in mein Gedächtnis ein, so tief, dass ich es nie wieder vergessen würde. Das hier war ein Moment des Glücks, einer der Liebe und einer der Freiheit.

Und ich wusste, dass alles gut werden würde. Alles würde so kommen, wie es kommen sollte, ob nun durch das Schicksal, durch einen Gott oder durch andere übernatürliche Wesen...das Leben würde seinen Weg gehen und am Ende würde dieser ans Ziel führen. Ich wusste einfach, dass am Ende all unserer zukünftigen Schritte die Freiheit warten würde. Und ich freute mich darauf, dieses Weg mit den Menschen gehen zu können, die ich liebte.

Wir würden glücklich sein, irgendwann. Und das war alles, was in dieser Sekunde zählte.

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Hach, ein kleines bisschen überdramatisch, aber zumindest hat Franzi auch ihren Frieden gefunden. Nicht?
Seit ihr traurig, Australien zu verlassen? Was hättet ihr euch noch gewünscht?
Habt ein schönes Wochenende!

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