Kapitel 55
Mias Lächeln gefriert als sie das Esszimmer betritt. Ich reiche Mary die Hand, doch sie zieht mich in eine Umarmung. "Schön dich wieder zu sehen." Noch während sie mir das zuflüstert, nehme ich die Anwesenheit einer weiteren Person wahr.
"Ich kenne sie doch?" Vor mir steht Mr. Wilson, der Typ, der so dreist war und mir einen Job als seine Assistentin angeboten hat und mich dann ohne ein Wort des Abschiedes aus seinem Büro raus geworfen hat.
"Ja, hallo." Ich gebe mir keine Mühe zu lächeln, während ich schräg gegenüber von ihm Platz nehme. Mias Blick wandert irritiert von mir zu ihrem Vater. Wie kann so ein Mensch so eine tolle Tochter haben?
Drake mustert mich ab und zu merkwürdig, bleibt aber die ganze Zeit distanziert. Mary versucht alles um der Stimmung ein bisschen was von ihrer Angespanntheit zu nehmen, aber das funktioniert nicht. Mia ist stiller, als ich es jemals erlebt habe. Sie redet nur, wenn sie angesprochen wird und sonst ist sie ganz ruhig, isst und hat den Blick auf den Teller gesenkt.
Ich pickse lustlos in meinen Bohnen herum und kaue stundenlang auf einem kleinen Stück Hähnchenfleisch herum. Das wird ein langes Essen.
"Und Abi, was studierst du?" Mary lächelt mich herzlich an. "Ich studiere Design und das inzwischen im 4. Semester." Antworte ich und frage mich gleichzeitig, wo das vertraute Prickeln bleibt, dass sonst sofort eintritt, wenn ich über meine Arbeit spreche.
"Ah wie schön. Dann machst du momentan bestimmt eine Menge Praktika oder?" Fragt sie neugierig und ich nicke mit zusammen gebissenen Zähnen und werfe Mister Wilson einen kurzen Blick zu.
Wenige Augenblicke später entfliehe ich der angespannten Stimmung und atme erleichtert auf, als ich die Badezimmertür hinter mir schließe. Ich lehne mich für einen Moment gegen sie und schließe die Augen.
Nachdem ich mir die Hände gründlich gewaschen habe und mein Oberteil wieder richtig sitzt, verlasse ich das Bad und gehe den Flur zum Esszimmer entlang. Dabei dringen laute Stimmen an mein Ohr.
"Was bildest du dir eigentlich ein?" Zischt eine Stimme, von der ich sofort erkenne, dass sie Drake gehört. "Das hast du nicht zu entscheiden."
"Nein, aber du auch nicht." Antwortet sein Vater dumpf. "Du wirst es sehen, früher oder später wird es darauf hinaus laufen und sag dann nicht, ich hätte dich nicht gewarnt."
Die Situation erinnert mich so sehr an das Gespräch, dass ich nach der ersten Nacht mit Drake hier angehört habe, dass ich die Hände zu Fäusten balle und mit zusammen gepressten Lippen neben der Tür stehen bleibe.
"Es wird sich nicht wiederholen." Erklärt Drake sicher und erntet dafür ein höhnisches Lachen von seinem Vater. "Junge, bist du wirklich so dumm? Du kannst dir niemals irgendetwas sicher sein, denn immer wenn du gerade richtig glücklich bist, wenn es dir richtig gut geht, dann reicht ein kleines Ereignis und deine gesamte Welt bricht zusammen."
Als ich Schritte höre, die sich der Tür nähern, eile ich schnell zurück ins Bad und lasse die Tür lautlos ins Schloss fallen.
Es geht um dasselbe Thema wie beim letzten Streit. Scheiße, ich hätte damals viel genauer nachhaken müssen. Wieso habe ich das Thema einfach unausgesprochen gelassen?
Richtig, weil ich Angst vor der Wahrheit habe. Angst vor der Wahrheit, mit der ich jetzt mit Sicherheit konfrontiert werde.
Ich atme noch einmal tief durch und gehe dann zurück in den Flur. Ich zähle die Schritte, die ich bis zum Eingang ins Esszimmer gehe und die Bilder, die an der Wand hängen. Es sind achtundzwanzig Schritte und sechs Bilder.
Mia und Mary gucken mich mit denselben großen blauen Augen an, als ich das Zimmer betrete. "Woher kennst du Lionel denn eigentlich?" Fragt Mary als ich mich setze und ich brauche einen Moment, bis ich realisiere, dass sie damit Mr Wilson meint.
"Ich hatte ein Vorstellungsgespräch bei ihm, statt mich als Designerin einzustellen, wollte er, dass ich seine Assistentin werde." Sie kaut nervös auf ihrer Unterlippe herum und seufzt. "Ja, das klingt nach ihm."
"Hast du die beiden streiten gehört?" Schaltet Mia sich ein und ich betrachte die goldenen Löckchen, die sich um ihr Gesicht schlängeln. Ich nicke und sie nickt ebenfalls. "Wenn sie miteinander reden, dann immer nur so. Als hätten sie verlernt, wie man normal miteinander redet."
Ich blicke von Mia zu Mary und überlege, ob ich es wagen kann, die alles entscheidene Frage zu stellen. Ich wage es. "Worum geht es?" Marys Miene wirkt mit einem Mal viel erschöpfter und sie reibt sich müde über die Augen. "Es geht um mich und das, was mir passiert ist." Mary schreckt zusammen als Mia die Worte ausspricht und mein Magen zieht sich zusammen.
"Vor drei Jahren, da war ich fünf, wurde ich entführt und Papa hat sich seitdem sehr verändert." Sie schaut nachdenklich und beginnt dann aufzuzählen. "Er hat das Sicherheitspersonal verdreifacht und ihnen ein eigenes Büro in unserem Haus zur Verfügung gestellt. Ich durfte nicht mehr in den Kindergarten gehen und ich darf nur zur Schule, weil es eine elitäre Privatschule ist."
Wäre da nicht das leichte Zittern in ihrer Stimme, könnte man meinen, dass sie das Ganze kaum kümmert, aber das täuscht.
Als ich auf dem Weg nach draußen darauf achte, entdecke ich in jedem Winkel eine Kamera, eine offen an der Wand und die nächste versteckt und getarnt hinter einer Lampe. Dagegen sind Earl und sein Sohn, alles an Sicherheitspersonal was wir haben, ja nichts.
Drake wartet bei seinem Auto auf mich. Er starrt gedankenverloren in die andere Richtung und sein Blick ist genauso finster, wie beim Essen.
Aber ich bleibe bei meiner Entscheidung. Ich kann es nicht länger hinauszögern. "Wieso kannst du nicht mit mir reden?" Ich stelle mich vor ihn und verschränke die Arme vor der Brust.
"Weil du es nicht verstehst." Antwortet er und steigt ins Auto.
"Woher willst du das wissen? Du hast es doch überhaupt nicht probiert." Ich lege besänftigend eine Hand auf seine, aber er schüttelt sie ab.
"Du weißt nichts über mich. Bilde dir bloß nicht ein, dass du mich kennst oder weißt, was ich alles durch machen musste. Du hast kein Recht dazu."
Meine Fingernägel graben sich in die Innenseite meiner Hand, während ich krampfhaft versuche, nicht verzweifelt in Tränen auszubrechen.
"Ich fahre dich jetzt nach Hause."
Habt ihr eine Vermutung, was sich damals abgespielt hat?
Und Lesenacht vllt diesen Freitag ab 19 Uhr, stündlich ein Kapitel?💖
Ich fahre übrigens auch Ende des Monats in den Urlaub, zwar nur eine Woche, aber immerhin. Es geht für uns nach Sardinien 😍 war schon jemand von euch in Italien oder vllt sogar direkt in Sardinien?
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