Kapitel 29
"Abi?" Immer wieder dringt, wie durch Watte, eine Stimme an mein Ohr. Ich blinzle zaghaft und kneife die Augen sofort wieder zu. Es ist viel zu hell.
"Abi." Jemand rüttelt sanft an meiner Schulter und ein leises Stöhnen entweicht meiner Kehle. Ich huste und richte mich vorsichtig auf. Jemand hält ein Glas mit Wasser an meine Lippen und ich trinke gierig um das Kratzen in meiner Kehle los zu werden.
Schemenhaft nehme ich die vertraute Einrichtung meines Schlafzimmers wahr und die Person neben mir. Eric.
"Was..?" Krächze ich und er schaut mich nur beschämt an. Ich versuche ihn weg zu schieben, falle dabei aber erschöpft zurück ins Kissen.
"Ich werde es dir erklären, okay? Aber du musst dich erstmal ausruhen, du bist erst zwei Stunden hier."
In Fetzen und total durcheinander dringen die Ereignisse der letzten Nacht in mein Bewusstsein. Ich schiele auf den Wecker und erkenne, dass es erst sechs Uhr morgens ist. Er hat also nicht gelogen. Dieses Mal wenigstens nicht.
"Mhm," murmle ich nur, während meine Augen wieder zu fallen. Als die Polizisten mit John beschäftigt waren, ist Drake abgehauen. Er hat sich kurz erkundigt, ob es mir gut geht und ist dann einfach gefahren. Ich wimmere und Eric streicht mir beruhigend über den Arm.
💠💠💠
Vorsichtig öffne ich die Augen und werfe einen Blick auf den Wecker. Es ist vier Uhr nachmittags. Wow, so lange habe ich wirklich noch nie geschlafen. Ich richte mich auf und ein scharfer Schmerz zieht sich durch meine linke Gesichtshälfte. Ich stöhne gequält auf und betaste vorsichtig die Wunde.
Erics Kopf liegt auf meinem Bett und der Rest von ihm sitzt in einem der Sessel. Ich rüttle sanft an seiner Schulter, besinne mich dann aber eines besseren und stupse ihn grob an. Er lächelt, als er sich aufrichtet und sieht, dass ich ihn beobachte.
"Hi, du siehst besser aus." Kritisch beäugt er meine Wunde und streicht dann Salbe drauf. Atemlos beobachte ich ihn dabei. Wieso macht er das?
"Eric?" Ich rücke ein Stück von ihm weg und mustere ihn misstrauisch.
"Was machst du hier?"
"Halt still." Schuldbewusst weicht er meinem Blick aus und konzentriert sich auf die Wunde. "Du darfst es ihm nicht sagen."
"Was? Was darf ich wem nicht sagen?" Wieso muss er so in Rätseln sprechen? Wieso redet er nicht einfach Klartext? Er wirft mir einen kurzen merkwürdigen Blick zu, bevor er sich wieder meiner Wunde widmet. "Er hat dich ziemlich gut getroffen." Murmelt er und streicht über die aufgeplatzte Stelle an der Wange.
Als er meinen ungeduldigen Blick sieht, redet er weiter. "Drake hat mich angerufen."
"Hat er?" Frage ich skeptisch und schaue ihn zweifelnd an.
"Ja, er hat sich Sorgen um dich gemacht. Und das war das einzige, was er tun konnte."
"Du meinst, dich anrufen? Und mehr war nicht drin oder wie?"
"Du musst das verstehen, hätte er denen gesagt, dass er dich kennt, hätten sie das erst Recht ausgnutzt. Vor allem Little John, die beiden können sich auf den Tod nicht ausstehen."
"Aha," sage ich wenig überzeugt. "Und jetzt bist du dran, was ist mit dir los?"
Er schweigt und geht ins Bad, um sich Hände zu waschen oder eher um Zeit zu schinden, dann setzt er sich wieder auf den Sessel und hält den Blick auf einen Punkt hinter mir gerichtet.
"Ich wusste es nicht."
Ich schüttle nur frustriert den Kopf. "Eric, ich will die Wahrheit wissen."
Wieder schweigt er für einen Moment dann hat es den Anschein als würde er sich sammeln und er atmet tief ein.
"Ich war eifersüchtig.." Beginnt er doch ich unterbreche ihn sofort. "Bitte was?" Platzt es aus mir heraus und ich schaue ihn fragend an. "Worauf?"
"Auf das hier." Er deutet um sich. "Auf euer Haus, auf das Geld, auf alles. Du hattest immer alles, während es mir an allem gemangelt hat. Als ich klein war, haben wir in einer Einzimmerwohnung bei einem Bekannten gewöhnt. Meine Mutter wollte unbedingt Schauspielerin werden, hat es aber nie geschafft. Es hat sie fast zerstört, erst als sie deinen Vater kennen gelernt hat, ging es mit ihr wieder Berg auf."
Völlig baff lasse ich seine Worte einen Moment auf mich wirken.
"Du glaubst, ich hatte die perfekte Kindheit?" Er nickt ohne zu zögern und ich schnaube empört. "Du hast ja keine Ahnung. Meine Kindheit war beschissen, meine Mutter ist kurz nach meiner Geburt abgehauen, mein Vater hat ein Kindermädchen nach dem Anderen angeheuert und mich teilweise wochenlang alleine gelassen. Wenn er da war, hat er nicht mit mir gespielt, sondern mich zu verschiedenen Castings und Vorsprechen geschleppt. Das war das einzige, was ihn interessiert hat und das ist auch heute noch so. Alles, was nichts mit Schauspielerei zu tun hat, zählt für ihn nicht."
Erschöpften lasse ich mich wieder ins Kissen sinken und schließe die Augen.
Ob er mir glaubt oder nicht, ist mir eigentlich egal. Hauptsache er sagt nie wieder, dass ich eine makellose Kindheit hatte, nur weil ich reich bin.
Geld kann vieles nicht ersetzen und wer das nicht weiß, dem ist echt nicht mehr zu helfen.
Was macht ihr am Wochenende?
Ich nichts besonderes, bin gerade beim babysitten, wenn schönes Wetter ist werden wir grillen und an See fahren, Sonntag gehe ich mit meiner Mama zum Pferd und Montag fahre ich nach Berlin in die Uni.
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