Späte Reue
Shae stand vor der Tür des altmodischen Stadthauses am Marktplatz, in dem Terrys Familie wohnte. Sollte sie wirklich klopfen? Das war eine echt bescheuerte Idee. Um nicht hirnverbrannt zu sagen. Aber irgendwo spürte sie doch eine gewisse Verantwortung.
„Es tut mir leid. Ich war es. Ruft die Polizei." Das könnte sie sagen. Ausreichen oder sogar etwas wiedergutmachen würde es aber nicht. Sie könnte sich auch selbst stellen.
Musst du das denn? Shae erschrak, als sie Lus Stimme in ihrem Kopf hörte. Der Fall ist doch klar. Der Officer ist der Mörder. Nicht du. Wenn überhaupt, dann bin ich schuld.
Shae hielt sich die Ohren zu. Lu war tot, daran gab es nichts zu rütteln. Aber wieso war sie dann in ihrem Kopf? Sie wollte schreien – schreien und nie wieder aufhören.
Eigentlich war sie ein ziemlich stiller Mensch. Schüchtern. Ruhig. Unauffällig. Lu war das alles nicht. Und sie hatte aus ihr dieses Monster gemacht. Shae wusste, dass sie leicht zu beeinflussen war. Und sie schämte sich dafür. Genug, um hier zu stehen.
Sie hob die Hand. Zögerte.
Ließ sie sinken.
Drehte sich um.
In ihren Ohren rauschte es heftig. Kopfschmerz zog sich pochend durch ihre Schläfen. Ein schwarzer Schatten tauchte am Rande ihres Blickfelds auf. Sie fuhr herum.
Aber da war niemand. Ihr Herz schlug viel zu schnell. Flucht!, schrie alles in ihr.
„Sie ist tot, sie ist tot", flüsterte Shae panisch. „Das weißt du. Du hast sie sterben sehen. Mehr als das. Du hast sie umgebracht. Sie kann dir nichts mehr tun."
„Geht es Ihnen gut?", fragte eine freundliche Stimme unmittelbar vor ihr.
Shae zuckte zusammen. Ihr wurde eiskalt, als sie Terrys Frau mit ihren zwei Kindern erkannte. Sie brachte kein Wort heraus. Stattdessen starrte sie das etwa zehnjährige Mädchen neben ihr an. Trug es das Gebiss? War es ein Gebiss gewesen? Natürlich. Außer sie drehte vollends durch.
Die Mutter des Kindes sah sie besorgt an. „Wollten Sie zu uns?"
In Shaes Kehle saß ein dicker Kloß. Wo war die Soziopathie, wenn man sie wirklich brauchte? Noch nie hatte sie sich so verletzlich gefühlt. Aber sie musste es tun. Es war das Richtige. Und einmal wollte keine herzlose Serienmörderin sein.
Sie schluckte ihre Angst herunter. „Ja. Ich muss mit Ihnen reden. Am besten ohne Ihre Kinder. Es geht um Terry."
Eine blasse Hand legte sich um ihren Hals. Niemand außer Shae bemerkte es. „Lass mich, Lu. Es ist nicht dein Leben."
Die Familie vor ihr wirkte zunehmend verängstigt.
Lu zischte ihr ins Ohr: „Doch, ist es. Verpfusch. Es. Nicht."
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