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Leise wurde die Tür im 50. Stockwerk geöffnet. Namjoon, der die ganze Zeit über neben dem Schwarzhaarigen gestanden hatte, schielte etwas um die Ecke in Richtung Fahrstuhl und Treppe. Doch von dem Blauhaarigen fehlte jede Spur. Stattdessen kam ein Mann ungefähr in dem Alter von 40 Jahren die Treppe runter, musterte den Silberhaarigen abwertend, kommentierte jedoch nichts mehr und lief weiter die Treppe herunter. 

Es kam öfter mal vor, dass gerade die Menschen aus den oberen Stockwerken schlecht gelaunt waren. Aufgrund der Aussicht waren die Apartments weiter oben teurer, was dazu führte, dass sich eben genau diese Menschen für was Besseres hielten und in dem Wohnkomplex am besten alles nach ihrer Nase gehen sollte. Natürlich durften sich somit eigentlich keine ungebetenen Gäste im Treppenhaus aufhalten. 

Dem Mann nur noch verwirrt hinterherblickend, nahm er sich den Rucksack, den Yoongi zurückgelassen hatte und der schon halb in der Wohnung lag. Von weiter unten hörte man kurz darauf das Geschrei einer Männerstimme und der alten Frau aus dem 20. Stockwerk. Sie war mit die Älteste, die in diesem Gebäude lebte und eigentlich musste ihr jeder Respekt erweisen. Zumindest in dem Rahmen, wie es sich gehörte. Doch wie der Mann eben gerade, machte dies nicht jeder. Somit kam es zu Auseinandersetzungen, zum Glück blieben diese bis jetzt nur verbal. 

Die Tür schließend, sodass das Streitgespräch praktisch nicht mehr zu hören war, stellte der Ältere den Rucksack seines besten Freundes in den Flur zu den Schuhen und Jacken. 

Jungkook hatte sich in dieser Zeit nicht von der Stelle bewegt und stand nach wie vor vor dem kleinen Monitor, der einem anzeigte, wer vor der Tür stand, sobald es klingelte. Er starrte jetzt schon seit dem Klingeln des Jüngsten reglos auf das Display, das inzwischen wieder schwarz war. 

"Jungkook." - seufzend schob Namjoon den etwas Kleineren an den Schultern in das offene Wohnzimmer, um ihn dort auf das Sofa zu drücken und sich mit Blickrichtung zum Schwarzhaarigen neben ihn zu setzen. Von der Energie, die der Teenager eben noch besaß, wo sie zusammen Mario Kart gespielt hatten, damit der Silberhaarige in dem Spiel besser werden und somit eine minimale Chance gegen Jin haben würde, war nichts mehr zu sehen. - "Worüber denkst du nach?" 

Eine Weile blieb es noch still und der Ältere ließ Jungkook die Chance, seine Gedanken zu ordnen, was diesem mehr oder weniger gut gelang. 

"Habe ich den Fehler gemacht?" - aus dem großen Panoramafenster, das eine Seite des Wohnzimmers darstellte, auf Busan blickend, machte sich ein bedrückter Ausdruck auf seinem Gesicht breit. 

"Wie meinst du das?" - interessiert nicht mit der Absicht, es dem Schwarzhaarigen ausreden zu wollen, wendete er eben das an, was er aus den wenigen Erzählungen seines Vaters kannte. Der Jüngere musste sich erst mal selbst aufräumen, bevor er irgendwelche Entscheidungen treffen würde, die er später vielleicht noch bereute. Trotzdem war Namjoon noch immer der festen Überzeugung, er hätte wenigstens auf das Geständnis von Yoongi reagieren und ihm sagen können, dass er einfach noch etwas Zeit benötigt. 

"Ich bin weggerannt. Ich hätte ihn gleich fragen sollen, warum er es verheimlicht. Ich habe ihn verurteilt, ohne etwas darüber zu wissen. Jetzt machen seine Äußerungen mehr Sinn. Weißt du." - schuldig sah er seinen besten Freund an. - "Ich bin daran Schuld, dass er so verletzt ist. Ich habe ihm nichts über mich erzählt. Er denkt, er sei allein daran schuld. Hast du seinen Blick gesehen..." - zum Ende hin wurde er immer leiser und begann sich immer mehr die Schuld zuzuschreiben. All die vorherigen Liebesgeständnisse von Verehrern und Verehrerinnen hatte ihn nie so wirklich interessiert. Denn nach jedem Korb, nach jeder Abfuhr, die er erteilt hatte, waren die Menschen am nächsten Tag bei jemand anderen. Sie hatten ihr Leben weiter geführt, ohne im Anschluss noch an ihn zu denken. Ja, vielleicht gab es noch welche, die sich wirklich in ihn verschossen hatten, doch all die Menschen kannten nur den Jungkook aus der Schule. Den, den sie beobachteten und sich ein Großteil einfach nur dazu dichteten. Unter anderem, wie wohl seine Persönlichkeit war oder wie er mit ihnen um ging. 

Yoongi dagegen wurde von dem Schwarzhaarigen liebevoll behandelt, wenn sie auch einen holprigen Start hatten. Seine Äußerung von damals auf dem Klo machte nun Sinn. Der Blauhaarige war für ihn nicht mehr nur ein Rätsel, das er lösen wollte. Und als er eben das Geständnis hörte, hatte es etwas mit ihm gemacht. Trotz der Lüge des Jüngsten hatte es in ihm gekribbelt und das nur, weil er etwas vom Blauhaarigen hörte. Der Kleinere hatte ihn nicht berührt, ihn nicht geküsst, nein, er hatte ihm nur die Liebe gestanden. Und allein diese paar Wörter sorgten für ein wohliges, aufregendes Kribbeln in Jungkook. Er fühlte sich voller Energie und doch hatte alles einen bitteren Nachgeschmack, der ihn lähmte. 

Das, worüber sich sein Herz und die Schmetterlinge gefreut hatten, versuchte sein Kopf ihm madig zu reden. Er war der Meinung, Yoongi wolle ihn nur ausnutzen. Yoongi wäre nur hinter dem einen her, auf Grundlage seines Albtraumes. Dabei hatte der Blauhaarige von sich aus gegenüber Jungkook, nie sexuelle Anspielungen gemacht. Nein, viel eher war er rot geworden, sobald er den Kleineren von hinten umarmte. Und dass er jetzt den Mut hatte, zu ihm zu kommen, wobei er sich echt fragte, woher der Jüngste seine Adresse hatte, bewies es ihm doch eigentlich schon. Sie hätten sich auch einfach auseinanderleben und sich aus dem Weg gehen können. Denn niemand machte sich so viel Mühe und tat sich so viel eigenes Leid an, nur um mal Sex haben zu können. 

Namjoon, der neben dem Schwarzhaarigen saß und ihn beim Nachdenken beobachtete, dabei jede Regung seines Gesichtes aufnahm, begann sich ernsthafte Sorgen zu machen. Die vorherige Verleugnung war nicht gut und es war schon ein Schritt in die richtige Richtung ein zu sehen, dass Yoongi nicht allein an allem Schuld hatte. Doch dass der Jüngere ein paar Schritte zu viel machte und an fing, in den Selbsthass beziehungsweise komplette in die Selbstbeschuldigung zu rutschen, war auch nicht die Lösung. 

"Ich glaube, du solltest langsam anfangen, darüber zu reden." - sein bester Freund hatte ihm von dem Inhalt seines letzten Traumes erzählt. - "Und das nicht mit mir und nicht mit dir selbst. Sondern wirklich mit einem Psychiater und mit Yoongi natürlich. Er hat zumindest das Recht zu erfahren, warum du ihn so vor den Kopf stößt. Und für dich wird es auch gut sein. Ich will keines Falls bewirken, dass du nach einer Therapie wie ein neuer Mensch daraus kommst, plötzlich gerne in die Schule gehst. Ich möchte dir nur helfen, sodass du das mit Yoongi klären und in Ruhe schlafen kannst. Vielleicht wird ja auch wirklich etwas aus euch." 

Jungkook begann sich fast schon aggressiv auf die Unterlippe zu beißen. Er hatte schon mal einen Psychiater und er war schrecklich, sodass er es abbrach und jegliche weiter Hilfe ablehnte. Der Mann war herzlos und hatte in der Wunde fast schon mit einer sadistischen Freude herumgestochert. Der Psychiater hatte sich fast schon gefreut, als der damals 9-jährige Junge weinend da saß. Und noch mal wollte er es nicht durch machen. Klar, er fühlte sich nun einigermaßen gefasst und hatte das Ereignis 9 Jahre verdrängen und teils akzeptieren können. Er hatte sich damit arrangiert und erst mit dem Blauhaarigen und der Liebe kam das Problem wieder hoch. Und er hatte Angst zusammenzubrechen, auch als 17-Jähriger. Denn wenn jemand brutal in seiner Vergangenheit herumstochert, hatte er vermutlich nicht die Kraft, dem entgegenzuwirken. Eigentlich wollte er es selbst lieber irgendwie regeln und versuchen, das wäre doch noch am angenehmsten. 

"Und wo soll ich bitte einen Platz herbekommen?" - nun war nichts mehr von dem aufgelösten und verletzten Teenager zu sehen. Stattdessen war er wieder patzig und dem Silberhaarigen saß nun wieder der unnahbare Jungkook aus der Schule vor der Nase. 

Nervlich am Ende, da er es auch nicht gewohnt war, sich so um den Jüngeren kümmern zu müssen, massierte Namjoon sich den Bereich auf der Nase zwischen den Augen. Oben in der Stirn sammelte sich so langsam ein Druck an, der ihm die kommenden Kopfschmerzen ankündigte. - "Okay, ich habe verstanden, du hast keine Lust auf eine Therapie. Aber dann mach es Yoongi zur Liebe. Wenn du wirklich was für ihn empfindest, was auch immer, und ihn, sollte er sich wegen dir umoperieren, nicht zu einem solchen Eingriff zwingen zu willst, dann geh wenigstens jeden Tag in den Ferien einmal zu meinem Dad. Er kann dir vielleicht Tipps geben und ich weiß, du kennst ihn und es könnte komisch sein, aber somit wird er wohl kaum ein Interesse daran haben, dir zu schaden. Du musst nichts bezahlen und dann gucken wir, ob es dir hilft. Du kannst jederzeit abbrechen." 

Den Kiefer anspannend und seine Zunge gestresst in die Wangeninnenseite drückend, pulte der Schwarzhaarige an dem Controller herum, den er sich inzwischen wieder vom Tisch genommen hatte. Das einzige Argument, was ihn umstimmte, war Yoongi. 

"Deal. Wenn was schief geht, ist es deine Schuld." 

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Ich bin unzufrieden damit. Kein Wunder, dass ich mich bereits Wochen darum drücke das und die folgenden Kapitel zu korrigieren.

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