48
"Guten Abend, Herr Min."
Das war das Erste, was Yoongi hörte und ihn aus seinem leicht schlummernden Zustand wieder in das Hier und Jetzt zurückholte.
"Nenn mich Jihun. Ihr könnt nach oben gehen. Ihre Tür ist offen. Wenn etwas ist, dann sagt einfach Bescheid."
Sich die Decke enger um seinen Körper ziehend, hoffte der Blauhaarige, dass es einfach nur die Einbildung seines Gehirns war, was ihn glauben ließ, dass Hoseok im Schlepptau mit Jin und Juli die Treppe nach oben in sein Zimmer kam.
"Oha, warum leben wir nicht so."
"Weil wir dich in der Familie haben, Juli."
"Sei doch nicht immer so gemein, außerdem bin ich älter."
"Benehmen tust du dich aber nicht so."
Das Scheibenwischerlachen von Jin erklang, doch war es dem Teenager unmöglich zu bestimmen, worüber Jin nun wieder gelacht hatte.
"Klopf, klopf." - mit einem leisen Klopfen am Türrahmen kündigte der Weißhaarige ihr kommen an und während die anderen zwei sich das Zimmer des Blauhaarigen anguckte, lief Hoseok direkt zu ihm, um sich auf die große, noch freie Bettfläche zu setzen. - "Wie geht es dir?" - behutsam über den Deckenhaufen streichelnd, musste er sich schon ziemlich zusammenreißen, die anderen zwei nicht anzuschreien.
Statt einer richtigen Antwort bekam er jedoch nur ein leises Wimmern. Yoongi wollte die anderen zwei gerade überhaupt nicht hier haben.
"Das 'Date' lief wohl nicht so gut." - sich neben Yoongi legend umklammerte der Ältere den Deckenhaufen und versuchte dem Kleineren damit irgendwie ein wenig Schmerz zu nehmen.
"D-doch." - es war kaum hörbar, da die brüchige Stimme von den Stofflagen viel zu sehr gedämpft wurde. Hinzu kam das Gekicher von den anderen zwei, welche sich das Zimmer des Jüngsten ansahen.
Als dann auch noch schiefe Klaviertöne hinzukamen, hatte der Weißhaarige genug.
"Guck mal, ich bin Mozart." - Juli, die auf dem Klavierhocker saß, haute willkürlich auf die Tasten und man musste kein Musikexperte sein, um zu merken, dass die Töne absolut nicht zusammenpassten.
"Und ich, die Prinzessin, die auf dem Ball dazu tanzt." - der Braunhaarige hatte sich ein Diadem, was vermutlich aus irgendeiner Zeitschrift stammte, aus dem Regal des Teenagers geschnappt und es sich aufgesetzt. Mit dem Kopfschmuck tänzelte er nun durch das relativ große Zimmer.
"ES REICHT!" - Hoseok, der nun vor dem Ältesten stand, riss ihm das Diadem vom Kopf und klappte den Klavierdeckel zu, sodass Juli aufpassen musste, sich keinen ihrer Finger darin einzuklemmen. - "Wir sind hier für Yoongi, weil er uns braucht und nicht auf einem Klassenausflug, wo man an einem Filmset ist!" - tief durchatmend, damit es keine Verletzten geben würde, klammerte er sich an das Schmuckstück aus Plastik. - "Ich hatte euch mitgenommen, da ihr vielleicht helfen könnt, aber ihr macht alles nur noch schlimmer!" - auf die Tür zeigend sah er sowohl seine Schwester als auch besten Freund wütend und enttäuscht an. - "Also verpisst euch lieber wieder!"
"Nein Hobi. Wir helfen jetzt." - die Grünhaarige setzte sich auf den Schreibtischstuhl und rutschte mit eben diesem näher an das Bett heran. - "Was ist denn passiert?"
"Liebeskummer." - Hoseok sah der Älteren mit verschränkten Armen dabei zu, wie sie anfing zu überlegen.
"Also bei Herzschmerz kann ich nur meine Erfahrungen teilen." - die Decke leicht anhebend, blickte sie auf einen völlig fertigen Yoongi, der einfach nur in ihre Richtung sah. Ob er die Anwesenden ansah oder nicht, war schwer zu sagen. Sein Blick schien so, als wenn er durch alles hindurchsah auf etwas anderes, was allen Anwesenden verborgen blieb. - "Sex ist eine gute Sache. Da würde ich an unsere Abmachung erinnern. Sex kann dich ablenken und auf andere Gedanken bringen."
Augenblicklich traten bei Yoongi wieder die Tränen in die Augen und er entriss der Grünhaarigen den Deckenzipfel, den sie nach wie vor hochgehalten hatte. Sex, etwas, was er nie hatte und vermutlich nie haben können wird. Einfach, weil die Menschen, an denen er Interesse hatte, nicht wollten. Es sei denn, er würde sich endlich für ein Geschlecht. Sich für Yoongi entscheiden und Yoonji begraben.
"Ganz ehrlich, raus. Alle beide!" - die beiden in Richtung Tür schupsend, zuckte Juli nur mit den Schultern und wehrte sich überhaupt nicht.
"Es war ein Versuch wert." - ohne sich noch zu verabschieden, lief die Grünhaarige die Treppe herunter und Hoseok konnte seine Schwester nicht mehr wieder erkennen. Sie hatte sich verändert. Und das, seit Yoongi ein richtiger Junge sein wollte. Sie wurde kalt und gemein allen und jedem gegenüber, doch wenn man sie darauf ansprach, blockte sie nur ab und meinte, es sei Einbildung, dass sie sich verändert hatte. Sie ließ sich nicht mehr helfen und verbrachte die meiste Zeit bei irgendwelchen Freunden.
"Was ist mit ihr los?"
Seokjin zuckte als Antwort nur mit den Schultern. - "Weiß nicht. Aber Yoongi, es war nicht meine Absicht, dich zu verletzte, wenn ich es getan habe. Ich dachte etwas Spaß bringt dich auf andere Gedanken, doch es war wohl unangebracht. Es tut mir leid." - kurz wartete der Braunhaarige auf eine Antwort. Diese blieb jedoch aus und somit lief er mit hängendem Kopf die Treppe runter aus dem Haus raus.
"So." - seufzend lehnte Hoseok die Tür an und legte sich wieder zu dem Deckenhaufen. - "Du musst etwas Platz lassen, damit du Luft bekommst." - den Kopf des Jüngsten freischaufelnd, standen alle blauen Haare von seinem Kopf ab, als wenn dieser soeben in eine Steckdose gegriffen hätte. - "So ist es doch schon viel besser. Willst du mir jetzt erzählen, was passiert ist?" - nun gezielt sanft den Nacken des Kleineren massierend, stützte er seinen Kopf mit der anderen Hand ab, damit es nicht allzu starke Nackenschmerzen geben würde.
"I-ich.." - zitternd luftholend versuchte Yoongi sich zu ordnen. - "...Jungk-koo.." - von einem nicht gesund klingenden Geräusch unterbrochen, schälte sich der Teenager schnell aus seiner Bettdecke und rannte stolpernd in das Badezimmer, um sich gleich darauf über die Kloschüssel zu beugen und alles, was er in letzter Zeit zu sich genommen hatte, wieder erbrach. Es schmerzte ungemein in seinem Hals. Neben der Heiserkeit, die von dem ganzen Weinen herrührte, kam nun auch noch das Brennen der Magensäure und Galle hinzu.
Ein zweites Mal krampfte sich sein ganzer Körper zusammen, sodass es ihm Tränen, die vor Anstrengung, Erschöpfung und körperlichen Schmerzen kamen, in die Augen trieb. Bei jedem erneuten Krampfen klammerte sich der Blauhaarige an die Kloschüssel und umarmte diese, als wenn sein Leben daran hängen würde. Nach dem dritten oder vierten Mal Zusammenkrampfen erbrach er sich erneut in die Kloschüssel, wobei das diesmal deutlich mehr wehtat.
In dem Erbrochenen lagen überall kleine, weiße, nur zum Teil gelöste Tabletten. Einige waren noch fast vollständig vorhanden und hatten sich in einem Knoten aus Mangofasern und anderem Zeug zusammengebunden.
Bei dem Anblick erneut würgend tastete Yoongi nach oben, wurde jedoch von Hoseoks Hand aufgehalten, der für ihn die Spülung drückte. Auch das beruhigende Streicheln über seinen Rücken merkte er erst jetzt und erschöpft legte er sich auf den kalten Boden des Badezimmers. Die Fliesen kühlten seinen erhitzten Körper etwas ab und spendete ihm Erleichterung mit der Übelkeit.
"Ehhh... ahhhh..." - sein Kopf auf den Boden drückend versuchte er es in eine ansatzweise bequeme Position ohne Schmerzen zu kommen.
"Ich glaube, du wirst mir heute nichts mehr erzählen." - dem Teenager behutsam den vollkommen harten und verkrampften Bauch massierend, sah er sich etwas um. Dabei blieb sein Blick an dem Spiegel hängen, der noch immer von dem Handtuch bedeckt wurde. Und somit zählte er eins und eins zusammen. - "Jungkook hat es nicht gut aufgenommen."
Seine Bestätigung bekam Hoseok fast direkt, als Yoongi nicht nur nickte, sondern ihm auch immer mehr Tränen in die Augen traten und einzeln auf die Fliesen fielen.
"Nein. Hey, das wollte ich nicht." - jede Träne von seinem Gesicht wischend, versuchte der Weißhaarige den Jüngeren irgendwie zu beruhigen, was jedoch nur teilweise funktionierte. Ob die übrigen Tränen nur wegen der Bauchkrämpfe oder wegen Jungkook kamen, wusste Hoseok nicht mehr.
Nach einiger Zeit der Stille, in der auch das Schluchzen immer seltener wurde, zog der Ältere den zierlichen Körper in eine sitzende Position. - "Was hältst du davon, wir bringen dich jetzt ins Bett und ich übernachte bei dir und morgen gucken wir, was wir machen."
"Ok." - sich von Hoseok stützen lassend, liefen sie den nun endlos wirkenden Weg zu dem Zimmer des Blauhaarigen. - "Aber ich habe keine Sachen für dich."
"Ich schlafe einfach in Boxershort." - den Jüngsten wie eine Pflegebedürftigen auf das Bett setzend, legte er ihn anschließend hin und stand gleich darauf auf, um das Zimmer zu verlassen.
"Hobi." - Yoongi sah ihn fast schon flehend an. - "Geh nicht."
"Ich gehe nur ein Kühlakku für den Kopf und warmen Tee für deinen Bauch holen. Und dann bin ich sofort da. Du wirst nicht merken, dass ich weg war."
"Okay." - dem Weißhaarigen hinterhersehend starrte er nur in seinem eigenen Zimmer herum und selbst das strengte ihn im Moment an. Die Lichterkette spendete wieder ein schwaches Licht und das Diadem mit den Fake-Steinen spiegelte eben dieses an die Wände.
Die Zeit verging, in der Hoseok nicht mehr anwesend war und der Jüngere hatte sich eigentlich fest vorgenommen zu warten. Immer wieder vielen ihm die Augen zu, nur um sie nach einigen Minuten erschrocken aufzureißen, damit sich das ganze Spiel wiederholte.
"... ergeben." - leise Schritte waren auf der Treppe zu hören und rissen Yoongi erneut aus dem Halbschlaf.
"Ja." - inzwischen musste der Weißhaarige oben angekommen sein, was dazu führte, dass er sich immer mehr entspannte. Hobi wäre gleich da und dann könnte er schlafen.
"Immerhin denke ich, dass der Großteil der Tabletten raus ist. Gute Nacht." - leise trat der Ältere ins Zimmer und fand einen drögen Teenager vor. - "Du kannst schlafen, ich mache hier alles. Keine Sorge."
"Du bleibst auch die ganz Nacht?" - aus roten Augen, die einfach nur schmerzhaft aussahen, blickte der Blauhaarige den Größeren hoffnungsvoll an.
"Ja, und jetzt schlaf."
Das Letzte, was Yoongi hörte und mitbekam, war, wie Hoseok sich neben ihn legte, eine enorme Wärme ausstrahlte, da er nichts anhatte und ihm den Kühlakku auf seine Stirn legte. - "Ganz ehrlich, ich kann ihn nicht verstehen. Wenn ich so lieben könnte, dann würde ich dich nehmen und nie wieder loslassen. Egal ob Mädchen oder Junge."
---
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top