Wunder und Mandeln
Laut knallte es, und buntes Konfetti wirbelte durch die Luft. Onkel Augustus hatte eine Partybombe gezündet, und der Garten war von einem Farbenspiel durchzogen, das die fröhliche Stimmung noch verstärkte.
Die gesamte Familie stand singend um Amalia, die leicht verlegen, aber strahlend auf ihrem Stuhl saß. Die Kerzen auf der großen Geburtstagstorte flackerten und erhellten ihr Gesicht, das in diesem Moment vor Glück glänzte. Eine warme, wollige Freude breitete sich in meiner Brust aus, als ich diesen Anblick betrachtete.
Der Garten war in festliche Farben getaucht, geschmückt mit Luftballons und bunten Girlanden, die im sanften Abendwind wehten. Tante Florence hatte keine Mühe gescheut, den Tag besonders zu machen. Das große Buffet, das die gesamte Terrasse einnahm, war ein Augenschmaus. Der Esstisch stand bereit und wartete geduldig auf uns. Doch bevor wir uns dem Festmahl widmeten, musste Amalia die Kerzen ausblasen.
Sie schloss die Augen, wünschte sich etwas und holte tief Luft. Unser Klatschen und Anfeuern begleitete diesen feierlichen Moment.
Ich stand zwischen Dad und Rae, während Noah auf der anderen Seite saß. Rae und ich hatten seit dem Vorfall in der Mall kein Wort mehr miteinander gewechselt. Rae hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen und kam nur noch zum Essen herunter, um mir böse Blicke zuzuwerfen.
Trotz meiner Bemühungen, Rae's Blicke zu ignorieren, konnte ich seine feindlichen Sticheleien nicht übersehen. Noah hingegen zeigte sich provokant. Sie hatte meine Hand genommen oder mich umarmt, was Rae nur noch mehr zur Weißglut brachte.
Es war eigenartig, nur noch zu dritt zu sein. Doch wie es im Leben so ist, ändern sich Dinge, und niemand kann die Zeit zurückdrehen, um Fehler ungeschehen zu machen.
Dad stieß mir in die Seite und brachte mich zurück in die Gegenwart. Es war Zeit, unser Geschenk zu überreichen. Während Amalia bereits eine Reihe von Geschenken vor sich ausgebreitet hatte - darunter Gutscheine für ein Möbelhaus, Kleidung und Schmuck - hielt ich die Mappe hinter meinem Rücken, die wir ihr überreichen wollten. Gemeinsam gingen wir zu ihr.
„Alles Gute zum Geburtstag", sagte ich und umarmte Amalia mit einem Arm. Sie lächelte und bedankte sich, bevor Noah sie ebenfalls umarmte. Noah, in ihrer typischen überschwänglichen Art, drückte Amalia beinahe die Luft ab.
„Du weißt, dass ich dich lieb habe", sagte Noah scherzhaft, während sie versuchte, Amalia zu küssen. Diese wehrte sich lachend und klammerte sich hilfesuchend an mich. Ich zog sie sanft aus Noahs Umarmung und überreichte ihr die Tüte.
„Das ist von Rae, Gracie und mir", erklärte Noah grinsend.
Amalia öffnete neugierig die Tüte und zog das weiße Papier heraus. Als sie den Inhalt sah - die dunkelbraune Mappe - blickte sie überrascht und fasziniert zu uns. Langsam nahm sie die Mappe heraus und betrachtete sie.
„Sie ist wunderschön", flüsterte sie, sichtlich bewegt. Noah hielt mir ihre Hand für ein High Five hin, und ich klatschte ein. Wir waren erleichtert und glücklich über ihre Reaktion. Auch Rae schien zufrieden. Onkel Boy kam mit einer Schüssel Salat heraus und betrachtete unser Geschenk.
„Ist die für dein Kunststudium?", fragte er beim Vorbeigehen. Sofort schossen unsere Köpfe hoch, und wir starrten ihn an, ohne ein Wort zu sagen. Onkel Boy schmunzelte und erklärte: „Ich habe die Rechnung für das erste Semester erhalten."
Immer noch sprachlos schauten wir uns an. Amalia war sogar etwas blass geworden. Die Angst, dass ihr Vater von ihrem Vorhaben erfahren könnte, hatte sie lange gequält. Und jetzt wusste er es, schien aber nicht enttäuscht zu sein. Amalia schüttelte den Kopf und legte die Mappe zu den anderen Geschenken.
„Ich bin so dumm", murmelte sie, doch ihre Erleichterung war deutlich zu erkennen. Rae legte seinen Arm um sie und zog sie sanft in Richtung Tisch.
„Das sage ich doch schon die ganze Zeit", sagte er neckend.
Amalia gab ihm einen spielerischen Schlag auf die Schulter. Wir setzten uns an den gedeckten Tisch. Tante Florence bat uns, uns ordentlich zu bedienen und nicht herumzujammern, schließlich hatte sie viel Mühe in das Festessen gesteckt. Mit vollen Tellern trugen wir uns zum Buffet. Es gab Muffins, selbstgebackenes Brot, verschiedene Salate, Fisch, Fleisch, Grillgemüse, Obst und Saucen. Der Duft war verführerisch, und die Auswahl überwältigend.
Als wir uns wieder an den Tisch setzten, begann das Lachen, Reden und Necken. Das fröhliche Geplapper zog sich durch das ganze Essen, bis die Teller leer und wir alle satt waren. Onkel Augustus erzählte eine Geschichte aus seiner Zeit in der Armee, und wir hörten gespannt zu. Es war selten, dass er darüber sprach. Seit seinem Einsatz im Iran, wo er sein linkes Bein verloren hatte, war er diesbezüglich zurückhaltender geworden. Er war damals 25 Jahre alt gewesen und hatte sich nach seiner Rückkehr von seiner Verlobten getrennt. Jetzt lebte er allein auf der Nachbarinsel und arbeitete von Zuhause aus als ITler.
Tante Florence lehnte sich an Onkel Boy, der seinen Arm um sie gelegt hatte. Dad stocherte mit einem Zahnstocher in seinem Mund herum und nickte zustimmend. Amalia spielte gedankenverloren mit ihrer Serviette, und Rae trank von seinem Bier. Onkel Augustus machte eine Grimasse, die alle zum Lachen brachte. Noah saß mir gegenüber, ihren Kopf auf ihrem Arm abgelegt. Ihr Haar schimmerte im Kerzenlicht wie lackiertes Holz, und ein sanftes Lächeln zierte ihren Mund. Kleine Falten tanzten auf ihrer Nase, wenn sie lächelte.
Es war fast, als spürte sie meinen Blick. Ihre Augen suchten meine, fragend, mit einem leichten Anheben der Braue, und ihre Lippen formten ein „Was?".
Ich lächelte zurück.
In diesem Moment wollte ich ihr sagen, wie schön sie war, wie sie für mich das Vollkommenste auf der Welt darstellte. Wie ein Kunstwerk, das in meiner Vorstellung selbst Michelangelos David verblassen ließ. Dass ich sie am liebsten für immer zum Lachen bringen und Stunden damit verbringen wollte, sie beim Schlafen zu beobachten. Dass sie mich dazu brachte, mich selbst nicht mehr zu erkennen, wenn sie sprach. Doch ich blieb stumm und wandte meinen Blick zu Onkel Augustus, als wollte ich ihm gebannt zuhören.
Als die Geschichte zu Ende war, hatte Dad uns Feuerwerk und Wunderkerzen besorgen. Wir sollten uns daher bereits zum Strand aufmachen. Die Erwachsenen würden nachkommen, sobald sie die Reste im Haus verstaut hatten. Wir beeilten uns, erleichtert darüber, nicht helfen zu müssen, und machten uns auf den Weg. Jeder von uns trug mehrere Packungen in den Händen.
„Erinnert ihr euch noch, wie Opa immer zum Abschluss des Sommers ein kleines Feuerwerk für uns gemacht hat?", fragte Amalia in die Runde.
„Ja, und danach gab es immer gebrannte Mandeln", ergänzte Rae.
Diese Erinnerung brachte uns alle zum Lächeln. Es war eine schöne Zeit gewesen. Jetzt blieben uns nur noch die Erinnerungen.
Am Strand angekommen, suchten wir uns einen Platz aus und ließen die Packungen fallen. Dann ließen wir uns in den Sand fallen. Aus Gewohnheit drückte ich meine Füße in den Sand, um sie zu verstecken.
Rae zog eine Wunderkerze aus der Folie und gab sie Amalia. Bald funkelte sie hell wie ein Stern. Ich beobachtete sie, fasziniert von diesem kleinen, aber magischen Moment. Wunderkerzen hatten immer etwas Besonderes an sich. Nur schade, dass sie so schnell ausgingen.
Noah hielt ebenfalls eine Wunderkerze in der Hand und starrte sie gebannt an. Das Licht warf Schatten auf ihr Gesicht, das wie das einer Fremden erschien. Sie wandte sich zu mir und lächelte breit. Es war wie früher, als wir gemeinsam bei einem Feuerwerk glücklich waren, selbst bei den kleinsten Dingen. Plötzlich kam mir eine Idee, und ich zog meine Füße aus dem Sand. Blitzschnell schnappte ich mir ihre Wunderkerze und lief los. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte mir, dass sie mir folgte. Ich spürte ein kribbelndes Gefühl der Aufregung in mir und rannte schneller, obwohl ich schon das Ziehen in der Seite spürte. Gerade als die Wunderkerze ausging, stürzte ich im Sand, von Noah überwältigt.
„Gracie! Sie ist aus!", rief Noah empört. Ihr Gesicht dicht vor meinem, und sie griff nach meinen Händen, um sie stillzuhalten.
„Hey, das war nicht fair", kicherte ich und versuchte mich zu befreien. Aber Noah ließ nicht locker und begann mich zu kitzeln. Ihr Lachen mischte sich mit meinem schrillen Kichern, und ich kämpfte verzweifelt, um mich aus ihrem Griff zu befreien. Jeder Versuch, mich zu wehren, scheiterte kläglich, und ich fühlte mich, als würde ich gleich vor Lachen ersticken.
„Das hast du nun davon", sagte Noah mit einem schelmischen Grinsen, während ihre Finger an meinen Seiten kitzelten.
„Es tut mir leid!", schrie ich durch mein Lachen hindurch.
Sofort hörte das Kitzeln auf. Noah rollte sich von mir und schaute mich belustigt an. Ich blieb im Sand liegen, immer noch außer Atem und völlig ausgelaugt. Misstrauisch blickte ich zu Noah auf, unsicher, ob ihre Bewegung nicht doch eine weitere Überraschung bereithielt.
Sie hob eine Hand, und ich dachte bereits an eine neue Attacke, doch stattdessen strich sie sanft eine Strähne aus meinem Gesicht. Ihre Berührung war überraschend zart, und ihre Hand verweilte einen Moment länger als nötig auf meiner Wange. Ein warmer Schauer lief mir über den Rücken, als ich spürte, wie ihr Atem warm und fast unangenehm nah an meinem Gesicht war. Ich hielt den Atem an, als ihre Lippen nur noch wenige Millimeter von meinen entfernt waren.
Der Moment zwischen uns schien endlos, und mein Herz schlug so heftig, dass ich dachte, es könnte jeden Moment aus meiner Brust springen. Doch gerade als ihre Lippen sich fast mit meinen berührten, ertönte der laute Ruf meines Vaters: „Gracie! Noah! Kommt, wir wollen anfangen!"
Die Realität brach plötzlich über uns herein. Noah zuckte zurück, und ich öffnete die Augen, die ich anscheinend geschlossen hatte. Mir war heiß, und Noahs Gesicht war ebenfalls errötet. Sie wandte sich schnell in die Richtung des Rufes, und ich spürte, wie sich die Atmosphäre zwischen uns veränderte. Das alte, vertraute Gefühl der Verlegenheit drängte sich wieder in den Vordergrund.
„Komm, bevor sie sich wundern", sagte Noah, ohne mich anzusehen.
Ihre Worte und die Art, wie sie sich von mir abwandte, ließen mich merkwürdig und traurig fühlen. Der Moment, der eben noch so intensiv gewesen war, schien nun wie ein verblasstes Bild in meiner Erinnerung. Während mein Herz noch immer wild pochte, zwang ich mich, ein Lächeln aufzusetzen. Niemand sollte merken, was in mir vorging.
Wir gingen zurück zu den anderen, wo das Feuerwerk bereits begonnen hatte. Bunte Lichter erhellten den Himmel, und die Farben tanzten über uns. Der Himmel explodierte in strahlenden Blau-, Rot- und Grüntönen, und die Funken fielen wie Sternenstaub herab.
Noah und ich reihten uns bei den anderen ein. Die Wunderkerzen wurden erneut angezündet und mit Begeisterung geschwenkt. Versucht, mich von meinen Gedanken abzulenken, ballte ich meine Hände zusammen, um den Druck zu spüren und mich zu beruhigen. Doch dann spürte ich Noahs Hand, die meine vorsichtig ergriff und den Druck löste.
„Nicht. Du tust dir sonst weh", bat sie leise.
Ich blickte auf den Boden, unfähig, ihr Gesicht zu erkennen. Die Berührung war vertraut und doch von einer neuen Intensität, die ich nicht ganz einordnen konnte. Es fühlte sich an wie eine Mischung aus Nähe und Abstand, als ob sich etwas verändert hätte, aber ich konnte nicht sagen, ob es zum Guten oder Schlechten war.
Noah ließ meine Hand langsam wieder los, und wir reihten uns bei den anderen ein. Dad nahm mich lächelnd in die Arme, und ich ließ mich von seiner Umarmung trösten. Wir standen dort, während die Feuerwerkskörper in den Himmel schossen und die bunten Lichter gegen die Dunkelheit kämpften.
Als wir schließlich zurückkamen, roch es nach den gebrannten Mandeln, die Tante Florence extra für uns gemacht hatte. Die Erinnerungen an den Abend und die verwirrenden, aber aufregenden Momente, die ich mit Noah geteilt hatte, würden mir noch lange im Gedächtnis bleiben.
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