46 - Unendlichkeit


POV Gio

Und plötzlich schien die Erde stillzustehen und es fühlte sich an, als würde ich von ihr schweben. 

Mein ganzer Körper war taub und ich konnte mich nicht mehr bewegen. Die Musik, die Stimmen von Jesús und Calixto wie sie sich anschrieen, alles entfernte sich immer weiter von mir - bis ich schließlich gefangen war...

...gefangen in ihrem Blick.

Mit großen Augen schaute sie  mich an, während ihr Körper auf meinem lag.

Alles passierte so unheimlich schnell - der Schuss und wie sich Triana schützend über mich warf.

Erst als ich das Blut aus ihrem Mund kommen sah, realisierte ich , was hier gerade geschah.

"Triana",  brachte ich mit brüchiger Stimme leise hervor und Feuchtigkeit bildete sich in meinen Augenwinkeln, während ich ihren Kopf hielt.

"Gio", krächzte sie und ich schob sie vorsichtig von mir herunter, um sie in meine Arme zu nehmen.

"Bitte lass mich nicht alleine", schluchzte ich, während ich sie in meinen Armen wiegte.

Doch der Blutfleck auf ihrem bunten T-Shirt wurde immer größer, während aus ihrem Gesicht zusehends die  Farbe verschwand.

"Gib... dir.. bitte... keine... Schuld", röchelte sie, während ihre Lider langsam zufielen.

"Triana, bitte, mach die Augen wieder auf. Ich bring dich in ein Krankenhaus, Süße. Halt durch", flehte ich sie unter Tränen an.

"Nicht... aufgeben... Gio", brachte sie nun kaum mehr hörbar über ihre blutverschmierten Lippen und dann spürte ich, wie all das Leben aus ihrem Körper wich.

"Nein, Triana, nein...", wimmerte ich und drückte sie fest an mich.

Noch nie in meinem Leben hatte ich so eine Leere gespürt, wie in diesem Augenblick.

Und während Jesús wütend auf Calixto einschlug, saß ich wie in Trance auf dem Boden und hielt das Mädchen in meinen Armen, welches wortwörtlich - schon immer ihr Leben für mich gegeben hätte.

"Mit wem machst du hinter meinem Rücken Geschäfte?", packte er Calixto am Hals und drückte ihn so fest gegen die Wand, das dieser nur noch ein Krächzen hervor brachte.

Vollkommen unbeachtet der beiden legte ich Triana vorsichtig auf den Boden und erhob mich. Alles passierte mechanisch, denn meinen Körper fühlte ich schon lange nicht mehr.

Umgeben wie von einem Nebelschleier lief ich mit weichen Knien rüber zum Tisch und griff mit zittrigen Fingern nach einer der Waffen.

"Hände nach oben!", brachte ich mit gefestigter Stimme hervor, während ich auf die beiden zielte.

Das Adrenalin rauschte durch meine Adern und mein Blick war nur auf sie fokussiert, sodass Jesús nun langsam von Calixto abließ und beide meinen Worten folgten, während sie mich ebenfalls mit ihren Augen fixierten.

"Gio. Das war eine neue Lieferung - die sind nicht geladen", versuchte mir Jesús weiß zu machen und kam nun einen Schritt auf mich zu.

"Bist du dir da sicher?", knurrte ich mit gehobener Augenbraue -  zielte anschließend auf Calixto und drückte ab.

"Ahhh, verdammte Scheiße. Du kleine Bitch. Ich werde dich töten", fluchte er, während er sich die Schulter hielt, woraufhin ich noch ein weiteres Mal abdrückte.

Doch diesmal gab es keinen lauten Knall und ich drückte nochmal und nochmal und nochmal.

Bis Jesús vor mir stand und mir wortlos die Waffe aus meinen bebenden Händen nahm.

Dann spürte ich wie meine Beine nachgaben und ich zu Boden fiel.

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Ein paar Stunden zuvor...

POV Tiano

Nachdem wir die Ergebnisse von Veros letzter Untersuchung erhalten hatten, konnten wir endlich das Krankenhaus verlassen.

Doch kaum hatten wir den Parkplatz betreten, kamen plötzlich - wie aus dem Nichts - von überall Reporter mit ihren Kameras angelaufen.

"Senhor de Loreto, wie geht es dem Baby?"

"Wann ist der Geburtstermin?"

"Stimmt es, dass die Hochzeit morgen in kleinem Kreise stattfinden soll?"

"Und wann können wir mit den ersten Fotos rechnen?"

Die Fragen prasselten von allen Seiten auf uns ein, während ich versuchte Veronique schützend an den Kameras vorbei zu schieben.

"Senhoras e Senhores, würden Sie bitte Platz machen", drang eine bekannte Stimme durch die Menge hindurch und wenige Sekunden später stand der Bastard Pereira vor mir und sah mich mit seinem dreckigen Grinsen an, bevor er sich der Meute zuwandte.

"Ich bitte Sie ein bisschen Abstand zu nehmen. Senhor de Loreto wird Ihnen dann gern ein paar Ihrer Fragen beantworten", spielte er sich auf, als wäre er mein Manager.

Total überrumpelt und sprachlos blickte ich in die vielen Kameras vor mir, während Vero mit einem Strahlen im Gesicht  meine Hand nahm und in ihre Rolle der angehenden Miss de Loreto schlüpfte, als wäre letzte Nacht nichts gewesen.

"Du wirst denen jetzt mitteilen, dass morgen die Hochzeit stattfindet oder deine kleine Nutte wird den nächsten Sonnenaufgang nicht mehr erleben", raunte er  unauffällig an meiner Seite ohne sein aufgesetztes Lächeln zu verlieren und ich ballte vor Wut meine Hände zu Fäusten.

Ich konnte nur erahnen, dass mein Vater hinter all dem steckte. Also hatte Pereira ihm von Gio erzählt. Was aber immer noch keinen Sinn ergab - denn mein Vater würde Pereira eigenhändig töten, wenn er wüßte, dass dieser Geschäfte mit Jesús de Los Angeles machte. 

Irgendetwas war hier gewaltig faul. Doch ich hatte in diesem Moment keine andere Möglichkeit, als diesem Bastard vorerst zu  gehorchen.

So beantwortete ich den Journalisten all ihre Fragen - ganz zur Zufriedenheit von Pereira und stimmte der Hochzeit morgen widerwillig zu, während ich versuchte meinen Impuls gleich auszurasten, zu bändigen versuchte.

Nachdem dieses Show endlich vorbei war und die meisten Journalisten sich langsam wieder entfernten,  zog ich Veronique hinter mir her und zu meinem Wagen.

"Ich werde euch am besten nach Hause begleiten - man weiß ja nie, was unterwegs noch alles so passieren kann", funkelte mich Pereira mit einem schiefen Lächeln an und stieg anschließend in seinen Wagen, welcher direkt neben meinem parkte.

"Wo kamen plötzlich die ganzen Journalisten her?", hinterfragte selbst Vero ahnungslos dieses Schauspiel. Doch ich reagierte nicht darauf, sondern steuerte den Wagen vollkommen in Gedanken versunken Richtung Haus meiner Eltern.

Dort angekommen, öffnete uns einer der Securities das Tor zur Auffahrt, wo uns oben an der Tür bereits meine Mutter erwartete.

"Senhora Vargas, es ist mir eine Ehre sie nach so langer Zeit wiederzusehen. Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen. Aber ich dachte mir, die Sicherheit der Kinder geht vor", schleimte er bei meiner Mutter und ich atmete tief ein, um mich weitestgehend zu entspannen.

"Die Freude ist ganz meinerseits Polizeipräsident Pereira. Das mein Mann auf Geschäftsreise ist, wissen Sie ja wahrscheinlich", gab sie ihm die Hand und bat uns anschließend alle herein.

"Veronique, mi Cielo. Wie geht es dir und meinem Enkel?", erkundigte sich meine Mutter mit aufrichtiger Sorge und verschwand dann für einen Augenblick mit ihr auf die Terrasse, nachdem sie sich kurz bei Pereira dafür entschuldigt hatte.

Kaum waren die zwei außer Sichtweite, wandte ich mich diesem Bastard zu.

"Was willst du von mir?", knurrte ich, nachdem ich ein paar Schritte auf ihn zugegangen war, sodass wir jetzt Nase an Nase standen.

"Das habe ich dir doch vorhin erklärt", erwiderte er gelassen.

"Aber was hast du davon, wenn ich Veronique heirate?", raunte ich und all meine Muskeln waren angespannt, während ich in seine hässliche Visage schaute.

"Dein Vater ist ein guter Freund von mir. Ich will ihm nur helfen."

"Helfen bei was?"

"Seinen Sohn wieder auf den richtigen Weg zu bringen", erklärte er mir, doch ich war mir sicher, dass da noch etwas ganz anderes dahinter stecken musste.

"Weiß er von Gio?"

"Tut mir leid, aber ich konnte es ihm nicht länger verschweigen und zusehen, wie du dich und deine Familie ins Unglück stürzt", meinte er daraufhin und war im Gegensatz zu mir, immer noch die Ruhe selbst.

"Mach nicht den gleichen Fehler wie dein Bruder, Tiano", kam dann aus seinem Mund, was mich sofort erstarren ließ.

Regungslos schaute ich ihn an, während in Sekundenschnelle all die schrecklichen Erinnerungen an Tag, als mein Bruder starb, durch den Kopf rauschten - und meine Wut ins unermessliche steigen ließ.

"Was... weißt .. du .. über .. Lorenzo?", zischte ich mit gedämpfter Stimme, nachdem ich einen kurzen Blick auf die Terrasse warf, wo sich meine Mutter und Veronique immer noch befanden und packte ihn dann am Kragen seines weißen Hemdes. 

"Es war gar kein Unfall", beantwortete ich mir nickend, auf sein Schweigen hin, selbst die Frage, während ich meinen Blick in ihn hineinbohrte. 

Anschließend ließ ich ihn wieder los, um kein Aufsehen zu erregen.

"Senhor Pereira, Sie bleiben aber noch zum Abendessen", hörte ich meine Mutter hinter mir sagen, woraufhin ich diesem Schwein einen letzten finsteren Blick zuwarf und mich dann ebenfalls  mit einem Lächeln zu ihr umwandte.

"Tut mir leid, Mutter, aber ich habe noch etwas zu erledigen. Immerhin ist ja unsere Hochzeit morgen", erklärte ich zynisch und verschwand noch im selben Moment aus diesem Raum und zur Tür hinaus.

Zurück in meinem Wagen, rief ich sofort Diego an, denn ich konnte nicht länger warten mit unserer geplanten Aktion - sonst werde ich morgen ein verheirateter Mann sein und ganz Brasilien würde dabei zusehen.

Als es dunkel wurde, besorgte ich mir noch eine Schachtel Zigaretten bei Senhor Pedro an der Tankstelle und begab mich anschließend wieder zurück ins Zentrum von Rio.

Mit wachsamen Auge fuhr ich durch die Straßen an der Copacabana, welche jetzt voller feiersüchtiger und besoffener Touristen war - die absolut keine Ahnung hatten - was um sie herum wirklich geschah.

Gegen Mitternacht bog ich dann in die Nebenstraße der Avenida Atlantíca  und suchte mir einen geeigneten Parkplatz für die Übergabe.

Hoffentlich konnte sie Gio die Nachricht übermitteln und noch mehr hoffte ich auf ein Lebenszeichen von ihr - wo drin stand, dass alles okay ist und sie bereit war unseren Anweisungen zu folgen.

Als ich Sheryl dann im Licht der Straßenlampe auf mich zu kommen sah und dann den Zettel in ihrer Hand entdeckte, atmete ich erleichtert auf.

Jetzt würde alles gut werden.

Doch als sie wenige Meter vor meinem Wagen war, bemerkte ich,  wie sie versuchte unauffällig mit ihrem Kopf zu schütteln, woraufhin ich die Tür langsam wieder schloss.

Irgendetwas stimmte hier nicht, daher zog ich vorsichtig meine Waffe aus dem Seitenfach, während ich mich umsah.

Plötzlich zuckte ihr Körper krampfartig zusammen und sie blieb abrupt stehen.

Mit weit aufgerissenen  Augen sah sie mich an, während sie sich mit beiden Händen über ihre Brust faste.

Dann brach sie auf offener Straße zusammen.

Unser Plan war gescheitert.

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Wird Tiano Gio jemals retten können? 🥺

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