40 - Kreuzverhör


POV Gio

"Was mache ich jetzt bloß mit dir?" Nachdenklich lief dieser Bastard Calixto um den Stuhl herum. Dann spürte ich seinen heißen Atem an meinem Ohr.

„Alle meine Fantasien enden irgendwie tödlich. Aber du hast Glück, dass wir dich noch brauchen", flüsterte er und kam anschließend erneut vor mich - und ich blickte in die Tiefen der menschlichen Abgründe, als er sich zu mir herunter beugte.

Doch ich ließ mich nicht einschüchtern und hielt seinem finsteren Blick stand.

Ich hatte bereits so viel durchgemacht, da konnte mir so jemand wie Calixto keine Angst mehr machen.

Und wenn mein Mund nicht zugeklebt gewesen wäre, hätte ich ihm jetzt ins Gesicht gespukt. So sehr widerte mich dieser Psycho an.

Woher ich diese Stärke in dem Moment nahm, war mein Wissen, dass Tiano mich retten würde.

Ich musste nur  durchhalten.

Bei dem Gedanken an ihn hoben sich meine Mundwinkel. Doch Calixto bekam nur das verschwörerische Funkeln in meinen Augen mit, was ihn offensichtlich irritierte.

Erneut nahm er einen Zug von seiner Zigarette und bließ mir den Qualm ins Gesicht, sodass ich meine Augen zusammenkneifen musste.

Dann zückte er ein Klappmesser aus seiner Hosentasche. Doch auch das ließ mich kalt.

„Ob dich dein kleiner Politiker immer noch zurück haben will, wenn du nicht mehr so hübsch aussiehst?", raunte er mit einem schiefen Grinsen, während er mit der Messerspitze langsam über meine Wange streifte.

„Hab gehört, dass Leute aus solchen Kreisen sehr oberflächlich sind", fügte er noch hinzu und im selben Moment spürte ich ein Brennen auf meiner Wange, als er begann die Klinge in meine Haut zu stechen um sie langsam quer über mein Gesicht zu ziehen.

Die Hände zu Fäusten geballt, presste ich meine Fingernägel ins Fleisch um mich von dem Schmerz abzulenken.

Schnaubend atmete ich schwer ein und aus, aber zwang mich keinen Laut von mir zugeben.

Schweiß bildete sich auf meiner Stirn und ich spürte wie etwas warmes von meinem Kinn tropfte.

„Das wird eine ziemlich hässliche Narbe betrachtete er sein Werk und presste gespielt mitfühlend seine Lippen zusammen um wenige Sekunden später wie ein Irrer zu lachen.

Dann setzte er auf der anderen Seite an, als plötzlich die Tür aufging.

„Lass sie! Ich kümmere mich jetzt um meine P-r-i-n-c-e-s-a", hörte ich Jesús Stimme hinter meinem Rücken.

Calixto grinste mich noch ein letztes Mal schnaubend an. Dann verschwand er aus meinem Blickfeld - und dem Raum.

Die erdrückende Stille die sich anschließend in dem Zimmer ausbreitete, ließ meinen Puls steigen.

Aber viel schlimmer war,  dass ich ihn nicht sehen, sondern nur hören konnte.

Ich spürte wie er seine Nase in meinen Haaren vergrub und tief einatmete - und ein eiskalter Schauder zog sich meine Wirbelsäule entlang.

Dann trat er vor mich und ich konnte sehen, wie sein Blick auf meiner blutenden Wunde hängen blieb.

Ohne ein Wort zu sagen, begann er das Klebeband von meinem Mund zu ziehen.

Er tat es langsam und gefühlvoll, während er meinen Blick fixierte. Trotzdem entfuhr mir ein leises Stöhnen.

Erneut kehrte er mir den Rücken zu um wenige Sekunden später mit einer Flasche hochprozentigen Alkohol und einem Tuch wieder zu kommen.

Schweigend hockte er sich vor mich. Er öffnete den Deckel und gab etwas davon in das weiße Tuch.

Seine Bewegungen waren ruhig und entspannt, sodass sich meine Muskeln ebenfalls lockerten, während ich ihn dabei beobachtete.

„Das wird kurz wehtun", bereitete er mich mit sanfter Stimme auf den Schmerz vor - und schaute mir erneut tief in die Augen. Sein durchdringender, finsterer Blick lähmte meinen Körper.

Erst als er begann behutsam das Blut von meiner Wange zu tupfen, zuckte ich kurz zusammen.

„Das hätte er nicht tun sollen", meinte er fürsorglich, aber mit einer Kälte, die meine Adern gefrieren ließ, während er nach und nach mein Gesicht säuberte.

Und für einen kurzen Moment vergaß ich all das was er mir, meiner Familie und meinen Freunden angetan hatte.

Ich sah den Mann vor mir, der mich damals gerettet hatte. Der Mann, der mich mit in seine geheime Villa nahm - in dieser schicken, familiären Gegend und mich liebte, als gäbe es keine Prostitution, keine Waffen und keine Drogen.

Er war der Mann, den man sich wünschte und kein Mafiaboss. Eine Seite, die nur ich zu sehen bekam.

Und das machte mir Angst.

Nachdem er mein Gesicht gesäubert hat, fasste er mit dem Zeigefinger unter mein Kinn um mich abermals zu betrachten.

Sein intensiver Blick fesselte mich mehr denn je und die Furcht vor ihm steckte in jedem einzelnen meiner Knochen.

Wortlos zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich vor mich.

Weitere Sekunden vergingen in denen er mich einfach nur ansah und mein Herz schlug mir bis zum Hals, während ich versuchte seinem Blick auszuweichen.

„Warum dieser Junge, Gio?", begann er zu reden und die Worte hallten durch das Zimmer wie ein Echo. 

„Er hat eine Frau und wie ich gehört habe auch bald ein Kind", fügte er kurz darauf hinzu und erhob sich.

„Und wir wissen doch beide, wie das endet", flüsterte er von hinten an meinem Ohr, nachdem er um mich herum gelaufen war.

Du solltest dich von ihm fern halten, bevor es wehtut", tippte er mir mit dem Zeigefinger auf die Brust, genau über mein Herz.

„Außerdem, was kann er dir bieten, was ich nicht auch kann?", grinste er süffisant und ich folgte ihm mit meinen Blicken, während ich regungslos auf dem Stuhl saß.

„Du gehörst mir, Gio. Ganz allein mir. Das solltest du nie wieder vergessen", knurrte er anschließend nah an meinem Gesicht und seine düstere Aura erfüllte den ganzen Raum.

Dann zuckten seine Mundwinkel nach oben und mir wurde schon ganz schwindelig von seinen sekündlich wechselnden Stimmungsschwankungen.

„Das Cali Kartell hat sich in Rio niedergelassen. Was weißt du darüber?", begann er dann, wie jemand vom FBI mit dem  Verhör und nahm erneut vor mir Platz.

„Dazu kann ich nichts sagen."

Er beugt sich nach vorn. „Du kannst nicht? Oder du willst nicht?"

„Ich kann nicht, weil ich nichts darüber weiß."

Und wenn ich etwas wüsste würde ich es dir mit Sicherheit nicht sagen.

„Tiano de Loreto ist der neue Mafiaboss vom Kartell in Rio. Und du willst mir sagen, dass du nichts darüber weißt."

Mein überraschtes Gesicht über diese, für mich absolut neue Information, konnte ich nicht verbergen.

Wieso tat Tiano das? Und wieso hatte er mir nichts darüber erzählt?

„Oh... du wusstest es wirklich nicht", deutete er meinen enttäuschten Gesichtsausdruck richtig und sein anschließendes Grinsen darüber ließ meine Lippen beben vor Wut.

„Von einem Mafiaboss zum nächsten. Verstehst du endlich, dass du nie wieder aus dieser Welt herauskommen wirst. Oder hast du ernsthaft geglaubt, dass du die Frau eines reichen und berühmten Politikers wirst. Mit ihm eine Familie gründest und in einer Villa eure Kinder großziehen kannst?", belächelte er die Situation, während mein Herz immer mehr Risse bekam.

„Das wird er vielleicht irgendwann alles haben, wenn er schnell genug merkt, dass das  Mafia Leben nichts für ihn ist", wieder erhob er sich von seinem Platz.

„Aber nicht mit dir", raunte er an meinen Lippen und ich schluckte den Kloß im Hals herunter, welcher mit jedem weiteren seiner Worte immer größer wurde.

„Du bist eine kleine Hure. Meine Hure. Und das wirst du immer sein."

„Und wenn dir sein Leben irgendwie lieb ist. Dann solltest du ihn aus deinem Leben streichen. Oder ich tue das. Auf meine Art", drohte er und der Zorn spiegelte sich in seinen Pupillen wieder, welche zu glühen schienen.

„Und ab jetzt wirst du mir dabei helfen, das Kartell zu zerschlagen. Denn den wunden Punkt kennen wir ja" Er grinste mich mit gehobener Augenbraue an.

Dann begann er meine Fesseln zu lösen. Und ich rieb meine Handgelenke, als ich endlich wieder Blut in meinen Fingern spürte.

„Komm. Wir fahren nach Hause", befahl er mit tiefer gefestigter Stimme.

Bei diesen Worten drehte sich mir der Magen um.

Trotzdem folgte ich ihm schweigend, während in meinem Kopf das absolute Chaos herrschte und sich immer größere Zweifel breit machten.

Doch ich spielte das Spiel mit.

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