39 - Illusion


POV Gio

Der Regen prasselte nur so auf mich ein,  als ich panisch nach meinen Schuhen tastete.

Mein Kleid zerrissen und voller Matsch, weil ich unglücklich in einem Busch gelandet bin, rannte ich förmlich um mein Leben.

Ich hatte keine Ahnung, wohin ich lief, aber das war mir in dem Moment egal. Alles was ich wollte, war so schnell und soweit wie möglich weg von diesem Horrorschloss.

Hin und wieder erhellten Blitze den Nachthimmel und ließen mich zusammen zucken. Aber es waren auch Sekunden in denen ich mich orientieren konnte.

Alles war eben, denn ich befand mich auf einem großen Feld.

Verzweifelt drehte ich mich im Kreis, suchte etwas wo ich mich verstecken konnte, zumindest bis der Regen etwas nachließ.

Dann entdeckte ich weit in der Ferne einige Bäume  und rannte ohne weiter darüber nachzudenken in deren Richtung.

Carlos hat mit Sicherheit bereits bemerkt, dass ich geflohen bin und es dürfte nicht mehr lange dauern bis sie mich hier draußen suchen kommen.

Immer wieder sah ich hinter mich, sodass ich mehrmals über etwas stolperte und im nassen Gras landete. Doch ich rappelte mich jedes Mal wieder auf.

Das Adrenalin ließ mein Herz rasen und ich hatte das Gefühl jeden Moment umzufallen.

Mein Blick war starr auf die Bäume vor mir gerichtet, doch irgendwie kamen sie  nicht näher, als würde ich auf der Stelle laufen.

Vielleicht bildete ich sie mir auch nur ein.

Ich rannte und rannte und der Regen peitschte mir ins Gesicht.

Dann erschienen sie zum Greifen nahe und ein hoffnungsvolles Lächeln bildete sich auf meinen Lippen.

Bis ich ein Licht in meinem Rücken spürte, welches die Bäume vor mir erhellte.

Tränen bildeten sich in meinen Augen, denn ich wusste, dass sie hinter mir waren.

Dann nahm ich mehrere Schüsse war. Abrupt blieb ich stehen, schloss meine Augen - und gab auf.

Vollkommen außer Atem stand ich im Regen und wartete darauf, dass mich eine Kugel trifft.

All die schönen Erinnerungen an meine Mom und Danilo liefen wie ein Film vor meinen Augen ab.

Und dann sah ich IHN vor mir - Tiano, wie er auf mich zu kam und mir seine Hand reichte.

Corre! (Lauf!)

Hörte ich ihn sagen, als stünde er neben mir.

Sekunden vergingen und es blieb ruhig.

Langsam öffnete ich meine Lider und sah mich um ohne mich zu bewegen.

Plötzlich war es wieder stockdunkel.

Ich atmete einmal tief ein, bevor ich mich mit bebenden Körper umdrehte.

Niemand war zu sehen noch zu hören.
Wie konnte das sein?

Mit dem Handrücken wischte ich mir die Nässe aus dem Gesicht, dann rannte ich weiter und erreichte zu meiner Erleichterung die Bäume in denen ich mich sofort geschützt fühlte.

Doch stehen bleiben konnte ich nicht. Wer weiß, wie nah sie mir waren.

Vorsichtig tastete ich mich durch die Dunkelheit. Bis ich unerwartet schnell das Ende erreichte und an einer Straße herauskam.

Sie war wie alles in dieser Gegend nicht beleuchtet. Aber der Regen hatte etwas nachgelassen. Nur die Blitze zuckten  hin und wieder in der Ferne.

Und während ich mich versuchte zu orientieren, nahm ich aus der Ferne die Scheinwerfer eines Wagens war.

Geistesgegenwärtig versteckte ich mich hinter einem Baumstamm.

Mein Herz pochte schmerzhaft gegen meinen Brustkorb und meine Kehle brannte bei jedem Atemzug.

Ich musste jetzt schnell reagieren. Dieser Wagen konnte vielleicht meine Rettung sein.

Und wieder huschten Erinnerungen an jene Nacht mit Triana durch meinen Kopf, welche ich aber schnell wieder verdrängte, denn ich musste mich jetzt irgendwie zusammenreißen.

Der Wagen näherte sich ungewöhnlich langsam. Mit wachsamen Blick und bebendem Körper beobachtete ich ihn.

Dann konnte ich einen alten, klapprigen Geländewagen identifizieren und mir war klar, dass das niemand von Jesús Leuten sein konnte.

Ohne weiter darüber nachzudenken, sprang ich auf die Straße und hielt meine Hände nach vorn.

Mit quietschenden Reifen stoppte er wenige Zentimeter vor mir.

Und als ich meine Augen wieder öffnete, blickte ich in das schockierte Gesicht eines alten Mannes, welcher sich krampfhaft ans Lenkrad klammerte.

Dann öffnete er die Wagentür.

„Meu Deus.  O que aconteceu?", fragte er entsetzt, während ich immer noch wie zu Eis erstarrt mit erhobenen Armen vor der Motorhaube stand.

„Senhorita, geht es Ihnen gut?"

Erst als er neben mir stand, regte ich mich und wandte meinen Kopf wie in Trance in seine Richtung.

„Was tun Sie hier in dieser gottverlassenen Gegend? Und das mitten in der Nacht", redete er weiter, doch ich starrte ihn einfach nur an.

„Kann ich Sie irgendwohin fahren?", berührte er meinen Arm, sodass ich meinen Körper wieder spürte.

Mit großen Augen nickte ich und folgte ihm dann in den Wagen.

„Ich bin auf dem Weg zu meiner Schwester nach Marapicu. Ich könnte Sie mitnehmen und morgen, wenn das Wetter  besser ist, kann ich sie in die Stadt fahren", schlug er  vor und wartete auf eine Reaktion von mir.

„Okay", erwiderte ich mit leiser, brüchiger Stimme, woraufhin er den Zündschlüssel umdrehte.

„Auch das noch", fluchte er, während er  versuchte den Wagen zu starten.

Doch nichts tat sich.

„Der ist schon ein bisschen in die Jahre gekommen. Da braucht es manchmal mehrere Anläufe", erklärte mir der bärtige, alte Mann, dessen Auto genauso alt schien, wie er selbst.

Plötzlich bemerkte ich die Scheinwerfer eines herannahenden Autos im Seitenspiegel und erneut spürte ich das Adrenalin durch meine Adern rauschen, sodass ich von einer Sekunde zur anderen aus meiner Lethargie erwachte.

„Können Sie nicht schneller machen?", herrschte ich ihn an, während ich panisch abwechselnd nach hinten schaute und dann wieder auf seine Hand, wie sie immer und immer wieder den Schlüssel drehte.

„Was ist denn los?", sah er mich überrascht an und legte voller Ruhe den ersten Gang ein, nachdem der Motor endlich startete.

„Das erklär ich Ihnen später. Und jetzt fahren Sie bitte so schnell Sie können hier weg", flehte ich ihn schon fast an.

Feuchtigkeit bildete sich in meinen Augen, als es plötzlich an der Scheibe klopfte.

„Sind hier noch mehr Leute von Ihnen unterwegs?", sah er mich mit seinen sanften, braunen Augen an.

João hätte damals einfach das Gaspedal durchgedrückt und niemand hätte uns einholen können.

Doch was konnte ich von diesem alten Mann, dessen Auto offensichtlich genauso die Ruhe weg hatte wie er selbst schon erwarten.

„Können Sie nicht einfach losfahren?", flüsterte ich kaum hörbar, denn ich wusste, dass es sinnlos war und Tränen rollten mir über die Wangen, als ich den Lauf einer Pistole an der Scheibe sah.

„Es tut mir so leid", schluchzte ich leise und schloss meine Augen.

Dann gab es einen lauten Knall und im selben Moment spürte ich sein warmes Blut in meinem Gesicht.

„Steig aus dem Wagen", knurrte Calixto wenige Sekunden später neben mir an der geöffneten Tür.

Dann zog er mich an den Haaren aus dem Wagen.

„Ein bisschen schneller, Princesa", raunte er, während er mich förmlich hinter sich her schleifte und zu seinem Wagen brachte.

„Hast du wirklich geglaubt, dass du uns entkommst?" Er sah mich mit seinem dreckigen Grinsen an, bevor er den Motor starrte und mich zurück in die Hölle brachte.

Die gesamte Fahrt, welche mir endlos vorkam, obwohl wir ganz in der Nähe waren, dachte ich an den alten Mann, dessen Leben ich nun auf dem Gewissen hatte, genau wie das der zwei Security auf der Yacht.

Ich hätte an deren Stelle sterben müssen, dann wäre der Albtraum endlich vorbei - redete ich mir ein.

Mit der Pistole am Hinterkopf zwang er mich erneut dieses Schloss zu betreten.

„Sieh mal wen ich gefunden habe", rief er Jesús - welcher gerade mit dem Handy am Ohr in der Eingangshalle stand - von Weitem zu, sodass dieser augenblicklich seinen Arm sinken ließ und auf mich zu kam.

Schweigend stand er vor mir und betrachtete mich, während ich auf den Boden sah.

Diese Stille von ihm war mir nur allzu bekannt. Ich wusste, wie extrem wütend er in diesem Moment war.

Dann schlug er mir - ohne ein Wort zu sagen - mit der flachen Hand auf die Wange, sodass mir die Haare ins Gesicht fielen.

„Schaff sie mir aus den Augen", raunte er und seine Kieferknochen spannten sich dabei an.

„Was soll ich mit ihr machen?"

„Das ist mir egal. Aber töte sie nicht. Wir brauchen sie lebendig", erklärte er Calixto, während sich sein Blick in mich hineinbohrte.

Dann schob mich dieser Bastard erneut mit der Pistole am Kopf durch einen langen Gang, bis ans andere Ende und brachte mich in einen Raum, indem er mich auf einem alten Holzstuhl fesselte und mir anschließend ein Klebeband über den Mund legte.

„Das war ein großer Fehler, meine Süße", funkelte er mich mit einem schiefen Lächeln an, während er sich eine Zigarette anzündete.

Und ich wusste, dass er genau auf so einen Moment gewartet hatte, seitdem er mich das erste Mal sah.

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Ich weiß, ihr habt euch ein anderes Ende für Gio gewünscht.

Trotzdem hoffe ich, dass euch das Kapitel gefallen hat.

Die Geschichte geht ja noch weiter  😊
⭐️⭐️⭐️

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