38 - Déjà-vu
POV Gio
Nervös knete ich meine Finger, während ich aus dem Fenster starrte. Ich konnte zwar aufgrund der Dunkelheit nichts erkennen, aber immer noch besser als diesem Bastard in die Augen zu schauen.
Ich hasste ihn aus tiefstem Herzen für alles was er mir, meiner Familie und meinen Freunden antat.
"Tiano de Loreto also. Der Sohn von unserem großartigen Politiker Salvatore. Hätte ich ihm gar nicht zugetraut, dass er alle so hintergeht", durchbrach er nach einer Weile die erdrückende Stille.
"Und dir auch nicht", er nahm mein Kinn fest zwischen Daumen und Zeigefinger und die Finsternis, die er ausstrahlte erfüllte den gesamten Wagen.
"Aber weißt du was? Ich verzeih dir nochmal. Bin ich nicht nett", raunte er nah an meinem Gesicht und sein heißer Atem brannte auf meinen Wangen.
"Warum ich? Du hast so viele andere die für dich arbeiten", brachte ich mit brüchiger Stimme zwischen meinen bebenden Lippen hervor.
"Hm, wie soll ich sagen, da bin ich wohl wie ein kleiner Junge. Denn ich hasse es, wenn man mir mein Spielzeug wegnimmt", grinste er höhnisch.
"Und mein Geld", fügte er hinzu, woraufhin sich seine Miene augenblicklich verfinsterte.
"Du hast mir einen Haufen Kohle eingebracht. Denn du bist was ganz besonderes, Gio. Und jetzt sogar noch viel mehr", flüsterte er an meinen Lippen und ich kniff angewidert meine Augen zusammen, während er mich weiter in die Ecke drängte.
"Das dieser Typ dich angefasst hat, ignoriere ich mal. Ich sehe ihn einfach als einen Kunden, der dich einige Zeit gebucht hat. Und dafür wird er noch bezahlen", funkelte er mich an und in seinen Augen konnte ich sehen, dass er damit kein Geld meinte.
"Weißt du noch, als ich dir deine Unschuld nahm?", begann er dann in Erinnerungen zu schwelgen, während er mit der anderen Hand über meine Wange strich.
"Du hast dich so gut angefühlt, als ich meinen Schwanz zum ersten Mal in deine enge Pussy gesteckt habe", raunte er und schloss seine Augen, während er zischend die Luft zwischen seinen Zähnen einzog, als würde er in dem Moment erneut in mich eindringen.
Nur allein der Gedanke daran jagte mir einen eiskalten Schauder über den Rücken und ich rutschte noch weiter in die Ecke, obwohl ich bereits an der Tür klebte.
"Ich war dein erster Mann und ich werde auch dein letzter sein", knurrte er und ich zuckte innerlich zusammen, als sich sein Blick wie Nadeln in mich hineinbohrte.
"Wohin fahren wir?", lenkte ich vom Thema ab, als ich seine Hand auf meinem Oberschenkel spürte.
Vollkommen verunsichert sah ich ihn an, während er immer noch mein Kinn fest in seinem Griff hatte.
"Das wird eine kleine Überraschung, Princesa", seine Mundwinkel hoben sich erneut, während ich meine Augen regungslos über seine Kleidung schweifen ließ.
Er trug einen dunklen Anzug. Das Hemd unter dem Jackett etwas aufgeknöpft, sodass seine Tattoos auf der Brust hervor blitzten.
Anschließend sah ich ihm erneut in seine funkelnden Augen, woraufhin er mich schnaubend losließ.
Die restliche Fahrt schwieg er, was mich nicht weniger beunruhigte.
Je länger ich mit Jesús in diesem Wagen saß, desto mehr fühlte ich mich wieder als seine Hure.
Als wär mein Leben dafür vorgesehen.
Vielleicht war es auch einfach nur unbewusster Selbstschutz, damit es nicht so wehtat.
Denn ich war mir in diesem Moment sicher, dass ich meine Familie und Tiano nie wieder sehen werde.
Blitze zuckten am Nachthimmel entlang, als wir uns Rio näherten. Doch wider Erwarten, fuhren wir in eine vollkommen andere Richtung.
Dann begann es in Strömen zu regnen, sodass ich absolut nichts erkennen konnte. Erst als wir nach einer gefühlten Ewigkeit stoppten, blendeten mich helle Scheinwerfer und ich schloss blinzelnd meine Augen.
"Wir sind da", betonte Jesús unsere Ankunft mit monotoner Stimme, allerdings sprach seine Mimik dafür umso mehr und mein Herz begann augenblicklich zu rasen.
Dann öffnete der Chauffeur meine Tür und ich setzte zögerlich einen Fuß nach dem anderen aus dem Wagen.
Der sonst so warme Sommerregen fühlte sich plötzlich eisig an und ich begann am ganzen Körper zu zittern, als ich zu dem Fahrer unter den Schirm trat.
"Darf ich bitten?", reichte mir Jesús seine Hand, bevor er mir sein Jackett über die Schultern legte. Doch ich sah ihn nur mit zusammengekniffenen Augen an und verschränkte aus Protest meine Arme vor der Brust.
"Ich liebe diese sture Seite an dir, da komm ich glatt auf andere Gedanken", flüsterte er an meinem Ohr.
"Aber jetzt solltest du ganz brav sein und dich wie eine gut erzogene Frau verhalten. Haben wir uns verstanden", wurde er abermals ernst und griff nach meiner Hand.
Dann schritten wir unter strömenden Regen auf das Scheinwerferlicht zu, während der Chauffeur versuchte uns mit dem Schirm vor der Nässe zu schützen.
Als wir näher kamen, stockte mir plötzlich der Atmen und auch mein Herz setzte mehrere Schläge aus.
Denn bei dem Gebäude handelte es sich um das alte Schloss, in dem Triana und ich den schlimmsten Abend unseres Lebens verbrachten.
Augenblicklich blieb ich stehen.
"Ich geh da nicht wieder rein", kam es aus meiner Kehle, während ich mit offenem Mund auf die große Eingangstür starrte.
"Keine Angst. Diesmal werde ich dich beschützen", erklärte er mit Hohn in der Stimme und hob seine Augenbraue dabei.
"Und jetzt komm", befahl er und zog mich förmlich hinter sich her.
Die in schwarz gekleideten Security, welche schwerbewaffnet vor der Tür standen, waren vollkommen durchnässt. Trotzdem ließen sie sich nicht von ihrer Arbeit abbringen. Wie ferngesteuerte Roboter ohne jeglicher Mimik öffneten sie die Tore.
Mit geschlossenen Augen atmete ich ein letztes Mal die frische Luft ein. Dann betrat ich das Gebäude, welches ich eigentlich nie wieder auch nur aus der Ferne sehen wollte.
Kaum waren wir einige Schritte gelaufen, kam mir der bekannte Geruch von teurem Parfum, Alkohol und Zigarren in die Nase und mit ihm kamen die Erinnerungen, als wäre es gestern gewesen.
Dann betraten wir den großen Saal, welcher offensichtlich etwas umgestaltet wurde, aber immer noch den Anschein eines Casinos hatte.
Überall standen und saßen Männer mit teuren Anzügen und noch teurerem Schmuck, welche von Jesús Prostituierten umgarnt wurden wie kleine Bienen um den Honig.
Ich ließ meine Augen flüchtig durch den Raum schweifen. Bei den Gästen handelte es sich diesmal nicht um Politiker oder andere hohe Tiere, sondern es war ein reines Treffen der Mafia.
Wobei ich den einen oder anderen korrupten Mann dazwischen herumlaufen sah.
"Buenas noches meine kleine Orchidee", hörte ich plötzlich eine bekannte Stimme neben mir und zuckte innerlich zusammen, als ich in die stechend, funkelnden Augen von Juan Pablo Escobar sah, welcher mich mit einem schiefen Lächeln angrinste.
"So schnell sieht man sich wieder", nahm er meine Hand und hauchte ein Kuss auf meinen Handrücken ohne den Blick von mir zu wenden.
Diese gespielte Freundlichkeit machte mir Angst.
"Buenas noches", brachte ich kaum hörbar hervor und starrte ihn regungslos an. Meine Nervosität, welche ich vergeblich zu unterdrücken versuchte, schien ihn zu erfreuen.
"Eigentlich müsste ich ziemlich verärgert sein, denn du bist schuld an dem Tod zweier Männer von mir. Und einer von ihnen war mein Cousin", führte er mir erneut eine weitere schreckliche Nacht vor Augen.
"Aber Menschen sind austauschbar und wie sich im Nachhinein herausstellte, gehörte er zu den Leuten, die mich verraten hatten. Ich sollte dir also dankbar sein, meine kleine Orchidee."
Seine Gesichtszüge veränderten sich innerhalb von Sekunden und verwirrten mich immer mehr.
"Ich würde gern ins Bad gehen um mich ein wenig frisch zu machen", stammelte ich vor Aufregung und alles was hier gerade passierte, war das reinste Déjà-vu.
Ein absoluter Albtraum aus dem ich anscheinend nie aufgewacht bin.
Fragend wandte ich meinen Blick zu Jesús, welcher nur nickte.
"Carlos", winkte er den großen, stummen Mann zu uns herüber.
"Würdest du sie bitte in ein Badezimmer begleiten", sah er ihn eindringlich an und seine Blicke sprachen noch viel mehr, woraufhin dieser nur nickte.
Dann folgte er mir durch den Saal zur gegenüberliegenden Tür hinaus.
Wie nicht anders zu erwarten war, gab er keinen Laut von sich und ich war froh das er mich begleitete.
Es war nicht allzu lange her, trotzdem musste ich mich erneut orientieren um zu diesem einen Bad zu gelangen.
Nachdem ich mich einige Male verirrt hatte und umkehren musste, sah mich Carlos skeptisch an, woraufhin ich ihn schulterzuckend anlächelte.
Doch geduldig wie er war, folgte er mir weiterhin wortlos.
Dann fand ich es endlich und legte die Hand auf die Türklinke ohne diese zu öffnen, denn ich spürte seinen Atem in meinen Nacken, woraufhin ich mich zu ihm umdrehte.
"Ich muss auf die Toilette und ich kann nicht, wenn jemand daneben steht. Also könntest du bitte hier draußen warten." Ich sah ihn flehend an.
Doch er schwieg und blieb eisern stehen.
"Bitte", wiederholte ich und verzog schon fast schmerzverzerrt mein Gesicht.
Nickend trat er nach wenigen Sekunden einen Schritt zurück.
"Danke", sagte ich und verschwand daraufhin in diesem Bad.
Erleichtert atmete ich auf, denn das war meine einzige Chance zu fliehen. Doch die Uhr tickte. Lange würde Carlos nicht auf mich warten.
Mit pochendem Herzen ging ich zu dem ersten Fenster und schaute heraus. Der zweite Stock erschien doch höher als ich dachte und die Dunkelheit ließ alles noch gefährlicher erscheinen.
Aber ich hatte Keine Wahl. Ich musste hier raus! Denn wer weiß, was Jesús mit mir vorhatte und wohin er mich anschließend verschleppen würde.
Dann öffnete ich den Wasserhahn, damit man nicht hören kann, was ich hier drin tat.
"Ich mach mich nur ein bisschen frisch, das dauert ein paar Minuten", rief ich Carlos zu, denn so lange er meine Stimme hörte, würde er nicht herein kommen.
Mit zittrigen Fingern versuchte ich das erste Fenster zu öffnen. Doch es war verschlossen, genau wie das zweite und das dritte.
"Verdamt", fluchte ich leise vor mir her und Tränen bildeten sich vor Verzweiflung in meinen Augen, während ich krampfhaft versuchte eines dieser Fenster zu öffnen.
Bis mir ein ganz kleines hinten an der Seite ins Auge stach.
Es war echt winzig und ich hatte Zweifel da überhaupt durch zu passen. Aber zu meiner Erleichterung, konnte ich dieses öffnen.
"Ich mach mir nur noch schnell die Haare. Bin gleich fertig", rief ich Carlos erneut zu und mein Herz klopfte wild gegen meinen Brustkorb, während ich auf die Toilette stieg und dann langsam ein Bein nach dem anderen heraus schob, sodass ich am Ende geduckt auf dem Fensterbrett saß.
Dann warf ich meine High Heels nach unten um ein Gefühl für die Höhe zu bekommen.
Es regnete immer noch in Strömen, nur durch die Blitze konnte ich ungefähr erkennen, was sich unter mir befand.
Und während ich mit meinem roséfarbenen Brautjungfern Kleid auf dem Fensterbrett saß, kamen plötzlich die Erinnerungen an die Nacht, als ich mit Tiano auf dem Rand der Yacht stand, kurz bevor wir gemeinsam ins Meer gesprungen sind.
Ich atmete einmal tief durch und stellte mir vor er hält genauso wie damals meine Hand.
"Das war nicht umsonst. Ich komm wieder zurück, meu Amor", murmelte ich und sprang anschließend mit geschlossenen Augen aus dem Fenster.
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