37 - Mitternacht


POV Tiano

14:30
Mit einer Zigarette zwischen den Lippen lief ich den Weg zwischen den Bäumen entlang und betrachtete das weißgoldene Armband in meiner Hand.

Zum Glück konnte er es noch rechtzeitig fertigstellen.

Von weitem sah ich João auf einer Leiter am Baum und lief geradewegs auf ihn zu.

"Und hast du es?", sah er zu mir herab und deutete gleichzeitig auf die Lichterkette, welche ich ihm reichen sollte.

"Ja, hab mich eben mit ihm getroffen. Danke nochmal für den Kontakt", erwiderte ich und half ihm dabei den Baum zu schmücken.

"Meinst du nicht, dass sind ein bisschen viele? Wenn die alle brennen, kann man uns von der ISS Raumstation sehen", runzelte ich die Stirn, während ich meinen Blick über die Terrasse und die angrenzenden Bäume und Büsche schweifen ließ.

"Für meine zukünftige Frau tu ich alles. Soll ruhig jeder sehen das wir heute heiraten", ließ er sich nicht davon abringen noch weitere Lichter anzubringen.

"Wen habt ihr eigentlich eingeladen?", erkundigte ich mich, da wir die letzten zwei Tage kaum Gelegenheit hatten uns allein zu unterhalten, wie wir es früher oft taten. 

Irgendwie vermisste ich die Zeiten in unserer Werkstatt und vor allem die Rennen. Es kommt mir mittlerweile wie eine Ewigkeit vor.

"Katas Schwester mit ihrem Mann und die Kinder und ihre Eltern werden kommen. Onkel Benìcio hat noch ein paar Nachbarn eingeladen, bei denen ich früher oft als Kind  gespielt habe",erklärte er mir und ich nickte nur, während wir mit der Leiter im Arm zum nächsten Baum liefen.

"Und von dir?", sprach ich ein Thema an, was er schon seitdem wir uns kannten immer vermied. Und so auch dieses Mal.

"Ihr seid meine Familie", erwiderte er knapp und den Schmerz in seinen Augen konnte auch sein Lächeln nicht überdecken.

"Und jetzt gib mir die verdammte Girlande und erzähl mir lieber von deinen Plänen", befahl er und streckte mir seine Hand entgegen.

"Na ja,  viel kann ich dir noch gar nicht sagen. Ich weiß nur das Diego morgen mit seinen Männern hier auftauchen wird und wir das Gebiet besprechen werden"

"Du weißt, was ich von deiner Entscheidung halte. Die Mafia ist kein Kindergarten, Bro", führte er mir erneut vor Augen, was ich bereits wusste.

"Meinst du nicht wir könnten das Geld mit den Rennen auftreiben. Ich meine, wenn wir beide jede Nacht fahren, könnten wir reich werden",  mit den Hände auf meinen Schultern sah er mir fest in die Augen und versuchte mich so abermals umzustimmen.

"Nein, dass kann ich nicht von dir verlangen. Du brauchst dein Geld selber. Ihr wollt ein Haus kaufen und Kata wird es nicht dulden, dass du dich jede Nacht in Gefahr begibst. Und ich könnte auch nicht damit leben", gab ich ihm ernsthaft zu verstehen und schob seine Hände von meinen Schultern um mir eine weitere Zigarette anzuzünden.

"Ich mach das schon. Mit Diego an meiner Seite werden die Geschäfte von ganz alleine laufen", erklärte ich ihm selbstsicher, damit er sich keine Sorgen machte. Denn ich kannte João nur zu gut und ich wollte nicht, dass er für mich sein Leben riskierte.

"Du weißt, dass ich trotz allem immer hinter dir stehen werde", beteuerte er, bevor wir anschließend die restliche Dekoration anbrachten.

15:00
Nachdem João und ich mit allem fertig waren und er sich nun auch umzog, suchte ich nach einem ruhigen Ort um meine Gedanken zu ordnen, bevor die Feier begann.

Versteckt zwischen Blumen und Sträuchern fand ich Gio vollkommen abwesend  auf einer Bank vor.

Sie sah atemberaubend aus in ihrem rosé farbenen Kleid mit dem dazu passenden Blumenkranz in ihren dunklen Haaren und ich konnte nicht aufhören sie anzusehen.

Allerdings wirkte sie irgendwie traurig, was mein Herz schwer werden ließ.  

„Hey, was machst du hier?", sprach ich sie mit sanfter Stimme an, woraufhin sie überrascht ihren Kopf hob.

„Nichts, ich wollte nur ein bisschen allein sein", erwiderte sie, während sie mich mit leeren Augen anschaute.

„Darf ich mich zu dir setzen?", fragte ich und  sie rutschte wortlos ein Stück zur Seite, was wohl soviel wie -ja- bedeutete.

Wir saßen eine Weile schweigend nebeneinander und starrten über die Landschaft.

Die Pläne mit dem Cali-Kartell, die Scheiß Begegnung mit diesem Bastard von Jesús und dann noch mein Vater und Veronique die meinen Kopf fickten, machten es unmöglich mich zu entspannen.

Gern hätte ich sie aufgemuntert, denn sie wirkte genauso bedrückt wie ich. Aber mir fielen einfach keine passenden Worte ein.

Daher legte ich meinen Arm um sie und zog sie nah an mich heran.

„Woran denkst du gerade?", murmelte ich, während ich ihr zärtlich über die Haare strich ohne sie dabei anzusehen.

„Das ich gern für immer so hier mit dir sitzen möchte", erwiderte sie nach einigen Sekunden mit brüchiger Stimme und ihre Worte legten sich wie eine Hülle fest um mein Herz.

Innerlich seufzend schloss ich meine Lider und zog sie noch enger an mich.

Die Sonne hing bereits tief über den Bäumen, als ich mich dann von ihr löste und kurzentschlossen die kleine Schachtel aus meinem Jacket holte.

"Was ist das?", starrte sie mit gerunzelter Stirn auf das längliche Kästchen und ihre Mundwinkel hoben sich leicht.

"Eigentlich wollte ich es dir ganz romantisch um Mitternacht geben, wenn das Feuerwerk beginnt", erklärte ich ihr, während ich das Kästchen für sie öffnete und das Armband heraus holte.

"So wie bei Cinderella", sprach ich weiter und nahm ihre Hand um es ihr umzulegen.

"Cinderella hat aber etwas verloren und nichts bekommen", schmunzelte sie daraufhin, was mir ebenfalls ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

"Ist ja auch egal, es ging darum das es um Mitternacht sein sollte. Aber eigentlich hab ich ja auch schon erreicht, was ich wollte", meinte ich leise, während ich ihr die Haare aus dem Gesicht strich.

"Ja? Was denn?"

"Das du wieder lächelst", erklärte ich ihr, woraufhin sie schwer schluckte.

Ihr Blick senkte sich und sie streifte mit den Fingern über das Armband um es näher zu betrachten.

"Você e eu", murmelte sie, als sie die Gravur entdeckte.

"Damit du es nie wieder vergisst", gab ich ihr leise, fast schon flüsternd zu verstehen.

"Das hätte ich auch so nie, Tiano", sah sie mich an und ihr Blick dabei fesselte mich.

Irgendetwas stimmte mit ihr nicht. Doch anstatt sie darauf anzusprechen, nahm ich sie erneut in meine Arme, so wie sie es sich wünschte.

Und so saßen wir schweigend und jeder in seinen eigenen Gedanken vertieft auf dieser kleinen Bank versteckt zwischen den Sträuchern und hielten einander fest, als könnte einer von uns sonst verloren gehen.

17:00
Kurz vor Sonnenuntergang fand die Trauung draußen im Garten statt. João und Kata sahen so glücklich aus und ich freute mich sehr für sie.

Trotzdem machten sich immer wieder Bedenken in mir breit, wenn ich zu Gio rüber sah, welche als Brautjungfer neben Katalina stand.

Ihre Familie und Freunde waren alle hier, wir befanden uns auf einer Hochzeit und sie sollte eigentlich bis über beide Ohren strahlen.

Doch das tat sie nicht, zumindest nicht von Herzen. Ich kannte den Unterschied mittlerweile bei ihr.

Und das Lächeln was sie aufsetzte, wenn sie jemand ansprach, war einfach nur schlecht gespielt. Es wunderte mich, dass sie noch niemand darauf angesprochen hatte.

Als Trauzeuge neben dem Bräutigam stehend, sah ich immer wieder zu ihr herüber - während João und Kata ihr Gelübde sprachen, während sie sich die Ringe ansteckten und als sie ihre Vermählung mit einem Kuss besiegelten.

Aber sie wich meinen Blicken aus.

Nach der Trauung verschwand sie mit Triana im Haus und ich begann mich  mit den Leuten zu unterhalten - auch um mich ein wenig von meinen eigenen Problemen abzulenken. 

"Stimmt das, das du Autorennen fährst?", sprach mich Danilo an, als ich gerade dabei war mir von dem Whisky nachzuschenken.

"Wer hat dir das denn erzählt?", sah ich Gios kleinen Bruder mit einem frechen Grinsen von der Seite an.

"João. Er hat mir auch seinen Wagen gezeigt. Der sieht echt richtig krass aus. Wenn ich groß bin will ich auch so einen haben. Und Rennen fahren, so wie Ayerton Senna oder Rubens Barrichello", redete er mit einem Strahlen in seinen dunklen Augen weiter.

"Das ist eine sehr gute Idee", bekräftigte ich ihn in seinem Vorhaben, denn er erinnerte mich in diesem Moment an mich.

"Kannst du mir morgen dein Auto zeigen? Ich möchte alles darüber lernen - wie man fährt, wie man es repariert", redete er voller Begeisterung weiter, sodass ich einfach - ja - sagen musste.

"Klar, machen wir. Gleich morgen nach dem Aufstehen."

"Versprochen?", fragte er mit weit aufgerissenen Augen nach.

"Versprochen", bestätigte ich ihm unseren kleinen Termin mit einem Lächeln und wuschelte ihm durch die Haare, bevor er anschließend zu seiner Mom rannte. Wahrscheinlich um ihr von diesen Neuigkeiten zu berichten.

Kaum war er verschwunden, ließ ich meine Augen erneut durch die Menge schweifen und dann kreuzten sich unsere Blicke.

Zum ersten Mal seit Stunden lächelte sie mich wieder an. Sie musste mich und ihren Bruder schon eine ganze Weile beobachtet haben.

Als ich gerade auf sie zugehen wollte, sprach mich der Mann von Katalinas Schwester an. Ich wollte ihm gerade erklären, dass ich mich später mit ihm unterhalten werde.

Doch als mein Blick zurück zu Gio ging, war diese verschwunden. Also blieb ich bei ihm stehen.

23:00
Immer wieder suchte ich sie mit den Augen, während ich mich mit den unterschiedlichsten Leuten über Gott und die Welt unterhielt und nun schon zum wiederholten Male erklärte, dass ich nichts mehr mit der Politik meines Vaters zu tun habe.

Dann fand ich sie bei ihrer Mom und Danilo wieder. Es war schön sie mit ihrer Familie zusammen zu sehen. Intuitiv bildete sich ein Lächeln auf meinen Lippen.

Sie wirkte glücklich, während sie mit ihnen lachte und ihren Bruder immer wieder in den Arm nahm und mit ihm Scherzte.

Vielleicht bildete ich mir auch alles nur ein - weil mich meine eigenen Sorgen innerlich auffraßen.

23:15
Mein Blick schweifte abermals durch den Vorgarten und blieb dann an Triana hängen, welche etwas verloren mit einem Glas in der Hand zwischen den Leuten stand.

Geistesgegenwärtig ging ich zu ihr herüber und forderte sie zum Tanzen auf.

„Wir hatten noch nie die Möglichkeit uns richtig zu unterhalten", stellte ich fest, nachdem ich meine Hand an ihre Taille gelegt hatte.

„Ja, es war einfach zu viel Trubel die letzen zwei Tage", lächelte sie mich an, während wir uns im Takt bewegten.

"Ist mit Gio alles in Ordnung?", fragte ich sie dann doch, obwohl ich sie eigentlich nicht mit meinen Sorgen nerven wollte.

Mit einem - warum fragst du sie nicht selber - Blick schaute sie mich irritiert an und sie hatte ja Recht. Keine Ahnung warum ich es nicht tat.

"Ich denke, die letzten Tage und Wochen waren sehr viel für sie und jetzt, wo der ganze Stress vorbei ist, fängt sie langsam an alles zu realisieren und darüber nachzudenken", erklärte sie mir ziemlich einleuchtend, nachdem sie mich einige Sekunden gemustert hatte.

"Du solltest ihr ein bisschen Zeit geben", sprach sie mit gefestigter Stimme an meinem Ohr, während wir uns zwischen den anderen Paaren bewegten.

Trianas Worte waren klar und deutlich und gaben mir Hoffnung. Sie kannte sie am besten, daher vertraute ich ihr.

Als das zweite Lied endete, verließen wir die Tanzfläche.

23:35
Nervös spielte sie mit ihren Fingern, während sie sich in Gedanken versunken umschaute.

„Lass uns tanzen schöne Frau", flüsterte ich in ihr Ohr, während ich meine Hände von hinten um ihre zarte Taille legte.

Sie wandte sich daraufhin mit einem sanften Lächeln zu mir. Dann führte ich sie ohne ein weiters Wort zu sagen auf die Tanzfläche unter dem Pavillon.

„Hab ich dir schon gesagt, dass du wunderschön aussiehst?", betrachtete  ich sie ein letztes Mal, bevor sie sich an mich schmiegte und ihren Kopf an meine Brust lehnte, während wir uns im Takt dieses langsamen Liedes wiegten.

Die anderen Gäste standen verteilt im Vorgarten und unterhielten sich, während wir uns ganz allein im Schein der Lichterketten bewegten.

Sie wirkte müde, aber wahrscheinlich hatte Triana Recht, die letzten Tage und Wochen waren mehr als anstrengend. Immerhin wäre sie fast gestorben.

Und diese Erinnerung versetzte mir einen kurzen Stich ins Herz. 

Sanft strich ich ihr über die Haare und atmete ihren unverkennbaren Duft ein.

Es fühlte sich so unwirklich an. Nach all dem was passiert war, die vielen Steine, die uns in den Weg gelegt wurden, jetzt hier mit ihr zu sein  und gemeinsam mit unseren besten Freunden und Familien dieses wunderschöne Fest zu genießen.

„Ich möchte jeden Tag mit dir genauso glücklich sein wie heute", sprach ich leise an ihrem Ohr, woraufhin sie mich ansah.

"Ich dachte die ganzen Jahre, ich weiß, was Liebe ist - bis ich dich kennengelernt habe, Gio. Ich brauche keine Villa, keine teure Kleidung oder schicke Restaurants. Alles was ich will, ist glücklich mit dir zusammen leben", erklärte ich ihr mit sanfter Stimme, während ich ihr mit dem Handrücken über die Wange strich.

Und dich irgendwann heiraten", flüsterte ich anschließend in ihr Ohr und spürte ihr Lächeln bei diesen Worten.

"Du bist das Beste was mir je passieren konnte und ich würde alles genauso wieder machen", sah ich sie erneut an und Tränen bildeten sich in ihren Augen. 

Dann nahm sie meinen Kopf zwischen ihre zierlichen Hände und ihr Blick war so intensiv, dass er  förmlich durch mich hindurch zu gehen schien.

"Du hast mich gerettet in jeglicher Weise, wie man einen Menschen nur retten kann. Auch wenn ich es dir am Anfang schwer gemacht habe. Aber ich bin dir unendlich dankbar dafür.  Und ich möchte, dass du weißt, egal was auch passiert, meine Liebe zu dir wird niemals sterben", begann sie mit brüchiger Stimme zu erzählen, während ihr nun die Tränen über die Wangen rollten.

"Hey hey, Gio, meu Amor. Alles okay?", fragte ich daraufhin besorgt, während ich ihr eine Strähne hinter das Ohr strich und ihren Blick festhielt,

„Amo você", war alles was sie sagte, dann löste sie ihre Hände von meinem Nacken.

"Ich möchte kurz allein sein", meinte sie vollkommen unerwartet und wirkte plötzlich wieder ganz gefasst, während sie mich mit ihren rehbraunen Augen intensiv ansah.

Und noch eh ich realisierte, was hier gerade geschah, verschwand sie zwischen den Bäumen in der Dunkelheit.

"Ich liebe dich auch", murmelte ich vollkommen abwesend hinter ihr her.

。☆✼★━━━━━━━━━━━━★✼☆。

POV  Gio

23:55
Als ich durch das Gartentor lief, löste ich mit zittrigen Fingern sein Armband von meinem Handgelenk und legte es auf die Steine vor dem Rosenbeet.

"Dein Märchen wird wahr...", begann ich zu schluchzen und atmete einmal tief durch, um mich wieder zu beruhigen.

Mit den Heels in der Hand tapste ich barfuß über den Asphalt.

Meine Beine bewegten sich mechanisch und mein Kopf war vollkommen leer.

Je weiter ich mich von dem Grundstück entfernte desto leiser wurde die Musik bis ich sie nur noch ganz schwach in der Ferne wahrnahm.

Ganz am Ende der Straße sah ich dann die schwarze Limousine in der Dunkelheit auf mich warten.

Mit geschlossenen Augen atmete ich einmal tief ein, während mir eine Träne über die Wange rollte, welche ich sofort mit dem Handrücken abwischte.

Dann lief ich die wenigen Meter zum Wagen.

Kaum stand ich davor, öffnete sich die Tür.

Ich blickte ein letztes Mal die Straße hinauf, als das Feuerwerk Punkt zwölf Uhr begann.

Dann stieg ich schweren Herzens und mit bebenden Körper ein.

00:00
„Hola princessa! Ich wusste du findest den Weg zu mir zurück."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top