28 - RIO


POV Tiano

Mit erhobenen Händen grinste mich dieser Muskelprotz in seiner Militär-Kleidung an und mein Finger zuckte am Abzug.

"Du wirst mir jetzt ganz leise verraten, wie viele ihr seid - verstanden", raunte ich mit gedämpfter Stimme und hielt ihm die Waffe nun genau vor die Stirn. Doch er zuckte nur mit den Mundwinkeln.

"Dein dämliches Grinsen wird dir vergehen, wenn du dein Gehirn vom Boden aufkratzen kannst", knurrte ich und drückte den Lauf der Pistole fester zwischen seine Augen.

„Jefe. Lo tengo (Ich hab ihn, Boss)", rief er dann ohne sich zu regen, während sich sein Blick in mich hineinbohrte.

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, kam eine weitere Gestalt auf mich zu. Reflexartig machte ich einen Schritt zurück und zielte auf ihn.

"Nicht schlecht", hörte ich dann eine mir bekannte Stimme sagen und ich ließ meine Waffe erleichtert sinken, als Diego aus der Dunkelheit hervortrat.

"Fuck, man! Ich hätte den fast abgeknallt", blaffte ich ihn an und gestikulierte wild mit der Pistole in der Hand, denn mein Adrenalinspiegel war gerade auf einem Maximum.

"Der hat schon schlimmeres erlebt", erwiderte Diego mit einem schiefen Lächeln gelassen und legte mir einen Arm um die Schulter um mich ins Haus zu begleiten.

"Du hättest eh nicht abgedrückt", meinte der Typ zuversichtlich hinter unserem Rücken, während er sich eine Zigarette anzündete.

"Da wäre ich mir nicht so sicher. Wenn ein Löwe seine Löwin beschützt, dann ist er zu allem fähig", erklärte Diego ihm mit gehobener Augenbraue.

"Apropos Löwin - wo ist sie überhaupt?", stellte er im selben Moment mit gerunzelter Stirn fest und wandte sich mir zu.

"Ich bin hier", klang eine leise Stimme wenige Meter von uns entfernt und mein Puls beruhigte sich sofort, als Gio ins Licht der Terrasse trat.

Mit skeptischem Gesichtsausdruck kam sie zu mir herüber und ich legte augenblicklich meinen Arm schützend um sie.

"Warum bist du hier? Wir hatten doch ausgemacht, dass du erst in einer Woche kommst", meinte ich irritiert, während wir drei ins Haus liefen.

"Sorry. Aber eure Flitterwochen sind wohl vorbei", grinste er kurz, bevor seine Gesichtszüge erneut ernst wurden und er sich auf dem Sofa niederließ um seine Beine auf dem Tisch übereinander zu schlagen.

"João hat angerufen. Es gibt anscheinend Probleme. Du sollst nach Rio zurückkommen", erklärte er daraufhin und mein Herzschlag beschleunigte sich.

"Was ist passiert?", wurde ich lauter und ging zu ihm herüber. 

"Keine Ahnung, Mano. Er will es dir persönlich sagen. Ist echt ein hartnäckiger Typ der Bro", erwiderte er und verzog nickend seinen Mund.

"Aber wenn du mich fragst, das klang schon ziemlich wichtig", fügte er mit gehobener Augenbraue hinzu.

"Wann können wir los?", meinte ich fokussiert und mein Blick bohrte sich in ihn hinein.

Dann sah ich kurz  zu Gio, welche hinter mir stand und dem Gespräch aufmerksam folgte.

"Wenn ihr bereit seid...", erwiderte er mit monotoner Stimme und schaute  abwechselnd zu Gio und mir.

"Jetzt sofort."

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POV Gio

Gedankenverloren blickte ich aus dem Fenster und beobachtete die blinkenden Lichter an den Tragflächen des Privatjets, während Tiano noch einige Dinge mit dem Piloten besprach.

"Möchten Sie etwas Trinken oder Essen, Miss Loreto?", holte mich eine der zwei Stewardessen ins Hier und Jetzt zurück und ich wandte mich mit einem Lächeln auf den Lippen zu ihr.

"Ich bin nicht Miss....", begann ich -  stoppte aber mitten im Satz.

"Nein, danke", erwiderte ich anschließend freundlich, woraufhin sie in den hinteren Teil des Flugzeugs verschwand.

"Miss Loreto also?", hörte ich Tiano trocken hinter mir sagen und ich konnte sein freches Grinsen dabei spüren.

Meine Wangen färbten sich augenblicklich rosa und ich drehte mich erneut zum Fenster hin - während ich  -  beschämt, aber mit einem breiten Strahlen - meine Augen zusammenkniff.

"Cayetana de Loreto", hauchte er an meinem Ohr und löste mit seiner Stimme ein unbeschreibliches Kribbeln in meinem Körper aus.

"Gefällt mir", fügte er weiter hinzu, woraufhin ich mich langsam zu ihm wandte bis sich unsere Blicke trafen.

Ich spürte seinen Atem auf meinen Lippen.

Eine gefühlte Ewigkeit sahen wir uns einfach nur an und mein Herz pochte gegen den Brustkorb.

Meine Augen schwankten vor Nervosität, aber auch vor Verlangen, immer wieder zu seinen vollen Lippen.

Unbewusst öffnete ich leicht meinen Mund um nach Luft zu schnappen, denn sein Anblick raubte mir förmlich den Atem.

"Wir starten jetzt, Senhor Loreto. Sie sollten sich zur Sicherheit anschnallen", unterbrach uns die Stewardess und ich holte tief Luft, bevor ich den Gurt, genau wie er, um meine Hüfte legte.

Als der Jet seine Startposition eingenommen hatte und die Turbinen immer lauter wurden, klammerte ich mich mit beiden Händen an den Lehnen fest.

"Flugangst?", belächelte er die Situation. Doch ich war so angespannt und konzentriert, als würde ich selbst das Flugzeug fliegen, sodass ich ihn nicht einmal ansehen konnte.

Ich spürte, wie sich seine Finger langsam zwischen meine schoben und nur alleine seine Berührung beruhigte mich, während wir wenige Sekunden später abhoben.

Der Flug von Medellín nach Rio dauerte knapp neun Stunden, wovon ich zu Beginn mit dem Kopf auf seinem Schoss lag und schlief, während er zärtlich mit seinen Fingern durch meine Haare strich.

.............

"Gio. Amor. Wir landen gleich", weckte Tiano mich mit sanfter Stimme, woraufhin ich meine Augen öffnete.

Vollkommen verwirrt und orientierungslos brauchte ich einige Sekunden um mich daran zu erinnern, wo und vor allem bei wem ich gerade war.

Wenn man bedenkt, dass ich vor ungefähr vierundzwanzig Stunden noch mit Tiano auf einer einsamen Insel im Pazifik war, ist das nur verständlich.

Noch leicht benommen richtete ich mich langsam auf und gab der Stewardess die Decke, mit welcher Tiano mich zugedeckt hatte. Dann nahm er erneut neben mir Platz.

"Gut geschlafen?", meinte er wie selbstverständlich - als wären wir schon seit Ewigkeiten zusammen und flögen regelmäßig um die Welt.

Ich nickte nur und beobachtete anschließend nervös, wie wir uns dem Boden näherten, während er abermals meine Hand hielt.

Diese Anspannung bezog sich allerdings mehr auf das, was uns noch bevor stand. Denn wir sind nicht ohne Grund nach Rio zurück gekehrt.

Und obwohl ich es kaum erwarten konnte endlich meine Mom und Danilo wiederzusehen, so überzog diese Vorfreude ein dunkler Schleier.

Denn wir betraten auch die Höhle des Löwen, welcher nur darauf wartete uns zu fassen.

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POV Tiano 

Als ich gemeinsam mit Gio das Flugzeug über die Treppe verließ, sah ich João wenige Meter entfernt auf uns warten.

Mit einer Zigarette im Mund stand er an den blauen Nismo  gelehnt und tippte irgendetwas in sein Handy.

Die Freude in seinem Gesicht war zweigeteilt, als er uns bemerkte und augenblicklich spannte sich jeder Muskel in meinem Körper an, während ich Hand in Hand mit Gio auf ihn zu lief.

Mit zusammengekniffenen Lippen nickte er mehrmals, als wir vor ihm standen.

Erst jetzt wurde mir bewusst, was für ein ungewohnter Anblick es für ihn gewesen sein musste, mich nach zwei Jahren plötzlich mit einer anderen Frau an meiner Seite zu sehen.

"Wie war der Flug?", versuchte er die Situation aufzulockern, während er Gio zur Begrüßung rechts und links auf die Wange küsste.

"Stressfrei wie immer", erwiderte ich knapp und umarmte ihn ebenfalls kurz, bevor ich ihn eindringlich ansah und die Anspannung zurückkehrte.

"Was ist passiert?", fiel ich sofort mit der Tür ins Haus, während ich ihn weiterhin fixierte.

"Lass uns erst nach Hause fahren, ist zu gefährlich hier zu stehen", meinte er daraufhin.

"Ist was mit meiner Mom? Meiner Schwester?", ließ ich nicht locker, während ich ihn mit beiden Händen an den Schultern festhielt um irgendeine Information aus ihm zu bekommen.

"Nein, beruhig dich. Es geht allen gut. Lass uns zu mir fahren und wir reden in Ruhe", erwiderte er daraufhin nur.

"Alter du machst mich kaputt. Warum sind wir dann hier, wenn alles in Ordnung ist?", gestikulierte ich verständnislos mit den Händen, während ich ihn mit gerunzelter Stirn ansah.

Doch er reagierte nicht weiter darauf, sondern stieg in den Wagen.

Gestresst atmete ich einmal tief ein, dann öffnete ich Gio die Tür und sie nahm auf dem Rücksitz platz.

Die Fahrt durch die Stadt dauerte eine gefühlte Ewigkeit und ich schaute nachdenklich aus dem Fenster, während Gio sich mit João über belangloses unterhielt.

Es war mittlerweile Abend und die Sonne verschwand allmählich hinter den Hochhäusern, als wir an der Tür freudestrahlend von Katalina  erwartet wurden.

"Ist meine Mom und Danilo auch hier?", erkundigte sich Gio voller Erwartungen. Doch João hatte sie schon vor Tagen außerhalb der Stadt gebracht, da sie sich hier nicht mehr frei bewegen konnten.

Zu sehen wie ihre Mundwinkel langsam nach unten fielen, tat mir genauso weh, wie ihr und ich schloss sie augenblicklich in meine Arme.

"Wir werden sie morgen besuchen", versprach ich ihr und gab ihr anschließend einen Kuss auf den Haaransatz.

"Schon gut. So lange wie sie in Sicherheit sind, ist alles in Ordnung", lächelte sie tapfer.

"Das sind sie", beteuerte ich ihre Aussage.

"Wollt ihr was Essen? Was trinken? Ich habe extra dein Lieblingsmenü gekocht", zwinkerte mir Kata zu und verschwand noch bevor wir ihr antworten konnten in der Küche.

"Okay, Mano. Jetzt sind wir hier - also, was ist los?", begann ich augenblicklich noch während wir im Wohnzimmer herumstanden.

"Vielleicht sollten wir das erstmal alleine besprechen", meinte er daraufhin und schwenkte mit seinem Blick kurz zu Gio, bevor er mich erneut ansah. 

Seine Nervosität machte mich ebenfalls unruhig.

"Jetzt rück schon raus mit der Sprache", forderte ich leicht gereizt auf.

"Sicher, Bro?", vergewisserte er sich ein letztes Mal und versuchte mir mit seinen Augen irgendetwas zu vermitteln. Doch ich ignorierte es.

"Si. Ich habe keine Geheimnisse mehr vor Gio, okay", als Zeichen dafür, schob ich meine Finger zwischen ihre und zog sie nah an mich heran.

Er atmete einmal tief durch.

"Veronique ist schwanger. Und sie sucht dich überall", platzte es dann aus ihm heraus, während er mir eindringlich in die Augen sah.

Die Worte drangen in mich ein ohne das ich sie verstand, und die Erde hörte sich  für einige Sekunden auf zu drehen.

Um mich herum nahm ich nichts mehr wahr. Mein Körper war wie gelähmt.

Regungslos starrte ich João an, als warte ich immer noch darauf, was er mir gleich sagen würde.

"Tiano, du wirst Vater", betonte er noch einmal deutlich und versuchte dabei so etwas wie Freude zu zeigen.

„Bist du dir sicher?", schluckte ich  schwer.

Und als ich endlich realisierte, was er da gerade gesagt hatte, schloss ich schwer atmend meine Lider.

Dann spürte ich nur noch wie Gios Finger  langsam aus meinen glitten.

Und es fühlte sich an, als würde ich sie gerade einen Abgrund hinunter stürzen lassen - obwohl ich ihr versprach sie zu halten.

Denn von einer Sekunde zur anderen waren meine ganzen Versprechungen nur noch wie Hohn in ihren Augen.

Als ich meinen Kopf langsam zu ihr wandte, stand sie regungslos neben mir und ich sah wie ihre Augen feucht wurden.

Ohne ein Wort zu sagen stürmte sie dann  zum Ausgang.

Geistesgegenwärtig rannte ich ihr hinterher und riss sie am Arm zu mir herum, noch bevor sie die Tür erreichte.

"Gio. Jetzt warte doch mal", flehte ich sie an während ich sie ungewollt grob am Oberarm packte.

"Was, Tiano? Was?", blaffte sie, während sie mich wütend anfunkelte, und ich erkannte sie für einen kurzen Moment nicht wieder.

"Ich wusste es war ein Fehler. Das gestern hätte niemals passieren dürfen. Wie konnte ich nur so dumm sein", schrie sie verzweifelt und Tränen rollten ihr über die Wangen.

"Sag das nicht, Gio. Alles was wir getan haben, war genau richtig. Und ich würde es jederzeit wieder tun", gab ich ihr zu verstehen, während ich sie nun mit beiden Händen festhielt und ihr versuchte in die Augen zu sehen, doch sie wich meinem Blick die ganze Zeit aus.

"Hast du João eben überhaupt zugehört?", schüttelte sie ungläubig mit dem Kopf. Und es brach mir das Herz sie so zu sehen.

"Du hast eine Frau und du wirst Vater, Tiano. Vater! Weißt du was das bedeutet?", redete sie mit tränenerstickter Stimme auf mich ein und die Worte sprudelten nur so aus ihrem Mund, während sich ihr verschwommener Blick in mich hineinbohrte.

Dann wurde es plötzlich still um uns herum und sie starrte mich regungslos an, während sie schwer atmend und mit bebenden Lippen vor mir stand.

Keine Ahnung ob sie in diesem Moment auf eine Antwort von mir gewartet hat. Aber ich war plötzlich wie stumm, als ich nach und nach realisierte, was hier gerade geschah.

Ich wollte ihr sagen, dass ich sie liebe und dass ich mit ihr zusammen bleiben werde! Doch die Worte kamen nicht über meine Lippen .

Stattdessen sah ich sie einfach nur an.

"Adeus, Tiano", durchbrach sie nach einigen Sekunden die Stille und wirkte plötzlich so gefasst.

Dieses Wort war wie ein Stich ins Herz.

Doch mein Körper zeigte keinerlei Reaktion, als sie sich aus meinem Griff löste und durch die Tür in die Nacht hinaus ging...

Und dann vor meinen Augen in den Straßen von Rio verschwand...

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