15 - Schuldgefühle


POV Tiano

Um die gesamte Villa herum war es stockdunkel, nur der Mond gab mir die Möglichkeit etwas zu erkennen.

Keine Ahnung wie lange ich schon im Auto ausharrte, aber offensichtlich zu lange, denn auf meinem Handy hatte ich mittlerweile fünfzig Anrufe und noch mehr Nachrichten von Vero.

Aber das war mir egal, die wird sich schon wieder einkriegen. Das  hier erschien mir gerade viel wichtiger und ich wusste noch nicht einmal warum.

Plötzlich öffnete sich das Tor der Tiefgarage und riss mich aus meinen Gedanken.

Vollkommen konzentriert richtete ich mich auf, schnippte die Zigarette aus dem Fenster und zog erneut das Bandana über die Nase.

Leise  öffnete ich die Autotür und schlich mich näher heran, als Perreira aus dem Wagen stieg und mit dem Handy am Ohr über den Rasen lief.

„Ja, alles erledigt."

„Ich denke, sie hat ihre Lektion gelernt."

Wie schon die Stunden davor  sah ich mich erneut um, suchte einen Weg in den Hochsicherheitstrakt hineinzukommen.

Doch es war einfach unmöglich. Die hohen Zäune und Mauern, allesamt mit Stacheldraht versehen, machten das Grundstück unpassierbar.

Aber was anderes hatte ich von Perreira auch nicht erwartet. Er war noch  unbeliebter in der Bevölkerung,  als der Präsident von Brasilien und lebte definitiv gefährlich.

„Ich werd die Eine jetzt entsorgen, dann bring ich dir die andere kleine Schlampe zurück."

Wütend bis ich die Zähne zusammen und ballte meine Hände zu Fäusten, während die Gedanken mit mir durchgingen.

„Die liegt immer noch in ihrer eigenen Kotze - war wohl doch etwas zu viel für das zarte Seelchen", lachte er höhnisch und meine Unterkiefer mahlten vor Zorn.

Dann legte er auf und begab sich erneut durch die Garage  ins Haus.

Wenige Minuten später kam er mit einem leblosen Körper auf dem Arm wieder heraus - und ich erkannte sie an ihrem roten Kleid.

Was auch immer dieser Bastard getan hat, das wird er büßen, schwor ich mir um meine Hilflosigkeit in diesem Moment  zu kompensieren.

Als sich die Tore öffneten, verschwand ich in meinem Auto, wartete bis er sich etwas entfernt hatte und folgte im anschließend unauffällig.

Er fuhr immer weiter aus der Stadt heraus und bog schließlich in einen kleinen Weg in den Wald hinein. Bewusst fuhr ich geradeaus weiter, damit er keinen Verdacht schöpfte.

Versteckt zwischen den Bäumen parkte ich den Wagen und machte das Licht aus.

Keine Ahnung woher João die Pistole hatte, aber jetzt war ich froh, dass ich sie im Schubfach gelassen habe.

Ich steckte sie auf die Rückseite in den Bund meiner Hose und folgte ihm zu Fuß zwischen den Bäumen entlang - bis ich den Wagen dieses Arschlochs entdeckte.

Er war gerade dabei mit einem Spaten ein Loch zu graben.

Geistesgegenwärtig nahm ich mein Handy und begann alles zu filmen auch wenn man durch die  Dunkelheit nicht viel erkennen konnte.

Dann öffnete er den Kofferraum und zog einen weißen Plastiksack heraus, welchen er in das Loch warf und dieses anschließend begann wieder zuzuschütten.

Leise schlich ich mich mit der Waffe in einer Hand und einem Ast, welcher neben mir lag, von hinten heran.

„Spaten fallen lassen und Hände nach oben", befahl ich mit gefestigter Stimme, während ich ihm die Waffe an den Hinterkopf hielt.

„Was willst du? Geld?", erwiderte er gelassen,  während er die Arme gehorsam nach oben bewegte.

Doch ich reagierte nicht, sondern verpasste ihm mit dem Ast einen kräftigen Schlag gegen den Kopf, sodass er in sich zusammen sackte.

Ich wusste, dass mir nicht viel Zeit blieb, bis dieses Schwein wieder zu sich kam, daher schnappte ich mir seinen Autoschlüssel und öffnete den Kofferraum.

Der Anblick, wie sie bewusstlos und blutverschmiert dalag, war unerträglich. Doch ich konnte jetzt nicht weiter darüber nachdenken.

Vorsichtig zog ich sie heraus und trug sie durch die Dunkelheit zu meinem Wagen.

Behutsam legte ich sie auf den Rücksitz und deckte sie mit meiner Jacke zu.

Alles geschah automatisch, mein Körper funktionierte einfach irgendwie.

Bevor ich losfuhr, warf ich den Schlüssel in den Wald. Soll dieser Bastard zusehen, wie er zurückkommt. Der kann froh sein, dass ich ihn nicht getötet habe.

Aber so einen schnellen Tod hatte dieser Typ nicht verdient. Ich werde ihn qualvoll zugrunde richten. Doch zuerst musste ich mich um Gio kümmern.

Dann startete ich den Motor und fuhr wie in Trance nach Rio zurück und geradewegs zu João und Katalina.

Es war nicht das beste Viertel in dem sie wohnten, daher interessierte es auch niemanden, als ich mitten in der Nacht mit einem bewusstlosen, Mädchen voller Blut ... in meinen Armen die Straße entlang lief und sie anschließend die wenigen Stufen zur Tür hinauf trug.

„Oh meu Deus! (OMG!!) Was ist passiert?", sah João mich mit gehobenen Augenbrauen an, woraufhin Kata ebenfalls zur Tür gestürmt kam und sich augenblicklich schockiert die Hände vor den Mund schlug.

„Ich hab keine Ahnung, Mano (Bro)", erwiderte ich bedrückt, während ich an ihnen vorbei und in deren Wohnzimmer lief.

„Wo hast du sie denn gefunden?", hakte João nach und musterte mich kritisch.

„Bei Perreira da Silva", antwortete ich knapp.

„Dem Polizeipräsidenten?", wiederholte er meine Worte, nur um sicher zu gehen, dass er  sich nicht verhört hatte.

„Fuck!", war alles was er dazu sagen konnte, während er sich mit beiden Händen durch die dunklen Locken fuhr.

„Bring sie am besten in unser Schlafzimmer", meinte Kata immer noch sichtlich erschüttert.

Dann legte ich Gio in deren Bett, während sie eine Schüssel mit Wasser und neue Kleidung holte.

Mit Schuldgefühlen saß ich neben ihr auf der Bettkante und sah sie einfach nur an, während ich ihr über die Haare strich.

„Ich kümmere mich um sie", meinte Kata und legte mir sanft ihre Hand auf die Schulter.

Ich war ihr unheimlich dankbar.

Dann begab ich mich zu João ins Wohnzimmer, während sie Gio säuberte und ihre Kleidung wechselte.

„Bro... man...", meinte er kopfschüttelnd und schob mir ein Glas mit Whisky zu.

„Du weißt wer sie ist, oder?", begann er dann das Gespräch und sein besorgter Blick sprach Bände.

Ich schnaubte nur nickend und schüttete mir die braune Flüssigkeit herunter.

„Sie war es auch mit der du in der Nacht nach dem Rennen unterwegs warst? Jetzt verstehe ich... ", fügte er für sich die Puzzleteile zusammen, während er mir und sich nachschenkte.

„Man, Bro - du verrennst dich da in etwas, was absolut unmöglich ist. Oder besser gesagt, absolut tödlich. Ich meine, ich verstehe dich total, sie ist echt toll. Aber, Mano. Du und Gio - ihr lebt in zwei vollkommen unterschiedlichen Welten. Das würde nie funktionieren und zwar in allen Hinsichten. Das ist absolut verrückt", machte er mir mit harten Worten deutlich, was ich bereits wusste.

„Und was ist mit Vero? Du weißt, ich mag sie nicht sonderlich  - was auf Gegenseitigkeit beruht, klar - aber hey, sogar ich denke, dass du mit ihr zusammen bleiben solltest. Sie hat so viel für dich getan, dich immer gedeckt. Sie übernimmt all die Aufgaben vor denen du dich drückst. Deine Eltern lassen dich praktisch in Ruhe, seitdem du mit ihr zusammen bist. Denk mal darüber nach, Bro", redete er auf mich ein und brachte mich ins Grübeln.

„Und das ist nur deine Seite. Dieser Jesús wird sie niemals gehen lassen. Mehr muss ich dir wohl nicht sagen."

Wir saßen noch eine Weile schweigend mit unserem Glas in der Hand am Tisch - jeder in seine eigenen Gedanken versunken.

„Sie schläft immer noch", durchbrach Kata die Stille und nahm neben João am Tisch Platz.

Dann erzählte ich ihnen bis ins kleinste Detail, was passiert ist und die Sorgenfalten in Joãos Gesicht wurden immer tiefer.

Und während die zwei anschließend über alle möglichen Situationen spekulierten, begab ich mich erneut zu Gio ins Schlafzimmer und setzte mich wie bereits zuvor auf die Bettkante und betrachtete sie.

Sie schien zu träumen. Ihre Lider bewegten sich. Als sie immer unruhiger wurde, begann ich abermals über ihre Haare zu streichen.

Doch als dies auch nicht mehr half und sie noch dazu leise zu wimmern begann, zog ich meine Schuhe aus und legte mich so nah  wie nur möglich neben sie.

So wachte ich an ihrer Seite bis die Sonne wieder aufging.

Und sie schlief und schlief ...

Bis es erneut Abend wurde.

Dann öffnete sie endlich ihre Augen...

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