03
Der Mond stand noch hoch am Himmel, als ich durch die schmalen Gassen streifte. Das Licht der wenigen Straßenlaternen reichte kaum aus, um die Ecken auszuleuchten, in denen sich der Nebel gesammelt hatte. Durch meine Kleidung kroch die Kälte, die mich frösteln ließ. Aber es war nicht nur die Kälte, die mich unruhig machte. Irgendetwas an diesem Auftrag fühlte sich falsch an, und dieser nagende Zweifel hatte mich wachgehalten, während die letzten Nächte verstrichen waren.
Ich beschleunigte meine Schritte, als ich Adrians Silhouette am Ende der Gasse fand. Er lehnte lässig an der Wand, die Hände tief in den Taschen seines langen Mantels vergraben, doch seine Augen scannten wachsam die Umgebung. Als ich mich näherte, spürte ich seinen Blick auf mir, prüfend, als würde er versuchen, in meinem Gesicht zu lesen, was ich ihm nicht sagen würde. Vor wenigen Tagen hatte ich bereits gewusst, dass Adrian anders war - gefährlich, unberechenbar und dennoch hatte mich etwas zu ihm hingezogen ihn wieder zu kontaktieren. Jetzt stand ich ihm erneut gegenüber, die Spannung zwischen uns greifbarer denn je. Es war ihm anzusehen, dass er genauso wenig Ruhe wie ich gefunden hat.
„Du bist spät", sagte er leise, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern in der stillen Nacht.
„Musste sicherstellen, dass ich nicht verfolgt werde", entgegnete ich, ohne mich auf eine Entschuldigung einzulassen. In meiner Welt war Pünktlichkeit wichtig, aber Sicherheit war wichtiger.
Adrian nickte knapp. Gemeinsam traten wir aus der Gasse hervor und steuerten auf die Lagerhalle zu. Schweigend traten wir in das verlassene Gebäude ein. Hier sind wir uns das erste Mal begegnet. In diesem Moment fluteten die Erinnerungen meine Gedanken. Die Spannung, der Mut und die Unverfrorenheit von Adrian war etwas, was ich beneidete, und verachtete zugleich. Natürlich würde ich ihm das nie sagen, aber er ist ein dummes Genie auf der Suche nach dem gewissen Kick.
„Das hier ist eine verdammte Sackgasse", zische ich leise, während ich durch die Halle schritt und mich dabei umblickte. Die Holzkiste, die das Versteck verdeckt hatte, stand immer noch da, wo wir sie zuletzt hinterlassen haben. Mein Körper war angespannt, ermüdet. Frustriert raufte ich mir meine roten Haare. Alles, was wir bis jetzt gefunden hatten, hat in eine Sackgasse geführt. Zu dem Namen Dmitri Volkov existiert keine Akte. Es ist als würde nichts der Realität entspringen.
„Wir haben hier nichts außer Staub und Spinnweben."
Adrian stand in der Mitte des Raumes und beobachtete mich, seine Arme vor der Brust verschränkt. Sein Blick brannte heiß und kalt auf meiner Haut. „Geduld, Vika. Manchmal ist es das, was man nicht sieht, das am wichtigsten ist."
Ich drehte mich vollständig zu ihm herum. Meine Augen funkelten ihn mit unterdrücktem Ärger an.
„Geduld? Geduld? Wir verlieren wertvolle Zeit, Jenkins. Jeder Moment, den wir hier verbringen, bringt uns weiter weg von Volkov - wenn er überhaupt so heißt und nicht alles nur ein dämliches Spiel war. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie uns bewusst erneut hierhergeführt haben." In mir herrschte kein Quäntchen Vertrauen für diesen Mann. Er war beeindruckend bei unserer Begegnung, aber es war ein Fehler von mir seine Hilfe zu suchen. Es wäre einfacher gewesen auf mein Bauchgefühl zu hören.
„Was willst du damit sagen?", fragte Adrian. Sein Ton kühl, beinahe zum erfrieren. In seinen Augen flackerte etwas Dunkles, etwas Beunruhigendes, obwohl seine Haltung gelassen wirkte.
„Ich weiß, dass Sie Ihre eigenen Pläne haben", fuhr ich unbekümmert fort, meine Stimme verschärft. „Aber wir sind gezwungenermaßen ein Team. Und ich werde nicht zulassen, dass Sie mich nur als Mittel zum Zweck benutzt. Wir müssen ihn gemeinsam aufspüren - nicht getrennt."
Seine Augen verengten sich. „Denkst du wirklich, ich spiele ein doppeltes Spiel?"
Ich lachte bitter auf, ein intensiver Laut in der stillen Halle. „In unserer Welt spielt jeder ein doppeltes Spiel, Jenkins. Da sind Sie keine Ausnahme." In unserer Welt war Vertrauen eine Währung und jetzt schien es, als hätten wir weniger davon, als wir geglaubt hatten.
Einen Moment lang herrschte eisiges Schweigen zwischen uns, bevor Adrian nähertrat, sein markantes Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Seine grünen Augen wirkten kälter und unberechenbarer als alles, was ich jemals gesehen hatte. „Und was ist mit dir, Viktoria Dragunov? Glaubst du, ich habe nicht bemerkt, wie du mich misstrauisch beobachtest? Du vertraust mir keinen Deut mehr als ich dir."
„Vielleicht liegt es daran, dass Sie mir keinen Grund gegeben haben, Ihnen zu vertrauen." Unerschrocken starrte ich ihm in die Augen. Mein Herz schlug schneller, aber ich ließ mir nichts anmerken. Mein Gegenüber blieb ruhig, aber sein Blick verhärtete sich weiter.
„Vielleicht liegt es daran, dass du zu viel zu verbergen hast. Jemand Unschuldiges würde nie so viel Aufmerksamkeit von dem Schattenkönig kriegen."
Erneut kochte die Wut in mir hoch, aber ich zwang mich zur Ruhe.
„Wir haben keine Zeit für solche Spielchen. Sie wissen genau, was auf dem Spiel steht."
„Das weiß ich", sagte Adrian leise, seine Stimme gefährlich sanft. „Aber du solltest wissen, dass wir in dem Spiel nur gewinnen können, wenn wir ehrlich zueinander sind. Solange wir uns gegenseitig verdächtigen, kommen wir keinen Schritt weiter."
„Dann fang doch endlich an, ehrlich zu sein!", platzte es schamlos aus mir heraus.
Ich spürte meine Fassade bröckeln. Ich hatte mir geschworen, mich von ihm nicht aus der Fassung bringen zu lassen, doch diese Nähe, der Blick, diese Worte - alles an ihm brachte mich aus dem Gleichgewicht.
Adrian schüttelte langsam den Kopf, sein Gesicht meinem immer noch nahe. Diese Augen ließen mich nicht los.
„Ich bin ehrlich, Vika. Ehrlich darüber, was ich will, und was ich tun werde, um es zu bekommen. Die Frage ist: bist du es auch?"
Ich schluckte schwer. Seine Worte trafen mich unerwartet tief, denn ich wusste, dass er recht hatte. Ich habe Geheimnisse, Dinge, die ich ihm nicht anvertrauen konnte - noch nicht. Aber jetzt, in diesem Moment, schien es, als wäre der Abgrund zwischen uns nicht mehr zu überbrücken.
Adrian trat einen Schritt zurück und nahm die kühle Distanz wieder ein, die ich bereits von ihm kannte. Etwas knisterte unter seinem Fuß.
„Das hier ist keine Sackgasse", sagte er und deutete auf den Boden, wo ein altes, halbverdecktes Dokument lag. „Jemand war hier. Volkov hat uns eine Spur hinterlassen und wir werden ihr folgen."
Vorsichtig näherte ich mich dem Stück Papier. Meine Augen waren zusammengekniffen. Als ich es anhob, erkannte ich sofort einige kryptische Zeichen. Das war definitiv ein Fall für Lukas später. Er ist Profi im Entschlüsseln von Symbolen und Zeichen.
„Ein Code", hauchte ich. Es war eine Botschaft - eine Herausforderung, fast wie ein Spott. „Das ist eine Falle. Er spielt mit uns."
„Natürlich ist es eine Falle", erwiderte Adrian mit einem dünnen Lächeln. „Aber manchmal führt die einzige Spur, die man hat, genau dorthin, wo man sein muss."
Nicht mehr als ein Flüstern verließ meinen Mund, „Und was, wenn wir darin untergehen?" Der Gedanke, dass wir in dieser Falle gefangen werden könnten, ließ mich erschaudern.
„Das ist der Preis, den wir zahlen müssen...Aber ich denke, wir sind beide bereit, das Risiko einzugehen. Oder etwa nicht?"
Meine Augen ruhten auf Adrian. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass es kein Zurück mehr gab. Die Anziehungskraft zwischen uns, so stark und intensiv sie auch sein mochte, war gleichzeitig eine Kluft, die sich mit jedem Schritt weiter öffnete. Ich war bereit das Risiko einzugehen, doch wusste ich nicht, ob wir am Ende als Verbündete oder als Feinde dastehen würden.
„Lass uns das Rätsel knacken und die Mission zu einem erfolgreichen Ende führen", sagte ich schließlich, meine Stimme fest. „Aber ich werde Sie nicht aus den Augen lassen, Jenkins. Keine Sekunde lang."
„Das Gleiche gilt für mich." Adrian drehte sich um, bereit die Halle zu verlassen. Doch bevor er die Tür erreichte, hielt er inne und sah über die Schulter zurück. „Und Viktoria - wenn du jemals vorhast mich zu hintergehen, solltest du dein Vorhaben gut planen. Ich bin nicht so leicht zu täuschen." Die Tür fiel hart ins Schloss. Ich blieb alleine zurück, das Dokument fest in meiner Hand.
Die Kälte der Nacht kroch wieder in meine Glieder, doch diesmal war es nicht die Luft, die mich frieren ließ - es war das Wissen, dass die gefährlichste Falle nicht von Volkov, sondern von Adrian selbst gestellt werden könnte. Mit einem tiefen Atemzug folgte ich ihm nach draußen. Was auch immer auf mich zukam, ich war es bereit zu überstehen - doch die wachsende Kluft aus Misstrauen zwischen uns könnte am Ende das größte Hindernis von allen sein.
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