27. Moralisch fragwürdige Wetten
Seelenruhig begießt Jace die Pflanzen. Eine beige Herrentasche umgehängt, steht er mittig im Gewächshaus, in dem rot-orange Lampen das einzige Licht spenden. Ich stelle mich direkt vor den Schönling, die Hände in die Seiten gestemmt.
„Du schießt Fotos in Duschräumen? Geht's noch?", werfe ich ihm erzürnt vor. Jace zuckt zusammen. Geschieht im Recht.
Die Wut auf diese Situation erdrückt mich genauso, wie es die Schwere der Luftfeuchtigkeit tut. Es fühlt sich an, als potenzierte sie sich bei jedem Atemzug. Und da ich meine Emotionen schlecht an einem Umstand herauslassen kann und er sowieso der Grund für unseren Aufenthalt zwischen Feldsalat und Orangenbäumen darstellt, fühle ich mich nicht mal schlecht, mich ihm mit drohendem Zeigefinger zu nähern. „Du löscht das sofort wieder, hörst du?"
„Warum sollte ich?", gibt er gelassen von sich. „Immerhin handelt es sich um das perfekte Druckmittel." Seine selbstgefällige Art löst in mir wortwörtlich einen Würgereiz aus. Galle steigt mir in den Rachen. Ich schlucke sie herunter.
„Was willst du damit?" Eine Frage auf eine Frage. Keine Ahnung, wann eine oder einer von uns beiden endlich eine Antwort gibt. Die Hoffnung auf eine einfache Lösung des Problems bleibt bestehen. Er vernichtet sein Material, wir ignorieren einander bis zu meiner Abreise komplett. So simpel wäre die Welt ohne Idiotie.
„Nichts", gibt er ehrlich zu. „Aber im Gegenzug wirst du tun, was ich von dir verlange."
Meine Lider formen sich zu Schlitzen. Wie kann er es wagen, so mit mir umzugehen? Unter seiner Brust pocht ein Herz wie bei allen anderen auch. Jace muss Gedanken haben, Emotionen. Doch für ihn ist das alles nur ein Jungenstreich. Witzig, weil ich mich winde wie ein Fisch im Netz. „Und was verlangst du von mir?"
Jace geht in die Knie, wässert die dünnen Stämme. Er verabschiedet sich wissentlich vom Größenunterschied, obwohl dieser für seine Dominanz bekannt ist. Jetzt sehe ich auf ihn herunter und dennoch hält er mich an Fäden wie eine leblose Puppe.
„Ich habe mit Erin gewettet, dass ich dich rumkriege."
Angeekelt verziehe ich das Gesicht. Nicht sonderlich realistisch, oder?
Nebenbei bemerkt sind solche Wetten das absolut letzte. Ich bin ein Mensch, kein Objekt, das man nach Belieben hin und herschiebt.
„Natürlich verlange ich nicht das Unmögliche. Lediglich deine schauspielerischen Talente müssen zum Zug kommen."
Er hebt den Schlauch ein wenig an, trifft die ersten Blätter. Seine ganze Aufmerksamkeit scheint sich auf seine Arbeit zu richten, obgleich ich vom Gegenteil weiß. Würde jemand am Eingang vorbeilaufen, hätte sie oder er keine Ahnung, was wir besprechen.
„Ich bin schauspielerisch völlig unbegabt", lüge ich knallhart und lächle süßlich. Jaces Blick landet auf mir. „Solange du ihn mit deiner Performance überzeugst, reicht mir das völlig."
Unentschlossen wechsle ich das Standbein. Die Richtung unserer Unterhaltung gefällt mir ganz und gar nicht. Ich bin hergekommen, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen und ein unnötiges Debakel abzuwenden, nicht es in die Gänge zu leiten.
„Und wie stellst du dir das vor?", hacke ich nach. Wenn kein genauer Plan existiert, gibt es auch keinen Grund zur Sorge. Kälte legt sich auf meine Arme. Eine Vorahnung, auf die ich liebend gerne verzichten würde.
„Komm morgen früh einfach zu uns an den Tisch und tu so, als wärst du verliebt. Den Rest klären wir später."
Ich schnaube abfällig. Eine Anweisung ohne Ende ist wie Mühlrad. Es dreht weiter und weiter, so lange, bis kein einziger Tropfen mehr aus dem Fluss kommt, die Felder leer und trocken.
„Hat dir noch nie jemand gesagt, wie man eine Frau für sich gewinnt? Mit Charme, nicht mit Drohungen. Du bist echt ein Idiot, wenn du glaubst, ich lasse mich auf diesen pubertären Schwachsinn ein."
Das alles bringt doch nichts. Mit ihm kann man nicht anständig reden. Aufgebracht raufe ich mir die Haare.
„Die Entscheidung liegt bei dir. Aber mögliche Konsequenzen kann ich nicht verhindern." Jace steht auf, wischt sich die verdreckten Finger an der Hose ab.
„Und wie du das kannst!", halte ich dagegen. „Du willst nur nicht, du... du..." Mir fallen keine Schimpfwörter ein, die die Boshaftigkeit beschreiben, die ich vor mir sehe. Selbstverständlich nicht. Denn solche Ereignisse entstehen zu selten, um mit der Macht der Gewohnheit einherzugehen. „du Mistkerl." Na endlich. Wie aus der Pistole geschossen, wäre ein netter Zusatz gewesen, aber man kann nicht alles haben.
Jace grinst. Meine Verzweiflung scheint ihn zu belustigen. „Gib's doch einfach zu, du stehst auf mich."
Toxisch. Einfach nur toxisch. Was an diesen schädlichen, nicht vorhandenen Manieren soll mich anziehen? Die Arroganz? Die Erpressung? Die fehlende Empathie? Schönheit hilft nicht weiter, wenn der innere Kern das Äußere verdirbt.
„Bring mich nicht noch mehr in Range." Desto länger ich hier stehe, desto mehr steigt in mir unbändige Hitze des Zornes auf. Beginnt die Jagd nach solchen Sätzen in „romantischen" Büchern oder Filmen und stelle ich mir deren Einfluss bis zu unserer Konversation vor, falle ich in ein tiefes Loch der Frustration.
„Deine Gabe zur Interpretation von menschlichem Verhalten ist echt grottenschlecht. Wir kennen uns seit wenigen Tagen, haben kaum miteinander gesprochen. Du bist echt das letzte."
Mit diesen Worten drehe ich mich um und laufe zurück zum Schlaftrakt. Der kann mich mal.
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