Play With Fire (2)

Nico

Völlig perplex drehte ich mich um und sah nur noch, wie Mia aus ihrer Parklücke fuhr. Ich hielt den Song immer noch in meiner Hand und es war dann auch das Einzige, an was ich denken konnte. Langsam machte ich mich wieder auf den Weg in meine Wohnung. Mir war kalt und ich wollte nicht ewig dort auf dem Gehweg stehen. Mein Körper fühlte sich schwer an, als würde ich einen Rucksack mit einer Tonne Gewicht mit mir herumschleppen. Als ich in meiner Wohnung ankam, legte ich den Liedtext auf meinen Küchentisch und verzog mich in mein Schlafzimmer. Natürlich wollte ich ihr schreiben, so wie ich sie kennen gelernt hatte, musste sie sich nur beruhigen und dann würden wir reden und das klären können. Ihr Profilbild  auf WhatsApp war verschwunden und als ich auf senden drückte, tauchte ein rotes Ausrufezeichen neben der Nachricht auf, sie hatte meine Nummer blockiert. Seufzend sperrte ich mein Handy wieder und legte es zurück auf den Nachttisch. Ich war verdammt müde, weswegen ich gleich versuchte mich schlafen zu legen, außerdem war es bereits fast Mitternacht. Da ich nun einen Text hatte, wollte ich den Song direkt am nächsten Morgen aufnehmen. Nach zwei Stunden, in denen ich mich hin und her wälzte, gab ich es auf. Ich wusste, dass ich so oder so nicht mehr einschlafen konnte, zog ich mich um, schnappte mir den Song und verließ meine Wohnung. Auf der Fahrt kippte ich fast jedes Lied, das meine Playlist abspielte - das war der Moment, in dem ich merkte, dass es mir wirklich schlecht ging. 

Es wurde bereits wieder hell, als ich mich an das Bearbeiten des nun aufgenommenen Songs machte. Ich hatte vier Stunden lang mein Herz ausgeschüttet und fühlte nun absolut gar nichts mehr, davor waren es Leere und Schmerz gewesen. Ich hatte die einzige Person, die mich wirklich mochte, mit einer egoistischen Aktion verletzt und verjagt. Noch zwei Monate zuvor wäre es mir egal gewesen, aber nun hätte ich alles getan, um die Zeit zurückzudrehen. Nach dem Bearbeiten hörte ich es mir einmal an, es war perfekt und ich entschloss das Lied direkt an das Label weiterzuschicken. In der Mail bat ich meinen Manager darum, Mias Namen in die Liste der Menschen zu packen, die mit am Album arbeiteten. Wir hatte eigentlich beschlossen, sie nicht zu erwähnen, denn ich hatte sie als Ghostwriter angeheuert, aber sie sollte für ihre gute Arbeit belohnt werden, die Welt sollte wissen, dass nicht ich dieses Lied geschrieben hatte, sondern sie. Erschöpft setzte ich mich auf die Couch, als ich die Email abgeschickt hatte. Ich war verdammt müde, weswegen ich dann endlich einschlief. 

Jemand, der mich schüttelte, weckte mich auf. Langsam öffnete ich meine Augen und blickte direkt in das Gesicht meines besten Freundes und Aufnahmeleiters Tobias. "Hast du hier übernachtet?", fragte er amüsiert. Verschlafen rieb ich mir die Augen, dann schüttelte ich meinen Kopf. "Konnte nicht schlafen und bin heute Nacht hergefahren. Der Song ist fertig.", erklärte ich ihm, bevor ich gähnte. "Du hast ihn schon aufgenommen?", wollte er überrascht wissen. "Ja, hab ihn auch schon abgegeben.", gab ich ihm als Antwort. Ich streckte mich kurz und spürte einen stechenden Schmerz in meinem Rücken, denn ich war im Sitzen eingeschlafen. "Lass ihn mal hören.", sagte Tobi aufgeregt. Nickend beugte ich mich nach vorne, um den Laptop wieder aufzuklappen, dann suchte ich die Datei heraus und spielte sie ab. "Scheiße, das ist richtig gut!", kommentierte er, nachdem ich wieder auf Pause gedrückt hatte. Tobi war schon immer sehr unterstützend gewesen, aber gleichzeitig auch ehrlich. Wenn er etwas nicht gut fand, sagte er das direkt, also wusste ich, der Song war gut und würde wahrscheinlich ziemlich abgehen. Ich blieb still, zeigte eigentlich keinerlei Freude bei seiner Reaktion. "Du freust dich ja gar nicht. Ist alles in Ordnung, Nico?", hakte er dann besorgt nach. "Bin nur echt müde.", wimmelte ich ihn ab. Vorerst wollte ich nicht darüber reden, erst wollte ich das mit Mia klären. "Okay, ja, dann fahr erstmal nach Hause und geh schlafen. Ich muss sowieso noch an Rooftop arbeiten, bevor wir es rausbringen.", antwortete er verständnisvoll. Er glaubte mir nicht, aber weil wir uns seit Jahren schon kannten, wusste er, dass ich einfach etwas Zeit brauchte. Ich nickte, packte meine Sachen zusammen und machte mich auf den Weg nach draußen. Bevor ich nach Hause fuhr, stoppte ich bei Mia Zuhause. Ich musste unbedingt mit ihr reden, ihr sagen, dass der Wettsieg mir nichts bedeutete, wenn ich sie verlieren würde. Die Haustür unten war offen, völlig normal im Sommer, also ging ich direkt nach oben und klingelte. Man konnte Geräusche hinter der Tür vernehmen, aber sie öffnete sie nicht. Wahrscheinlich hatte sie durch den Spion gesehen, dass ich dort stand. "Mia, bitte mach auf.", flehte ich sie durch die Tür an. Keine Antwort und absolute Stille. Ich lehnte meinen Kopf an die Tür und schloss meine Augen. "Können wir bitte darüber reden?", versuchte ich sie ein weiteres Mal zum Öffnen zu bringen. Erneut bekam ich keine Antwort. Seufzend hob ich meinen Kopf wieder an. "Falls du doch irgendwann reden willst, weißt du, wo du mich findest.", sagte ich geknickt, bevor ich mich umdrehte und wieder nach unten ging. 

Die nächsten Tage verbrachte ich damit, mich in meiner Wohnung zu isolieren, alle Nachrichten zu ignorieren und mein Bett nicht zu verlassen. Ich hatte alle Songs für das Album fertig, also war ich nicht dazu gezwungen, ins Studio zu fahren oder mich nach draußen zu gehen. Natürlich machten sich meine Eltern, Geschwister und Freunde Sorgen um mich, aber ich wollte einfach niemanden sehen. Zwei Wochen lang verließ ich mein Bett nur zum Essen, Duschen und um auf die Toilette zu gehen. Ich ging gerade von der Küche zurück in mein Schlafzimmer, als es klingelte. Da ich ohnehin im Gang stand, konnte ich den kleinen Bildschirm sehen, der an meiner Sprechanlage angebracht war, somit konnte ich sehen, dass Tobi unten stand. Erst wollte ich nicht aufmachen, aber ich musste mit irgendjemandem reden, bevor ich mich noch mehr zurückziehen würde, also öffnete ich ihm die Tür. "Alter, Gott sei Dank! Du lebst noch.", rief er freudig aus, als er die Treppe nach oben kam. Nickend ließ ich ihn in meine Wohnung. "Du schuldest mir 'ne Erklärung, Bruder.", sagte er, während ich die Tür hinter uns schloss. "Ich weiß. Setz dich erstmal. Willst du was trinken?", antwortete ich leise. Auch wenn es mir nicht gut ging, vergas ich niemals höflich zu bleiben. Tobias schüttelte den Kopf und folgte mir ins Wohnzimmer. "Ich kenne diesen Blick.", sagte er, während er mich musterte. "Welchen Blick?", fragte ich verwirrt nach. "Diesen leeren Blick, den du nur drauf hast, wenn du ein gebrochenes Herz hast.", erklärte er besorgt. "Das letzte Mal ist sechs Jahre her, wie kannst du dich dadran überhaupt erinnern?", kam es überrascht aus meinem Mund. "Nico, du bist mein bester Freund und ich werd das nie vergessen, wie schlecht es dir damals gegangen ist.", antwortete er mit sanfter Stimme. Ich musste lächeln, denn ich hatte in den Jahren vergessen, wie gut er mich eigentlich kannte. "Also, wie heißt sie?", wollte er wissen. "Es ist Mia und ich hab Scheiße gebaut.", erklärte ich ihm bedrückt. Er nickte langsam und sah mich dann erwartungsvoll an, er wollte, dass ich weiter redete, also tat ich das. "Ich hab ihr Rooftop gezeigt und sie hat mich geküsst, wir hatten dann etwas miteinander und alles war perfekt, bis dieses blöde Model vom letzten Musikvideo auftauchen musste. Ich hasse mich dafür, dass ich nicht einmal meine Finger bei mir lassen konnte. Dann hat sie mir den Song gegeben, hat mir gesagt, dass ich die Wette gewonnen hab und seitdem redet sie nicht mehr mit mir.", erzählte ich immer noch mit ziemlich leiser Stimme. "Aber, dass du die Wette gewonnen hast, ist doch gut oder?", fragte er verwirrt. "Was nützt mir ein Sieg, wenn ich sie deswegen verliere?", stellte ich die Gegenfrage. "Ihr habt die Wette beide gewonnen oder?", erkannte er schnell. Ich nickte leicht, denn tatsächlich hatte ich mich auch in sie verliebt, ich hatte es aber nicht für möglich gehalten, dass sie es wirklich erwidern würde. "Hast du versucht mit ihr zu reden und ihr das zu sagen?", wollte er wissen. "Natürlich, aber sie hat meine Nummer geblockt und macht mir die Tür nicht auf.", erklärte ich ihm. "Sie ist Mittwochs immer im Büro, den ganzen Tag. Fahr zu ihr und rede mit ihr, ich bin mir sicher, dass sich das klären lässt.", riet er mir entschlossen. Nickend lächelte ich ihn an, auch wenn ich am liebsten losgeheult hätte.


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