Die Sache mit dem Vertrauen.

Drei Wochen später war ich wieder voll im Arbeitsstress. Nico war momentan ebenfalls im Stress, weswegen wir uns überwiegend über WhatsApp unterhielten und nur ein paar Mal die Woche über FaceTime miteinander telefonierten. Weihnachten stand vor der Tür und die Stimmung bei Sony Music, wo ich zu der Zeit arbeitete, war ausgelassen und fröhlich. Gott se Dank hatte der Künstler, mit dem ich Songs schrieb, nicht die Idee gehabt, Weihnachtslieder zu schreiben, denn das konnte ich überhaupt nicht. Für die Feiertage war ein guter Freund von mir wieder in Berlin, er lebte wegen seines Berufs in San Francisco. Ich traf mich fast jeden Nachmittag mit ihm, wenn ich meine Kaffeepause hatte. Auch an diesem Nachmittag traf ich mich mit ihm. Fabian saß bereits im Café, als ich ankam und hatte auch bereits etwas bestellt. "Hi! Sorry für die Verspätung, hab völlig die Zeit vergessen.", entschuldigte ich mich, während wir uns umarmten. "Kein Problem. Musste nicht lange warten. Wie läuft's in der Arbeit?", antwortete er, nachdem wir uns von einander gelöst und gesetzt hatten. Wir redeten die vollen 30 Minuten über alles mögliche, unsere Arbeit, wie unsere Leben aktuell aussahen und wie es in der Liebe so lief. Er zeigte mir Bilder von seinem Haus in San Francisco und von seinem Mann und ich erzählte ihm von Nico, den Songs, die ich geschrieben hatte und Dingen, die mir passiert waren, während er weg gewesen war. Nachdem ich meinen Kakao getrunken hatte, bezahlten wir beide und verließen das Café. Fabian wollte unbedingt noch ein Selfie machen, weil wir uns so lange nicht gesehen hatten. 

Am Abend lag ich ausgestreckt auf der Couch und sah mir Filme auf Netflix an. Seitdem ich wieder im Büro gewesen war, hatte ich kaum Antworten von Nico bekommen, obwohl er nicht an Musik arbeitete und eigentlich Zeit gehabt hätte, um zu telefonieren. Ich rang mich dazu, ihm noch einmal zu schreiben. 

Nico 💞

Willst du nachher wieder telefonieren?

Nein. 

Die Antwort kam viel zu schnell. Wenn er beschäftigt gewesen wäre, hätte er das auch gesagt. Verwirrt sah ich auf den Bildschirm meines Handys. Ich entschloss, ihn trotzdem anzurufen, denn unsere Telefonate waren immer die Highlights meines Tages. Es klingelte zweimal, dann ging die Mailbox ran, er hatte mich weggedrückt. "Was zum Teufel.", sagte ich zu mir selbst, als ich seine Nummer erneut wählte. Dieses Mal ging er ran, aber hörte sich nicht wirklich fröhlich an:"Was willst du?" Der Ton in seiner Stimme war aggressiv und angespannt, etwas, was ich kaum von ihm kannte, weil er sonst immer gelassen und gut gelaunt war. "Mit dir telefonieren, wie sonst auch immer.", antwortete ich etwas eingeschüchtert. "Ich aber nicht mit dir.", kam es forsch vom anderen Ende. Meine gute Laune, die ich den ganzen Tag über gehabt hatte, verschwand sofort. "Warum bist du so?", fragte ich ihn daraufhin verwirrt und wurde selbst wütend. "Wie bin ich denn?", stellte er genervt die Gegenfrage. "So aggressiv. Hab ich dir irgendwas getan?", wollte ich neugierig wissen. Sein Verhalten musste einen Grund haben und ich würde erst aufhören, ihn zu nerven, wenn ich es wusste. "Ich weiß nicht, sag du's mir.", gab er zickig zurück. Bestimmt zwei Minuten lang sagte ich nichts, ich dachte nach, ob ich irgendetwas getan hatte, weswegen er sauer auf mich sein konnte. Als mir nichts einfiel, fing ich wieder an zu sprechen:"Ehrlich gesagt, kann ich dir nicht sagen, was ich dir getan haben soll." Man hörte ihn nur einmal kurz ausatmen, dann war es etwas länger still. "Weißt du was? Vergiss es einfach.", sagte er dann noch genervter als vorher schon. Bevor ich noch etwas sagen konnte, legte er auf. Das wollte und konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Er fing wieder an, sich zu verschließen und das würde ich absolut nicht zulassen. Ich hatte wochenlang darauf hingearbeitet, dass er mit mir über alles reden konnte, auch über Dinge, die ich falsch gemacht hatte. Da er mich immer wieder wegdrückte, wenn ich ihn anrief, schnappte ich mir meinen Schlüssel. Nico konnte sich abschminken, dass ich aufgeben würde. 

Nico

Wütend legte ich mein Handy weg. Erst machte sie mir Hoffnungen, dann hatte sie auf einmal einen Freund und tat dann auch noch so, also wüsste sie nicht, was mich wütend machte. Je mehr ich darüber nachdachte, desto wütender wurde ich. Mit einem Schluck trank ich mein Glas aus. Als es leer war, ging ich in die Küche, um mir noch etwas Wodka einzuschenken. Mia versuchte mich immer wieder anzurufen und ich drückte sie jedes Mal weg. Ich hatte bereits das vierte Glas leer, als es an der Tür klingelte. Etwas angeschwippst sah ich nicht auf den Monitor im Gang, bevor ich den Türöffner drückte und meine Wohnungstür anlehnte. In der Zeit, in der die Person die Treppen hochgehen würde, konnte ich mir noch ein Glas machen. Ich konnte hören, wie jemand die Wohnung betrat, ignorierte es aber, bis ich die Flasche wieder abgestellt hatte. "Nico?", hörte ich Mias Stimme aus dem Eingangsbereich. "Du kannst gleich wieder gehen.", antwortete ich genervt, bevor ich einen Schluck von meinem Glas nahm. "Erst, wenn du mir sagst, was ich gemacht hab.", entgegnete sie. Ihre Stimme war nun lauter und sie klang so, als wäre sie selbst ziemlich sauer. Kopf schüttelnd ging ich auf sie zu. "Muss ich dir das echt erklären?", wollte ich wissen, als ich direkt vor ihr stand. "Ja, musst du! Gedanken kann ich leider noch nicht lesen.", gab sie mir als Antwort. Ich sah sie emotionslos an, schüttelte meinen Kopf und wollte dann an ihr vorbei ins Wohnzimmer. Ehe ich mich versah, packte sie mich am Oberarm, um mich aufzuhalten. "Also, was genau hab ich gemacht?", hakte sie erneut nach. Ich schloss meine Augen und atmete tief durch. So dämlich konnte doch kein Mensch sein. Als ich sie ansah, konnte ich Verwirrung in ihrem Gesichtsausdruck erkennen, anscheinend hatte sie wirklich keine Ahnung. Für einen kurzen Moment wollte ich mich entschuldigen und es ihr ruhig erklären, doch dann sah ich wieder dieses Foto vor meinem inneren Auge und die Wut kam zurück. "Wann wolltest du mir sagen, dass du jetzt 'nen Freund hast?", platzte es dann wütend aus mir heraus. Noch mehr Verwirrung breitete sich auf ihrem Gesicht aus. "Wovon bitte sprichst du?", fragte sie darauf. "Tu doch nicht so. Der Typ in deinem letzten Foto.", erklärte ich sauer. Sie sah mich verwirrt an, dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck zu einem erleichterten. "Ach, du meinst Fabian.", stellte sie fest, bevor sie anfing ein wenig zu lachen. Was war daran jetzt so witzig? "Ich will nicht wissen, wie er heißt.", entgegnete ich und befreite mich aus ihrem Griff. "Fabian ist ein Freund aus San Francisco, der über Weihnachten hier ist.", fing sie an zu erzählen. Das wollte ich nicht wissen. Kopfschüttelnd ging ich weiter in mein Wohnzimmer. "Es ist mir egal, wer er ist.", schnitt ich ihr das Wort ab, weil sie immer noch über ihn redete. Sie folgte mir, bis ich vor meiner Couch stehen blieb. "Anscheinend ist es dir nicht egal, sonst wärst du jetzt nicht eifersüchtig.", kam es gelassen aus ihrem Mund. Ich und eifersüchtig? Die war doch verrückt. "Bin ich auch nicht.", entgegnete ich gereizt, während ich mich auf die Couch fallen ließ. Danach nahm ich noch einen kräftigen Schluck von meinem Glas und sah wieder auf den Fernseher, auf dem ich zuvor einen Film gesehen hatte. "Doch, bist du und das nicht zu knapp.", erwiderte sie erneut. Ich ignorierte sie, denn ich wusste nicht, was ich dagegen sagen sollte. Sie hatte Recht, ich war eifersüchtig und weil ich so etwas jahrelang nicht empfunden hatte, wusste ich nicht so recht, wie ich damit umgehen sollte. Mia stellte sich mir ins Bild, sodass ich sie nicht mehr ignorieren konnte. "Nico, Fabian ist schwul.", sagte sie amüsiert, während sie mich musterte. Moment, was? Sofort sah ich sie an. Gott, ich kam mir so dämlich vor, wie hatte ich das nicht merken können. Jetzt machte auch ihre Bildunterschrift Sinn für mich. Ich wurde rot, das konnte ich spüren, und ließ meinen Kopf nach unten sinken. Mein Verhalten ihr gegenüber war absolut dumm gewesen und ich fühlte mich schlecht. "Der ist schwul... Gott, bin ich ein Idiot.", murmelte ich peinlich berührt. "Frag doch das nächste Mal einfach nach, bevor du dich betrinkst und zum Arsch mutierst.", antwortete sie darauf und setzte sich neben mich. Ich nickte, vielleicht hätte ich sie wirklich erst einmal darauf ansprechen sollen. "Tut mir Leid, Mia. Ich weiß nicht mehr, wie ich mit so etwas umgehen soll.", erklärte ich ihr niedergeschlagen. "Schon okay", sagte sie leise, bevor sie nach meiner Hand griff, "du weißt, dass ich dich nicht anlügen würde.", fügte sie dann noch hinzu. Ich drehte meinen Kopf zu ihr und nickte, danach griff ich nach meinem Glas, darauf brauchte ich erstmal einen Schluck. Als ich das Glas geleert hatte, lehnte ich meinen Kopf an ihrer Schulter an. Mia legte ihren Arm um mich und zog mich näher zu sich.  


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