Achterbahn der Gefühle.

Hamburg. Der erste Tag von Nicos Tour hatte begonnen und er hatte mich zur ersten Show eingeladen. Seit er für mich gekocht hatte, waren ein paar Wochen vergangen, denn er hatte viel mit der Vorbereitung zu tun gehabt, weswegen wir uns danach auch nicht mehr gesehen hatten. Nun stand ich also im Aufzug eines Hotels direkt an der Elbe auf dem Weg in mein Zimmer. Bisher hatte ich meine Wettschulden noch nicht eingelöst, das sollte sich aber sehr bald ändern. Nico wollte unbedingt mit mir in den Heidepark gehen. Da es gerade kälter wurde, würden nicht so viele Menschen unterwegs sein und wir würden unsere Ruhe haben. Er wollte nur dort hin, weil ich Fahrgeschäfte nicht ausstehen konnte und ich mich dieses Mal nicht drücken konnte, so wie auf dem Rummel. Ich schloss gerade meine Zimmertür auf, als ich eine Nachricht von ihm bekam. 

Nico ☺️

Ich hol dich in 'ner Stunde ab ☺️

Müssen wir da wirklich hin?

Ja, müssen wir.

Ich seufzte und drückte die Tür auf, um wenigstens meine Sachen abzulegen und schnell duschen zu gehen. So schnell ich konnte, räumte ich meine Tasche aus, schnappte mir frische Sachen und ging ins Bad. Der Grund, warum ich gar keine Lust auf den Heidepark hatte, war dass ich Höhenangst hatte. Ja, ich war im Riesenrad gewesen, aber das hatte still gestanden, Achterbahnen und so weiter bewegen sich, absoluter Horror für mich. Unter der Dusche konnte ich meine Bedenken bezüglich der Fahrgeschäfte ein wenig vergessen. Ich freute mich zwar, dass ich Nico für mich alleine haben würde, einen ganzen Tag lang, aber immer wieder musste ich daran denken, dass er mich mit Sicherheit in den Colossos schleppen würde. Nach etwa 15 Minuten stand ich dann in mein Handtuch gewickelt vorm Spiegel und cremte mein Gesicht ein. Ein Gähnen entwich meinen Lippen, als ich die kleine Tube auf die Ablage neben dem Waschbecken legte. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass ich spät dran war und Nico mich ca. 10 Minuten später abholen würde, also musste ich mich beeilen. Ich schminkte mich nicht und trocknete meine Haare nur mit dem Föhn an, bevor ich mir eine Jeans und einen Hoodie aus dem Schrank holte. Als ich mich angezogen hatte, klopfte es an der Zimmertür. 

Nervös wippte ich auf den Füßen hin und her, während wir in der Schlange für die Tagestickets standen. Nico bemerkte natürlich, dass ich unruhig war und sah mich amüsiert an. "Also ich wäre ja als erstes für den Kraken.", sagte er dann nachdenklich. Oh, Gott, nein. Die einzige Achterbahn mit einem 90 Grad Gefälle, in die ich sicher nicht einsteigen würde, eher hätte ich mich vor einen Zug geschmissen. Ich schluckte hart und sah ihn ängstlich an. "Das war ein Scherz, ich weiß doch, dass du Höhenangst hast.", versuchte er mich zu beruhigen. "Aber das ist doch nicht der Sinn meiner Wettschulden.", entgegnete ich verwundert. "Stimmt, das heißt trotzdem nicht, dass ich dich zu Dingen zwinge, vor denen du Angst hast", antwortete er mit den Schultern zuckend, "wir können ja erstmal die kleineren Sachen fahren und uns dann langsam hoch arbeiten.", fügte er dann noch hinzu. Ich war erstaunt, dass er darüber sogar nachgedacht hatte. "Okay, das können wir machen.", willigte ich ein und schenkte ihm ein unsicheres Lächeln.  Als wir unsere Tickets dann hatten, liefen wir durch den Park. Wir schlenderten auf das erste Fahrgeschäft zu, ein Kettenkarussell, das war war für den Anfang schon okay, auch wenn ich immer noch kein Fan davon war, wenigstens blieb es nah am Boden. Ich genoss das Kribbeln in meinem Bauch, dass die Fahrt bei mir auslöste. Zu schnell war sie auch schon wieder vorbei, weswegen ich etwas enttäuscht hinter Nico herging. Er wollte noch etwas essen, bevor wir weiter in den Park gehen würden, also führte er mich zu einem kleinen Diner. Wir setzten uns einen Tisch und warteten auf eine Bedienung. Ich hatte mir am Eingang eine Karte vom Park mitgenommen, damit wir nicht suchen mussten, welche ich vor ihn auf den Tisch legte. Konzentriert sah er sie sich an, dann formte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht. "Lass uns als nächstes ins Gruselhaus gehen.", schlug er vor. Da ich ohnehin keine Wahl hatte, nickte ich. 

Als schreckhafte Person zuckte ich sogar zusammen, wenn man mich ohne Vorwarnung antippte, also fühlte ich mich in dem Haus absolut nicht wohl. Das schlimmste an solchen Häusern war, es wurde nicht schlimmer, je weiter man reinging, sondern ziemlich unvorhersehbar. Als so ein Killerclown direkt rechts neben mir aus einer Ecke herauskam, suchte ich instinktiv Schutz bei Nico. Ich griff nach seinem Arm und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter, er dagegen schien gar nicht erschrocken zu sein und blieb ruhig stehen. Seine Hände waren wie fast immer in seinen vorderen Hosentaschen. Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, fiel mir auf, dass ich mich immer noch an ihm festklammerte. Ich räusperte mich und ließ ihn dann los, weil mir das etwas unangenehm war. Klar, wir mochten uns und ich war mir ziemlich sicher, dass wir sicher nicht nur Freunde bleiben würden in der Zukunft, aber trotzdem war ich diejenige gewesen, die es langsam angehen wollte. Für den Rest des Tages hielt ich mich zurück, auch wenn ich manchmal Angst hatte. Nico ließ sich nichts anmerken und führte mich unbeirrt weiter durch den Park. Als wir gingen, liefen wir nebeneinander her, unsere Finger berührten sich ab und zu und ich ertappte mich dabei, wie ich manchmal hinsah, außerdem wünschte ich mir, dass er sie einfach nehmen würde. Während wir Richtung Bahnhof gingen, berührten sich unsere Finger erneut, woraufhin er tatsächlich nach meiner Hand griff. Es war nur so eine kleine Geste und wir ignorierten es irgendwie beide, aber trotzdem konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Im Zug saßen wir dann ebenfalls nebeneinander, zum Glück, denn ich war hundemüde und war froh, dass ich meinen Kopf an seiner Schulter anlehnen konnte. Es fiel mir schwer, nicht einzuschlafen, während ich aus dem Fenster sah. Auch auf der Fahrt hielt er weiterhin meine Hand und ich genoss es einfach. 

Zum Abschluss dieses Tages gingen wir noch zu einem Italiener essen, bevor er mich dann zu meinem Hotel brachte oder besser gesagt, zu meinem Zimmer. "Ich hoffe du hattest trotzdem Spaß.", sagte er verlegen, als wir an meiner Tür ankamen. "Ich geb zu, so schlimm war's nicht.", murmelte ich leise, denn ich hatte wirklich Spaß gehabt. Freizeitparks würden es dennoch nicht in die Top 10 meiner Lieblingsaktivitäten schaffen. Ein siegessicheres Lächeln formte sich auf Nicos Gesicht. "Das freut mich! Eine Sache noch, bevor ich dich aus deiner Strafe entlasse.", antwortete er dann schüchtern. "Was denn?", wollte ich neugierig wissen. "Zum Abschied möchte ich einen Kuss.", gab er mir so leise als Antwort, dass ich ihn kaum verstanden hatte. Irgendwie hatte ich es kommen sehen und trotzdem überraschte es mich, also sah ich ihn erst einmal ziemlich dämlich an. Ich musste das erst einmal überdenken. Auf der einen Seite wollte ich es machen, auf der anderen hatte ich Angst, dass wir alles überstürzen würden. Geduldig wartete Nico auf eine Reaktion, man konnte ihm aber ansehen, wie er innerlich mit jeder Sekunde, die verging, mehr Panik bekam. Nach wenigen Sekunden fing ich an zu nicken, schließlich war das nichts anderes, als wenn wir uns kennengelernt hätten und er mich ausgeführt hätte. Ich schloss die kleine Lücke zwischen uns drückte meine Lippen auf seine. Natürlich erwiderte er sofort. Es war kein langer oder intensiver Kuss, aber er war trotzdem schön. "Gute Nacht, Nico.", sagte ich, nachdem ich mich von ihm gelöst und die Tür zu meinem Hotelzimmer geöffnet hatte. "Nacht, Mia.", antwortete er, bevor er mir ein Lächeln schenkte, sich dann umdrehte und Richtung Aufzug ging. Als ich mein Zimmer betrat war ich einfach nur glücklich.   


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